Christel schrieb:
Im Übrigen ist es ein weit verbreiteter Irrtum gerade von fundamentalistischer Seite, die historisch-kritische Methode würde dem Glauben im Wege stehen. Das Gegenteil ist der Fall. Die historisch-kritische Methode ermöglicht es heute vernünftig an Gott zu Glauben, mit Herz und Verstand.
Das glaubst auch nur du - und Professor Andreas Lindemann (siehe oben).
Das glauben nur Menschen, die sich die Fähigkeit einstudiert haben, Glauben über Wissen zu stellen. Die in der Lage sind ihre Urteilskraft wenigstens partiell ausschalten zu können, um bestimmte Glaubensinhalte für wirklich und wahr halten zu können, die bei rationaler Betrachtung absurd sind.
Die moderne Bibel-Exegese zeigt auf, dass die Geschichte Jesu Christi nicht als buchstäbliche Wahrheit behandelt werden kann, sondern als ein wenn auch großer Mythos.
Sie zeigt Ungereimtheiten, und Unstimmigkeiten zwischen den Evangelien auf, welche sie dann auch als Mythen entlarven.
Festgestellt wurde, dass theologische Dichtung und historische Wahrheit geradezu eine Symbiose eingegangen sind; letztlich bleibt ungeklärt was Jesus wirklich sagte und was ihm in den Mund gelegt wurde. Das allermeiste wurde ihm in den Mundgelegt.
Jahrhunderte lang herrschte das "klassische Jesus-Bild" des Erlösers, des Retters, des Gottessohns; entscheidend für die Gläubigen waren Tod und Auferstehung. Die Erzählungen der Evangelisten galten als verlässliche Augenzeugenberichte, die Bibel insgesamt als "Wort Gottes". Wer das bezweifelte, riskierte den Scheiterhaufen. Alles vorbei. Die Vorstellung von Jesus als einem, der lehrte, er sei der Sohn Gottes, der für die Sünden der Menschheit sterben müsse, ist historisch nicht richtig. Das ist das Ergebnis der historisch kritischen Bibel-Exegese.
Eigenartig bleibt, während Millionen Christen weiter von der Kanzel zum buchstabengetreuen Bibelglauben angehalten werden, haben sich die Neutestamentler auf den Kathedern souverän davon gelöst: Bei ihnen gilt es als längst ausgemacht, dass die vier Evangelisten Jesus nicht wirklich gekannt haben, dass ihre Erzählungen äußerlich höchst unpräzise, teils theologisch begründete Verherrlichungen sind. Und auch bei den Wundertaten winken aufgeklärte Bibelkundler ab - ob das Wandeln über den Wassern oder die Speisung der 5000 Menschen, wörtlich zu nehmen brauchen das die Gläubigen nicht mehr.
Es waren weder Fachfremde noch Atheisten, die die gängigen Vorstellungen vom "Messias" umstürzten. Allen voran der spätere Urwald-Doktor Albert Schweitzer und der Neutestamentler Rudolf Bultmann brachten das Bild in diesem Jahrhundert ins Rutschen. Tenor: Wir können über Person und Leben Jesu "so gut wie nichts mehr wissen" - aber die historischen Fakten sind letztlich auch nicht sonderlich wichtig für die Gläubigen. "Entmythologisierung Jesu" nannte Bultmann den Abschied von lieb gewordenen Vorstellungen.
Eugen Drewermann sagt:
„Wenn wir die Bibel symbolisch verstehen, dann hat sie einen tiefen Sinn. Wenn wir sie aber wortwörtlich verstehen, führt das zum Unglauben. Genau das tut die katholische Kirche. Nehmen Sie die Wundergeschichten Jesu' oder den Glauben an die Geburt Jesu' durch eine Jungfrau. Als Gleichnis betrachtet hat beides eine menschliche Kraft. Aber wörtlich genommen, glaubt das heute doch niemand mehr. Trotzdem ist es Lehrmeinung der katholischen Kirche“.
Für den Atheisten Rudolf Augstein blieb im Trümmerhaufen der kritischen Theologie nur noch ein Abziehbild Jesu übrig, das interessant, aber nutzlos ist. Die noch weitergehende Theologie nach dem Tode Gottes, für die er vor allem das Zeugnis der Kölner Theologin Dorothee Solle anruft, entspricht, nach seiner Meinung, nur noch dem Bedürfnis einiger Theologen, die einen theologischen Überbau über ihren eigenen atheistischen Nihilismus suchen.