Die Macht der Verführung

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niels
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

D.h. zum Beispiel das Auge muß nicht immer perfekter und schärfer werden. Wird es in einer dunklen Umgebung nicht gebraucht, bildet es sich zurück. Die Entwicklung schreitet weiter, aber das Auge wird davon nicht besser sondern schlechter. (Dies meinte ich als ich sagte, es bedeutet nicht „Fortschritt“)
Das ist falsch, denn ein (unnötig) schärferes Auge hat auch gewichtige Nachteile - z.B. höherer Energie- und Ressourcenverbrauch (wobei hier eine Vielzahl Ressourcen einspielen - z.B. auch die für den Aufbau notwendige Speicherkapazität in der Erbsubstanz), höhere Defektanfälligkeit etc. Das z.B. aus Technik und Wissenschaft bekannte Konzept "keep it simple" ist auch der Natur bekannt bzw. von dieser "abgeschaut". Demnach ist auch das Vereinfachen einer Struktur ohne Verlust der gewünschten Eigenschaften ein Fortschritt.
Ich schätze, dass die Rolle der Selektion überschätzt wird. Es gibt sehr alte Lebewesen Einzeller, Echsen... die Säugetiere sind jünger, dennoch sind die älteren Arten nicht ausgestorben. Auch Neandertaler und „Jetztmensch“ leben nicht nacheinander, sondern lange parallel. – Es scheint so, dass zwar immer Arten aussterben, aber das durch Evolution eher Vielfalt entsteht.
Selektion ist nur ein Teil des Prinzips der Evolution - ihr entgegen wirkt die Überproduktion (auch in Artenvielfalt). Erst durch die laufende Veränderung der Produkte entsteht so "Fortschritt". Man tut also gut daran, keinen dieser Vorgänge über- oder unterzubewerten, denn alle sind wichtig.
Es ist ja in der Natur nicht so, dass alle Konkurrenten sind, sondern dass eines vom anderen lebt und abhängig ist. Auch der Mensch ist abhängig von der Natur. Daher ist es vernünftig, dass er sie schützt. – Intergenerative Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit – Geschwisterlichkeit, Nächstenliebe ... alles Gründe es zu tun.
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

nur noch kurz - mehr später:
PS: Deine Texte über Bewußtsein habe ich aufmerksam gelesen. – Habe mir noch ein weiteres Buch über Gnosis bestellt. Mal sehen, ob ich dort ähnliche Thesen finde... – Ich interessiere mich für solche Sachen, nehme sie aufmerksam wahr, auch wenn ich nicht alles kommentiere. - Aber ich werde niemals ein Anhänger dieser Theorien werden.
In meinen Darlegungen reflektiere ich (zumindest versuche ich es) hauptsächlich meine rein persönliche Sicht auf die Dinge. Ich zitiere auch nur sehr selten aus irgendwelchen Büchern oder Arbeiten, weil ich dazu bisher kaum bzw. keine mit meiner Sicht korrelierenden Schriften gefunden habe.

Ich bin demnach nicht "Anhänger" der Idee, sondern sie spiegelt meinen derzeitigen Erfahrungshorizont, der sich (hoffentlich) stetig fortentwickelt. Neue Erkenntnisse und Erfahrungen gehören ebenso dazu wie auch das Verwerfen überholter Ideen. Mir läge auch nichts daran, mich selbst durch weitere - vielleucht gar persönliche - "Anhängerschaft" zu bestätigen. "Anhänger" haben leider immer einen etwas blinderen Standpukt zur betr. Theorie als der betr. "Theoretiker" - viel interessanter finde ich dagegen "Kommunikationspartner", mit denen man das seltene Glück findet (echten) "Erfahrungsaustausch" betreiben zu können - wobei ein jeder seines "eigenen Weges zieht". Bedingungen - auch in der Kommunikation - erfolgen immer gegenseitig und beeinflussen damit indirekt den weiteren Weg beider.

Ich hoffe Du hast soweit kein Problem damit...
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

aktuell passend zum Thema "Moral" und Wissenschaft":

In England ist letzte / diese Woche der wohl wichtigste wissenschaftliche Berater der Regierung zum Thema Betäubungsmittel / Drogen zurückgetreten, der mit einer wissenschaftlichen Ausarbeitung als Basis für die neue Drogenpolitik der Regierung öffentlich beauftragt / berufen war.

In seiner Begründung sagt er (in etwa):
"Die Regierung handelt unehrlich, weil sie die Fragen zum Drogenproblem allein moralisch bewertet - nicht aber gemäß dem heutigen wissenschaftlichen Stand".

Die Sache spitzte sich zu, als der neue Premie öffentlich behauptet hatte: "Canabis ist geführlich und kann sogar zum Tode führen". Daraufhin hatte der Wissenschaftler und Medizinprofessor erwidert: "Die Chance durch das Besteigen eines Pferdes zu sterben sei erheblich höher als durch den Konsum von Canabis oder gar Extacy"...

Der Professor - wie auch seine mitarbeitenden Kollegen - hatten in einem umfangreichen Gutachten festgestellt, das die von Tabak und Alkohol ausgehenden Gefahren nicht weniger seien als die von vielen nicht legalen Drogen. Sie stellten fest, das das bisherige Betäubungsmittelgesetz nicht mehr aktuellen wissenschaftlichen Erkentnissen entspräche bzw. sogar zuwider liefe. Deshalb empfahlen sie, die Drogenpolitik entsprechend neu zu ordnen und auf ein wissenschaftliches Fundament zu bringen - nur mit einem solchen "ehrlichen" Gesetz - zusammen mit einer "ehrlichen Aufklärung" der Bürger - könne man auch in der Realität effizient handeln. Die Regierung verwarf daraufhin alle Arbeiten der zuständigen Wissenschaftler.

"Wir brauchen - das gilt vor allem für Gesetze wie das Betäubungsmittelgesetz - eine wissenschaftliche Grundlage und solche Gesetze sollten immer auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet werden - nicht auf moralischen Vorstellungen, deren Inhalt auf veralteten, heute widerlegten Annahmen basiert..." Die aktuelle Regierung hört nicht auf die einhelligen Meinungen und Forderungen der anerkannten / zuständigen Wissenschaftler, orientiert sich stattdessen am Populismus.

---

Neben dem BTM finden sich - auch in Deutschland - immer noch eine Vielzahl Gesetze (z.B. in der Sozialgesetzgebung), die auf teils veralteten Moralvorstellungen basieren (gleich ob die Moral nun aus Religion o.ä. Weltanschauung resultierte). Allerdings hat sich in den letzten 100 Jahren bereits einiges in unserem Strafrecht getan und (zum Glück) erfahren unsere Gesetze immer stärker eine wissenschaftliche Grundlage. Wer wollte ernsthaft behaupten, die Gesetze vor 100 Jahren wären besser, weil "moralischer". Die Moral läuft demnach der Wissenschaft nicht hinterher, sie hinkt vielmehr...
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Christel hat geschrieben:Du wolltest wissen, was ich unter Ernst nehmen verstehe.
Christel hat geschrieben:Ich habe nichts gegen Natur-(Wissenschaft und Technik. Sie sind unbestritten wichtig. Aber ich halte sie nicht in der Lage allein die Probleme zu lösen.
OK,
Kommando zurück - hiermit kommen wir uns schon merklich näher. Wissenschaft ist lediglich ein Werkzeug, mit Hilfe dessen wir immer wieder neue Probleme lösen können - aber ebenso auch überhaupt viele Probleme erkennen können. Ohne Wissenschaft hätten wir heute also weniger Probleme, dafür aber umso heftigere (z.B. Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten).

Ob, welche und wie wir Probleme lösen, liegt allein an uns und unserem Verstand...
Ein Mensch hat nur eine kurze Lebensspanne (hier auf Erden). Jede Theorie, die eine lichte Zukunft anbietet und bei der Verwirklichung dieser Ziele, die der konkreten sterblichen Menschen dafür einspannt ohne Rücksicht auf deren aktuelle Bedürfnisse verzweckt den Menschen.

