Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

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niels
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

Reden wir von „der Kirche“, dann sprechen wir von einer Abstraktion, die so in der Realität nicht existiert:
Die Kirche selbst hat diese Interpretation / definition / Selbsverständnis in Umlauf gebracht und das Bild über gut tausend Jahre "durchgesetzt".
- Bei diesem Bild von Kirche nehmen wir aus selbst heraus. D.h. die Messlatte legen wir nicht an uns selbst an (auch wenn wir Kirchenmitglieder sind, also zur Kirche gehören, Kirche sind), sondern nur an andere Menschen.
Genau darin liegt das hausgemachte Problem. Die Kirche selbst hat sich selbsterklärt für unfehlbar erklärt und das wirkt bis heute nach - in wie außerhalb der Kirche. Statt auf Selbstverantwortung und Selbstverständnis der einzelnen Menschen zu setzen, setzte man den Menschen Meinung, Wertemodell und Willen der Kirche vor - entwickelt von Menschen. Das es daran Kritik gibt - an den Entwicklern wie der Institution, ist in einer moderner werdenden Gesellschaft selbstverständlich. Fraglich ist alledrings, wie die Kirche damit zukünftig umgeht.
- Wir vergessen, dass Kirche zwar über Strukturen verfügt, die man optimieren kann, aber darüber hinaus aus Einzelmenschen besteht.
Nein,
allerdings sind in einer modernen Gesellschaft:
a.) die Machtoptionen der Institutionen klar begrenzt
b.) es gibt Aufsichtsebenen und/oder -organge über die, die Macht ausüben / Ämter bekleiden und transparente Verfahren im Fall von Verdacht auf Machtmißbrauch etc.
c.) die Kirche befähigt normale Menschen mit exklusiven Funktionen (z.B. Reinigung von Sünden usw.), die quasi jeder andere Mensch auch übernehmen könnte. Damit beansprucht sie gegenüber dem "Gott" einen Sonderstatus, an dem ein Gläubiger nicht vorbei kann / darf. Diesen aber kann sie nicht begründen.
d.) Man hat und konstruiert Regeln, nach denen man sicherstellt, das Amtsträger aus der Sicht der "Verwalteten" (!) befähigt wie geeignet sind.
- Zwar prägt uns Umwelt…, aber niemand wird ein schlechterer Mensch, nur weil er bei der Kirche arbeitet
Das hat niemand behauptet - aber wird er dadurch ein Besserer? Zumindest soweit besser, als das man auf Ihn sonst der Allgemeinheit vorbehaltene Ämter / Funktionen - z.B. Sündenvergebung (und damit Machtbefugnisse) übertragen kann - vor allem ohne Kritik- oder Kontrollebene durch die "betreuten" Menschen?

Schaue ich so manchem Eichsfelder in die Augen, wenn er einen Bischof sieht oder der Dorfpfarrer auf der Familienfeier o.ä. auftaucht, kann ich mich dem Eindruck nicht erwehren, man habe einen "Übermenschen" empfangen. Das hat seine Gründe, die wohl kaum vornehmlich bei den Anhängern zu finden sein dürften...
- Es verbessert auch nicht den eigenen Charakter, wenn man aus der Kirche auszutritt.
Nein,
ich nehme an das behauptet auch kaum jemand der Betreffenden. Ich würde ebenso bezweifeln, das es ihn "verschlechtert"...
Die Kirche wird sich verändern, so oder so.

Leben ist Veränderung.
Fragt sich nur, ob die Kirche - oder ihre Vertreterschaft - tatsächlich "lebt"
Die Zeiten ändern sich, die Menschen in der Kirche… - Doch für eine positive Veränderung in der Kirche reicht es nicht, wenn sich ihre Amtsträger ändern, immer vollkommener werden… - Ich möchte das an einer kleinen Geschichte illustrieren:
Klar kann man die Dinge von den Anhängern und Mutgliedern abhängig machen.Allerdings nur dann, wenn man ihnen -z.B. in Form von demokratischen Machts und Amtsverhältnissen - Mitsprache / Einbringen einräumt, die über die wöchentliche Kirchenreinigung oder "dem Pfarrer Diener spielen" hinausgeht (was heute wohl noch insbesondere für Frauen gelten dürfte).

Wenn die Kirche heute "wegen ihrer "Schäfchen" so "fehlend" agiert, dann ist das unverständlich, den die - die die Kirche am meisten oder zumindest konstruktiv kristisieren, werden am wenigsten beachtet, akzeptiert - ja nicht selten sogar exkommuniziert oder anderweitig aus der Kirche "geräumt".

Gäbe die Kirche zu, das selbst ihre höchsten Würdenträger einfache Menschen wie Du und Ich wären - die lediglich "versuchen" einen Dienst "am Herrn" zu begehen und darüberhinaus ebenso fehlbar wie jeder "einfache Sünder" sind, wären manche Verhältnisse wohl erheblich klarer. Tatsächlich aber geht die Kirche immer nur soweit auf Kritiker aus den eigenen reihen zu, soweit sie es nicht anders umgehen kann (und man deren Kritik nicht verhindern kann). Das war früher sicher eine erfolgreiche, bekannte Strategie für den Machterhalt - dürfte heute aber nach und nach obsolet werden.

Wenn Kirche in ihrer "Verwaltertätigkeit" ungefähr so "schlecht" funktioniert wie unsere heutige Politik, werden sich natürlich immer mehr Menschen abwenden.
Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Niels,

ich habe über Deine Aussagen nachgedacht. Besonders dies geht mir nicht aus dem Sinn:
Ich denke, das nicht selten diejenigen, die an sich selbst "hohe Messlatten" legen auch diejenigen sind, die von der Kirche enttäuscht worden.
Klar gibt es Menschen, die hohe Ansprüche sowohl an sich selbst als auch an ihre Mitmenschen stellen. Sie sind leistungsstark und erwarten das auch von ihren Mitmenschen. Es gibt auch Menschen, die sich selbst viel abverlangen, von anderen das aber weder erwarten noch verlangen.

Meistens (und unabhängig vom Beispiel Kirche) erlebe ich, dass die „hohe Messlatte“, die an andere gelegt wird, nichts mit der eigenen Leistung zu tun hat. In einer Gesellschaft, in der Menschen über ihre Leistung definiert werden, ist der Einzelne bestrebt sich leistungsstark zu zeigen, vor sich selbst und vor anderen Menschen. Die einfachste Möglichkeit besteht in der Abwertung anderer Menschen, insbesondere, wenn sie eine gewisse Stellung innerhalb der Gesellschaft einnehmen, aber auch in der Abwertung bestimmter Gruppen, Institutionen… - Es wird auch nicht vor Geringverdienern, Ehrenamtlichen oder Praktikanten, die umsonst arbeiten Halt gemacht. Der Ehrenamtliche oder/ und Geringverdiener könnte ja auch umsonst arbeiten. Natürlich wird erwartet, dass diese Menschen ständig voller Elan bei der Sache sind. Die Verkäuferin möchte doch bitte Tag und Nacht arbeiten und selbstverständlich immer gut drauf und freundlich sein.
Solche Ansprüche werden von Menschen erhoben, die mehr verdienen. Menschen, die in der Praxis dies selbst nicht leisten.
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niels
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

hmmm,
ich denke Dz hast mich weithin mißverstanden - jedenfalls wenn Du denkst, das ich mit der oder den "Messlatten" die "Leistung" eines Menschen, wie sie wiederum in der "Leistungsgesellschaft" mißverstanden wird, gemeint habe - auch wenn es womöglich (ich nehme an eher vereinzelt) solche "Erwartungen" an kirchliche Amts- und Würdenträger geben mag. Und wenn doch, dann sicherlich kaum mehr als dies von fast jedem Arbeitenden Menschen erwartet wird.

Gerade aa das Wort "Leistung" heute vielerorts mißverstanden oder halt seltsam gelagert interpretiert wird, habe ich es nicht verwendet, obgleich der Begriff im "reinen" ursprünglichen Sinne doch den Kern treffen würde.

Bei dem, was Jesus von den Menschen erwartete, ging es schon um die "Leistung" für die Gemeinschaft - auch wenn dies heute für manchen im heutigen Kontext merkwürdig klingen mag. Es geht nicht darum, wieviel Steine ein Maurer am Tag vermauert oder wie "intelligent" ein Mensch Probleme löst, sondern um den Willen wie das Streben für die Gemeinschaft - im weitesten Sinne. Vielleicht könnte man behaupten, es handele sich dabei auch um charakterliche Züge oder um das Bild vom Nächsten (wie denen weiter weg).

Das kann JEDER Mensch - gleich ob arm oder reich, gesitig mehr oder weniger bemittelt, gebildet oder nicht.

Ohne Vorbilder kann man derartige Wertemodelle schwer vermitteln (vor allem denen, denen der Weitblick nicht irgendwann irgendwo bzw. von irgendwem mitgegeben wurde). Jesus sah sich als Vorbild und lebte dies - mehr oder weniger konsequent. Mag schon sein, das heute nur sehr wenige Menschen derart offen und ehrlich mit sich wie der Umwelt stehen und umgehen können. Dennoch bin ich davon überzeugt, das es - aus der Sicht des Christ-Seins - schon Unterschiede zwischen Menschen gibt, wie ehrlich man gewillt ist diese WErte zu leben.

M.E. sollten diejenigen Kirchenämter beziehen - vor allem höhere - die in ihrer Echtheit und Ehrlichkeit Vorbild für andere Christen sind. Das bedeutet demnach auch, das die Kirche für sich einen Weg findet, die hohen und höheren Positionen mit Vorbildern zu besetzen.

Allerdings biete ich hier wieder mit dem Wort "Vorbild" neues Mißverständnispotential, da man heute nicht selten Schauspieler, "Stars" u.a. - in der Realität sonst fremde Personen - für "Ikonen" erklärt und als Vorbild darstellt.

Mag schon sein, das die Kirche bisher versucht die zu wählen, die sich "mit der Lehre Christus" am besten auskennen - theoretisch jedenfalls. Aber Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Schuhe, m.E. herrscht bei sehr vielen "Enttäuschten" der Eindruck vor, das in der Kirche - speziell auch bei der Wahl der Amtsträger - Theorie die Hauptrolle spielt, die Praxis dagegen eine verschwindent geringe Rolle..

Jesus hat man ans Kreuz genagelt, aus Angst vor Veränderung - in eben der selben bzw. sehr ähnlichen Formen hat die Kirche immer wieder die beseitigt, die sich für Veränderungen einsetzten. Heute wissen wir, das nicht wenige dieser Menschen es womöglich selbst um ein Vielfaches mehr wert gewesen wären, auf einer solchen Position in der Kirche zu stehen.

Auf der anderen Seite darf man ruhig mal nachhaken - nach immerhin vielen Jahrhunderten - ob die Struktur der Ämter und Würdenträger in der Kirche überhaupt noch annähernd zeitgemäß, meint geeignet ist, die eigentliche Lehre und die Werte in die Gesellschaft zu transportieren - oder ob dies nicht gemeinhin einer Anmaßung gleichkommt einzelne Menschen hierarchisch einem Gott näher zu stellen als andere.

Im Wort "Würdenträger" steckt das Wort "Würde" - Würde, so jedenfalls meine Meinung - erwirbt man nicht , schon gar nicht hauptsächlich durch hegen und pflegen bloßer Theorie, sondern ebenso durch intensive Praxis im bewussten Handeln, stetiger Selbstreflektion des eigenen Tuns mit dem Ziel der Gemeinschaft eine Stütze, ja wertvolle Hilfe zu sein - wo und wie auch immer. So ist so mancher Mensch, der täglich (machmal sogar heimlich) anderen hilft, die Hilfe brauchen näher an der gelebten Lehre des Christentums als die meisten Päpste und Bischöfe. Es ist sehr interessant zu sehen - finde ich jedenfalls, das sich von der Kirche abwendende Christen nicht selten in diesen Menschen Vorbilder suchen und dort wohl auch finden.

So gibt es auch nicht wenige die sagen, wenn ich eine Stunde in der Woche mehr allein meinen Mitmenschen verschreibe, statt die Zeit in die Sonntagsmesse zu gehen, bin ich davon überzeugt für die Menschen wie mich das Richtige getan zu haben. Warum auch nicht? ist das Sünde? Ist das frevelhaft?

