Animismus - Grundlage der Entstehung von Religion

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Heinrich5

Animismus - Grundlage der Entstehung von Religion

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Wie entstand Religion?

Als erster hat Edward Tylor geltend gemacht, dass die Grundlage alles spezifisch Religiösen im menschlichen Denken der Animismus, das heißt der Glaube, das der Mensch sich die Erde mit einer Klasse außergewöhnlicher, körperloser und zumeist unsichtbarer Wesen teilen, die von Seelen und Gespenstern bis zu Heiligen und Feen, Engeln und Cherubim, Dämonen, Dschinns, Teufeln und Göttern reichen.

Wer war Edward Tylor?

Sir Edward Burnett Tylor (* 2. Oktober 1832 in London; † 2. Januar 1917 in Wellington, Somerset) war ein britischer Anthropologe, der mit seinem Werk Primitive Culture (1871) als der Begründer der Kulturanthropologie angesehen werden kann. 1896 wurde er als Begründer nach Oxford berufen. Er befasste sich vor allem mit dem Studium der Mythologie, der Magie und der Religion der Primitiven in einer evolutionistischen Sicht.

Wo immer die Menschen an eines oder mehrerer dieser Wesen glauben, da gibt es Religion. Tylor behauptet, animistische Glaubensvorstellungen fänden sich in jeder Gesellschaft, und ein Jahrhundert ethnologischer Forschung hat bis jetzt noch kein einziges Gegenbeispiel zu Tage gefördert.

Warum ist der Animismus universal?

Tylor hat ausführlich über diese Frage nachgedacht. Seine Überlegung war, dass eine Glaubensvorstellung, die praktisch zu allen Zeiten und an allen Orten ständig neu in Erscheinung trat, kein bloßes Phantasieprodukt sein konnte. Sie musste vielmehr in Beobachtungen und Erfahrungen gründen, die ebenso omnipräsent und universal waren. Was waren das für Erfahrungen? Tylor verwies auf Träume, Trancezustände, Erscheinungen, Schattenbilder, Spiegelungen und den Tod. Wenn wir träumen bleibt der Körper im Bett; aber ein anderer Teil von uns steht auf, spricht mit den Leuten und reist in ferne Gegenden. Trancezustände und drogenbedingte Visionen vermitteln ebenfalls die lebhafte Vorstellung von einem anderen Selbst, das vom eigenen Körper unterschieden und getrennt ist. Schattenbilder und Spiegelbilder im Wasser deuten auf das Gleiche hin, sogar im hellen Licht des normalen Wachzustands.
Die Vorstellung von einem inneren Wesen - einer Seele - verleiht all diesen Phänomenen Sinn. Die Seele ist es die umherwandert, während wir schlafen, die in den Schattenbildern steckt, die uns von der Oberfläche des Teichs anblickt. Vor allem aber erklärt die Seele das Geheimnis des Todes: Ein lebloser Körper ist ein Körper, der seiner Seele auf Dauer beraubt ist.

Die Götter von heute sind Abbildungen der Götter von gestern

Zu allen Arten von Geisterwesen, die wir in den heutigen Religionen finden, gibt es in den Religionen der vorstaatlichen Gesellschaften Gegenstücke oder genaue Vorbilder. Die Veränderungen, die in den animistischen Glaubensvorstellungen seit dem Neolithikum stattgefunden haben, betreffen Akzentverschiebungen und den Grad der Ausarbeitung der jeweiligen Vorstellung. Zum Beispiel glaubten hordenförmige oder dorfgemeinschaftlich organisierte Völker vielfach an Götter, die auf Berggipfeln oder im Himmel selbst lebten und die das Vorbild abgaben für die späteren Vorstellungen eines höchsten Wesens oder anderer mächtiger Himmelsgottheiten.
Auch wenn die vorstaatlichen Völker gelegentlich zu diesen großen Geistern beteten oder sie sogar mit Hilfe von Trancezuständen aufsuchten, lag doch das Schwergewicht der animistischen Glaubensvorstellungen anderswo. Tatsächlich mieden die meisten der früheren Schöpfergottheiten den Kontakt mit den Menschen. Nach dem sie das Universum geschaffen hatten, zogen sie sich von den Geschäften dieser Welt zurück und überließen die übrigen, niederen Gottheiten, die animanistischen Wesen und die Menschen ihrem Geschick. Rituell gesehen waren die wichtigste Gruppe animanistischer Wesen die Ahnen der Horden, Dorfgemeinschaften, Klans oder sonstige Sippenverbände, deren Angehörige sich durch eine gemeinsame Abstammung verbunden glaubten.

