Gerecht aus Gnade?

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Christel
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Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Heinrich5 hat geschrieben:Hallo Christel, Du schreibst:
Gott vergibt die Schuld, Gott allein. Allein aus Gnade, Barmherzigkeit und Liebe
Dein letzter Satz erinnert mich an das "Viermal Allein" des Reformators Martin Luther:
• Allein Jesus Christus
• Allein die Heilige Schrift
• Allein durch den Glauben
• Allein aus Gnaden

Der Mensch wird allein aus Gnade durch den Glauben an den Erlöser gerechtfertigt.

Jesus sagte:
...doch vergeblich verehren sie mich, weil sie Menschengebote zu ihren Lehren machen,...dann fuhr er fort: Freilich versteht ihr es, das Gebot Gottes aufzuheben, um die euch überlieferten Satzungen festzuhalten.(Mark. 7.7 und 7.9.)

Gerade die katholische Kirche erfüllt doch den Satz: "doch vergeblich verehren sie mich...."

Du schreibst:
Der Himmel ist nicht käuflich zu erwerben!


Früher sagte die Kirche: "Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt"
Das ist vollkommen vergeblich. Unter diesem Motto wurde übrigens der Petersdom in der Vatikanstadt durch die Bistümer ganz Europas finanziert.

Vergeblich nach Martin Luther:
• Ist jedes Rosenkranzgebet
• Ist jedes Ave Maria und die Anrufung von Heiligen
• Sind alle religiösen Handlungen und die Teilnahme an ihnen
• Sind alle Wallfahrten und Ablässe
• Ist das lesen von Messen für Lebende und Verstorbene
• Ist die Vergebung der Sünden durch einen Priester

Alles vergeblich.

Ich hatte mal eine Tante (in BRD West) welche im hohen Alter zu erblinden drohte. Aus Angst davor hat sie Suizid begangen. Weil sie durch diese Todsünde Angst hatte nicht in den Himmel zu kommen, hat sie ihr gesamtes Vermögen (fast eine Million DM) dem katholischen Missionswerk "Miserior" vermacht. Das war eine typische Handlung eines katholischen Christen sich das Himmelreich doch noch für sich zu sichern, zu erkaufen.

Gruß,
Heinrich5
Dieser Beitrag von Heinrich ist für mich Anlass ein neues Thema zu eröffen "Gerecht aus Gnade?"
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Christel
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Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Heinrich,

ja „Gott vergibt die Schuld, Gott allein. Allein aus Gnade, Barmherzigkeit und Liebe“, klingt sehr evangelisch. Tatsächlich habe ich es aber in der kath. Kirche gelernt.

Ich meine, der Unterschied zwischen der evangel. und kath. Kirche, zwischen der heutigen kath. Kirche und Martin Luther ist gar nicht so groß wie viele Zeitgenossen heute denken.

Heute nicht, aber auch früher nicht.

Als erste These möchte ich einen historischer Streit zwischen Dominikanern und Jesuiten benennen. Nachlesen kann man ihn u.a. auf den S. 117-121 in
Lütz, Manfred
Der blockierte Riese
Psycho-Analyse der katholischen Kirche
(Droemer Knaur) ISBN: 978-3-426-77534-9
Paperback, 272 S. - 19,00 x 12,50 cm
8,95 Eur


Es geht um einen Streit im 16. Jh. zwischen Dominikanern und Jesuiten über die Gnadenlehre.

Die Angelegenheit kam vor den Papst, der hatte damit ein Problem:
- Die Jesuiten verlangten die Verurteilung der dominikanischen Gnadenlehre als „calvinistische Irrlehre“. Also eine Verurteilung des Ordens des Hl. Thomas von Aquin und der Inquisition, eine Verurteilung der Theologie des Theologenordens der kath. Kirche.
- Die Dominikaner verlangten ihrerseits die Verurteilung der jesuitischen Gnadenlehre als „pelagianische Irrlehre“. Die Jesusiten waren jedoch die „Elitetruppe“ des Papstes und Motor der Gegenreformation.