Jesus war Vorbild und wollte wohl auch eines sein - aber seine Botschaft war nicht (da bin ich mir sicher) das ein für allemal und damit unerreichbar "beste" Vorbild zu sein - schon gar nicht das auf ewig einzige Vorbild seiner Zukunft (der einzig reine zwischen den zum ewigen Sünder verdammten). Immerhin, auch er war ja Mensch und nicht "vollkommen".

Das, so ebenfalls mein Eindruck, vermissen viele derer, die in der Kirche (vergeblich) eine "Institution" oder "Gruppierung" suchten, die ihnen - jedenfalls nicht im Kern wie den Spitzen der Kirche - weder gelebte Vorbilder noch ehrlichen Umgang mit Kritik offerieren kann.
Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Leistung kann auch als moralische Leistung, als Leistung im Gutsein verstanden werden. Hier sieht das Verhalten der Menschen nicht besser aus. Menschen sind etwas komplizierter gestrickt, als dass sich von Kritik oder Enttäuschung über den Mangel an Güte bei anderen Menschen auf das Gutsein dieser Enttäuschten schließen ließe. – Über diese Brücke gehe ich nicht.

Mit dem Begriff „Vorbild“ habe ich weniger ein Problem. - Obgleich…, aber dies hast Du bereits geschrieben.

Der Mensch ist fähig, über das Konkrete hinaus zu verallgemeinern und zu abstrahieren. Darin sehe ich den Grund der Entstehung des Begriffes “Kirche“. Er musste nicht „durchgesetzt“ werden.
Abstraktionen sind nützlich, sie helfen uns unsere Welt … zu verstehen. Allerdings erschließen sie nicht nur, sie können auch den Blick auf das Konkrete, Lebendige… verstellen.

In unserer Gesellschaft wird die Kirche wahrscheinlich tatsächlich vor allem als Bewahrerin christlicher Werte wahrgenommen. Die Kirchen setzen sich innerhalb der Gesellschaft dafür ein.
Wenn sich die Kirche - vornehmlich bestehend aus ihren irdischen Vertretern - nicht als Vorbild, sondern lediglich irdischer Verwalter himmlischer Interessen bzw. "akkreditierten Vertreter" einer überirdischen Instanz versteht, dann fragen Menschen / Christen zu Recht: "brauche ich das?" Bzw. "brauche ich das um Christ zu sein?".
Ich bin noch nie auf die Idee gekommen alle Kirchenvertreter auf ihre Tauglichkeit als Vorbild hin zu überprüfen. Es ist egal, wer etwas sagt. Ist eine Aussage richtig, sollte man ihr folgen, auch wenn der größte Lump sie verkündet. Ist ein Ratschlag falsch, sollte man ihn verwerfen, auch wenn 144 000 Heilige (Vorbilder) ihn geben.

Eine Kirche / Institution als Ganzes kann nie praktisches Vorbild sein, auch nicht alle ihre Amtsträger, das funktioniert nicht. Außerdem ist das zu pauschal. Vorbilder können immer nur einzelne Menschen sein. Solche Vorbilder gibt es auch unter den Amtsträgern der Kirche(n).

Ich habe noch ein anderes Problem mit solchen Aussagen über christliche Werte... Vielleicht wird es deutlich, wenn ich es als Frage formuliere: Was das soll alles sein? Das soll Christsein sein?
Als das Glaubensbekenntnis verfasst wurde ging es nicht um Werte, sondern um das richtige Verständnis von Jesus.
Bei der letzten großen Kirchenspaltung, auch Reformation genannt, ging es auch nicht nur um Werte. Es ist auch nicht so, dass die Kirchen 500 Jahre gebraucht hätten, um sich auf Werte zu einigen. Luthers Kernfrage war, wie finde ich einen gerechten Gott? Vor ein paar Jahren wurde verkündet einig in Sachen Rechtfertigung!
Das von Gottgläubigen dabei meist gefragte: "ja aber für wen letztendlich?" spielt keine Rolle mehr, wenn wir verstehen, das unser Bewusstsein uns - d.h. unserem Universum (in dem sich der Mensch so kalt fühlte) gehört. WIR sind Teil des Ganzen - Gott und Anbeter zugleich... Beten wir "Gott" an, beten wir insgeheim unsere Existenz, unser gemeinsames Bewusstseinspotenial an und hoffen, das es sich "eines Tages" vollendet umschließt.
Ich nenne mich nicht „Gottgläubig“. Ich lehne diese Bezeichnung für mich ab! Nicht nur, weil dies zu ungenau ist:
Der Begriff Gottgläubigkeit steht für ein religiöses Bekenntnis aus der Zeit des Nationalsozialismus, das durch Erlass des Reichsinnenministeriums vom 26. November 1936 auf den Melde- und Personalbögen der Einwohnermeldeämter sowie den Personalpapieren eingeführt wurde. Als gottgläubig galt, wer sich von den anerkannten Religionsgemeinschaften abgewandt hatte, jedoch nicht glaubenslos war. http://de.wikipedia.org/wiki/Gottgl%C3%A4ubigkeit
Außerdem, strebe ich weder an, mich als Teil des Weltalls, noch einer Art, einer Gattung oder sonstigen Gemeinschaft, eines universalen Bewusstseins, irdendeines Alleins oder sonst was aufzulösen. – Das interessiert mich alles nicht.

Ich sage zu meinem Herrn Jesus: Zu wem sollte ich gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. (Joh. 6,68)
Jesus und hat das beste Angebot, ein individuelles ewiges Leben als Person. So sehe ich das.

Grüße, Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

Der Mensch ist - wie wohl auch andere Lebewesen - mehr oder weniger fähig, Zusammenhänge zu "erkennen" und damit zu abstrahieren / zu "verallgemeinern". Aber er ist nich nur fähig, es ist eine ihm in die Wiege gelegte Veranlagung, ein "Drang" überall Zusammenhänge erkennen zu wollen. Erkennen und Abstrahieren erlaubt Ressourcenoptimierung aus der Sicht des Lebewesens.

Allerdings wissen wir heute auch, das dieser recht ausgeprägte Drang auch dazu führt, das Schlußfolgerungen und Abstraktionen - wie Du so schön sagst - "über das Erkannte hinaus" gezogen werden die damit jedweder Grundlage (z.B. die des Erkennens) entbehren. Wir versuchen - wider besseren "Wissens" - Zusammenhänge zu erkennen, wo gar keine sind (oder jedenfalls nicht die, die wir zu erkennen glauben) um aus diesen (wahrscheinlich unrichtigen) annahmen Schlüsse zu ziehen, die den Gesetzen der Logik zufolge ebenso wahrscheinlich, ja sogar noch wahrscheinlicher, nicht der Realität entsprechen. Der Mensch neigt stark dazu, Pseudo-Transzendenzen mit Transzendenz zu verwechseln - zumal die Unterscheidung nur dem möglich wäre, der transzendent "ist".

Offensichtlich nimmt die Natur dies so in Kauf, weil die Vorteile die Nachteile (bisher jedenfalls) überwiegen. Diese "Pseudo-Transzendenzen" finden sich daher seit Urzeiten in der menschlichen Kultur. Da wird das Wetter einem "wütend gewordenen" Überwesen zugeordnet, die Entstehung des Planeten Erde einem Wesen zugeschrieben, ein Wesen, was mit einer Schubkarre über den Himmel fährt um die Sonne übers Firmament zu schieben usw. - oder die Zukunft in einem Stapel Spielkarten "gedeutet". So hat jede dieser Dinge "irgendwo einen mehr oder weniger wahren Kern" - der aber weder dort ist, wo wir ihn vermuten noch Form und Größe hat, die wir ihm zuschreiben.

Wenn wir als Menschen weiterkommen möchten, sollten wir uns diesen Irrungen mehr bewusst werden und bei unseren Betrachtungen einbeziehen.

Zu "gut" und "böse" habe ich mich ja schonmal geäußert. Mit wachsendem "Abstand" - z.B., Aber nicht nur raumzeitlich - verwischen die Übergänge zwischen gut und böse bis zur Auflösung.

Kirche ist eine Institution für eine Gruppierung von Menschen, die sich einem bestimmten (10 Gebote) Wertemodell (namens "Christentum") für das Zusammenleben in der Gemeinschaft "verschrieben" haben.

Warum der Einzelne Christ ist, also z.B. aus vornehml.ich "egoistischen Gründen" wie z.B. der Angst vor der Hölle oder der Wille nach dem ewigen Leben oder aus Demut vor allem über das eigene menschliche Leben hinausgehende Große, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Klar sind die Ansichten und Wertevorstellungen der Menschen sehr verschieden - aber Religion wie Kirche ist ja der Versuch, eine gemeinsame Schnittmenge zu verwalten bzw. auszubauen. Demnach sind auch die "Faktoren" klar begrenzt bzw. bestimmt, nach denen die Kirche sich auch selbst organisieren könnte oder Vorbilder bestimmt. Das niemand vollkommen ist, wissen wir alle und auch die von manchen gehegte Vorstellung, der Papst sei eine Art "Übermensch" oder auch nur ein Stück weit "volkommener" ist aus der Luft gegriffen.
Ist seine Aussage richtig, sollte man ihr folgen
Genau hierin liegt das Problem.

Wer legt denn fest, was richtig und was falsch ist? Theoretiker? Oder doch die, die das Wertemodell selbst inständig und stetig reflektierend leben?

Die "Irrungen" Generationen von Theologen waren wohl kaum geringer als die eines jeden anderen Christen, der sich - vornehmlich theoretisch - mit der Umsetzung des Wertemodells beschäftigten. Jeder Mensch kann in sich selbst hineinhören und reflektieren, daraus Schlüsse für sein Handeln wie sein Leben ziehen. Umso wichtiger halte ich, den Menschen schon von früh an diesen "Sinn" zu erschließen, ihn für seine eigene Quelle der Werte zu öffnen - statt ihm vorgekaute Moralfragmente und - wie jedes ungelebte Wort - "hohle Floskeln" einzupauken. Erst durch die Praxis - d.h. indem man Werte lebt und dabei ebenso immer wieder bewusst reflektiert - wird ein dem Menschen wie aller Natur hilfreiches Werkzeug daraus.

Das bis heute in allen großen Religionen praktizierte "Nachplappern" irgendwelcher "vorgegebenen" Floskeln und Phrasen hat den wenigsten Menschen auch nur ein Stück weit mehr von der Idee dahinter erschlossen. Statt zu glauben können wir wissen (auch zum Wissen gehört ein Stück Glaube, allerdings mit bewusst "kalkulierten" Wahrscheinlichkeiten). Wir können wissen, warum wir "gut" sein sollten - für die Umwelt wie ebenso uns selbst.

Man könnte annehmen, die Kirche praktiziere ähnlich der Losung von IBM: "wir achten darauf, das unsere Kundenberater / Betreuer nicht mehr als 5% mehr (vom Fach) wissen als unsere Kunde selbst". Immerhin ist ja auch IBM damit recht erfolgreich ;)

Soweit man Kirchenämter und "Würdenträger"-Posten nicht mit Vorbildern besetzen kann, sollte man diese Positionen auch nicht über die des "einfachen" Christens hinausheben, denn worauf sonst wollte man den Anspruch begründen, das diese Leute (mehr) "Würde" tragen bzw. "würdiger sind" als jeder andere Christ? Wer sagt, das deren Wort (zumal ja pauschalisiert) "mehr gilt" als dies des Einzelnen Christen, das Menschen sich auf deren Maß und Urteil für das eigene Handeln und tun verlassen können?

Allein das ausgiebigere Studium irgendwelcher menschlichen Schriften, von Menschen gesammelt und zusammengestellt wie in Kontext gebracht bietet doch keinen Grund für die Annahme, das ein solcher "Gelehrter" auch nur eine Sprosse höher auf der "Leiter zu Gott" steht. Alle Interpretation von den Lehren Jesu kann nur irdisch, menschlich und damit fehlerbehaftet sein. Wir können nur versuchen zu verstehen, was Menschen wie Jesus uns vermitteln wollten (und was nicht) und ebenso auch, wo diese selbst womöglich mal irrrten.