Bei den Dobuans auf den Admiralitätsinseln gibt es folgenden Brauch:
Wenn das Oberhaupt einer Dobuanfamilie starb, säuberten seine Kinder seinen Schädel, hängten ihn am Gebälk ihres Hauses auf und versorgten ihn mit Essen und Trinken. Sie redeten ihn mit „Herr Geist“ an, erbaten seinen Schutz gegen Krankheit und Unheil und holten mittels Orakel seinen Rat ein. Wenn Herr Geist nicht spurte drohten ihm seine Enkel mit dem Rausschmiss. Tatsächlich zog Herr Geist immer den Kürzeren. Der Tod seiner Kinder bewies am Ende, dass er zu nichts mehr nutze war. Also warfen die Enkel, wenn sie an der Reihe waren, Herrn Geist in die Lagune und ersetzten ihn durch den Schädel ihres eigenen Vaters als Symbol des neuen Schutzheiligen der Familie.

Die Herrschenden setzen zur Sicherstellung ihrer Macht Schamanen / Priester ein

Als sich dann die Häuptlingsherrschaften entwickelten, stellten die Herrschenden Fachleute (Schamanen, Priester) an, deren Aufgabe es war, die Namen ihrer edlen Ahnen im Gedächtnis zu bewahren. Um sicherzustellen, dass die sterblichen Überreste dieser Vornehmen nicht wie der Schädel von „Herrn Geist“ weggeworfen wurden, ließen die Oberhäuptlinge aufwendige Grabmale erbauen, die in anschaulicher Form die Verbindung zu den vergangenen Generationen aufrechterhielten. Als schließlich mit der Bildung von Staatswesen und Königreichen die Seelen der Herrscher emporstiegen, um im Himmel an der Seite der höchsten Gottheiten ihren Platz einzunehmen, wurden die mumifizierten sterblichen Überreste zusammen mit erlesenem Mobiliar, seltenem Geschmeide, goldbeschlagenen Streitwagen und anderen Preziosen in gewaltigen Grabkammern und Pyramiden bestattet, die nur ein echter Gott hatte errichten können.

Schamanismus

In ältesten Zeiten ging der Glaube an die Existenz von Geistern vielfach mit der Hoffnung einher, auf diese Geister soweit Einfluss nehmen zu können, dass sie die Menschen zu einem längeren, gesünderen und befriedigenderen Leben verhalfen. Jede Kultur die wir kennen verfügt über ein Repertoire von Techniken, um solche Hilfe zu erlangen. In den einfachen Horden oder Dorfgesellschaften sind diese Techniken und ihre Anwendung den meisten Erwachsenen vertraut, ganz entsprechend dem ungehinderten und egalitären Zugang, den die letzteren auch zu den natürlichen Ressourcen haben. Ungeachtet des Gewichts, das bei den Horden und Dorfgemeinschaften auf die Eigeninitiative in religiösen Dingen gelegt wird, räumen alle uns bekannten Gesellschaften dieses Typs ein, dass bestimmte Individuen, die man als Schamanen kennt, über eine besondere Fähigkeit verfügen, sich der Hilfe aus der Geisterwelt zu versichern. (Das Wort Schamane stammt von den Tungusisch sprechenden Völkern aus Sibirien).
Schamanen sind Experten darin, durch Träume und Trancezustände mit der Welt der Geister Verbindung aufzunehmen und in Verkehr zu treten. Um sich in Trance zu versetzen, nehmen sie halluzinogene Mittel ein, tanzen zum monotonen Schlag einer Trommel oder schließen einfach nur die Augen und konzentrieren sich. Ihre Körper werden starr und sie fangen an zu schwitzen, zu stöhnen und zu zittern, während sie in die Geisterwelt überwechseln und ihre Schutzgeister um Hilfe bei der Krankenheilung, bei der Wahrsagerei, beim Auffinden verschwundener Personen und bei der Abwehr böser Mächte ersuchen.

Auch nach dem Entstehen von Häuptlingsherrschaften und Staatswesen blieb der Schamanismus ein wichtiger Bestandteil des religiösen Lebens. Tatsächlich hat er seine Anziehungskraft für breite Volksschichten nie verloren, und sogar heute noch machen zahlreiche Menschen von ihm gebrauch, um den zwischen den lebenden und den Toten eine Verbindung herzustellen.
Der Schamanismus erlebt heute ein regelrechtes Wiederaufblühen.

Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Animismus
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