Der Papst lies „Gutachten um Gutachten erstellen und berief schließlich eine Kardinalskommission.“ (Lütz) Fast 10 Jahre wurde disputiert unter einem Papst, dann ging es weiter unter seinem Nachfolger, weitere Gutachten, dann fiel die Entscheidung:

[quote]Jahrelange Debatten der Fachgelehrten haben keine Einigkeit darüber ergeben, dass die dominikanische Gnadenlehre eine calvinistische Irrlehre ist. Darum entscheiden Wir: Wer künftig noch die dominikanische Gnadenlehre als calvinistische Irrlehre verurteilt, der ist selbst streng zu verurteilen. Jahrelange Debatten der Fachgelehrten haben keine Einigkeit darüber ergeben, dass die jesuitische Gnadenlehre eine pelagianische Irrlehre ist. Darum entscheiden Wir: Wer künftig noch die jesuitische Gnadenlehre als pelagianische Irrlehre verurteilt, der ist selbst streng zu verurteilen. Wie es sich um die Gnadenlehre letztlich verhält, das wird der Heilige Stuhl zu gegebenem Zeitpunkt mitteilen. Unterschrift. – Diese Mitteilung ist bis heute nicht erfolgt. (Lütz)

Das war 16. Jahrhundert! Die Gnadenlehre ist nichts rein Evangelisches!

LG Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Heinrich5

Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Hallo Christel,

Die vier Sola (Allein) sind aus der Reformation hervorgegangen und gehören zur Basis aller protestantischen-, evangelischen-, und Frei-Kirchen.

Sola scriptura: allein die Schrift ist die Grundlage des christlichen Glaubens (nicht die Tradition - wie in der katholischen Kirche)

Solus Christus: allein Christus (nicht die Kirche) hat Autorität über Gläubige

Sola Gratia: allein durch Gnade Gottes wird der Mensch errettet (nicht wegen seiner eigenen Güte)

Sola fide: allein durch den Glauben wird der Mensch gerechtfertigt (nicht durch gute Werke)

Diese Grundsätze stehen in Beziehungen zueinander. Erst die Vereinigung dieser "solae" führt nach Luthers Auffassung zum durch Gott gegebenen Glauben, der sich durch die Schrift selbst begründet.

Die Auffassung Luthers steht damit konträr zur römisch-katholischen Glaubensgrundlage.

Zwar kommt auch nach katholischer Lehre das Heil des Menschen allein aus der Gnade Gottes um Jesu Christi willen, der entscheidende Unterschied besteht aber darin, dass nach katholischer Lehre der Mensch durch die Gnade Gottes befähigt wird, an seinem Heil mitzuwirken und dadurch auch eine Vermehrung der Gnade sowie ewigen Lohn verdienen kann (vgl. Konzil von Trient, Dekret über die Rechtfertigung, Kanon 32).
Dies ist nach reformatorischer Lehre ausgeschlossen.

Gruß,
Heinrich5
Christel
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Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Es erklärt nicht, wieso dann die dominikanische Gnadenlehre als calvinistischen Gnadenlehre angesehen werden konnte.

Wer einer evangelischen Freikirche beitritt und meint, dort herrscht die große Freiheit, da „frei“ im Namen und „allein die Gnade“, wird sehr enttäuscht sein. Handelt es sich um einen ehemaligen Katholiken hat er eine große Chance festzustellen, dass die Freikirche strenger ist.

Als zwischen der evangelisch-lutherischen Kirche und der kath. Kirche die
GEMEINSAME ERKLÄRUNG ZUR RECHTFERTIGUNGSLEHRE verabschiedet wurde, welche die Einigkeit in Sachen Gnade feststellte, habe ich den Prozess intensiv verfolgt.

Ich war begeistert, dass endlich der Jahrhunderte lange Disput zwischen der evangel. u. kath. Kirche beseitigt ist. Enttäuscht war ich über das geringe Interesse meiner Mittchristen.
Daher dachte ich, es wird wohl alles klar sein – eine zu spät gekommene Wahrheit. Oder doch nicht?