Ja - das sehe ich ebenso und erkenne darin ein wichtiges Problem der meisten heutigen Religionen (wie sie weithin gelebt und praktiziert werden). Sie versprechen Privilegien für eine Zukunft NACH dem irdischen Leben. Ein wirklich selbstloser Mensch z.B. hat kein Interesse an irgendwelchen persönlichen Privilegien, während Egoisten darin oft eine große Faszination darin finden. Gerade theistische Religionen "verzwecken" den Menschen gern als "Diener" o.ä. eines höheren Wesens, dessem Gunst sie letztendlich ausgeliefert bleiben - egal ob dieser nun gütig sei oder nicht.

Meine beschriebene Weltsicht passt hierauf nicht. Vergangenheit, Jetzt und Zukunft sind zwar eng miteinander verwebte Dinge - das bewusste Sein hat seinen Fokus vorrangig (aber nicht allein) im Jetzt. Die Zukunft wird nur insofern betrachtet, wie es zu erwartende Folgen des aktuellen persönlichen Handelns betrifft - damit für die Bewertung das Handeln im jetzigen Sein - notwendig bzw. hilfreich ist.
Sieht ihn gar nicht mit seinen aktuellen Bedürfnissen in diesem bißchen Leben, nimmt den Menschen nicht ernst.
Wie bereits geschrieben - eigene Bedürfnisse sind ebensowichtig wie die der eigenen Art bzw. des Lebens allgemein. Jeweils immer neu die "rechte Mitte" zu finden beschreibt den Idealfall. Allerdings fällt es offenbar vielen Menschen schwer, allein schon eigene Bedürfnisse halbwegs zu konkretisieren und von "unnützen" Dingen (Wünschen) zu unterscheiden - also die Mitte zu finden. Nicht alles gut Gemeinte ist auch nützlich - gegen andere wie auch gegen sich selbst.
Dir sagt sicher der kategorische Imperativ von Immanuel Kants etwas:
Ja,
ich kenne Kant wie auch den KI - kann aber wirklich nichts mit seiner Arbeit anfangen und halte ihn für überbewertet, auch wenn er in seiner "Branche" sicher hochgefeiert wird und jeder Philosophie-Student heute mit ihm durchs Grundstudium geht.

Wenn man will, kann man aus der Natur beliebige - scheinbare wie reale - Zusammenhänge aufgreifen und in ebenso hochgestochene wie nichtssagende Abstraktionen "destillieren", was umso leichter zu fallen scheint, desto geringer das naturwissenschaftliche Allgemeinwissen ausfällt. Auch wenn das Resultat für manchen schön klingt - hilfreich ist das selten, denn aus derartigen Annahmen gezogene Schlüsse haben meist ebensowenig "Substanz". Auch deshalb befasst sich Philosophie vorrangig mit Erscheinungen - nicht aber dem Dahinter - der Ursache, womit alle Erkenntnisse in ihrem Erfahrungswert oberflächlich bleiben.

Die m.E. nach "besten" Philosophen waren keine, sondern Naturwissenschaftler oder auch Historiker, die ihre Schlüsse auf "fundierten" Fakten bauen.
Demnach hat jeder Mensch dieses „Wissen“. – Das ist auch der Ausgangspunkt von Zimbardo (obgleich er Kant nicht erwähnt).
Dies ist ein gutes Beispiel:
Was Kant als KI beschreibt, sieht die Naturwissenschaft in der Kombination aus Gene (die "biologische Erbsubstanz" bzw. "Erbmaterie" als Träger) und Mneme (Prägung durch die Umwelt, Erziehung uvm.) eines Lebewesens als Träger von Erbinformation.
Es ist nur so, dass Menschen im konkreten Fall davon Abstriche machen
Nein,
Kant hat Unrecht (nur ein weiteres Beispiel, das man nicht so einfach derart Schlüsse ziehen kann). Die mnemetische Prägung z.B. kann sehr verschieden ausfallen, aber auch genetische Faktoren haben Einfluß auf das Verhalten (z.B. Aggressionspoptentiale usw.).

Da die Prägung das ganze Leben lang erfolgt, kann ein Mensch auch "umlernen" bzw. sein Verhalten ändern.
Ob intellektuelle Bildung dabei hilft?
Nicht zwingend,
Es kommt auf die Definition von "Intelligenz" an. Selbst wenn man Intelligenz als ein Produkt aus Wissensmenge und Kombinationsleistung versteht, beschreibt dies nicht um welche "Arten" Wissen es sich handelt.

"Einfache Menschen" müssen nicht zwingend "dümmer" oder "weniger intelligent" sein. Unsere Gesellschaft legt heute fest, welches Wissen welchen "Wert" darstellt, wovon auch unsere Vorstellungen zu "Intelligenz" gefärbt werden. Z.B. wird soziale Intelligenz scheint häufig niedriger bewertet oder gewichtet.

Demnach könnte / müsste man zwischen min. zwei Arten "Intelligenz" unterscheiden - z.B. der "abstrakten Intelligenz" (wie sie auch messbar ist) und der "individualen Intelligenz", die sich heute allerdings kaum geeignet bestimmen ließe.
Im Spiel habe ich vom Volk immer mehr Abgaben gefordert. Ich wollte wissen wie weit ich gehen kann. Das „blöde Volk“ wehrte sich nicht. – Später sagte das „Volk“ , sie hätten das gemein gefunden.
I.d.R. kannst Du soweit gehen, wie Du das Vertrauen Deines Volkes genießt, das Du im Interesse des Volkes handelst. Je "einleuchtender" Du die Notwendigkeit der Abgaben ans Volk kommunizierst, desto bereitwilliger wird es die Abgaben leisten. Ob das Wohlergehen tatsächlich Dein Ziel ist, spielt nahezu keine Rolle - solange das nicht ebenfalls kommuniziert wird (wie bei Dir hinterher).

Die Menschen erinnern mich immer wieder an Schafe. Warum laufen die immer dem Schäfer hinterher, obgleich er alle Jahre Lämmer und Altschafe schlachtet? Es ist wohl eine Mischung aus Angst vor dem Hütehund wie aus Vertrauen in den Schäfer und den Leithammel der eigenen Artgenossen.

Oft gehen Angst und Vertrauen Hand in Hand und zuweilen sogar ineinander über. Es ist dann unklar, ob man dem Schäfer, dem Hund oder dem Hammel aus Angst oder aus Vertrauen folgt, das man ihm folgt steht dagegen fest.

Ohne Schäfer wäre es allein der Leithammel. Der genießt das Vetrauen hautsächlich weil er "bewiesenermaßen" als "stark" gilt. Wofür bzw. gegen wen er seine Stärke einsetzt, spielt eine untergeordnete Rolle.
Wir hätten die Geschichte auch anders spielen können, entsprechend unserer ethischen Überzeugungen, die wir am Morgen kundgetan hatten – haben wir aber nicht.
Das wäre dann wahrscheinlich schnell langweilig geworden... ;)
Deine Texte über Bewußtsein habe ich aufmerksam gelesen. – Habe mir noch ein weiteres Buch über Gnosis bestellt. Mal sehen, ob ich dort ähnliche Thesen finde...
Das würde mich recht wundern und überraschen.

Freuen würde es mich vor allem, weil erst mit einer Redefinition dieses wichtigen Begriffes die Basis zur Klärung vieler noch bis heute offenen - vor allem naturwissenschaftlichen - Fragen möglich würde.
Ich interessiere mich für solche Sachen, nehme sie aufmerksam wahr, auch wenn ich nicht alles kommentiere. - Aber ich werde niemals ein Anhänger dieser Theorien werden.
Ich bin sicher kein Missionar - deshalb suche oder brauche ich auch keine Anhänger.

Wenn allein nur Teile der Ideen manch anderem Menschen bei der Lösung seiner Fragen oder/und seinem Weg helfen können, würde mich das freuen. Wenn nicht, ist das auch OK.

Wir alle können nur insofern selbst tiefere Erfahrungen durch andere machen, wie wir uns öffnen und zum Abgeben bereit sind.
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

hallo Christel:

Übrigens gab es vor ein paar Wochen im ARD oder auf Phönix eine Ausgabe des "Wissenschaftsforum" mit Naturwissenschaftlern und Theologen im Diskurs. Thema der letzten Ausgabe war wohl: Darwin und was von ihm übrig ist... (o.ä.)

Interessanterweise fand ich die Stellungnahmen des Theologen recht bemerkenswert.