Die strikt und hoch-hierarchische Struktur der Kirche ist womöglich nicht mehr zeitgemäß zur Erfüllung der eigentlichen Aufgaben der Kirche (auch wenn dies früher so üblich war). Die entstandenen wie bestehenden, für viele Menschen offensichtlichen Widersprüchen in Aussagen wie Auftreten der Kirche macht diese als Vorbild für viele ebensowenig geeignet wie vertrauenswürdig. "sie predigten Wasser und tranken Wein" usw. Sicher wäre es unmöglich, den Vorstellungen aller gerecht zu werden - dies entbindet jedoch nicht durch Umkehrschluß von der Pflicht, gleich gar nichts für eine Vorbildwirkung zu tun - insbesondere fokussiert auf die christlichen Werte.

Schlußendlich ist der Mensch nachhaltig gut, der ebenso egoistisch wie selbstlos denkt und handelt (bei Jesus hieß das: "liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst", bei Gautama ("Buddha") "der mittlere Weg" usf.). Denn er selbst IST Teil des Ganzen und die Vernachlässigung auch nur eines von beidem ist eine "Beschädigung" am Sein. Nur das aber wird kaum einem Menschen kommuniziert, stattdessen soll er sich auf "Vorgekautes" verlassen, das es nicht zu hinterfragen gilt - vor allem nicht kritisch.

Ob man zur Visualisierung dieses eigentlich doch offensichtlichen Zusammenhanges tatsächlich (noch) ein - mehr oder weniger virtuelles bzw. virtualisiertes - "Überwesen" braucht, kann ich nicht einschätzen. Ebenso gilt dies wohl für eine irdische Institution zur Verwaltung dieser Idee.

Wem's hilft?...

Immerhin hat kein Mensch das Recht, sich selbst mit seinem Weltbild über das anderer zu stellen oder gar Ansprüche an die Allgemeinheit darauf zu begründen (genau das aber passiert heute immer noch - in unserem wie anderen Ländern / Kulturen). Es liegt an den Menschen selbst, welchem Bild sie folgen. Viel wichtiger wäre, das sie es bewusst, transzendent angehen - sich nicht auf Pseudo-Transzendenzen verlassen/versteifen.

Das Konzept: "meine Idee ist die (einzig) richtige, deshalb bin ich der Vollkommenheit näher als andere" kann heute keinen Bestand mehr haben - nicht mal im Geringsten einen Unterschied bieten. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob man da in der Natur ein, viele oder gar kein Überwesen "erkennen" mag, noch weniger deren "Identität" usw.

Wer's braucht, soll damit - für sich selbst - seelig werden.
Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:Mit wachsendem "Abstand" - z.B., Aber nicht nur raumzeitlich - verwischen die Übergänge zwischen gut und böse bis zur Auflösung.
Ist es unter diesem Aspekt überhaupt noch sinnvoll von Gut und Böse zu sprechen? Welchen Sinn haben Vorbilder und ihre Unterscheidung von Menschen, die keine Vorbilder sind?
niels hat geschrieben:Wer legt denn fest, was richtig und was falsch ist? Theoretiker? Oder doch die, die das Wertemodell selbst inständig und stetig reflektierend leben?

Die "Irrungen" Generationen von Theologen waren wohl kaum geringer als die eines jeden anderen Christen, der sich - vornehmlich theoretisch - mit der Umsetzung des Wertemodells beschäftigten.
Richtig und falsch gibt es unabhängig von Wertemodellen. – Ich dachte an dieser Stelle weit praktischer. – Gibt es aber letztlich richtig und falsch nicht, ist es sinnlos von „Irrungen“ oder von „Pseudo“ zu sprechen.
niels hat geschrieben:Kirche ist eine Institution für eine Gruppierung von Menschen, die sich einem bestimmten (10 Gebote) Wertemodell (namens "Christentum") für das Zusammenleben in der Gemeinschaft "verschrieben" haben.
Zehn Gebote:
Exodus 20,2–17„2 Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
3 Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
4 Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.
5 Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation;
6 bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.
7 Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.
8 Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!
9 Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun.
10 Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat.
11 Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.
12 Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.
13 Du sollst nicht morden.
14 Du sollst nicht die Ehe brechen.
15 Du sollst nicht stehlen.
16 Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.
17 Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Gebote.
Was ist daran falsch?
niels hat geschrieben:Erst durch die Praxis - d.h. indem man Werte lebt und dabei ebenso immer wieder bewusst reflektiert - wird ein dem Menschen wie aller Natur hilfreiches Werkzeug daraus.
Das ist nichts Neues. Das Leben ist die Praxis. Wir leben alle.

Ich reflektiere bewusst. Das führte mich dazu, zwischen Geboten und Werten zu unterscheiden. Ein Beispiel:
„Du sollst nicht töten“, ist ein Gebot. – Leben ist ein Wert.
„Du sollst lieben“ ist ein Gebot. – Liebe ein Wert.

Gebote fordern auf zum aktiven Handeln. Sie sprechen den konkreten Menschen an.
Werte sind Ziele, erstrebenswerte Ideale. Konkrete Handlungen müssen aus ihnen erst abgeleitet werden. Da es eine Vielzahl von Werten gibt, werden diese gewöhnlich gegeneinander abgewogen, nicht einmalig, sondern immer wieder neu.

Führt schon das Gesetz (also auch die 10 Gebote) nicht zur Gerechtigkeit, so schaffen dies Werte noch weniger.
Werte führen nicht automatisch zur Wertschätzung der Mitmenschen. Während bei einer Gesetzesethik zumindest die Chance für die soziale Akzeptanz eines bestimmten Verhaltens besteht (denn die Regeln sind klar), ist das bei einer Werteethik nicht mehr gegeben.
Dies liegt nicht nur an unterschiedlichen Wertemodellen. Da Werte miteinander konkurrieren z.B. der Wert „Toleranz“ mit dem Wert „Kritikfähigkeit“, hängt eine Bewertung einer Aussage sehr von den subjektiven Befindlichkeiten des jeweiligen Betrachtes ab, seinem eigenen Standpunkt, seinem Bild vom Gegenüber, seiner Laune.
niels hat geschrieben:Schlußendlich ist der Mensch nachhaltig gut, der ebenso egoistisch wie selbstlos denkt und handelt (bei Jesus hieß das: "liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst", bei Gautama ("Buddha") "der mittlere Weg" usf.). Denn er selbst IST Teil des Ganzen und die Vernachlässigung auch nur eines von beidem ist eine "Beschädigung" am Sein. Nur das aber wird kaum einem Menschen kommuniziert, stattdessen soll er sich auf "Vorgekautes" verlassen, das es nicht zu hinterfragen gilt - vor allem nicht kritisch.
Ja gut, das ist ein anderer Weg. Aber ebenso vorgegeben.
Ganz individualistisch betrachtet, ohne die Vorgabe, ist „Teil des Ganzen“ und "Beschädigung" am Sein“ nicht einleuchtend.
niels hat geschrieben:Immerhin hat kein Mensch das Recht, sich selbst mit seinem Weltbild über das anderer zu stellen oder gar Ansprüche an die Allgemeinheit darauf zu begründen (genau das aber passiert heute immer noch - in unserem wie anderen Ländern / Kulturen). Es liegt an den Menschen selbst, welchem Bild sie folgen.
OK!
niels hat geschrieben:Viel wichtiger wäre, das sie es bewusst, transzendent angehen - sich nicht auf Pseudo-Transzendenzen verlassen/versteifen.
Wenn die obere Aussage gilt, dann gilt das hier nicht! Dann gibt es kein „wichtiger“ und kein „Pseudo“, dann ist alles gleich gültig!
niels hat geschrieben:Das Konzept: "meine Idee ist die (einzig) richtige, deshalb bin ich der Vollkommenheit näher als andere" kann heute keinen Bestand mehr haben - nicht mal im Geringsten einen Unterschied bieten. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob man da in der Natur ein, viele oder gar kein Überwesen "erkennen" mag, noch weniger deren "Identität" usw.
Ja schön, aber wenn alles gleich gültig sein soll, dann ist auch das gleich gültig.

Ich habe nichts dagegen, wenn Buddhisten nach Vollkommenheit streben.
Der christliche Glaube, so wie ich ihn verstehe, sagt, dass ich mir das Heil weder erarbeiten kann, noch brauche. Das Heil bekommen wir als Geschenk, völlig unverdient. Mein Glaube, auch das ein Geschenk, der Weg der Nachfolge ist ein Geschenk, Nachfolge ist Gnade. Daher bin ich etwas erstaunt über deine Vorschläge zur Kirchenreform in Richtung noch mehr Vollkommenheit. Ich würde sie in Richtung mehr Geschwisterlichkeit reformieren.

LG Christel
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Ungelesener Beitrag von niels »

Wenn man bewusst reflektiert - insbesondere das eigene Handeln - ergeben sich "Gebote" oder besser "Handlungsentscheidungen" von selbst. Demnach halte ich es für zielführender, das Menschen sich im bewussten Reflektieren üben statt vornehmlich im "Erlernen" in Form von "Nachahmung". Das "Gute" - also das seiner Art, ja sogar der Natur förderliche - ist ihm bereits mit auf den Weg gegeben.

Mit den 10 Geboten habe ich prinzipiell kein Problem. Probleme entstehen aber dort, wo der Mensch anfängt zu interpretieren - vor allem aber dort, wo Menschen behaupten die "richtigere" Interpretation zu haben als z.B. der Durchschnittsmensch. Diese Praxis findet sich ja heute in quasi allen großen, theistischen Religionen.

Was "gut" und "böse" ist, hatten wir ja schon ausgiebig debattiert. Mit unendlichem Abstand ist die Summe allen Guten und Bösen immer Null. Demnach spielt es keine Rolle, was Gut und was Böse ist und beide "Aggregate" kehren sich ineinander um. Dieser "theoretische" Abstand ist für den Menschen nicht "erreichbar". Gut für den Mensch wie aus der Sicht des Menschen ist, was der fortführenden Bewusstwerdung (und damit der "Vertiefung") "unseres" Seins - z.B. unseres Universums - dienlich ist. "Böse", "schlecht" oder "negativ", was dies behindert.

Man könnte zwar Vorbilder versuchen zu definieren, z.B. indem man Menschen wählt, die als "Lehrer" in der "Bewusstwerdung" am "erfolgreichsten" sind. Aber es dürfte schwer werden geeignete Personen für solche Positionen zu selektieren, da niemand sicher sagen könnte, ob das bei einer Person real (transzendent) oder irreal (pseudo-transzendent) erfolgt. Transzendenz spürt ein Bewusstsein, z.B. ein Mensch ausschließlich an sich selbst und auch nur dann, wenn er sie erreicht (hat). So könnte quasi jeder behaupten, er sei transzendenter als andere - ohne jedwede fundierte Begründung.

Damit ist und bleibt fraglich, ob und wie weit der Christ die Institution der Kirche braucht, oder welchen Stellenwert diese für die Christen hat bzw. haben kann. In der Vergangenheit war Kirche für den Christen das unmittelbare Muß, er brauchte sie wie der Fixxer den nächsten Schuß. Das Konzept der "Glaubenswächter" ähnelt häufig dem eines Drogenhändlers. Nur er kann - wenn auch nur vorübergehend - "ein ruhiges Gewissen" vermitteln.

Der Mensch irrt, wenn er meint bzw. denkt, die Fähigkeit des "Denkens" hebe ihn über die anderen Lebewesen unseres Planeten hinaus und diese habe ihn zum heutigen "Erfolg geführt". Es gibt Tierarten, die belegbar mehr Zeit und sogar schneller "denken" als der Mensch. Tatsächlich ist es die Fähigkeit der Nachahmung, die ihm seine heutige, "herraustechende" Position auf dem Planeten gebracht hat. Das, und dazu brauchte der Mensch immerhin bis mindestens heute, fängt an ihm (momentan wohl eher fast nur Wissenschaftler) zu "dämmern".

Diesem Nachahmungsprinzip bedienten sich auch viele historische Gesellschaftsmodelle wie z.B. die Religionen. Statt zu "wissen" - also selbst auf Zusammenhänge (mehr oder weniger wahrscheinlich richtig)schließen zu können - tritt der "Glaube". Das spart Ressourcen wie Energie und fällt dem Menschen wesentlich einfacher, als etwas nicht zu wissen (obgleich man es wissen will). Man sagt ja nicht umsonst: "Glaube kann Berge versetzen".