Grüße Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Heinrich5

Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Hallo Christel,

Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche

Auszug aus der Präambel:

………..Es ist darum an der Zeit, Bilanz zu ziehen und die Ergebnisse der Dialoge über die Rechtfertigung in einer Weise zusammenzufassen, die unsere Kirchen in der gebotenen Präzision und Kürze über den Gesamtertrag dieses Dialogs informiert und es ihnen zugleich ermöglicht, sich verbindlich dazu zu äußern

5. Das will diese Gemeinsame Erklärung tun. Sie will zeigen, daß aufgrund des Dialogs die unterzeichnenden lutherischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche nunmehr imstande sind, ein gemeinsames Verständnis unserer Rechtfertigung durch Gottes Gnade im Glauben an Christus zu vertreten. Sie enthält nicht alles, was in jeder der Kirchen über Rechtfertigung gelehrt wird; sie umfaßt aber einen Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre und zeigt, daß die weiterhin unterschiedlichen Entfaltungen nicht länger Anlaß für Lehrverurteilungen sind.

6. Unsere Erklärung ist keine neue und selbständige Darstellung neben den bisherigen Dialogberichten und Dokumenten, erst recht will sie diese nicht ersetzen. Sie bezieht sich vielmehr – wie der Anhang über die Quellen zeigt – auf die genannten Texte und deren Argumentation.

7. Wie die Dialoge selbst so ist auch diese Gemeinsame Erklärung von der Überzeugung getragen, daß eine Überwindung bisheriger Kontroversfragen und Lehrverurteilungen weder die Trennungen und Verurteilungen leicht nimmt, noch die eigene kirchliche Vergangenheit desavouiert. Sie ist jedoch von der Überzeugung bestimmt, daß unseren Kirchen in der Geschichte neue Einsichten zuwachsen und daß sich Entwicklungen vollziehen, die es ihnen nicht nur erlauben, sondern von ihnen zugleich fordern, die trennenden Fragen und Verurteilungen zu überprüfen und in einem neuen Licht zu sehen.

Mein Fazit:

In der gemeinsamen Erklärung hat der Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche einen Kompromiss gefunden (sich also auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt) für ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigungslehre in beiden Konfessionen. Sie enthält nicht alles, was in jeder der Kirchen über Rechtfertigung gelehrt wird; sie umfasst aber einen Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre und zeigt, dass die weiterhin unterschiedlichen Entfaltungen nicht länger Anlass für Lehrverurteilungen sind. Es geht um das Ermöglichen eines Aufeinanderzugehens in der Ökumene.

Die wesentlichen Unterschiede bestehen aber weiter fort.

Gruß,
Heinrich
Christel
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Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Heinrich5 hat geschrieben:Die wesentlichen Unterschiede bestehen aber weiter fort.
Dann wäre man sich nicht einig geworden.

Ich frage, waren die Unterschiede von Anfang an wirklich so groß?
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Heinrich5

Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Hallo Christel,
Sie haben sich nur auf einen Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt.

Die entscheidende Unterschiede zu Martin Luthers vier Sola, besteht darin, dass nach katholischer Lehre der Mensch durch die Gnade Gottes befähigt wird, an seinem Heil mitzuwirken und dadurch auch eine Vermehrung der Gnade sowie ewigen Lohn verdienen kann. Nach Martin Luther ist eine Mitwirkung (was die Tradition der katholischen Kirche ja ausmacht) aber vergebliche Mühe.
Vergeblich nach Martin Luther:
• Ist jedes Rosenkranzgebet
• Ist jedes Ave Maria und die Anrufung von Heiligen
• Sind alle religiösen Handlungen und die Teilnahme an ihnen
• Sind alle Wallfahrten und Ablässe
• Ist das lesen von Messen für Lebende und Verstorbene
• Ist die Vergebung der Sünden durch einen Priester

Gruß,
Heinrich
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Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Heinrich,

so etwas erklärt Welt und Kirche einfach. – Wir sind auf solche Erklärungen angewiesen und wir lieben sie, weil sie unsere Welt übersichtlich macht.

Aber die Realität ist immer komplexer.

Um die Realität einzuschätzen nehmen wir unsere Erfahrungen hinzu.
Deine Erfahrungen mit der kath. Kirche scheinen sich sehr von meinen zu unterscheiden. – Ja, so komplex ist Wirklichkeit!

Im Rahmen von "Theologie im Fernkurs" habe ich vor einigen Jahren eine Arbeit über Ökumene geschrieben. Im Verlauf der Recherche stieg in mir das Gefühl des Betrogenseins empor, betrogen um die Einheit der Kirche.