Der Theologieprofessor sagte, die Kirche habe überhaupt nichts gegen die Evolutionstheorie - im Gegenteil. Sie sieht sie als gegeben an. An den "Lego-Gott der Bibel glaube heute kein Theologe mehr - das wäre Kreationismus. "Natürlich" sind auch Geschichten wie "Christi Himmelfahrt" fern der Realität. Allerdings, so fügte er hinzu, bemängeln viele Katholiken, das diese "moderne" Theologie ihnen "zu wenig" sei, weshalb moderne Theologen nicht für die Masse der Gläubigen sprechen.

Das verstehe ich nicht ganz. Heißt das, das es demzufolge mehrere Level / Ebenen des Glaubens gibt, deren höchste Form das Wissen ist bzw. die selben Ziele wie die Wissenschaft verfolgt? Demnach sind Christkind, Jesus' Himmelfahrt & Co. eine Art "Kinderkram" für einfache Gemüter, die lediglich die Wichtigkeit der eigentlichen "Message" unterstreichen sollen?

Der Wissenschaftler bemerkte, Religion sei schlicht Teil des Evolutionsprozesses. Als einheitliches Wertemodell einer Gruppierung (Volk) - also "Moral" - boten Religionen einen evolutionären Vorteil für die Betreffenden im Selektionsprozess und resultierten in besseren Chancen für Religiöse. Allerdings gilt dies - wie jeder Vorteil - auch nur für eine begrenzte Zeit / für eine mehr oder weniger konkrete Situation. Demnach wird auch jede Religion irgendwann von der Evolution ein- und überholt. Wann hängt davon ab, wie flexibel die Religion / das Wertemodell auf neue Einflüsse reagieren kann.

Moderne Theologen sehen übrigens die Bestätigung für Gott im Kräfteverhältnis unserer 4 Urkräfte. Nur in diesem extrem exakten Verhältnis war überhaupt die Entstehung unseres Universums - ja sogar unseres Sonnensystems und unseres Lebens - möglich (was auch die Wissenschaft heute so sieht). Ich aber nehme an, das hier der Schwanz mit dem Hund wackelt. Eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse hätte zwar nicht unsere, dafür eine andere - für uns bisher nicht fassbare - Form des Seins zur Folge, die aber nicht weniger komplex oder intensiv sein muß als unsere.

Der Mensch sucht unbewusst die Bestätigung seiner selbst durch seine Umwelt.

Schon als Urmensch war der Mensch auf logisches Erkennen von Zusammenhängen / Prinzipien in der Natur angewiesen - wie auch viele andere Lebewesen. Seine recht intensive Gefühlswelt treibt ihn zu immer neuen Erkenntnisprozessen an - wird ihm aber auch immer mehr zur Last (z.B. entstehen für ihn auch dort scheinbar "Zusammenhänge" wo es sie nicht gibt). Evolutionär hat alls seine Vor- und Nachteile.


Cheers,


Niels.

(so, jetzt bist Du erstmal wieder dran ;)
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Niels, Drogen wäre ein eigenes Thema. Ich weiß, dass Canabis als Medikament eingesetzt werden könnte evtl. anstelle anderer Medikamente... Ansonsten bin ich nicht für solche Dinge, zudröhnen ist für mich das Gegenteil von bewusst handeln. Und ich weiß von einem jungen Mann ..., er ist jetzt in der Psychatrie ...
niels hat geschrieben:Ja - das sehe ich ebenso und erkenne darin ein wichtiges Problem der meisten heutigen Religionen (wie sie weithin gelebt und praktiziert werden). Sie versprechen Privilegien für eine Zukunft NACH dem irdischen Leben. Ein wirklich selbstloser Mensch z.B. hat kein Interesse an irgendwelchen persönlichen Privilegien, während Egoisten darin oft eine große Faszination darin finden. Gerade theistische Religionen "verzwecken" den Menschen gern als "Diener" o.ä. eines höheren Wesens, dessem Gunst sie letztendlich ausgeliefert bleiben - egal ob dieser nun gütig sei oder nicht.
Ja, dieses Problem besteht in der Praxis tatsächlich, insbesondere wenn die Gegenwart dabei an Wert verliert. Aber was heißt schon selbstlos? Kann man nicht so jedes Handeln hinterfragen? Wenn Gutes und Notwendiges geschieht, ist das nicht die Hauptsache? Sind da nicht die Motive nebensächlich? Auf die „jenseitige Karte“ zu setzen, dafür jetzt Nachteile ... hinnehmen zu müssen, bleibt immer ein Wagnis. Vielleicht hätte Gott vielmehr Anhänger, wenn es die Egoisten genau wüßten? Ist es da nicht bequemer so zu leben, als wenn es Gott nicht gäbe und dann auf seine Barmherzigkeit zu setzen? – (Auf die billige Gnade, wie Dietrich Bonhoeffer es nannte, siehe z.B. http://www.kirche-in-elbe.de/predigt/di ... oeffer.htm)
niels hat geschrieben:Meine beschriebene Weltsicht passt hierauf nicht. Vergangenheit, Jetzt und Zukunft sind zwar eng miteinander verwebte Dinge - das bewusste Sein hat seinen Fokus vorrangig (aber nicht allein) im Jetzt. Die Zukunft wird nur insofern betrachtet, wie es zu erwartende Folgen des aktuellen persönlichen Handelns betrifft - damit für die Bewertung das Handeln im jetzigen Sein - notwendig bzw. hilfreich ist.
Ganz auf die Gegenwart gerichtet kann handeln auch verzweckt sein ohne wenn und aber!

Wußtest Du, dass das Judentum früher eine ausschließliche Gegenwartsreligion war? Noch zu Jesu irdischen Tagen war das nicht viel anders.
Was von Gott erhofft und erwartet wurde, war ganz auf diese Welt gerichtet. Abraham hoffte auf Land und viele Nachkommen, nicht auf ein Jenseits.
Gott forderte Gerechtigkeit, siehe z.B. 10 Gebote, Sinn und Ziel stehen am Anfang „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ (Ex. 20,2)
Oder:
Gerichtsrede gegen Jerusalem
9 Horcht! Der Herr ruft der Stadt zu: / [Klug ist es, deinen Namen zu fürchten.] / Hört, ihr Bürger und Räte der Stadt!
10 Kann ich die ungerecht erworbenen Schätze vergessen, / du Haus voller Unrecht, / und das geschrumpfte Maß, das verfluchte?
11 Soll ich die gefälschte Waage ungestraft lassen / und den Beutel mit den falschen Gewichten?
12 Ja, die Reichen in der Stadt / kennen nichts als Gewalttat, ihre Einwohner belügen einander, / jedes Wort, das sie sagen, ist Betrug.
http://alt.bibelwerk.de/bibel/?kbw_ID=53864211&
Das „Reich Gottes“, Jesu Zentralbotschaft ist weder rein jenseitig, noch nur „in uns“, wie heute gern übersetzt wird.
Wo Gottes Wille geschieht ist das Reich Gottes. Ich habe das Reich Gottes hier und jetzt schon lange für mich entdeckt. – Aber am Grab eines Kindes reicht das nicht. Das Reich Gottes ist noch nicht in Vollendung gegenwärtig. Es besteht die Spannung zwischen jetzt schon und noch nicht.
niels hat geschrieben:Der Theologieprofessor sagte, die Kirche habe überhaupt nichts gegen die Evolutionstheorie - im Gegenteil. Sie sieht sie als gegeben an. An den "Lego-Gott der Bibel glaube heute kein Theologe mehr - das wäre Kreationismus. "Natürlich" sind auch Geschichten wie "Christi Himmelfahrt" fern der Realität. Allerdings, so fügte er hinzu, bemängeln viele Katholiken, das diese "moderne" Theologie ihnen "zu wenig" sei, weshalb moderne Theologen nicht für die Masse der Gläubigen sprechen.
Das ist ja sehr salopp formuliert. Wie hieß denn dieser Thologieprozessor?
Ja, es stimmt die Kirchen haben nichts gegen die Evolutionstheorie. Ich hatte das an anderer Stelle bereits geschrieben. Kreationismus kommt aus meiner Sicht überwiegend aus Amerika.
Jeder würde es wohl für völlig abgefahren ansehen, würde man Goethes „Osterspaziergang“ als einen naturwissenschaftlichen Bericht ansehen. Mit dem Gedicht am Anfang der Bibel wird es aber getan. Als wenn dass nicht reicht, wird die darauffolgende Erzählung, die einen ganz anderen Ablauf des Schöpfungshergangs beschreibt mit dem Gedicht harmonisiert ...- Die moderne Theologie hilft dabei es zu verstehen und richtig einzuordnen. Was sie dabei zu erzählen hat, finde ich viel spannender als der ewige Streit zwischen Kreationisten und Evolutionisten.
niels hat geschrieben:Das verstehe ich nicht ganz. Heißt das, das es demzufolge mehrere Level / Ebenen des Glaubens gibt, deren höchste Form das Wissen ist bzw. die selben Ziele wie die Wissenschaft verfolgt? Demnach sind Christkind, Jesus' Himmelfahrt & Co. eine Art "Kinderkram" für einfache Gemüter, die lediglich die Wichtigkeit der eigentlichen "Message" unterstreichen sollen?
Nein, ganz sicher nicht! Manfred Lütz bringt es in seinen humorvoll geschriebenen Büchlein „Gott - Eine kleine Geschichte des Größten“ (2009. - 978-3-426-78164-7 - € 9,95) sehr gut auf den Punkt. Die Theologie brauchen die, die sich schwerer tun mit dem Glauben an Gott, als das alte Mütterlein, das glaubt, in die Kirche geht, betet, für Familie und Nachbarn sorgt und einfach gut ist.
»Gott sei Dank, Gott existiert nicht. Wenn aber, was Gott verhüten möge, Gott doch existiert?« Unter der Feder von Bestsellerautor Manfred Lütz wird aus der Frage nach Gott ein spannendes Lesevergnügen, das aufgeklärte Skeptiker wie nachdenkliche Gläubige gleichermaßen bereichert und klüger macht. Immer wieder unterbricht Lütz seine eigensinnige Reflexion mit hinreißenden Geschichten über Menschen, die es mit dem lieben Gott aufnahmen. Und er nimmt Elton Johns Auftritt auf der Trauerfeier für Lady Di ebenso unter die Lupe wie die Argumente »der besten Atheisten der Welt« oder die Debatten um Evolutionstheorie und Hirnforschung. Nach der Lektüre legt man ein reiches, kluges Buch aus der Hand ? und fühlt sich bestens unterhalten. Mit Gott.
http://www.buchhandel.de/detailansicht. ... 26-78164-7
Ich denke, dass vielfach das, was an der Uni gelehrt wird noch nicht angekommen ist beim Kirchenvolk.
Der Theologe im Fernsehen >>fügte er hinzu, bemängeln viele Katholiken, das diese "moderne" Theologie ihnen "zu wenig" sei, weshalb moderne Theologen nicht für die Masse der Gläubigen sprechen. <<