Glaube ist ein unbestritten mächtiges Mittel, führt man den Glauben einer Gesellschaft auf ein Totem (z.B. einer "Figur" bzw. einem "Gott", ggf. aber auch einem beliebigen anderen Gegenstand), bekommt man die Fäden dieser Macht über Menschen in der Hand, indem man sich "vor" oder "neben" diese stellt. Wozu derjenige die damit gewonnene Macht nutzt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Geschichte gibt uns hier genug Beispiele.

Würde man Jesus nicht als "Sohn des allmächtigen Gottes" betrachten , sondern als Mensch wie Du, ich und alle anderen (oder alle Wesen als "gleichwertige Kinder" Gottes), träte seine Lehre in ein anderes Licht - die Grundprinzipien "hinter" den 10 Geboten blieben dem Menschen nicht weiter als "mittelbarer Wille des allmächtigen Gottes" verschlossen wie verborgen und die Lehre müsste - wie die anderer "Lehrer" - laufender bewusster Reflektion und kritischer Betrachtung des Einzelnen standhalten. Was wäre so schlimm daran? Ich denke nichts...

Die 10 Gebote wurden vom Menschen entwickelt und aufgestellt, warum sollte er diese dann für vollkommen, ewig gegeben und nicht "hinterfragbar" halten? Sie haben sich ja mehr oder weniger gut über die 2.000 Jahre bewährt - ähnlich anderen Konzepten. Rückschritt oder Vergehen beginnt dort, wo man stehenbleibt - ein Grundprinzip unserer Natur - ebenso wie Kommen und Gehen dazugehören. Das ewige Leben wird spätestens dort uninteressant, wo man es erreicht - das "Erleben" der "Ewigkeit" (in allen "Dimensionen") dagegen ist das höchste, was ein Bewusstsein erreichen kann. Tief in uns steckt bereits der Drang, eine "Tendenz" oder "Sehnsucht" in diese Richtung, die uns nur erahnen lässt, wie "vollkommen" das Sein dort erscheint - wie schön dieser unendlich lange wie kurze "Moment" sein kann, wird ist. Der Weg dorthin allerdings scheint uns auf ewig verstellt.

Religionen regen den Glauben an eine - mehr oder weniger - zuverlässige "Abkürzung" an auf einem Weg, der für jedes Individuum ebenso individuell ist und bleibt, wie es selbst. Wie sie dem einen womöglich ein, zwei Schritt weiterhelfen kann, desto irreführender wird sie für wiederum andere sein.

Cheers,


Niels.
Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Niels, was Du schreibst ist in sich logisch. Wie jedes logische System basiert es auf Voraussetzungen, die als gegeben angenommen werden.

Voraussetzungen sind:
niels hat geschrieben:Wenn man bewusst reflektiert - insbesondere das eigene Handeln - ergeben sich "Gebote" oder besser "Handlungsentscheidungen" von selbst.
Ja richtig, wer reflektiert trifft oft Entscheidungen. Wie diese aussehen bleibt offen, denn viele Faktoren beeinflussen Entscheidungen, z.B. die Menge der zur Verfügung stehenden Informationen oder wenn sich ein Mensch zwischen seinem Gewissen und seiner Karriere entscheiden muss. Im Extremfall ist das eine Entscheidung zwischen dem eigenen Tod und dem Leben als wohlhabende mächtige und geachtete Person.
Außerdem, wer reflektiert kommt nicht zwangsläufig zu einer Entscheidung.
niels hat geschrieben:Mit unendlichem Abstand ist die Summe allen Guten und Bösen immer Null.
Unter dieser Voraussetzung ist Ethik sinnlos. Ebenso die Reflektion darüber.
niels hat geschrieben:Rückschritt oder Vergehen beginnt dort, wo man stehenbleibt - ein Grundprinzip unserer Natur - ebenso wie Kommen und Gehen dazugehören.
Leben ist Veränderung, daher verändern wir uns solange wir leben. Spreche ich von einem Grundprinzip gehört auch eine gewisse Wiederholung dazu (z.B. Jahreszeiten, sterben und geboren werden). Fraglich ist, ob hier von Rückschritt oder Fortschritt gesprochen werden kann.
niels hat geschrieben:Das ewige Leben wird spätestens dort uninteressant, wo man es erreicht - das "Erleben" der "Ewigkeit" (in allen "Dimensionen") dagegen ist das höchste, was ein Bewusstsein erreichen kann. Tief in uns steckt bereits der Drang, eine "Tendenz" oder "Sehnsucht" in diese Richtung, die uns nur erahnen lässt, wie "vollkommen" das Sein dort erscheint - wie schön dieser unendlich lange wie kurze "Moment" sein kann, wird ist.
Was immer Erleben der Ewigkeit ist, wenn es nicht ewiges Leben bedeutet, finde ich es uninteressant. Ich habe diese Sehnsucht nicht.


Nachahmung oder Reflektion?

Das Nachahmungsprinzip ist kein Prinzip bestimmter Gesellschaftsmodelle oder Religionen, sondern vielmehr ein allgemeines Prinzip bei einigen Tieren und beim Menschen sowieso. Ohne dieses wären wir nicht lernfähig. Wir hätten keine Sprache. Wir hätten kaum Wissen. Ohne Wissen hätten mir nichts zu reflektieren.
niels hat geschrieben:Würde man Jesus nicht als "Sohn des allmächtigen Gottes" betrachten , sondern als Mensch wie Du, ich und alle anderen (oder alle Wesen als "gleichwertige Kinder" Gottes), träte seine Lehre in ein anderes Licht - die Grundprinzipien "hinter" den 10 Geboten blieben dem Menschen nicht weiter als "mittelbarer Wille des allmächtigen Gottes" verschlossen wie verborgen und die Lehre müsste - wie die anderer "Lehrer" - laufender bewusster Reflektion und kritischer Betrachtung des Einzelnen standhalten. Was wäre so schlimm daran? Ich denke nichts...
Unter der Voraussetzung, dass die 10 Gebote von Jesus stammen, könnte das so zutreffen.
Da diese Gebote aber nicht von Jesus stammen, hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Die 10 Gebote gelten als von Gott gegeben (nicht von Jesus). Sieht man in Jesus nicht den "Sohn des allmächtigen Gottes" ändert das an den 10 Geboten nichts.

Unter der Voraussetzung, dass Christsein bedeuten würde nach den 10 Geboten zu leben, bräuchte man die Kirche nicht. Das ist richtig! – Christsein ist nach meiner Auffassung etwas anderes, deshalb ist die Kirche wichtig.

LG Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

Christel hat geschrieben:Hallo Niels, was Du schreibst ist in sich logisch. Wie jedes logische System basiert es auf Voraussetzungen, die als gegeben angenommen werden.
Nicht ganz,
ich nehme mal an, das Du mit "System" eher etwas wie ein" Modell" meinst. Ein "logisches Modell" basiert - das ist richtig - i.d.R. auf Parametern / "Eingangswerten". Aber wie diese konkret aussehen / ausfallen ist für das System - oder besser "Modell" - selbst zweitrangig. Ein Modell beschreibt Zusammenhänge mehr oder weniger genau mit in etwa: "wenn -> dann". Hinzu kommt der Faktor der Wahrscheinlichkeit bzw. Genauigkeit, den man dem Modell zuschreibt - ggf. auch für bestimmte Parameterfenster.
Ja richtig, wer reflektiert trifft oft Entscheidungen.
Entscheidungen werden auch ohne bewusste Reflektion / Beobachtung getroffen (z.B. eben per "Nachahmung" oder gar (pseudo-)zufällig.
Wie diese aussehen bleibt offen, denn viele Faktoren beeinflussen Entscheidungen, z.B. die Menge der zur Verfügung stehenden Informationen oder wenn sich ein Mensch zwischen seinem Gewissen und seiner Karriere entscheiden muss. Im Extremfall ist das eine Entscheidung zwischen dem eigenen Tod und dem Leben als wohlhabende mächtige und geachtete Person.
Ich verstehe nicht ganz, wie Du auf dieses Beispiel kommst oder wir jemand derartige Schlüsse wahrscheinlicher über bewusste Reflektion / Beobachtung als per Nachahmung treffen wird.
Außerdem, wer reflektiert kommt nicht zwangsläufig zu einer Entscheidung.
Das mag zutreffen - insbesondere dann wenn derjenige in bewusster Reflektion / Beobachtung "ungeübt" ist oder wenn der Zeitpunkt für eine bestimmte Entscheidung schlicht "suboptimal" ist.
Unter dieser Voraussetzung ist Ethik sinnlos. Ebenso die Reflektion darüber.
eben.
Damit wird - ganz nebenbei sozusagen - beschrieben, wo jedwede Ethik etc. unnötig wird.
Fraglich ist, ob hier von Rückschritt oder Fortschritt gesprochen werden kann.
Der "Kreislauf" - oder besser Zyklizität - in Natur und Leben ist Grundbedingung für deren Erhalt wie auch deren Fortentwicklung. Würde z.B. kein Mensch sterben, könnte irgendwan auch kein neuer geboren werden. Jedwede Fortentwicklung wäre limitiert und über die Zeit unmöglich.
Was immer Erleben der Ewigkeit ist, wenn es nicht ewiges Leben bedeutet, finde ich es uninteressant. Ich habe diese Sehnsucht nicht.
Du mißverstehst mich hier.
Offensichtlich besteht in Dir der Drang nach (dem) Leben (in der Dir bekannten individualisierten Form Deiner "Person" bzw. Deines "Ichs" oder wie auch immer Du das nennen willst). Leben bedeutet "bewusst sein", oder wolltest Du ein "Leben" ohne "bewusst sein"? Wenn ich Dich richtig verstehe, ist Dir Leben sogar derart wichtig, das Du es dauerhaft ersehnst (was das Konzept unserer Natur aber "leider" nicht vorsieht). Darin "zeigt" sich der Drang unseres Seins bzw. "Welt", "sich" bewusst zu werden - wobei das einzelne lebende Individuum nur eine vergleichsweise geringe, wenn dennoch wichtige Rolle spielt (in etwa wie das Leben der einzelnen Ameise für den Ameisenstaat "unwichtig" wie zugleich "wichtig" ist).

Das Nachahmungsprinzip ist kein Prinzip bestimmter Gesellschaftsmodelle oder Religionen, sondern vielmehr ein allgemeines Prinzip bei einigen Tieren und beim Menschen sowieso.
Jaein,
das Prinzip "Nachahmung" ist fast überall in unserer Natur zu finden - ebenso wie das bewusste Erkunden neuer Wege, "Verhaltensweisen" oder "Lösungen". Das Gleichgewicht zwischen Nachahmung und bewusster Tätigkeit ist sozusagen grundwichtig für die Fortentwicklung (und damit auch die Entstehung jeden Lebens überhaupt).

In unserer heutigen Welt gibt es eine Vielzahl Gesellschaftsformen und/oder Modelle, in denen Nachahmung mehr oder weniger "Bevorzugung" findet - bis hin zu Modellen, in denen Nachahmung bewusstes Handeln sehr weit oder gar weitestgehend verdrängt.

Neues Wissen - das bedeutet auch den Gutteil des heute beim Menschen angesammelten Wissens - ist NICHT durch Nachahmung entstanden. Nachahmung kann Wissen nur weitergeben - mehr oder weniger gut / effizient / verlustbehaftet. Neues Wissen entsteht allein durch bewusstes Reflektieren / Beobachten.

In einer Gesellschaft, in der zumehmend nachgeahmt wird, gibt es folglich immer weniger neues Wissen. Eine Art wird von der Zeit überholt, wenn ihre Entwicklung stillsteht.
Ohne dieses wären wir nicht lernfähig. Wir hätten keine Sprache. Wir hätten kaum Wissen. Ohne Wissen hätten mir nichts zu reflektieren.
Ohne bewusste Tätigkeit / Reflektion gäbe es weder Wissen noch etwas zu "lernen" bzw. "nachzuahmen". ALLES Wissen, wessen wir uns heute bedienen - wurde durch bewusste Reflektion / "beobachten" generiert.
Da diese Gebote aber nicht von Jesus stammen, hat das eine mit dem anderen nichts zu tun.
Ich beziehe mich lediglich auf die Lehren der Person Jesus, die sich afaik eng an den 10 Geboten orientierten.
Christsein ist nach meiner Auffassung etwas anderes, deshalb ist die Kirche wichtig.