LG Christel
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Christel
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Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Viele meinen die evangel. Kirche kennt keine Beichte. Doch in Luthers Kleinen Katechismus ist sie enthalten. Auf der Seite der EKD steht sie.Ich habe vor mir ein evangl. Gesangbuch von 1993, auch dort steht es drin:

http://www.ekd.de/bekenntnisse/kleiner_ ... mus_5.html]Evangel. Beichte
Was ist die Beichte?
Die Beichte begreift zwei Stücke in sich: eins, daß man die Sünde bekenne, das andere, daß man die Absolution oder Vergebung vom Beichtiger empfange als von Gott selbst und ja nicht daran zweifle, sondern fest glaube, die Sünden seien dadurch vergeben vor Gott im Himmel. Welche Sünden soll man denn beichten?
Vor Gott soll man sich aller Sünden schuldig bekennen, auch die wir nicht erkennen, wie wir im Vaterunser tun. Aber vor dem Beichtiger sollen wir allein die Sünden bekennen, die wir wissen und fühlen im Herzen.
Welche sind die?
Da siehe deinen Stand an nach den zehn Geboten, ob du Vater, Mutter, Sohn, Tochter bist, in welchem Beruf und Dienst du stehst: ob du ungehorsam, untreu, unfleißig, zornig, zuchtlos, streitsüchtig gewesen bist, ob du jemand Leid getan hast mit Worten oder Werken, ob du gestohlen, etwas versäumt oder Schaden getan hast.
Wie bekennst du deine Sünden vordem Beichtiger?
So kannst du zum Beichtiger sprechen:
Ich bitte, meine Beichte zu hören und mir die Vergebung zuzusprechen um Gottes willen.
Hierauf bekenne dich vor Gott aller Sünden schuldig und sprich vor dem Beichtiger aus, was als besondere Sünde und Schuld auf dir liegt. Deine Beichte kannst du mit den Worten schließen:
Das alles ist mir leid. Ich bitte um Gnade. Ich will mich bessern.
Wie geschieht die Lossprechung (Absolution)?
Der Beichtiger spricht:
Gott sei dir gnädig und stärke deinen Glauben. Amen. Glaubst du auch, daß meine Vergebung Gottes Vergebung ist?
Antwort:
Ja, das glaube ich.
Darauf spricht er:
Wie du glaubst, so geschehe dir.
Und ich, auf Befehl unseres Herrn Jesus Christus, vergebe dir deine Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Gehe hin in Frieden!
Also doch nicht alles egal und Gott vergibt schon...?
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Heinrich5

Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Hallo Christel,

Unter „Homosexualität und Kirche“ gibt es schon Aussagen zur Beichte. Ich will deshalb hier nicht weiter auf die Beichte eingehen.

Bei den Protestanten ist die Beichte kein „Muss“ wie bei den Katholiken.


Alexxxander schrieb:
Die Kirche will aber ihren Einflussbereich erhalten d.h., auf ihre Machtposition in der Gesellschaft nicht verzichten. Wie kann sie das erreichen? Das wirksamste Instrument ist Angst vor Schuld (s. Papst Gregor).
Dabei stellen sich folgende Fragen: Welche Art von Schuldgefühlen machen am besten gefügig? Wie pflanzt man sie ein? Wie dosiert man sie? Mit welchen sozialen Strukturen kann man sie am leichtesten dauerhaft durchsetzen?
Die geniale Idee: Wenn man einem Trieb, dem jeder auf irgendeine Weise nachgehen muss, dem Satan zur Last legt, dann erzeugt man in allen Seelen eine permanente Schuldangst. Schon herrscht man über eine Welt von Sündern. So gelang und gelingt es, in ganzen Völkerschaften das Verbot des geschlechtlichen Begehrens/der sexuellen Lust einzupflanzen. Damit befinden sich die “Sünder“ lebenslang in der Hand der Beichtväter - und damit der Kirche -, denn nur sie können durch Geständnis, Sühne und Verzeihung auch Erleichterung verschaffen.
Heinrich schrieb:
Der Jesuit Alighiero Tondi sagte einmal: "Wie der dogmatische Apparat ein Kerker für den Verstand ist, so ist die Beichte ein Kerker für den ganzen Menschen".
Unter allen Sakramenten gibt es keins, dass so die Aufmerksamkeit der Theologen fand wie die Beichte. Das Bußsakrament kettet mehr wie alle anderen die Gläubigen immer wieder an die Kirche.
Der Jesuit Adolf von Doß schrieb: "Gib Almosen, pflege Kranke, begrabe Tote, faste, wache, bete, quäle dich, kasteie dich, weine dir die Augen blind; nichts von alledem ersetzt die Beichte".