Das ist sein Job, dass zu vermitteln! Wenn er‘s nicht kann ist er fehl am Platz. Und was soll heißen >>Geschichten wie "Christi Himmelfahrt" seinen fern der Realität<<?
Es gibt einen Befund, der steht in der Bibel:
Der erste Brief an die Korinther, Kapitel 15,1ff
Ich erinnere euch, Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht.
2 Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe. Oder habt ihr den Glauben vielleicht unüberlegt angenommen?
3 Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, / gemäß der Schrift,
4 und ist begraben worden. / Er ist am dritten Tag auferweckt worden, / gemäß der Schrift,
5 und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. ...
Jesus ist gestorben, auferstanden und erschienen und er ist beim Vater (Gott). Alles andere ist Interpretation.
Wie gesagt, die moderne hist.-krith. Theologie kann helfen die biblischen Bilder zu deuten und zu verstehen.
niels hat geschrieben:Der Wissenschaftler bemerkte, Religion sei schlicht Teil des Evolutionsprozesses. Als einheitliches Wertemodell einer Gruppierung (Volk) - also "Moral" - boten Religionen einen evolutionären Vorteil für die Betreffenden im Selektionsprozess und resultierten in besseren Chancen für Religiöse. Allerdings gilt dies - wie jeder Vorteil - auch nur für eine begrenzte Zeit / für eine mehr oder weniger konkrete Situation. Demnach wird auch jede Religion irgendwann von der Evolution ein- und überholt. Wann hängt davon ab, wie flexibel die Religion / das Wertemodell auf neue Einflüsse reagieren kann.
Das ist eine atheistische weltanschauliche Interpretation.

Vergangenes Jahr las ich Hitlers Weltanschuung nach, er hat diese Position auch schon vertreten.

In der DDR wurde gelehrt, der Glaube sei bereits überholt, da Bestandteil des Überbaus einer überholten Gesellschaftsordnung. – Nun, das ist inzwischen auch überholt.
niels hat geschrieben:Moderne Theologen sehen übrigens die Bestätigung für Gott im Kräfteverhältnis unserer 4 Urkräfte. Nur in diesem extrem exakten Verhältnis war überhaupt die Entstehung unseres Universums - ja sogar unseres Sonnensystems und unseres Lebens - möglich (was auch die Wissenschaft heute so sieht). Ich aber nehme an, das hier der Schwanz mit dem Hund wackelt. Eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse hätte zwar nicht unsere, dafür eine andere - für uns bisher nicht fassbare - Form des Seins zur Folge, die aber nicht weniger komplex oder intensiv sein muß als unsere.
Das verstehe ich jetzt nicht.

LG Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Hallo Christel,

mir ging es im Posting nicht um die Drogendebatte - lediglich um eines von vielen (ähnlichen) Beispielen. Übrigens - vielleicht gerade durch unsere Diskussion ist mir aufgefallen, das das Wort "Moral" bzw. "moralische Werte" oder gar "moralisches Verlangen" besonders in solchen "Gesellschaften" häufig auftaucht, wo sich Gesellschaften - sagen wir mal "überdurchschnittlich" mit "Problemen" konfronitiert sehen.

Was versteht Du unter "verzwecken"? Alles Denken und Handeln hat irgendwo irgendwie einen (meinetwegen auch "guten" oder "bösen") Zweck - andernfalls ist es Ressourcenverschwendung. Allerdings muß Ziel und Zweck zu Beginn des Denkens oder Handelns noch lange nicht in Aussicht stehen oder gar klar sein - hier können Menschen (wie viele Säugetiere) jedoch aktiv "Gefühle" einbringen und so z.B. "nach dem Bauch" handeln / denken. Natürlich ist nicht jedes Handeln / Denken direkt erfolgreich - aber schon der Lerneffekt kann Erfolg sein
.
Z.B. hörte man das Wort "Moral" von J.W. Bush und Konsorten nicht seltener als von so manch einem muslimischen Landesführer. So sehen die meisten Befürworter der Todesstrafe eine "moralische Pflicht" "gegenüber den Opfern" (was haben die davon?). In den USA können z.B. selbst Kinder strafrechtlich belangt werden, wenn das die Moral der Gesellschaft "erforderlich" macht. Viele Amis z.B. sehen Sühne und Rache als "moralische Pflicht" gegenüber Straftätern - Resozialisierung ist i.d.R. nicht Teil der Moral. Juden sehen die Besiedlung Palästinas als "moralische Pflicht" gegenüber ihren Ahnen - einige Muslime dagegen die Ausrottung der Juden.

Amerikaner, Juden wie Moslems halten sich für besonders "moralisch" und der Duden mit seiner Definition des Terms "Moral" dürfte ihnen recht geben. Terroristen terrorisieren die Menscheit, weil diese nicht "moralisch" sei bzw. lebe.

Viele der heutigen interkulturellen Probleme, mit denen wir uns alle konfontiert sehen, basieren auf den Differenzen der verschiedenen (hauptsächlich nicht mehr zeitgemäßen) "Moral"-Vorstellungen und -Gebilden.

Interessant aber ist auch, das die Kriminalität in solchen Ländern / Kulturen entweder nachweislich überdurchnittlich ist (USA) oder viele Menschen sich unfrei fühlen (mittlerer Osten).

Mich erinnert dies sehr an den Geschichtsunterricht - an Mesopotamien, an as Zweistromland und Gesetze wie "Auge um Auge - Zahn um Zahn". Moral scheint Fortentwicklung der Werte zu häufig dort zu hemmen, wo sie am dringendsten nötig wäre.