Dieses "andere" habe ich erkennen oder verstehen können - wohl auch weil die meisten mir dazu gemachten Aussagen, auch nach tieferer Betrachtung widersprüchlich bleiben, ja mit zunehmender Vielfalt an Standpunkten mal tieferer Betrachtung immer wiedersprüchlicher. Aber ev. kannst Du da ja meinen Geist "erhellen"...

---

Nun, ich denke ich kann zumindest nachvollziehen, warum es Menschen gibt, die religiös sind - ohne dies in irgend einer Form werten zu wollen. Ich kann ebenso nachvollziehen, das es Menschen gibt, die das nicht (oder nicht mehr - mancheiner ggf. auch noch nicht) brauchen. Allerdings vermisse ich bei vielen (nicht allen) Religiösen ein ebensolches Verständnis - insbesondere für die, die gar nicht religiös sind, sein wollen oder brauchen (von anderen Religionen nicht selten ebenso).

Meine rein persönliche Sicht dazu ist, das Religiösität eine Stufe im "Erkenntnisprozess" eines Lebewesens, wie es unser irdisches Leben kennt, ist - auf einer Art "Treppe" die ein "davor" und "danach" (womöglich auch einen Weg "darumherum") hat. Es spielt auch keine Rolle, ob sich nun z.B. ein Mensch oder Lebewesen noch "vor" oder bereits "nach" dieser mehr oder weniger scharf abgrenzbaren "Phase" bewegt.

Die "Sehnsucht" - wie Du schreibst - braucht der Mensch auch nicht, soweit er diese nicht zur "Lebenserhaltung" braucht. Nicht jeder Mensch hat oder sehnt sich nach etwas, was z.B. zeitlich "nach" seinem Ableben geschieht. Für mich ganz persönlich gilt jedenfalls, das ich kein "ewiges Leben" wollte und ich halte mich auch nicht für so wichtig, als das mich die Welt solange bräuchte oder gar unterhalten müsste. Für solche Menschen wär ein ewiges Leben auch keine "Belohnung" für ein "gottgefälliges" Leben im Sinne der Religion, die das verspricht.

Die "Sehnsucht" nach "Bewusstwerdung" liegt vielmehr in unserer Welt, unserem Universum selbst und sie allein ist der Grund, warum unser Universum bewusstes Leben hervorbringt und Lebewesen i.d.R. "am Leben hängen". Die "Sehnsucht" ließe sich naturwissenschaftlicher eher mit einem Feld gleichsetzen - z.B. einem Gravitationsfeld, in dem massebehaftete Körper im Umfeld eine "Sehnsucht" in Richtung Gravitationszentrum "verspüren", zu dem Sie - soweit keine "Gegenkraft" da ist - unmittelbar "hinfallen". Der Mensch verspürt lediglich eine "Sehnsucht" nach dem Leben und Fortentwicklung/-pflanzung - so ist er "programmiert" - der eine mehr, der andere vielleicht weniger. Ein "ewiges Leben" klingt da schon nach einem "guten Deal", der - wenns soweit ist - jedwede Basis verliert, schon weil mit dem Ende des Lebens auch der Drang zur Lebenserhaltung vergeht. Eine Religion, die Selbstlosigkeit predigt, sorgt selbst dafür, das die ureigenen, egobezogenen Triebe bedient werden. Ein religiöses Leben ohne egoistischen Aspekt gibt es nicht - eher im Gegenteil. Selbstlosigkeit ist nichts ohne Egoismus - und andersherum. Die "ausgwogene Mitte" ist das, was den Menschen wie die Menscheit weiterbrachte und weiterbringt.

Dem religiös-Gläubigen geht es in erster Linie um sich selbst und Religion bleibt ein Versuch, egoistische Antriebe für die Gemeinschaft zu aktivieren bzw. auf diese "partiell" umzulenken - oder auch nur auf die Ziele einer beschränkten Gruppe.

Wem die reine Vorstellung vom "ewigen Leben" o.ä. Wunschbilder bzw. Versprechungen zu Lebzeiten Trost spenden mag, der sei "seelig" damit, wobei ich nur hoffe, das er dabei den Fokus auf seine eigene irdische Lebenszeit nicht zu sehr vergisst (wie heute immer häufiger der Fall oder Mittel zum zweifelhaften Zweck). Immerhin beschreibt Religion einen sehr typischen evolutionären Prozess - beim Menschen wie auch anderen Arten.

Welche immer neue Irrungen damit verbunden sind, wissen wir, wenn wir auf's Mittelalter, ja sogar wenige Jahrzehnte zurück blicken. Warum sollte es gerade heute anders sein und Menschen in 100 oder 1.000 Jahren über uns heute nicht ebenso schmunzelnd bis entsetzt den Kopf schütteln.

Was wäre so schlimm daran uns selbst einzugestehen, das wir fast nichts wissen - und religiöser Glaube uns im Erkenntnisprozess kein Stück näher bringen kann, da er uns - zumindest in einem längeren zeitlichen Kontext - immer ebenso in die Irre führt und "verblendet", wie er uns eine Ahnung von der Realität geben kann - also für die Menschheit insgesamt ein Nullsummenspiel bleibt. Während die "erfolgreichen" Weltreligionen z.B. für ihre Gruppierung insbesondere in der frühen Zeit forschrittlich und hilfreich war, wird diese mit forschreitender, zeitlicher Entfernung immer mehr zum Hemmschuh, womit der "Vorteil" für die Gruppe - vor allem aber die Menschheit insgesamt - sich selbst auflöst.

Bleibt schlußendlich der gern angeführte "Trost", den Glaube der Aussage Gläubiger (ob nun Religion und/oder Esotherik bleibt dahingestellt) nach spenden kann - zum Preis das wir uns dem Wissen sperren, nämlich dem Wissen, das wir Dinge bisher definitiv nicht wissen. Das ähnelt z.B. dem "Augen-Zuhalten" z.B. wenn ein Mensch stirbt.

Sind wir denn wirklich so wichtig?
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Niels, Hauptausgangspunkt meiner Ausführungen zur Reflektion war diese Aussage von Dir:
niels hat geschrieben:Wenn man bewusst reflektiert - insbesondere das eigene Handeln - ergeben sich "Gebote" oder besser "Handlungsentscheidungen" von selbst. Demnach halte ich es für zielführender, das Menschen sich im bewussten Reflektieren üben statt vornehmlich im "Erlernen" in Form von "Nachahmung". Das "Gute" - also das seiner Art, ja sogar der Natur förderliche - ist ihm bereits mit auf den Weg gegeben.
Wie es der Zufall will, hatte ich gerade Bücher über Eliten im Nationalsozialismus in der Hand. Warum entschieden sich diese hochintelligenten Menschen für eine Karriere im NS-Regime?
War es einfach Nachahmung und mitmachen oder aufgrund einer bewussten Reflektion?

Ich schließe nicht aus, dass aufgrund einer bewussten Reflektion die Entscheidung für das NS-Regime fiel. Der Zusammenbruch war anfangs nicht abzusehen und es brachte Vorteile.

Ansonsten zeigt gerade dieses Beispiel, dass ein Abstand zum Regime in diesem System der Gleichschaltung nur durch Reflektion möglich war.
niels hat geschrieben:Ein Modell beschreibt Zusammenhänge mehr oder weniger genau mit in etwa: "wenn -> dann". Hinzu kommt der Faktor der Wahrscheinlichkeit bzw. Genauigkeit, den man dem Modell zuschreibt - ggf. auch für bestimmte Parameterfenster.
Genau! Während aber z.B. in einer technischen Anleitung oft noch „wenn“ „dann“ dasteht, werden im normalen Leben Ausgangsthesen einfach als „ wahr“ angenommen und nicht hinterfragt. Überprüft wird nur die Logik. Erscheint etwas logisch, wird es oft einfach als wahr angenommen und geglaubt. Doch stimmt die Ausgangsthese nicht, ist auch die Schlussfolgerung nichts wert.

Geht man bei Begriffen z.B. für „Religion“ von unterschiedlichen Definitionen, also Ausgangspunkten aus, redet man zwangsläufig aneinander vorbei.

Was das Weiterleben nach dem Tod betrifft, es gab Menschen in meinem Leben, die sagten mir, was willst Du mit Gott, dem ewigen Leben, man lebt in den Kindern weiter… und dann gibt es noch Ideale wie der Fortschritt der Menschheit… - Das hat mich nie beeindruckt. Das ist nicht mein Weg!
Gleichwohl habe ich mein Christsein eine Zeitlang ganz bewusst im Irdischen gelebt. Auch ohne Aussicht auf ewiges Leben macht es Sinn Christ zu sein, das Reich Gottes hier und jetzt….
Aber am Grab eines Menschen hilft das nicht. Das trägt nicht. Keine der Vertröstungsthesen trägt, nur der Gekreuzigte und Auferstandene, so habe ich das jedenfalls erfahren.
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

Hallo Christel,

Die Entscheidung für ein diktatorisch bzw. unkritisierbares Gesellschaftssystem - soweit diese nicht wirklich "zwangsweise" erfolgt (wobei "zwangsweise" mißverstanden werden könnte) obliegt jedem selbst - ganz egal ob er sich dabei z.B. für den "Nationalsozialismus" (der zudem ja nicht mal einer war...), also die "unumstößliche" Lehre z.B. eines "Führers"oder eines "Gottes". Darüber, das die meisten Menschen heute "Intelligenz" fehldefinieren, ist mittlerweile auch unter "Intelligenzforschern" Stand der Wissenschaft.

Nur weil jemand zwei mal zwei zusammenbringen kann, ist er noch lange nicht "intelligent". Intelligenz ist weitaus komplesxer und bezieht soziale Kompetenzen ebenso ein wie sogar auch physische.

Falsch ist auch, das "Bewusstsein" mit "Intelligenz" oder "Intelligenz" mit "Denken" volkstümlich (weitgehend) gleichgesetzt wird und auch "Wissen" wird - sagen wir mal: "ungeeignet" - interpretiert. Es handelt sich nicht nur um verschiedene Begriffe, sondern - jedenfalls bei wissenschaftlicher Betrachtung - auch grundverschiedene Dinge / Sachverhalte, die - wenn überhaupt - nur "indirekt" ineinandergreifen. Allerdings ist in der heutigen Wissenschaft eine Tendenz erkennbar, die sich zumindest in Richtung einer geeigneteren "Diversifizierung" entwickelt.

Im englischsprachigen Raum spricht man heute gern von "Skills" (in etwa: "Kompetenzen") und im Deutschen auch "Fachidioten". Das sind Menschen, die zulasten anderer Fähigkeiten bestimmte Kompetenzen besonders fokussieren und ausbilden. Demnach ist es sogar häufig, das scheinbar "intelligente" (besser eigentlich "fachkompenente") Menschen auf anderen Gebieten - z.B. sozialen - besondere Schwächen zeigen.

Beispiele finden sich da mehr als genug. So gab es hoch fachkompetente "Wissenschaftler" die z.B. die Rassentheorien der Nazis befürworteten (sogar "wissenschaftlich") - ähnlich peinlich wird es, wenn hochkompetente Astro-Physiker wie z.B. Philbert (München) in Ihren wissenschaftlichen Ausführungen über einen Gott herumsimulieren. Das es selbst (hochgehobener) Theologen oder christliche "Geistliche" gab, die allen Ernstes den "Sinn" oder "Willen Gottes" im Treiben wie den Ideen der Nazis.

Darüberhinaus habe ich nicht den Eindruck, das auch nur einer der damaligen Nazi-Eliten sonderlich "intelligent" gewesen wäre (nehmen wir z.B. Adolf und die, die dann vor Nürnberg standen und als "Elite" galten).

Nicht zuletzt:
Was (mit) den Deutschen im Dritten Reich passierte, musste wohl mehr oder weniger passieren - auch wenn es eine Minderheit gab, die von Beginn an dagegen war. Adolf konnte nur derart mächtig agieren, weil er die Gesellschaft - zumindest in der Summe - hinter sich wusste. Wer nicht "bewusst handeln" will muss fühlen - könnte man sagen, damit zumindest der Lerneffekt per Nachahmung zukünftigen "Ärger" minimiert. Wie "teuer" diese Erfahrung war, ist uns allen bekannt.