Gruß
Heinrich
Christel
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Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Heinrich5 hat geschrieben:
Unter allen Sakramenten gibt es keins, dass so die Aufmerksamkeit der Theologen fand wie die Beichte. Das Bußsakrament kettet mehr wie alle anderen die Gläubigen immer wieder an die Kirche.
Sicher nicht zentral, sonst könnte die kath. Kirche evangelische Christen nicht als gerechtfertigt bezeichnen. Doch sie stellt genau das fest, nicht nur in der „GEMEINSAMEN ERKLÄRUNG ZUR RECHTFERTIGUNGSLEHRE des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche“ sondern auch in dem Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Außerdem gehen die wenigsten Kirchgänger hier bei uns heute zur Beichte. Es muss also etwas anderes sein, was sie hält.

LG Christel
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Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Christel hat geschrieben:
......sonst könnte die kath. Kirche evangelische Christen nicht als gerechtfertigt bezeichnen.
Es ging doch nicht darum, dass die katholische Kirche die evangelischen Christen als gerechtfertigt bezeichnen kann.
Die vier Sola (Allein) von Martin Luther begründen die protestantische Rechtfertigungslehre. Die Auffassung Luthers steht damit konträr zur römisch-katholischen Glaubensgrundlage.
Also noch einmal, zwar kommt auch nach katholischer Lehre das Heil des Menschen allein aus der Gnade Gottes um Jesu Christi willen, der entscheidende Unterschied besteht aber darin, dass nach katholischer Lehre der Mensch durch die Gnade Gottes befähigt wird, an seinem Heil mitzuwirken und dadurch auch eine Vermehrung der Gnade sowie ewigen Lohn verdienen kann (vgl. Konzil von Trient, Dekret über die Rechtfertigung, Kanon 32).
Dies ist nach reformatorischer Lehre ausgeschlossen. Luther hat die katholischen Christen nicht als gerechtferrtigt angesehen.
Christel
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Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Vorsicht Heinrich, die kath. Kirche ist eine lernende Kirche. Wir leben alle 500 Jahre nach Trient.
Um die heutige kath. Kirche zu beurteilen und zu verstehen ist es notwendig sich die heutigen Lehren anzusehen, denn diese gelten!

GEMEINSAME ERKLÄRUNG ZUR RECHTFERTIGUNGSLEHRE
17. Gemeinsam sind wir der Überzeugung, daß die Botschaft von der Rechtfertigung uns in besonderer Weise auf die Mitte des neutestamentlichen Zeugnisses von Gottes Heilshandeln in Christus verweist: Sie sagt uns, daß wir Sünder unser neues Leben allein der vergebenden und neuschaffenden Barmherzigkeit Gottes verdanken, die wir uns nur schenken lassen und im Glauben empfangen, aber nie – in welcher Form auch immer verdienen können.

19. Wir bekennen gemeinsam, daß der Mensch im Blick auf sein Heil völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Die Freiheit, die er gegenüber den Menschen und den Dingen der Welt besitzt, ist keine Freiheit auf sein Heil hin. Das heißt, als Sünder steht er unter dem Gericht Gottes und ist unfähig, sich von sich aus Gott um Rettung zuzuwenden oder seine Rechtfertigung vor Gott zu verdienen oder mit eigener Kraft sein Heil zu erreichen. Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade. Weil Katholiken und Lutheraner das gemeinsam bekennen, darum gilt:

20. Wenn Katholiken sagen, daß der Mensch bei der Vorbereitung auf die Rechtfertigung und deren Annahme durch seine Zustimmung zu Gottes rechtfertigendem Handeln „mitwirke“, so sehen sie in solch personaler Zustimmung selbst eine Wirkung der Gnade und kein Tun des Menschen aus eigenen Kräften.