Moral bietet erhebliches Mißbrauchspotential vor allem dort, wo Kriminellen das Denken bzw. der Verstand der Anderen / des Volkes im Wege stehen könnte.

Btw:
Der Name des Theologen vom "Wissenschaftsforum" ist mir nicht mehr bekannt - kann man bei Interesse sicher auf den Phoenix / ARD Webseiten erfragen. Er selbst hat sich übrigens IN der Diskussion hart dagegen gewehrt, das die Kirche nur in irgend einem Punkt kontra der Evolutionstheorie steht - ganz das Gegenteil sei der Fall und es gäbe dazu auch eine Veröffentlichung der Kirche, in der man die Evolutionstheorie klar anerkenne. Ich bin kein Theologe und kann das natürlich nicht im Detail belegen.

Mag sein, das er nicht in der Lage ist "Gott" in seiner "modernen" bzw. "echten" Form an die Glaubensgemeinde zu kommunizieren. Demnach geht es dann aber auch den meisten anderen Theologen nicht besser, denn allein ein Blick hier in der (ländlichen) Region zeigt, das viele Gläubige - seiner Darstellung nach - ähnlich "kindliche" Vorstellungen zur Bibelgeschichte haben.

Es gibt ein "mehr" "hinter" unserem Universum - unserem "Sein", was dennoch in engster Verbindung mit uns und unserer Welt steht und diese vielfältigst bis allumfassend bedingt. Ein Mensch wird diese Zusammenhänge ebensowenig verstehen können wie einen "Gott". Es spielt gar keine Rolle, ob dieser nun aussähe wie ein Mensch oder überhaupt als er, sie oder es bezeichnet werden kann. Je "moderner" die Theologie wird, desto weniger "Sage" scheint zu bleiben.

Ebensowenig ist Jesus mehr oder weniger als jeder andere Mensch "biologischer" Sohn "Gottes" und auch seine Mutter Maria ihn ohne Zutun eines menschlichen Mannes gebären konnte. Hört man moderne Theologen und Wissenschaftler so scheinen deren "Differenzen" im Weltbild mit der Zeit / Zukunft gegen Null
Zu laufen. Je mehr wir verstehen, desto weniger müssen wir glauben. Allerdings ist der Teil, den wir noch nicht wissen in Relation ein Vielfaches größer als unser bisheriges Wissen. Der Mensch überschätzt sich im Wissen wie im Glauben.

Ein Überbleibsel der "Affenzeit" und eine typische "Unart" der Primaten ist, das der Mensch besonders stark Zusammenhänge in der Natur erkennt und nutzt. Problematisch wird diese Eigenschaft dort, wo er Zusammenhänge "erkennen" will, wo es gar keine gibt.

Evolutionstheoretiker sehen Religionen als ein Verhaltens- und Lebensmodell von Völkern, die ihnen einen evolutionären Vorteil - z.B. durch ein in der Folge längeres Leben (weil weniger Tötungen, weniger Stress und höhere psychische Belastbarkeit) - verschaff(t)en. Allerdings gelten diese Vorsprünge (wie alle "Fortschritte") nur in mehr oder weniger bestimmten Parametergrenzen (Umweltbedingungen). Das erklärt auch warum immer wieder ehemals "erfolgreiche" Religionen bzw. ihre Anhänger "verschwinden".

Jesus war seiner Zeit UND seiner Umwelt weit vorraus, was ihm - vor allem nach seiner Zeit - die bekannte Aufmerksamkeit brachte. Seiner "Lehre" von einem modernen Wertesystem war mehr als revolutionär und hat in vielen Punkten sicher noch heute seine Grundlage.

Das uns erschaffende "Sein" ist gut und ehrlich zu uns. Wir sind Teil des Seins aber ebenso auch Fundament des Seins - keines von beidem steht höher oder könnte ohne das andere "sein".

Es ist aber ebensowenig mit einem personifizierbaren Wesen wie einem "denkenden" Etwas gleichzusetzen, dies war maximal eine "Krücke" in der Vermittlung solcher Erkenntnisse - ebenso wie der "achtfache Pfad" Gautamas. Wer sich die Welt anschaut, kann kein "denkendes, konstruierendes" Wesen obiger Form dahinter erkennen - man kann es sich maximal einreden.

Wir verwechseln zu gern unsere menschlichen Vorstellungen von gut und böse mit denen anderer oder wollen sie als Prinzip unserer Welt erkennen. Aber gleich was wir tun, durch Erkenntnis und Einsehen kommen wir alle weiter - manche brauchen vielleicht "länger" andere kommen "früher" an. Am Ende wird es alle "erlösen".

Dort, wo alle ankommen laufen alle Dimensionen unseres Seins wie des "Nicht-Seins" zusammen und alles wird "in einem bewusst". Diese Art "Singularität" kennt keine Uhrzeit und keinen Ort - demnach auch kein gut oder böse. Alle negativen wie positiven Spannungen oder "Gefühle" lösen sich in eines auf. Dort ist Ursprung und Ende.

Auch ich kann das "Dort" nicht beschreiben oder vermitteln. Dafür liegt ein noch zu komplexer Weg vor mir wie jedem anderen Menschen. Ich weiß und fühle aber das Vertrauen in das Sein wie das Bewusstsein, denn ich bin ja Teil von ihm und es ist ich. Ich kann mir vorstellen, das dies manche Menschen als "Gott" bezeichnen mögen - immerhin ist "Gott" außerordentlich menschliche bzw. irdische Erfindung. Götter kannten die Menschen Jahrtausende vor Jesus - das Bild von "dem (jeweiligen) Gott" bzw. den Göttern war fur unsere heutige Vorstellung eher "kindlich" bis "sagenhaft" und hat sich - wie auch die menschliche Wissenschaft über die Zeit "weiterentwickelt" bzw. der jeweiligen Zeit angepasst.

Heute läuft der Großteil der Menschen hauptsächlich zwei bzw. drei Göttern hinterher, die - glaubt man ihren jeweiligen Anhängern - jeder für sich nicht nur einzigartig - nein sogar "einzig" ist. Das Problem der Personifizierung (der "Vergötterung") des jeweiligen Gottes trifft damit nicht mehr die vom Menschen heute erkannte Realität. Theologen sehen das weniger kompliziert, sie sehen hier den selben Gott in "drei Ausführungen" oder drei "Sichtweisen" auf den selben. Manche aber lösen das Problem immer noch durch für-nichtig-Erklären der anderen. Wer will, kann dem Kontext JEDER der betr. Schriften (die je als Glaubensurkunde o.ä. gelten) alles passend entnehmen, je nach Bedarf. Keiner der Autoren dieser "göttlichen" Bücher war offenbar in der Lage, klare eindeutige Aussagen zu treffen, die der doch eigentlich schlichte Mensch auch nach wenigen Generationen noch verstehen kann. Der enge Kontext zu Zeit und Situation führt proportional zum zeitlichem Abstand in die "Unklarheiten". Der heutige Markt an Fatwas oder Prediger-Milliardären zeugt davon redlich - ebenso wie die Machtränke und Kreuzzüge des Mittelalters.

Wir können wahrscheinlich schon froh sein, wenn die Menscheit in den nächsten hundert Jahren nicht von religiösen (Fanatikern - aber wie definiert man schon einen Fanatiker?) zugrunde gerichtet wird. Heute sollen wir (wieder mal) auf unsere Ideale und Freiheitsrechte wegen irgendwelchen religiös-gesteuerten Idioten oder Machtfanatikern verzichten.

Die Zeit, in der Religionen mehr evolutionärer Vorteil als Hemmschuh waren, scheinen heute vorbei - vielleicht aber fehlt nur die passende "modernisierte" Theologie, die dem Menschen (wenigstens für die aktuelle Epoche) neue Vorteile bringt? Ich halte die gesamte Diskussion der Menscheit für nicht brauchbar- wie wär es dagegen mit einer Art "Verpflichtung" für die Realität? Auch wenn wir der sicher noch extrem fern sind - wäre es wenigstens ehrlich...