Nun,
meine Großeltern waren nicht sonderlich - jedenfalls nicht "herausragend intelligent" - zumindest in der Weise, wie man "Intelligenz" heute verwstehen mag. Sie galten auch nicht als sonderlich christlich - jeder hatte mehr oder weniger seine eigenen Erfahrungen mit Kirche & Co. gemacht. Ebenso (oder "dennoch"?) sind sie den Nazis - soweit ihnen aus ihrer Sicht möglich - aus dem Weg gegangen - mehr oder weniger erfolgreich. Absolutistische Ideen - gleich welcher Form - genossen offensichtlich schon immer ein eher zweifelhaftes Ansehen in der Familie. Ebenso kenne ich eine Reihe anderer persönlich, denen es ähnlich erging.

Religion kann man schon recht weit definieren - auf verschiedensten Blickwinkel. Verschiedene (nicht nur theistische) Religionen selbst entsprechen dem Bild der Gruppe Blinder, die ein jeder an einem einzelnen Teil eines Elefanten herumtasten - eineram Bein, der andere auf dem Rücken, der nächste am Ohr wie der letzte am Rüssel. Ein jeder bschreibt, was er sieht und ein jeder will dazu noch Recht haben - dennoch erkennen sie den Elefanten nicht als solchen. Würden sie dazu noch die Sichtweise des anderen bestreiten, wären sie für uns noch lächerlicher bzw. bedauerlicher anzusehen. Solange ein jeder der Meinung ist, sein Bild sei das richtigere und vor allem unverrückbar, wird keiner je den Elefanten im Ganzen erkennen können.

Wissenschaft tastet auch im Dunkeln, kalkuliert den Faktor Unwissen aber mit ein (wenn man modernere Wissenschaft betreibt) - man spricht von Wahrscheinlichkeiten statt unumstößlichen Fakten.

Ich habe den Eindruck, das Dein Bild oder Verständnis von "Forschritt" wenig mit dem gemein hat, wovon ich spreche. Ich brauche Gott nicht, weil ich einen "Ersatz" gefunden habe, sondern ich verspüre kein Bedürfnis nach einem solchen. Ich brauche auch keinen "Sinn des Lebens" - sehe dieses vielmehr als eine "Aufgabe" im Kontext des Ganzen, so wie alles andere in unserem Sein der selben "Aufgabe" folgt (der Begriff "Aufgabe" ist möglicherweise auch etwas irreführend). Das von mir verspürte "ICH" gehört mir nicht exklusiv, es ist - in Form individualisierten Bewusstseins eher als "geliehen" zu verstehen - auch wenn womöglich nur schwer verständlich ist, wie komplex ein Bild der "Herkunft" des Bewusstseins wie dessen "Zukunft" auch nur annähernd aussehen könnte - vor allem wenn der Mensch versucht, dies in Kontext mit seinem "Ich" zu bringen. Es scheint nur schwer nachvollziehbar, das die Materie, aus der wir bestehen, eine ganz eigene "Geschichte" wie "Zukunft" hat, die mit unserer Person fast nix zu tun hat - ebenso gilt dies auch für unser Bewusstsein, welches sich schlicht auf raum-zeitlich fokussierte Wechselwirkung zurückführen lässt.

Was Du mit "Vertröstungsthesen" meinst, kann ich nur erahnen - z.B. wenn ich in meiner Kindheit die vielen Beerdigungen neben meinem Elternhaus miterleben konnte, wo wir u.a. mit alten Grabblumen und ausgebuddelten Knochen spielten. Für mich ist der Tod etwas Selbstverständliches - ebenso wie die Geburt. Wichtig allein ist, was wir während unserer Zeit als Lebewesen auf z.B. der Erde anstellen - dauerhaft bleiben von uns lediglich unsere "Wirkungen" auf die wie in der Raum-Zeit. Wem das nicht genug ist, z.B. weil er an seinem Leben oder seiner "temporären Identität" zu sehr hängt, dem kann (und möchte) ich auch nicht helfen. Demnach haben Deine zitierten Beispiele nur zum Teil recht. Sie leben nicht in Ihrem Kindern in ihrer Person weiter, sondern lediglich in den "Wirkungen" auf die Kinder - z.B. Erziehung, Gene usw. Dennoch sind es - solange sie leben - eigenständige Individuen, die mit dem Ich der Eltern nur relativ wenig gemein haben. Das mag mancher vielleicht unter- oder überbewerten.

Ebenso hat der "Forschritt" des Seins wenig mit dem, was wir heute unter "Forschritt" stehen gemein, wenn es auch in indirekter Verbindung steht. Auch dies wird sicher von manchem Menschen überschätzt, so - wie sich der Mensch gern "überschätzt" und / oder über andere(s) in der Welt stellt. So gibt es ebenso Religiöse wie Humanisten oder Atheisten, die sich als Mensch und Individuum schlicht für "zu maßgeblich" halten, womit sie sich zwangsläufig Probleme und Sorgen einhandeln, deren eigentlich kein Mensch benötigte...

Ich habe nie verstanden, warum die Menschen bei dem Tod Angehöriger - vor allem nach einem vergleichsweise langen und vollen Leben - in tiefste Trauer fallen und in dieser - mehr oder weniger tief - oft bis zum Lebensende verharren, stattdessen aber bei einer Geburt in höchste Euphorie verfallen. Dabei handelt es sich im Prinzip um einen sehr ähnlichen Vorgang. Maßgeblich scheint hier der Drang nach Individualisierung, Individualität an die Oberfläche zu kochen - auch wenn dies wohl nur wenige Menschen soweit betrachten oder zugeben würden ("es passiert ja einfach"...). Ein neues Individuum kommt und macht uns wie die ganze Welt ein Stück weit "realer", weil individualisierter - darauf sind wir wie alle Lebewesen tief in uns drin "programmiert" - und ebenso geht es auch wieder (wobei wir nicht oder nur ungern erkennen wollen, das das Individdum sein Leben wie sich selbst "erfüllt" hat und der "Sinn" eines Weiterlebens in Form dieses Individuums im Gesamtkontext des Seins damit quasi "unrelevant" wäre).

Wir leben nicht hauptsächlich unserer eigenen Person wegen, sondern wegen unserer "Aufgabe" oder "Funktion" im Gesamtkontext des Seins - als "materialisierter Träger" von "Bewusstsein" und damit "Individualität". Das "Warum will das Sein denn Sein", bleibt dabei vorerst wohl offen, es spielt für uns aber auch keine Rolle, da dies nicht mehr Teil unserer Welt sein würde und damit solange auch außerhalb unserer Wertmaßstäbe und Bewertungen.

Wir selbst wollen offensichtlich auch "sein" - die Frage nach der Henne und dem Ei ergäbe da keinen Sinn. Interessant aber finde ich schon, das unsere "Aufgabe" gegenüber bisheriger Wissenschaft über die reine Arterhaltung unserer Art weit hinausreicht und wir diese mit allem, was in unserem Universum "da" ist, auf eine mehr oder weniger "enge" Weise gemein haben.

Die Individualität bleibt in ihren sich stetig im Universum "fortpflanzenden" (damit meine ich die Fortpflanzung des Menschen - wenn überhaupt - nur sehr untergeordnet) Wirkungen, während das Individuum bereits längt gegangen ist. Mancheiner könnte dies als "Seele" o.ä. bezeichnen, wobei schon dieser Begriff bereits mit vielfältigen Mißverständnissen vorbelastet sein dürfte.

Während z.B. Christen, Juden oder Muslime hoffen, das ihre "Seele" in Form ihrer Person fortdauernd weiterleben, sehen Buddhisten hier nicht zwingend vor, das die Seele im selben "Körper", mit dem selben "Namen" und in der selben Art, mit den selben Fähig,eiten und Gedanken, weiterlebt, sondern auch in vielfältigen anderen Lebewesen ("Wiedergeburt"), wobei Art, und Ort variieren können. Was ich ben beschreibe, wird von beidem nicht annähernd getroffen. Während das Individuum selbst vergeht, bleibt lediglich dessen Individualität in der Raum-Zeit erhalten, welche m it dem gesamten Universum "wechsewirkt" und damit in Verbindung steht (so wie jedes Teilchen in unserem Universum auch) - auch wenn wir uns das während unseres Lebens kaum konkret vorstellen können, zumal wir erst seit einigen Jahrzehnten über die Naturwissenschaft beginnen zu verstehen, das es solche Wechselwirkungen gibt bzw. diese unser Universum begründen - und dabei stehen wir heute noch ganz weit am Anfang...

Das der Mensch vor tausenden oder gar noch hunderten von Jahren ein weitaus "simpleres" Bild entwickelte / weitergab, ist nachvollziehbar - ebenso wie unser Bild der (damals noch flachen) Erde wie der "Himmelskuppel", in der "Engel" und irgendwo dahinter "Gott" wohne. Selbbt vor wenigen Jahrhunderten noch glaubten viele fest daran, das Blitze die "geworfenen Donnerkeile" eines "böse gewordenen Gottes" seien, worüber wir - inklusive den "traditionelleren" Religiösen - heute wohl nur noch schmunzeln.

Ich kann nachvollziehen, das ein Abschied von einer geliebten Person ein wichtiger Moment im Leben sein kann oder ist - genau so wie eine Geburt - dafür soge. Dennoch ist es ein gutes Stück Egoismus, wenn man den Verlust eines Menschen vornehmlich bedauert, statt sich ebenso auch in positiver Weise der gemeinsamen Zeit, den Erfahrungen zu erinnern, womit demnach für ehrliche, nicht überwiegend egoistische wie selbstlose "Hinterbliebene" eine tiefe Gleichmut übrig beiben müsste.

Klar ist uns die Lebenserhaltung in die Gene gelegt - wichtigste Grundlage für das "Funktionieren" von Leben überhaupt - aus dieser auch eine (vorübergehende) Trauer entstehen kann, die Lebewesen bis heute zur "Umstrukturierung" ihrer sozialen "Skills" auf eine Situation ohne den Nahestehenden vorbereiten soll. Meine Meinung aber ist, das ein bewussterer Umgang mit Geburt wie Tod auch einen bewussteren Zugang schaffen kann zu dem, was wir tun und was wir sind - oder auch nicht sind.

Leider vestehe ich nicht annähernd, was Du unter "Reich Gottes" verstehen magst. Wenn es ein solches in unserer Welt geben sollte, ist es unsere Welt.
Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Niels, jeder der mit Begriffen wie „richtig“ oder „ falsch“, „lächerlich“ … operiert, setzt ob gewollt oder ungewollt, ob berechtigt oder nicht Prämissen, die nicht mehr hinterfragt werden können/ dürfen.

Was Definitionen betrifft, für mich stehen Begriffe für Inhalte auf denen sich eine Gruppe von Menschen geeinigt hat. Da es sich hier um Festlegungen handelt, sind sie, nach meiner Auffassung, weder richtig noch falsch. Es ist lediglich möglich zu sagen, dieser Inhalt des Begriffes deckt sich nicht mit der Auffassung der Gruppe xy wohl aber mit der Gruppe xw.

Sprache ist kein Selbstzweck. Sie dient der Verständigung!
Sprache kann jedoch auf verschiedene Weise eingesetzt werden, auch um Verständigung zu verhindern. Indem Dinge nicht beim Namen genannt werden, wenn z.B. von „Säuberungen“ statt vom „Töten“ gesprochen wird. Oder wenn Begriffe in anderer Weise verwendet werden als allgemein üblich, bestimmte Begriffe nicht verwendet werden dürfen… - Es besteht ein Zusammenhang zwischen Sprache und Denken. Daher kann Sprache auch zur Manipulation eingesetzt werden.

Soweit ganz allgemein zu dem Thema Sprache und Sprachregelung.

