Erziehung und christliche Werte

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Kategorie: Religion im Eichsfeld
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Heinrich5

Erziehung und christliche Werte

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Im April 2006 rief Bundesfamilienministerin Ursula van der Leyen zu einem "Bündnis für Erziehung" auf. Zum ersten Treffen lud sie beide christliche Kirchen ein - sonst niemanden. Bereits im Vorfeld war für sie klar: "So selbstverständlich, wie wir den Kindern die Muttersprache mitgeben, müssen wir ihnen Religion mitgeben." In einer Welt, die "unsicherer und unbeherrschbarer" wird, will sie unseren Kindern mit christlichen Werten und Ritualen den Weg weisen.

In einer pluralistischen Gesellschaft, die vielfältige Lebensstile unter einem demokratischen Dach vereint, ist die Orientierung für Eltern, welche Lebensweise und welche Werte sie ihren Kindern mitgeben wollen, schwieriger geworden.
Eine Gesellschaft, die sich zusätzlich schwer damit tut, das gemeinsame Fundament ihrer pluralen Werteansichten zu definieren, macht es Eltern nicht gerade leichter. Frau van der Leyen hat versucht, auf diese komplizierten Fragen eine simple Antwort zu geben: "Die ersten 19 Artikel unseres Grundgesetzes fassen doch im Prinzip die Zehn Gebote zusammen."

Hier irrt Frau van der Layen. Das Wertefundament unserer Verfassung ist viel stärker ein Produkt der Aufklärung als ein Produkt der der Zehn Gebote. Natürlich wurden und werden Menschenwürde, Toleranz, Freiheit, Frieden und soziale Verantwortung durch Christen mitgeprägt. Doch weder waren noch sind die Kirchen die alleinigen Träger dieser Wertvorstellungen. Teilweise mussten diese erst gegen die Kirchen durchgesetzt werden,
Die Familienministerin verkennt mit dieser Form von Wertedebatte die Anforderungen unserer modernen, pluralistischen Gesellschaft. Sie mißachtet die Werte der Millionen von Nichtchristen in unserem Land. Und sie übersieht die jüdischen, muslimischen, humanistischen, atheistischen, liberalen und sozialistischen Wurzeln unserer Kultur. Die Kirchen können nicht alleiniger oder dominierender Akteur des gesellschaftlichen Wertediskurses sein.
Frau van der Leyen irrt in einem weiteren Punkt: Die Verständigung über gemeinsame Werte ist Aufgabe der Gesellschaft, nicht der Verfassungsorgane. Als CDU-Politikerin hat sie alles Recht der Welt, ihre Wertvorstellungen mit ihrer Glaubenshaltung zu begründen.
Die Verfassung liefert mit ihren zentralen Begriffen von Freiheit, Menschenwürde und Gleichheit, dem demokratischen und sozialen Staat, ein Wertefundament, auf dem Menschen der unterschiedlichsten Glaubensauffassungen, Konfessionen und Weltanschauungen leben können.

Ein Bündnis für Erziehung kann bei der Wertevermittlung unterstützen, beraten, begleiten; aber nur, wenn es den Pluralismus unserer Gesellschaft ernst nimmt und selbst abbildet und alle Akteure der Wertevermittlung einbezieht: christliche und nichtchristliche Glaubensgemeinschaften, Lehrer- und Elternvertreter, Kinderschutzbund, Wissenschaftler, Sportler und Künstler - und Kinder. Andernfalls bleibt es ein reaktionäres Signal der Ausgrenzung.
Heinrich5

Re: Erziehung und christliche Werte

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Das „Bündnis für Erziehung“ der Frau von der Leyen ist gescheitert.

Die Grundfrage, wie wir eigentlich in unserem Land leben wollen, ist auf die die sozialen Werte gerichtet, die wir in einer pluralen, komplexen, säkularen, in ihrem Fortgang nicht mehr wirklich berechenbaren Gesellschaft benötigen, und auf ihre Vermittlung in Familie, Kindergarten, Schule, Vereinen und Verbänden, Religionsverbänden, Parteien, Gewerkschaften, Unternehmen und anderen Organisationen.

Hier eine offene, wertschätzende und multiperspektivische Debatte zu eröffnen, die einen zivilisierten, d.h. friedlichen Umgang mit Unterschieden als höchsten Wert kultiviert, ohne einseitige Rangordnungen zu errichten, wäre mehr als verdienstvoll.

Dass Frau von der Leyen dieses im Sinn hatte, darf bezweifelt werden. Auch wenn vielleicht die Mehrheit der Christen (innerhalb und außerhalb der Kirchen) genau dieses Anliegen verfolgen dürften, geht es dem „Bündnis für Erziehung“ um etwas anderes, nämlich um die Vermittlung der Inhalte christlicher Religion im frühesten Kindesalter.