Theistische Religionen haben das Problem, das hier - in der Vorstellung der Menschen - EIN konkretes Wesen Macht über das Sein bzw. die Welt hat. Damit besteht das Potential, das immer wieder jemand behaupten kann, durch irgendwelche "besonderen Beziehungen" zum "imaginären Alphamännchen" über höhere Macht oder Wohlwollen zu verfügen. Unsere Könige und Kaiser des Mittelalters arbeiteten so - wie schon der Pontifex Maximus der Römer, dessen Stuhl und Titel nach Rom die Päpste der römisch-katholischen Kirche für sich "übernahmen". Da wurde lediglich die "Brücke zu Gott" zum neuen Alpha übergeschwenkt...

Manche Menschen können sich ja an "Ursituationen" ihres Lebens - z.B. vor der Geburt oder kurz danach dunkel "erinnern". Man kann sich zwar an keine "Bilder" durch das Auge oder gar "Worte" (ohne Sprachkenntnisse) erinnern - ist sich aber dennoch "irgendwie" bewusst. Schon hier liegt die Grenze des Bewusstseins wie des Vorstellungsvermögens der meisten Menschen. Wie sollte man (vor allem vor 2000 Jahren) den Menschen nahebringen, das das Sein wie SIE es sehen nur eine minimale - gegen nichts limitierende - Facette des Ganzen ist, geschweige denn das und wie wir mit diesem in verantwortugsvoller "Verbindung" stehen? - Das es ein Irrblick ist, das Sein ausschließlich auf das eigene Leben - wie seinen begrenzten Zeithorizont - zu beschränken, wonach der "gemeine" Mensch SEIN Glück bestimmt?

Aristoteles glaubte alles Sein bestehe aus 4 Elementen: Feuer, Wasser, Erde und Luft. Damit lag er - so unser Wissen heute - ebenso richtig und genauso falsch wie ein Prophet der sich mit Göttern und deren Wünschen / Zielen und Günstlingen beschäftigte. Was damals scheinbar hilfreich war, muß es heute noch lange nicht - vor allem nicht unüberdacht und unbefragt - auch wenn (oder gerade weil) es die "Moral" und so gebietet.

Es gibt kein selbstloses Handeln. Selbst der Selbstloseste hat ein - mindestens indirekt oder unbewusst - auf sich gerichtete Motivation. Darin ist aber auch nichts "Schlechtes" aber auch nichts "Perfektes" - "Gut" ist es lediglich in dem Sinne,wie es für das Sein "gut" ist - oder für die Menschen, wenn es für die Menscheit "gut" ist.


Cheers,


Niels.
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Niels, ich hab das „Wissenschaftsforum“ gefunden und das Video gesehen ...
http://www.phoenix.de/content//165519#
(25.10.2009) "Was von Darwin übrigblieb... – Die Evolution und ihre Folgen"

So konnte ich mir ein eigenes Bild machen:
Ich nehme alles zurück!
Der Theologe war Prof. Ulrich Lüke. Er ist wirklich gut!

niels hat geschrieben: Er selbst hat sich übrigens IN der Diskussion hart dagegen gewehrt, das die Kirche nur in irgend einem Punkt kontra der Evolutionstheorie steht - ganz das Gegenteil sei der Fall und es gäbe dazu auch eine Veröffentlichung der Kirche, in der man die Evolutionstheorie klar anerkenne.
Das dürfte völlig korrekt sein!

Zurecht verwies der Theologieprofessor Ulrich Lücke auf:
John Henry Newman
http://de.wikipedia.org/wiki/John_Henry_Newman
Teilhard de Chardin
http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Teilhard_de_Chardin
Georges Lemaître
http://de.wikipedia.org/wiki/Georges_Lema%C3%AEtre

Übrigens, bei Radio Vatikan fand ich das:
http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=270294
Die katholische Kirche hat den Urheber der Evolutionstheorie, Charles Darwin, nie verurteilt. Das betont der italienische Wissenschaftsphilosoph Gennaro Auletta gegenüber dem „L`Osservatore Romano“. Deshalb sei auch jede Bemühung um eine Rehabilitation des britischen Forschers überflüssig. Der an der Päpstlichen Universität Gregoriana lehrende Philosoph äußerte sich anlässlich einer internationalen Darwin-Tagung des Vatikans. Auletta, zugleich Vizedirektor eines vatikanischen Dialogprojekts für Naturwissenschaft und Theologie, verwies auf Kardinal John Henry Newman (1801-1890), der die Evolutionstheorie seit ihren Anfängen klar unterstützt habe. Seit einer würdigenden Stellungnahme von Johannes Paul II. 1996 sei die katholische Kirche gegenüber der Evolutionslehre „zu einer Phase der Anerkennung“ übergegangen, so Auletta. Die vom Vatikan gemeinsam mit der US-amerikanischen Universität Notre Dame veranstaltete Tagung befasst sich mit dem Thema „Biologische Evolution: Fakten und Theorien“. Anlass der noch bis Samstag dauernden fachübergreifenden Veranstaltung ist der 200. Geburtstag Darwins (1809-1882) und das Erscheinen seines Hauptwerks „Die Entstehung der Arten“ vor 150 Jahren.
(or/kna 04.03.2009 mg)
In der Runde waren alle Befürworter der Evolutionstheorie, auch der Theologe. Für darwinistische Glaubenshüter war in der Sendung also absolut nichts zu holen, da weit und breit kein Gegner zu finden war!
niels hat geschrieben:Allerdings, so fügte er hinzu, bemängeln viele Katholiken, das diese "moderne" Theologie ihnen "zu wenig" sei, weshalb moderne Theologen nicht für die Masse der Gläubigen sprechen.
Das ist eine Aussage, die ich aus meiner Sicht, immerhin gehöre ich zu diesem Kirchenvolk, so nicht bestätige!

Der Theologieprofessor hat das übrigens nicht gesagt, sondern es war eine Behauptung des Evolutionsbiologen Thomas Junker (Prof. Thomas Junker, Evolutionsbiologe, Mitglied d. Wiss. Beirats d. religionskritischen Giordano Bruno Stiftung (http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Junker)
Werke: http://www.thomas-junker.homepage.t-onl ... 07tjks.pdf) - Zwischen beiden hatte sich eine gewisse Polemik entwickelt, so werden auch Aussagen wie "Lego-Gott" ... verständlich.

Später mehr ...

LG Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

In der Runde waren alle Befürworter der Evolutionstheorie, auch der Theologe. Für darwinistische Glaubenshüter war in der Sendung also absolut nichts zu holen, da weit und breit kein Gegner zu finden war!
Die Darwinsche Lehre beschäftigt sich mit der Wissenschaft - nicht mit Glauben. "Darwinistische Glaubenshüter" sind ungefähr ebenso widersinnig wie "Glaubenshüter der Bibel". Wer Darwins Lehre für eine Glaubensform hält, hat die Lehre nicht ansatzsweise verstanden (leider gibt es auch solcherart "Gläubige").
niels hat geschrieben:Allerdings, so fügte er hinzu, bemängeln viele Katholiken, das diese "moderne" Theologie ihnen "zu wenig" sei, weshalb moderne Theologen nicht für die Masse der Gläubigen sprechen.
Das ist eine Aussage, die ich aus meiner Sicht, immerhin gehöre ich zu diesem Kirchenvolk, so nicht bestätige!
Ich denke, so einfach ist das nicht. Wie Du selbst schreibst, besteht allein die katholische Kirche aus vielfältigsten Facetten und Gruppierungen.

Aus meinen persönlichen Erfahrungen ist mir recht weit bekannt, das die meisten mir bekannten ("strenger") Gläubigen unter den Christen / Katholiken persönlich eine "altmodischere" Form des Glaubens (oder Weltsicht) leben, pflegen und zuweilen auch hart verteidigen. Ich möchte nicht bestreiten, das es auch "modernere" Glaubensanhänger und Kirchenmitglieder gibt - davon kenne ich zwar einige, aber doch halt einfach zu wenige. Gerade auf dem Lande (da leben wir ja nun mal hier) treffe ich häufiger Vertreter der ersten Gruppe.