Freiheitsliebend wie ich bin, werde ich, die Worte Bewusstsein, Transzendenz, Intelligenz, Religion… weiterhin in der Weise verwenden, wie die meisten Bürger hierzulande. Wohl wissend, dass Du dies für falsch hältst und die Begriffe anders definierst.

niels hat geschrieben:Religion kann man schon recht weit definieren - auf verschiedensten Blickwinkel. Verschiedene (nicht nur theistische) Religionen selbst entsprechen dem Bild der Gruppe Blinder, die ein jeder an einem einzelnen Teil eines Elefanten herumtasten - eineram Bein, der andere auf dem Rücken, der nächste am Ohr wie der letzte am Rüssel. Ein jeder bschreibt, was er sieht und ein jeder will dazu noch Recht haben - dennoch erkennen sie den Elefanten nicht als solchen. Würden sie dazu noch die Sichtweise des anderen bestreiten, wären sie für uns noch lächerlicher bzw. bedauerlicher anzusehen. Solange ein jeder der Meinung ist, sein Bild sei das richtigere und vor allem unverrückbar, wird keiner je den Elefanten im Ganzen erkennen können.
Das gilt nur unter der Voraussetzung, dass alle Religionen richtig sind, dass jede nur einen Teil des Ganzen beschreibt und dass sich alle Widersprüche auflösen, wenn man das Ganze sieht.

Das „Bild vom Elefanten“ ist mir bekannt. Es ist sehr populär. Ich bin nicht dieser Auffassung!
Insbesondere nicht, wenn ich an Deine Definition von „Religion“ denke.
Ich nehme an, Du selbst verstehst Dich als nicht religiös, oder irre ich mich?

Deine Ansichten über den Tod und Trauer erscheinen mir recht theoretisch. Sterben und Tod haben nichts mit erfülltem Leben und Alter zu tun. Jeder, der lebt ist alt genug, um zu streben. Die Natur fragt nicht!
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Niels, Du hattest nach dem Unterschied zwischen Leben nach den 10 Geboten und Christsein gefragt.

Die 10 Gebote, das ist zuallererst Judentum, der Bundesschluss am Sinai. Dort werden dem Volk Israel die 10 Gebote übergeben. Würde ich aus ihnen mein Heil ableiten, wäre ich konsequent und würde Jüdin werden, zumindest aber Adventistin.
Wir Christen (mit Ausnahmen) halten den Sabbat nicht. Der Sabbat ist der 7. Tag also der Sonnabend. Wir hingegen feiern den 1. Tag der Woche, als den Tag an den Christus auferstanden ist, also den Sonntag. Hinzu kommt, dass wir uns nicht nach der Thora richten, obgleich sie Teil unserer Bibel ist.
Jesus tritt an die Stelle des Sabbats. Überliefert sind Konflikte die Jesus hatte, weil er sich nicht an den Sabbat hielt. Wenn er dazu auffordert die Familie zu verlassen, Eltern nicht zu begraben, deckt sich das nicht mit der Pflicht für diese zu sorgen.
Bei der Frage, was ist ein Christ, nehme ich das Neue Testament zum Ausgangspunkt: „ In Antiochia nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen.“ Apg 11,26

Was unterscheidet heutige Christen von diesen Jüngern? Auch wir nennen uns Christen?

Diese ersten Christen formulierten ihr Christsein so:
Und wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. Ihn haben sie an den Pfahl gehängt und getötet.
Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben. Apg 10,39-41

Wie würde z.B. ein Eichsfelder Durchschnittskatholik sein Christsein beschreiben?
Vielleicht so? Ich glaube an Gott. Ich befolge die 10 Gebote. Ich gehe zur Kirche; einmal im Jahr zur Beichte. Ich bete den Rosenkranz, zu Maria und den Heiligen, bete für die Verstorbenen, vertrete christliche Werte, hoffe auf ein Leben nach dem Tod. - Ach ja, Jesus. Jesus ist Gott. Er begegnet uns im Tabernakel. – Vielleicht, so ungefähr?

Niels, merkst Du den Unterschied?

Die ersten Christen bezeugten ihre persönlichen Erfahrungen mit Jesus, der für sie der Christus war. Weil sie diesem Christus anhingen und von ihm erzählten, wurden sie schließlich Christen genannt.

Uns ist zuerst vor allem die Form begegnet. Zur Kirche gehen, dort still sitzen, aufstehen, hinknien, Gebete, die auswendiggelernt werden mussten… In Vorbereitung auf Erstkommunion und Erstbeichte wurden die 10 Gebote gelernt… - Das alles sollte zu einem persönlichen Glauben führen, zur Begegnung mit Jesus Christus. Aber es ist erst einmal nur Form. In der katholischen Kirche gibt es viele Formen und viel zu lernen. Wer das alles kann, sich daran hält und gut nachahmt, vor allem die christlichen Werte beachtet, ist nach gängiger Meinung ein guter Christ.

Da Gott als der liebe Gott begriffen wird, kann man noch einiges davon streichen und bleibt dennoch ein guter Christ. Allerdings, gibt es ein paar „Nörgler“, die drohen mit Gott und fordern, die genaue Einhaltung der Gebote, Werte und Normen.
Nach beiden Vorstellungen ist der reiche Jüngling in Lk 18,18-25, der alle Gebote von Jugend an befolgt schon ein guter Christ. Uneinigkeit besteht lediglich darin, ob der Jüngling seinen Besitz hätte verkaufen sollen oder nicht. – Beide Positionen übersehen die Einladung Jesu. Sinn seiner Aufforderung besteht nicht darin einer Sache, Norm… zu dienen, sondern ihm (Jesus) zu folgen. Nur so konnte gesagt werden:
„Und wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. Ihn haben sie an den Pfahl gehängt und getötet…“ Apg 10,39-41

Jesus ist der/ ihr König und daher ist sein Reich dort, wo er ist und herrscht.

In der Bergpredigt zitiert Jesus Gesetze, Regeln (aus der Thora, vom Berg Sinai) und setzt ihnen sein, „Ich aber sage euch:“ entgegen. Er fordert eine größere Gerechtigkeit als das Befolgen von Regeln.
Menschen, die sich nicht an das Gesetz halten, holt er in seine Gemeinschaft, daher wird er Freund der Zöllner und Sünder genannt.

Es ist etwas anderes, sich um eine Norm zu versammeln oder Jesus nachzufolgen. Nachfolge erfordert Jesus kennenzulernen, nach seinem Willen zu fragen, statt blind einer Norm zu genügen.
Israel versammelt sich um das Gesetz, zentral sind die 10 Gebote. Auch hier ist es kein blindes befolgen von Regeln. Die Regeln haben einen Sinn ein Ziel, um das es geht. Es geht darum Gottes Willen zu erfüllen, was gleichbedeutend ist mit einem gelingen Leben. Das ist nicht abhängig von der Herkunft. Jeder kann zu Israel hinzukommen, kann Jude werden.

Mitte der Christen ist nicht eine Norm, sondern der Herr Jesus.

Es ist kein Zufall, dass die Kirche nicht die Thora übernommen hat. Das wurde auf ihrem ersten Konzil entschieden, dem sogenannten Apostelkonzil. Paulus setzt sich durch. Er berichtet davon in seinem Brief an die Galater. Dort schreibt er u.a:

„16 Weil wir aber erkannt haben, dass der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir dazu gekommen, an Christus Jesus zu glauben, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird niemand gerecht.
21 Ich missachte die Gnade Gottes in keiner Weise; denn käme die Gerechtigkeit durch das Gesetz, so wäre Christus vergeblich gestorben.“ (Gal.)


niels hat geschrieben:Leider vestehe ich nicht annähernd, was Du unter "Reich Gottes" verstehen magst. Wenn es ein solches in unserer Welt geben sollte, ist es unsere Welt.
Hier richte ich mich nach der Definition, die ich dem Neuen Testament entnehme. Dort wird "Reich Gottes" synonym verwendet mit „Himmelreich“, „Reich der „Himmel“. Sehr populär ist heute auch die Interpretation „das Reich ist in Euch“, also was Individuelles Innerliches. Dieser Auffassung bin ich nicht, jedenfalls ist es nicht nur was Innerliches.

Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch.“ Lk 17,21
„Mitten unter euch“ stand Jesus, der König. Das „Reich Gottes“ ist überall dort, wo der König ist und wirkt. Es ist der Herrschaftsbereich Gottes. Es hat eine diesseitige Dimension (nicht zu verwechseln mit Staaten) und eine Jenseitige.

LG Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

ok,
interessant finde ich schon, das - Gesetz dem Fall ich liege mit meinen "Annahmen" bzw. Weltverständnis richtig - oder zumindest in der richtigen Richtung - ständen diese nicht nur nicht im Widerspruch mit einem Gutteil der von Jesus kommunizierten Lehre, sondern man fände - vor allem in den Schlußfolgerungen einer solchen Erkenntnis, doch einige, für mancheinen unerwartet / erstaunliche "Parallelen", die vor allem über die 10 Gebote wie deren Befolgung hinausreichen.

Wie bereits beschrieben, ich sehe Gott nicht als "Messias" oder gar "Sohn Gottes", aber einen umso einflußreicheren, fortschrittlichen Lehrer (vor allem in seiner Zeit). Er wollte den Menschen, die bis dahin einer Art "fernen", über und bei ihren irdischen Führern fernen Gott huldigten zeigen oder beibringen, das dieser eben ein Gott aller und allem war. Das Prinzip "Gott" - als stellvertretend für einen "höüheren, ufassenden Geist", "Kraft", "Wille" oder wie auch immer, war für die Menschen präsent und stand ihnen am höchsten. Die "Projektionsfläche" seiner Lehre war damit mehr oder weniger "selbstverständlich". Zudem war Jesus sehr guter Beobachter, aber natürlich kaum Naturwissenschaftler. Er betrachtete insbesondere die sozialen Zusammenhänge und Schlußfolgerungen.

Bemerkenswert finde ich auch die heute von diversen Historikern verfolgte These, Jesus habe während seiner Lebenszeit einige Jahre im mittleren Osten bzw. heutigen (westlichen) Indien zugebracht und dort als "Geistlicher" bzw. "Lehrer" agiert, dort möglicherweise auch Fundamente seines Weltbildes bzw. seiner Lehre entwickelt oder "gebildet", sich in den Fertigkeiten der Meditation wie auch "bewussten Betrachtung" geübt. Dort war es bereits lange Tradition, das Menschen sich ausschließlich der Betrachtung der höheren Ordnungen wie auch bewussten Betrachtungen - mehr oder weniger erfolgreich - übten und Teil der Kultur waren. Womöglich erkannte er auch verschiedene Formen und Irrungen, hatte dort womöglich "seine persnlichen transzendenten Erfahrungen".

Er versuchte dabei womöglich seine in der Heimat gemachten Erlebnisse mit denen unter den (im strikten Kastenwesen lebenden) Indern / in Indien gesammelten "Erfahrungen" in Kontext zu bringen. Diese These ist bisher ebensowenig bewiesen, wie man anderes über die Person Jesus - insbesondere in dieser Zeit - belegen konnte und sie passt wohl auch nicht jedem heutigen Theologen ins (Ideal-)Bild. Ich hielte diese Historie jedenfalls für nicht sehr abwegig.

Apropos 10 Gebote befolgen. Mein Eindruck ist, Jesus wollte den Menschen seiner Zeit und Kulturkreises u.a. vermitteln, das nicht die strikte Einhaltung der 10 Gebote (was in der Praxis einem Menschen kaum möglich sein wird) relevant ist, sondern der ehrliche (!), stetige Wille, nach den 10 Geboten zu leben erheblicher ist. Die Menschen seiner Zeit waren keine "Wissensmenschen" und jedwede Betrachtung über das eigene tägliche Leben hinaus war den meisten fremd und "Sache der Religion". Er wusste auch gut, auf welcher Ebene er die Menschen in seinem Umfeld und darüberhinaus (räumlich wie zeitlich) mit seinen "Lehren" erreichen konnte. Mag auch sein, das er - als gl.äubiger Jude - seine gemachten, tieferen Erfahrungen über die Welt "seinem" Gott zuschrieb, den er als solchen hinter den Erkenntnissen sah - wie weit abstrahiert, wäre sicher interessant (für mich jedenfalls...;).