In einer von der Bundesregierung am 20.4. 2006 veröffentlichten Presseerklärung heißt es unter der Überschrift „Christliche Werte als Grundlage der Erziehung“:
„Von der Leyen unterstrich, dass auf christlichen Werten die gesamte hiesige Kultur basiere. In einer pluralen Gesellschaft müsse zunächst die eigene Position klar sein. Erst dann könne man sich gegenüber anderen Werten öffnen“. Das ist doch klar gesprochen.

In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 19.3.06, ebenfalls auf der website der Bundesregierung veröffentlicht, macht die Ministerin deutlich, wo es für sie langgehen soll:
FAS: Sie wollen mit den beiden Kirchen ein "Bündnis für Erziehung" schließen. Die religiöse Bindung nimmt aber immer mehr ab.
von der Leyen: Zahlen, etwa über die Kirchenzugehörigkeit, mögen das nahe legen. Aber in einer Welt, die unsicherer und unbeherrschbarer wird, werden zwei Dinge wichtiger, die man persönlich beeinflussen kann: die Familie und die Religion.
So selbstverständlich, wie wir den Kindern die Muttersprache mitgeben, müssen wir ihnen Religion mitgeben.

FAS: Sollten Eltern mit Kindern beten?
von der Leyen: Ja. Religion vermittelt Rituale, die praktische Lebenshilfen sind, bei Geburt und Tod, aber auch im Alltag. Wir beten zu Hause immer ein Tischgebet. So warten alle, bis der letzte sitzt, und das erste Kind springt nicht auf, wenn ich gerade anfange zu essen.“
Guten Appetit!

Katharina Rutschky, Herausgeberin des Buches „Schwarze Pädagogik“ erklärte:
„Die pädagogische Bilanz des Christentums ist historisch gesehen, düster. Wer heute den kinder- und frauenfeindlichen Islam kritisiert, muss nicht weit zurückschauen, um im Christentum dieselben Praktiken zu entdecken. Die biblische Kinderliebe Jesu hat sich jahrhundertelang mit dem Unverständnis und der Grausamkeit gegenüber Kindern gut vertragen. Oft genug war der Glaube ein Quell von Sadismus bis in die jüngste Zeit. Es hat also viel gekostet, das Christentum so zu zivilisieren, wie wir es heute vom Islam erhoffen. Kein Pädagoge, kein Lehrer kann sich vom Aufruf christlicher Werte etwas versprechen. Wenn überhaupt, haben wir es in den Schulen mit einer Verwahrlosung zu tun, die als Reaktion auf ein autoritäres Regime allzu verständlich ist. Die Kuschelpädagogik ist am Ende - aber eine christlich motivierte Werteerziehung bietet keinen Ausweg. Sieht man davon ab, dass das Christentum diese Werte nicht einmal erfunden hat, so gilt noch mehr, dass Werte keine Backsteine sind, die man sammeln kann, um sie gegen die Zukunft aufzumauern.“
Heinrich5

Re: Erziehung und christliche Werte

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Statt dem christlichen „Bündnis für Erziehung“ - eine Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung

http://www.bundesforum-familie.de/

Kinder brauchen Werte - Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung

Kinder haben Werte!
Dieser Satz fasst das Ergebnis der zweijährigen Arbeit des Projekt „Kinder brauchen Werte - Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ am besten zusammen. Am Dienstag den 25. November zogen alle am Projekt Beteiligten auf der Abschlussveranstaltung ein gemeinsames Fazit der Arbeit. Einhellige Meinung, es hat sich gelohnt! Dr. Katherine Bird, die Geschäftsführerin und Norbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie ließen alle Aktivitäten der letzten zwei Jahre noch einmal Revue passieren. Schon am Anfang wurde allen Beteiligten schnell klar, dass es im Projekt nicht um die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen vom gelungenen Leben gehen kann, sondern um das Wohl aller Kinder. Das Bundesforum Familie hält dieses reflexive und auch (selbst-)kritische Verhältnis zum Wertethema – das in seiner ganzen Tragweite beleuchtet werden muss – für unabdingbar. Nicht erst die gegenwärtige Wirtschaftskrise, die der breiten Öffentlichkeit Abgründe von Gier und Verantwortungslosigkeit in Kreisen der wirtschaftlichen Elite vorführte, machte deutlich, dass das Thema Werte immer erst einmal zur Selbstreflexion zwingt. Welche Werte haben diejenigen, die Kindern Werte vermitteln wollen?

Die Grundlage der Arbeit des Bundesforums war der Dialog. Dieser Wertedialog über die eigenen Werte und die Werte der Anderen wurde in zahlreichen Veranstaltungen, Seminaren und Arbeitsgruppen, mit Fachleuten, Mitarbeiter/innen aus der pädagogischen Praxis, Politiker/innen und Bürger/innen geführt, in Form von Publikationen ausgearbeitet, dokumentiert und für die praktische Arbeit nutzbar gemacht.
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