21. Nach lutherischer Auffassung ist der Mensch unfähig, bei seiner Errettung mitzuwirken, weil er sich als Sünder aktiv Gott und seinem rettenden Handeln widersetzt. Lutheraner verneinen nicht, daß der Mensch das Wirken der Gnade ablehnen kann. Wenn sie betonen, daß der Mensch die Rechtfertigung nur empfangen kann (mere passive), so verneinen sie damit jede Möglichkeit eines eigenen Beitrags des Menschen zu seiner Rechtfertigung, nicht aber sein volles personales Beteiligtsein im Glauben, das vom Wort Gottes selbst gewirkt wird [vgl. Quellen zu Kap. 4.1.].
Der Unterschied zwischen beiden besteht lediglich in der größeren Freiheit des Menschen nach kath. Verständnis.
Dieser Unterschied ist nicht größer als der zwischen Dominikanern und Jesuiten, doch beide sind katholisch!
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Heinrich5

Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Hallo Christel,
Die von Dir angeführten Argumente (Punkt 17 bis 21) sind in meinen Augen nichts anderes als sogenannte "Jesuitische Spiegelfechtereien".
Die protestantischen Kirchen sind heute auch weit entfernt von der ursprünglichen Lehre Martin Luthers. Mit Martin Luther hätte es keine "Gemeinsame Erklärung zu Rechtfertigungslehre " gegeben.
Die heutigen liberalen protestantischen Kirchen verstehen die Bibel nicht als das verbindliche Wort Gottes. Mit einer Inspiration der Bibel durch den Heiligen Geist und mit Gottes Wirken bei ihrer Entstehung wird, anders als bei Martin Luther, nicht gerechnet. Die Bibel ist, nach Ansicht der liberalen Protestanten in wesentlichen Teilen menschlich, zeitbedingt und überholt. Nicht der Zeitgeist wird anhand der Bibel beurteilt, sondern umgekehrt wird die Bibel anhand des Zeitgeistes beurteilt. Die Liberalen dominieren und prägen die evangelischen Landeskirchen. Luther würde sich im Grabe umdrehen, wie man so sagt. Da ist es kein Wunder, dass die katholische und die protestantische Kirche zu gemeinsamen Erklärungen finden kann.

Das Ausgangsthema war aber die Rechtfertigungslehre von Martin Luther und nicht, was heute die Protestanten und Katholiken davon halten und wie sie in gemeinsamen Erklärungen die Unterschiede zu verwischen suchen. Darin haben beide Kirchen allerdings sehr viel gelernt.
Christel
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Re: Gerecht aus Gnade?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Heinrich5 hat geschrieben:Das Ausgangsthema war aber die Rechtfertigungslehre von Martin Luther und nicht, was heute die Protestanten und Katholiken davon halten und wie sie in gemeinsamen Erklärungen die Unterschiede zu verwischen suchen. Darin haben beide Kirchen allerdings sehr viel gelernt.
Ausgangspunkt war meine eigene Aussage: „Gott vergibt die Schuld, Gott allein. Allein aus Gnade, Barmherzigkeit und Liebe.“
Das erinnerte Dich an Martin Luther:
Dein letzter Satz erinnert mich an das "Viermal Allein" des Reformators Martin Luther:
• Allein Jesus Christus
• Allein die Heilige Schrift
• Allein durch den Glauben
• Allein aus Gnaden
...
Doch ich bin katholisch!!!

Also, lieber Heinrich, wir sind genau beim Thema!

Es gibt auch heute evangelische Gemeinschaften, welche die GEMEINSAME ERKLÄRUNG ZUR RECHTFERTIGUNGSLEHRE ablehnen. Sind sie im Recht?

Es scheint kein einfaches Thema zu sein. Daher setzte ich hinter dem Thema ganz bewußt ein Fragezeichen. Ich setze das Fragezeichen, obwohl doch meine Auffassung recht lutherisch klingt. Oder bist Du inzwischen anderer Meinung?

Es war evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, der in seinem Werk „Nachfolge“ schrieb: „Das Wort von der billigen Gnade hat mehr Christen zugrunde gerichtet als irgendein Gebot der Werke." (Bonhoeffer, Dietrich: Werke Bd. 4. - 2.Aufl. 1994, S.42)

LG Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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