Ob ein Christ damit ein besserer Christ wird, indem er kniet, steht oder Massen an Gebeten aufsagt, bleibt mal dahingestellt. Mein Eindruck beim "Durchschnittskatholiken" (wie Du es nennst) - gleich ob im Eichsfeld, Bayern oder anderswo, ist zumindest nicht unbedingt, das dieser im Vergleich und Schnitt "erfolgreicher" als Nicht-Katholiken oder auch Nicht-Christen bei der Befolgung der 10 Gebote oder gar Lehren Jesu wären - von den Bet- und Traditionsebenen einmal abgesehen. Ob und wie weit Jesus damit seine eigentlichen Ziele erfüllt oder wenigstens angestrebt sieht, bleibt ebenso dahingestellt. Mein Eindruck ist, das die Beschäftigung wie Betätigung in der Kirche den Großteil der Christen in der sozialen Entwicklung nur noch wenig "voranbringt" - manchen sogar davon eher abhält, da man sich ja eh für "privilegiert" sieht, schon weil man "ja Mitglied der richtigen Religion sei" osä.

Dabei möchte ich die Wirkungen der damals hochfortschrittlichen Lehre von Jesus gerade in der ersten Zeit wesentliche Wirkungen in Richtung einer moderneren Gesellschaft bewirkte, nicht unterschlagen. Über die Jahrhunderte haben ganz irdische Machtinteressen und -strukturen die Fortentwicklung seiner Lehren wie "seiner Kirche" gebremst oder gar zum Stillstand gebracht und damit eine große Zahl "überzeugter" Christen auf seltsame "Abwege" geführt - bis hin zu lebens- wie liebesfeindlichen Gruppierungen, die sich für besonders "christlich" halten. In diesem Kontext wurde der Blick auf die Lehre wie die Person Jesus nach und nach "verstellt", statt weiter erhellt - so jedenfalls meine Überzeugung.

Für nicht wenige Christen dürften alle Bet- und Huldigungsübungen vertane Lebenszeit und - ressourcen bleiben - ähnlich manchem heutigen "Buddhisten" mit seinen "Betverstärkern" in Form von Bettrommeln.

Mein Eindruck jedenfalls ist, Jesus hatte mit seinen Lehren anderes im Sinn, als heute weithin praktiziert wird (sicher mit Ausnahmen) und es würde mich nicht wundern, wenn er - "als heutiger Jesus" - wieder in die "Tempel" stürmen würde und nicht nur Tische umwerfen würde. Ähnlich würden wohl auch Lehrer wie z.B. "Buddha" reagieren, wenn sie ihr heutiges, von anderen selbsterklärtes "Erbe" betrachten dürften.

Ich sehe die Beichte in der heutigen Form für ein gutes Stück mitverantwortlich, da sie immer wieder Menschen auf den Irrweg zu bringen scheint, man könne sich jede kleine oder größere "Schweinerei" erlauben, da es ja vergleichsweise unkompliziert Vergebung zu bekommen gibt.

Das Bewusstsein für die Selbstverantwortung eines jeden Einzelnen tritt nicht selten in den Hintergrund. Klar wird man es als Mensch über jede "Sünde" oder "Irrung" hinweg schaffen können - allerdings nur mit grundtief ehrlicher Einsicht und bewusster Reflektion desw eigenen Tuns, wobei einem andere vielleicht behilflich sein, es aber nicht abnehmen können.

So wird die Beichte o.a. Formen der "Absolution" - so mein Eindruck - vom überwiegenden Teil der Katholiken / Christen heute - als eine Art "Gewissens-Reset" oder "Ausgleich des Verantwortungskontos" begriffen - nicht als Symbol der Vergebung bei aufrichtiger Aufarbeitung (oder zumindest den Willen dazu). Die Kirche trägt da ein gutes Stück Mitverantwortung, indem sie das Prinzip Absolution für ureigene Interessen mißbrauchte und damit bis heute nicht wirklich "aufräumte".

Das "Reich Gottes" nach dem Verständnis Jesu ist die Welt - unsere Welt - dessen Teil wir sind. Im Bewusstsein dessen können wir unser Tun und Handeln unserer "Aufgabe" für einen "höheren Zweck" oder "Ziel" widmen und uns so selbst ebenso wie der Welt "helfen" bzw. "weiterbringen". Eine tiefe "Achtung" dieser Welt - außen wie innen - wäre wohl angebrachter als "Unterwürfigkeit", die i.d.R. lediglich den Blick des Menschen weg von der Welt auf selbsternannte "Vertreter" verbiegen sollen.

Voltaire (obgleich ich kein Voltaire-Fan o.ä. bin) sagte wohl mal in etwa: unser Europa bzw. unsere Welt würde es in der Zukunft schaffen (müssen), obsolete Einrichtungen wie die Monarchien wie Kirchen zu überleben. Die noch vor 100 Jahren selbstverständliche, absolutistische Monarchie haben wir bereits weitgehend überlebt - die Kirchen werden wir (oder unsere Nachfahren) wohl ebenso überleben. Wenn wir - die Menschen - einmal verstehen werden, was uns Jesus, Buddha u.a. tatsächlich sagen wollten, dann bedarf es des "Vehikels" der Religionsinstitutionen ebensowenig mehr wie den "König" und "Kaiser" als politischen, absolutistischen Führer, nahchdem die Untertanen begonnen haben sich politisch zu emanzipieren.

Bis dahin allerdings dürfte noch einige Zeit vergehen. Der Mensch steht heute erst ganz am Anfang seiner "Selbsterkenntnis" wie seiner geistigen wie sozialen "Emanzipation" als bewusster werdendes Individuum und nicht selten scheinen seine Uhren auch mal temporär rückwärts zu laufen. Jesus hätte dies womöglich mit "Reich Gottes auf Erden" kommuniziert. Der Mensch braucht keine Kirche und externen "Hilfsmittel" mehr um sich zu emanzipieren. Was mehr hätten Jesus & Co. erreichen wollen?

Jesus nannte es "Liebe", Buddha z.B. nannte es "Anhaften". Ich persönlich sehe diese "Affinität" heute gegenüber dem Sein als Teil unseres Universums - der "Welt" - ja des "Seins" und bin auch davon überzeugt, das man dieses "Feld" auch eines Tages (natur-)wissenschaftlich in Art und Form, wie es unser Universum birgt, beschreiben kann (wenngleich dies vorerst sicher "nur" eine wissenschaftliche Beschreibung bleiben wird, die uns erst hochabstrakt erscheint, erst im Laufe der Zeit immer grundlegender bewusst von mehr und mehr Menschen verstanden wird). Diese "Liebe" führt die "Bewusstheit" (den noch "unbewusst(eren)" Teil der Welt) nach und nach ins Bewusstsein - Bewusstsein und Liebe bedingen sich gegenseitig wie z.B. Materie und Energie. Ohne Liebe kein Bewusstsein (demnach auch kein Leben usw., wobei dies nur eine Folge, nicht Kern des Prinzips ist).

Um uns wie unsere Existenz im höheren Sinne zu verstehen müssen wir also verstehen lernen, was diese "Liebe" im höheren Sinne darstellt / ist. Damit wachsen wir sukzessive aus dem Glauben in Richtung Wissen, was sicher kein schlechter "Deal" ist - auch wenn wir heute erst die ersten kleinen Schritte tun und auch dabei mal Irrwege begehen, wie üblich beim "Laufen lernen". Religion war (oder ist z.T. noch) eine der "Stufen" in diesem Erkenntnisprozess.

Schönen Sonntag,


Niels.
Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Tja lieber Niels, Jesus ist heute eine sehr bekannte Persönlichkeit. Und wie das so ist, ranken sich daher um seine Person viele Geschichten, jede mit dem Anspruch der Wahrheit. Will man heute über Jesus sprechen kommt man nicht umhin zu fragen, welcher Jesus und wessen Jesus?

Deshalb halte ich die Kirche für wichtig! - Ginge es nur um Regeln für das Zusammenleben, Gebets- und Meditationsformen… wäre die Kirche nicht wichtig.

Es geht um Jesus, deshalb ist die Kirche wichtig. - Zweitrangig sind die Formen oder ob die Priester besondere Vorbilder sind… Darum geht es nicht.

Die Kirche ist wichtig in ihrer starren Art. Ich meine die apostolische Sukzession, Glaubensbekenntnis, Dogmen, Festlegung des Bibelkanons, Liturgie und Kirchenjahr.
Nur indem die Kirche dabei bleibt, kann sie Zeuge für einen bestimmten Jesus sein. Für den Jesus, von dem es in Apg 10,39-41 heißt: „Und wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. Ihn haben sie an den Pfahl gehängt und getötet.
Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben.“


Das ist die Aufgabe der Kirche von Anfang an. Nur deshalb kann ich sagen, mein Jesus, lieber Niels, ist nicht Dein Jesus. Mein Jesus ist der Jeus der Kirche. Jesus war immer Jude. Er liebte den Tempel. Die „Tempelreinigung“ fand nicht statt, weil ihm der Tempel gleichgültig gewesen wäre, sondern im Gegenteil, weil er ihm etwas bedeutete.

Jesus war nie in Indien. Wozu? Weil das heute modern ist?
Andere behaupten Jesus wäre in Amerika gewesen. – Jerusalem war ein idealer Ort. Hier trafen Menschen aller Kulturen aufeinander. Wie man sieht, hat es von dort aus recht gut geklappt mit der Ausbreitung des Evangeliums.
In Indien fand nicht die Gottesoffenbarung statt, die Voraussetzung für Jesu Mission war. Gott hat sich dieses kleine Volk im Nahen Osten erwählt, genauer gesagt, er hat es erst erschaffen, um sich beispielhaft zu offenbaren und zu zeigen, wer er ist und was er will. Wirklich sichtbar hat er sich gezeigt in Jesus Christus.


Ich bin erstaunt, dass immer wieder gerade mit dem Blick von außen die Beichte angegriffen wird. Kritisiert wird hier die ausgesprochene und zugesprochene Vergebung Gottes.
- Zwar gibt es Witze, wo z.B. jemand zur Beichte geht und beichtet so und so viel Holz gestohlen zu haben. Anschließend, gleich nach der Beichte geht er in den Wald um Holz zu kauen. Warum? Ist doch klar, er hat die Menge, die er gebeichtet hat noch nicht vollständig zu Hause. –

In Wahrheit weiß jedoch jeder Katholik, dass es so nicht läuft. Man kann mit Gott keine Geschäfte machen. Zur Beichte gehört die Erkenntnis der Schuld, die Reue, Wiedergutmachung soweit möglich…
Das Argument hätte vielleicht noch Gewicht, wenn Katholiken, die zu Beichte gehen (nicht alle tun das) irgendwie schlechter wären als andere Menschen, die es nicht tun. Dem ist aber nicht so!

Nein, es ist die zugesprochene Liebe und Vergebung Gottes, woran sich die Menschen stören. – Die Rechtfertigung des Sünders durch Gott. Das Herzstück des Glaubens der evangelischen Kirche. -
Barmherzigkeit scheint nicht in diese Welt zu passen.
„Als Jesus weiterging, sah er einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! Da stand Matthäus auf und folgte ihm.
Und als Jesus in seinem Haus beim Essen war, kamen viele Zöllner und Sünder und aßen zusammen mit ihm und seinen Jüngern.
Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: Wie kann euer Meister zusammen mit Zöllnern und Sündern essen?
Er hörte es und sagte: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.
Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.“ Mt 9,9-12

niels hat geschrieben:Um uns wie unsere Existenz im höheren Sinne zu verstehen müssen wir also verstehen lernen, was diese "Liebe" im höheren Sinne darstellt / ist. Damit wachsen wir sukzessive aus dem Glauben in Richtung Wissen, was sicher kein schlechter "Deal" ist - auch wenn wir heute erst die ersten kleinen Schritte tun und auch dabei mal Irrwege begehen, wie üblich beim "Laufen lernen". Religion war (oder ist z.T. noch) eine der "Stufen" in diesem Erkenntnisprozess.
So sehr ich Wissen schätze, ich tausche nicht. Glaube ist keine Vorstufe von Wissen, sondern etwas gänzlich anderes. Glaube (im christlichen Sinn) ist wesentlich Beziehung, genauer eine vertrauensvolle Beziehung. In erster Linie zu Christus. Daher versammeln sich Christen um Christus. Nicht nur geistlich, sondern real und konkret. Er, Christus stiftet Gemeinschaft zu sich und die Gemeinschaft der Christen untereinander. Wir Christen brauchen nicht nur die Kirche als Zeuge für Christus, wir selbst bilden Kirche indem wir uns um Jesus Christus versammeln, ihn in uns aufnehmen, eine enge Beziehung mit ihm eingehen und ihm folgen.

Christsein ist Beziehung!


LG Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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