Auch wenn Katholiken - so wie Du schreibst (bzw. ich es verstehe) - einen größeren Abstand zu den Worten der Bibel pflegen als Evangelikale oder auch Protestanten, die das Wort ja (Deiner Aussage nach) als "gegeben" hinnehmen, so finde ich doch auch heute noch erstaunlich viele, die z.B. an der "Himmelfahrt Christi" und dem "weihnachtlichen Christkind" als "historischen Gegebenheiten" - wie heute kleine Kinder am Weihnachtsmann in natürlich roten Coca Cola Mantel oder dem Klapperstorch "mit allen (Glaubens-)Kräften" festhalten. Für viele scheint es auch nicht mal das 2. Vatikanische Konzil gegeben zu haben (ist ja auch erst 40 Jahre her, nach knapp 2.000 Jahren Dogmen und Verfolgung Andersdenkender) - oder zumindest möchten sie nicht alle Punkte akzeptieren.

Auf der anderen Seite hört man nur sehr selten einen lokalen, ländlichen Pfaffen über moderne Theologie öffentlich - vielleicht sogar auf der Kanzel - reden. Offenere Diskussionen mit derart Theologen finden i.d.R. nur in recht engen, kleinen Kreisen statt - oft nur unter gebildeteren "Schichten". Man kann sich nun darüber streiten, ob die "Lerndefizite" durch Nichtwollen der Kirche oder dem Unvermögen der betr. Anhänger bedingt worden sind und werden.

Auf der sonntäglichen Kanzel (z.B. im Eichsfeld) hört man kaum solche klaren Worte, auf Dörfern meist gar nicht - soweit traut man sich das mir der "modernen Theologie" offenbar noch nicht oder traut es dem einfachen "Glaubenskunden" nicht zu ... Möglicherweise könnte man ja die "konservativeren" (oder theologisch weniger "flexiblen") Glaubensanhänger "verschrecken" (die dann vielleicht beim Bischof sogar nach einem "besseren Dorfpfarrer" fragen?)...

Gut,
ich verstehe vieles aus der "Glaubenswelt" nicht - Glauben heißt für mich nicht wissen, sogar noch einige Stück weit weg von "ahnen". Damit kann ich persönlich gar nichts (mehr) anfangen. Denn was ich nicht weiß, kann mir auch keine "Sicherheit" geben (was mich sehr an das Kind mit dem Schnuller erinnert). Dennoch habe ich mich dem Weg des "Wissens" und der aktiven Erfahrung verschrieben - auch wenn dieser sicher nicht einfacher ist, denn ich muß mit der Gewißheit leben, das unser heutiges Wissen einen kaum sichtbaren, in seiner Menge fast gegen Null tendierenden Teil der Realität überstreckt. "Trost" oder gar "Sicherheit" bietet mir diese sicher nicht - aber beides suche ich auch nicht.

Man könnte jeden ebenso als vertrauensselig beneiden wie als naiv belächeln, dem es da anders als z.B. mir ergeht...
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

...aber nochmal zurück zum Titel-Thema: Worin liegt denn nun die ("geheimnisvolle") Macht der Verführung?

Ein grundlegendes Verhaltensprinzip der Lebewesen liegt im "Lernen", also dem Sammeln von Erfahrungen durch "Trial and Error" -> zu deutsch auch "durch Ausprobieren aus Fehlern lernen". Das Lebewesen erkennt durch Probieren reale wie scheinbare Zusammenhänge und merkt diese.

Stellt man z.B. einem Hund zwei verschiedene Gegenstände hin, zwischen denen er eins auswählen soll. Wählt er das "richtige" (bzw. vom Spielleiter als "richtig" festgelegte), bekommt er eine Belohnung. Der Hund wird schnell lernen, mit welchem der Gegenstände die Belohnung verknüpft scheint. Erst wenn der Spielleiter die Regeln ändert - d.h. das andere Objekt als das "gute" definiert, wird der Hund auf Fehler stoßen und sein Handeln auf neue, freie Versuche umstellen, bis er den neuen Zussammenhang erkannt hat.

Allerdings liegt auch in der Natur, das es immer eine "Fehlerquote" geben wird, d.h. das sich das Lebewesen - mit mehr oder weniger "Absicht" - vertut. Interessant ist auch, das diese scheinbare Fehlerquote umso höher auftritt, desto "höher" bzw. leistungsfähiger das Gehirn des betr. Lebewesens ausgebildet ist.

Fehler machen gehört dazu. Bestimmte Veränderungen der Umwelt können nur durch Fehler machen und erkennen erkannt - und somit darauf erst reagiert werden.

"Moral" macht die Sache dahingehend problematisch, als das hier gelernte Zusammenhänge übermittelt werden, die der Übernehmende nicht selbst gemacht hat. Das kann vorteilhaft sein, führt aber zu weniger eigener "Initiative" neue Erfahrungen zu machen und zu bewerten.

Lediglich das offene, bewusste Mitgefühl - also das möglichst bewusste "Hineinversetzen" in den anderen oder das andere (auch wenn uns dies schon beim Menschen extrem schwerzufallen scheint) - kann zumindest näherungsweise ähnlich tiefe wie "direkte" Erfahrungen übermitteln / kommunizieren. Man kann also immer nur so viel Erfahrung durch Andere bekommen, wie man selbst (ab-)zugeben bereit wäre. Damit führt Mitgefühl zu bewusster Toleranz. Moral hingegen übernimmt hauptsächlich passiv, mit den entsprechenden Folgen.

Die "Macht" der Verführung des Menschen liegt also im Drang des Lernens - es "besser" machen zu wollen - begründet. "Besser" kann auch "bequemer" meinen.

Leider verwechseln viele Menschen bequem / komfortabel mit faul - dabei gibt es einen grundwichtigen Unterschied, auch wenn beides augenscheinlich den sparsameren Umgang mit Ressourcen zum Ziel hat:

Während "faul" lediglich im Jetzt-Bezug liegt, d.h. den möglichst minimalen Ressourcenaufwand im Moment sieht, sieht "bequem" auch die Zukunft, den kommenden Verbrauch. Z.b. würde ein "fauler" Mensch in der Gebirgswüste immer in die Richtung mit der kleinsten Steigung / Erhöhung laufen - ein "bequemer" Mensch hingegen würde erst einmal die nächste Höhe besteigen um sich einen Überblick zu schaffen, um dann den kürzesten / effizientesten Weg aus der Wüste zu bestimmen.

Bequemlichkeit ist deshalb aus evolutionärer Sicht" fast immer gut und ein Grundprinzip der Ressourceneffizienz, Faulheit fast immer nicht.

Demnach sind "bequeme" Menschen evolutionär viel erfolgreicher als "faule". Moral kann maximal dem Faulen helfen, dem Bequemen wäre es mehr Last als Hilfe. Der "faule" würde sich demnach viel leichter "verführen" lassen als der "Bequeme", der die zukünftigen Folgen seiner Entscheidung mitbetrachtet.

Ein (theoretisch) vollends bequemer Mensch wäre demnach "immun" gegen jedwede "Verführung" aus seiner persönlichen Sicht, u.a. auch da er auch zeitlich über viele Generationen denkt und mit diesen Mitgefühl hegt.

Das schließt allerdings nicht aus, das auch der Bequeme in konkreten, zeitlich bestimmten Situationen (z.B. dem "Jetzt") aus der Sicht verschiedener anderer "verführt" bzw. "unmoralisch" handelt. Für ihn aber spielt das keine Rolle, denn er weiß das diese anderen nicht mit ihm mitfühlen können / tun.

Manche Menschen erkennen - auch für sich selbst - den Vorteil der Bequemlichkeit gegenüber der Faulheit - manch andere wiederum nicht, dabei lehrt das Leben dies eigentlich jedem Lebewesen und jedes Lebewesen (bzw. dessen Bewusstseins) hat das Potential dies zu erkennen.

Wer dies (noch) nicht erkennen will oder kann ist anfällig für ihm nachteilige "Verführungen" und hat ("als Sklave seiner selbst") mein Mitleid. Manch anderer reibt sich dagegen vielleicht argwöhnisch, freudig die Hände mit dem Argument: "Der ist doch selbst Schuld".
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:Die Darwinsche Lehre beschäftigt sich mit der Wissenschaft - nicht mit Glauben. "Darwinistische Glaubenshüter" sind ungefähr ebenso widersinnig wie "Glaubenshüter der Bibel". Wer Darwins Lehre für eine Glaubensform hält, hat die Lehre nicht ansatzsweise verstanden (leider gibt es auch solcherart "Gläubige").
Lieber Niels, ich denke schon, dass der Prof. Dr. der Biologie von dem ich den Begriff "Darwinistische Glaubenshüter" übernommen habe die Evolutionstheorie verstanden hat. Ob er ein Gläubiger ist, vielleicht sogar ein Christ, das weiß ich nicht.

Damit ist nicht gesagt, dass Darwins Lehre eine Glaubensform ist.

Allerdings herrscht Konsens darüber, dass der Darwinismus von Anfang an auch als Weltanschuung daher kam (und kommt). - Daher wird sich ja auch immer beeilt zu betonen, Darwin wäre kein Sozialdarwinist gewesen. Ob das stimmt?

Tatsache ist wohl, dass Darwin seine Hypothese vom „Kampf der Arten“ aus der Ökonomie übernahm. Von da ab als Naturgesetz aufgefasst, wirkte diese (ökunomische) Theorie auf die Gesellschaft zurück, besonders begrüßt in Deutschland.
Die „Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene“ wurde nicht erst von den Nationalsozialisten gegründet, sondern bereits 1905. Initiator war Alfred Ploetz. http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Ploetz

Heute glauben einige Atheisten mit Darwins Lehre etwas gegen das Christentum in der Hand zu haben. Das ist Weltanschauung!

Atheisten geben sich dabei gern als reine Naturwissenschaftler aus, die Christen naturwissenschaftlich aufklären müssen. – Irrtum, das ist reine Show!

Hier wird der Andersdenkende herabgesetzt, es wird entstellt und unterstellt.
Ausgangspunkt sind dabei nicht selten die ersten Texte der Bibel. Dabei wird so getan, als wären das schlechte naturwissenschaftliche Theorien, sozusagen überholte Naturwissenschaft. Erstaunlich, dass dies von gebildeten Leuten kommt und von gebildeten Leuten geschluckt wird. Dies, obgleich jeder Hauptschüler ein Gedicht bzw. eine Erzählung von einer naturwiss. Theorie unterscheiden kann und weiß, dass diese unterschiedlich interpretiert werden müssen.

Über eine naturwissenschaftliche Theorie darf man diskutieren, sie in Frage stellen, eine Gegenhypothese aufstellen. Wer das gegenüber Darwins Theorie als Wissenschaftler wagt, riskiert seinen Ruf. – Ein deutliches Zeichen dafür wie stark diese Theorie als Weltanschauung daher kommt. Es scheinen aber immer mehr Wissenschaftlicher mutig zu werden. Nicht Darwins Theorie, dass eine Art aus der anderen hervorgeht, steht dabei in Frage, sondern seine Theorie wie das geschieht (der Kampf der Arten).
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

@Christel:
Ich kenne Deinen "Prof." nicht. Bitte lies genau, was ich geschrieben habe. "Darwinistische Gleubenshüter" sind ebenso widersinnig wie "Kreationisten". Die Darwinsche Lehre hat mit Glauben nichts zu tun, wenn man sie nur annähernd versteht / verstehen will. Im "Wissen" geht es nicht um Glauben, sondern um reproduzierbare Fakten oder vielleicht noch Wahrscheinlichkeiten.

Wer die Darwinsche Lehre als "Glaubensform" sieht, hat nicht annähernd begriffen worum es geht. Mag sein, das einige darin eine "neue Glaubensform" sahen / immer noch sehen, da sie voher ein Weltbild von z.B. Adam und Eva hatten - und nun eine "neue ungeheuerliche Geschichte" zu hören bekamen, die "ungeheuerlich ähnlich glaubhaft" scheint (und damit "schlecht" ist, weil sie vom "echten Glauben abhält"). Darwin war kein "Prophet" oder "Messias" (wollte wohl auch kaum mehr sein, auch wenn ih seine eigene Entdeckung entzückte, was in der Wissenschaft nicht ungewöhlich ist) - er war Wissenschaftler. Seine Lehre ist damit insomit (lediglich) Teil der "Weltanschauung", wie sie die Wissenschaft betrachtet.

Das einige Religiöse darin eine Art "Angriff" auf ihren Glauben sahen, kann nicht der Wissenschaft, sondern lediglich den "Glaubenden" angelastet werden.

Darwin konnte schon deshalb kein "Sozialdarwinist" sein, weil er selbst Darwin war.

Die sog. "Atheisten", die Darwins Lehre als "Beweis gegen Gott" sehen, sind auf der falschen Fährte (eine Folgerung, die auf nicht eindeutigen / richtigen Fakten basiert, ist nicht beweisbar - und damit auch nicht widerlegbar) - allerdings ist es heute ein Beleg für die Unrichtigkeit der Sage von Adam & Eva - an die selbst heute noch genug Christen als historische Tatsache uneingeschränkt glauben.

Wissenschaftler sind nicht per se Atheisten (auch wenn die Iquisition da recht engagiert war). Es geht ihnen nur um Wissen - nicht um Glauben. Daher kann auch kein Wissenschaftler ernsthaft behaupten, das es einen Gott gäbe, Quark.


Du scheinst Dich ja "gut" in der Wissenschaft auszukennen. Nichr erst heute ist klar das Darwins Theorie wiederum nur Teile des Ganzen beschreibt - in bestimmten Parametergrenzen (andernfalls hätte man diese nicht mit "Theorie" bezeichnet). Wer eine Theorie als "unbestritten" sieht, ist kein Wissenschaftler - zumindest arbeitet / denkt er nicht so. In Religionen funktioniert dies meist andersherum - Weltbilder werden dort als "unbestreitbar" und "vollkommen" dargestellt, die kein "Mensch" - vor allem nicht an der Basis- in Frage stellen darf.

Theorien beschreiben ein Eintreten bestimmter Zustände / Zusammenhänge mit bestimmter Wahrscheinlichkeit.


Btw:
Christen kann man nicht "aufklären". Man kann wahrscheinlich leichter feststellen, ob jemand Christ ist oder das nur behauptet.


Btw2:
Das ganze Thema in Deinem Posting hatten wir hier schon mindestens einmal. Dreh Dich bitte nicht im Kreis - Du kommst von Deinem eigenen Topic ab.
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:Bitte lies genau, was ich geschrieben habe.
Hab ich! - Du wiederholst Dich!

Lies mal zur Abwechslung meine Begründung!
Ich denke Dein dualistisches Weltbild „hier Wissenschaft – dort Glauben“ hält der Realität nicht stand.

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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Christel hat geschrieben:
niels hat geschrieben:Bitte lies genau, was ich geschrieben habe.
Hab ich! - Du wiederholst Dich!
Dann hast Du's hoffenbar nicht verstanden, was ich geschrieben habe, denn damit erübrigt sich die Diskussion bereits.
Lies mal zur Abwechslung meine Begründung!
Ich denke Dein dualistisches Weltbild „hier Wissenschaft – dort Glauben“ hält der Realität nicht stand.
Also entweder leist Du nicht richtig oder Du verstehst es tatsächlich nicht.

iCH bin kein "Darwinistischer Glaubensverfechter" o.ä. Mein Weltbild scheinst Du ebensowenig zu kennen / zu verstehen. Es ist jedenfalls nicht "dualistisch" (wie ich dies von einigen "praktizierenden" Kirchgängerchristen kenne - die Adam & Eva ebenso wie den Urmenschen in ihr "Weltbild" gebaut bekommen).

Glauben ist schlicht NICHT Teil meines Weltbildes. Die Frage OB es eine "höhere Macht" oder gar "höheres Wesen" o.ä. gibt, stellt sich mir nicht, denn in meinem Weltbild wäre die Antwort inhaltlos - es spielt keine Rolle (mehr).

....vielleicht klappt's ja jetzt?
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Niels, was du mir vorwirfst betrifft Dich selbst, Du liest nicht richtig!

Wo habe ich Dich als "Darwinistischer Glaubensverfechter" bezeichnet?

Auch wenn wir Zwei hier diskutieren, so diskutieren wir doch über ein Drittes (eine andere Sache).

Klar benannte ich, worauf sich die Aussage „dualistisches Weltbild“ bezieht, nämlich exakt auf „hier Wissenschaft – dort Glauben“. – Du hast meine Aussage bestätigt:
niels hat geschrieben:Glauben ist schlicht NICHT Teil meines Weltbildes.
Ansonsten erlaube ich mir, weder über Dein Weltbild im Allgemeinen, noch über Deine Person, ein Urteil.

Christel
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