"Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

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Christel
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"Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Ungelesener Beitrag von Christel »

Michael Schmidt-Salomon fragt >>Ist das Christentum "erledigt"?<<

Einleitend schreibt er, was für ihn das „eigentliche, ursprüngliche, authentische Christentum“ nicht ist bzw. ist:
In der humanistischen Theologie, wie sie u.a. von Hans Küng, Eugen Drewermann oder Dorothee Sölle vertreten wird, begegnet uns weder das weltpolitisch bedeutsame noch das eigentliche, ursprüngliche, authentische Christentum. (3) http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
Man muß den religiösen FundamentalistInnen dieser Erde wohl zugestehen, daß sie - unter der Voraussetzung, daß in den "heiligen Schriften" tatsächlich das Wahre, Schöne, Gute offenbart ist - völlig im Recht sind, wenn sie in den neumodischen Schriften der sogenannten "humanistischen Theologen" Ketzerei, Abkehr vom Glauben, Verführung zum Unglauben sehen. http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm

Seinen Text gliedert er mit Hilfe von Zwischenüberschriften:
1. "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!" - Warum sich HumanistInnen nicht auf den historischen Jesus berufen können http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
Michael Schmidt-Salomon verwendet im ersten Teil seiner Überschrift ein Zitat:
"Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Am Ende des Textes sowie in seinen Anmerkungen erläutert er hierzu:
(Der ehemalige Dominikanermönch Hans-Conrad Zander kam am Ende seiner - leider etwas oberflächlich bleibenden - Recherche über Jesus von Nazareth gar zu dem Ergebnis: "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt.") (7) (8) http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
7) Zander: Ecce Jesus. Ein Anschlag gegen den neuen religiösen Kitsch. Reinbek 1992, S. 136.
8 ) Dieses Urteil ist natürlich polemisch überspitzt: Selbstverständlich hat kein Mensch eine so furchtbare Strafe wie den Kreuzestod verdient. Außerdem dürfen wir - wie gesagt - bei der notwendigen Kritik an den Überzeugungen der historischen Person Jesus die inhumanen Verhältnisse nicht übersehen, die dafür verantwortlich waren, daß Jesus so dachte, wie er dachte, und so handelte, wie er handelte. Jesus war eben auch nur ein Kind seiner Zeit. Ihn nach heutigen Wertmaßstäben zu bewerten, ist eigentlich historisch unsinnig, muß aber dennoch unternommen werden, weil fast zwei Milliarden Menschen unsinnigerweise auch heute noch in ihm ein unantastbares ethisches Vorbild sehen (wollen). http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
Wikipedia verrät über Hans Conrad Zander, dass er aus einer calvinistischen Familie stammt und gerade mal drei Jahre Mitglied der Dominikaner war.
Ansonsten hat er z.B. „die Verurteilung Galileis zu rechtfertigten versucht, und Galilei als intellektuell minderbemittelt, geltungssüchtig und geldgierig charakterisiert.[2] Galilei war im Jahr 1992 vom damaligen Papst rehabilitiert worden.“
Hm, „Galilei als intellektuell minderbemittelt, geltungssüchtig und geldgierig“ ???

In seiner Analyse erhebt der Nicht-Theologe Michael Schmidt-Salomon den Anspruch: „Ich fasse im folgenden die Ergebnisse der historisch-kritischen Jesusforschung zusammen: (4)“
In seiner Anmerkung erläutert er hierzu:
4) Da der historische Jesus "geschichtlich und theologisch ins Judentum [gehört]" (Theißen/Merz: Der historische Jesus. Göttingen 1996, S. 495) und sich "in seiner geschichtlichen Wirklichkeit nur als Jude begreifen läßt" (Heiligenthal: Der verfälschte Jesus. Eine Kritik moderner Jesusbilder. Darmstadt 1997, S. 40), ist es nicht verwunderlich, daß jüdische Autoren wie Pinchas Lapide und Hyam Maccoby den realen Menschen hinter dem Mythos am klarsten zu schildern vermögen. Den oftmals stark im Trüben fischenden christlichen AutorInnen sei daher die Lektüre jüdischer ForscherInnen nachdrücklich empfohlen.
Jesus war Jude und ist nur aus dem Judentum heraus verständlich, das ist Binsenweisheit.
Seine Empfehlung sich mit dem Judentum zu beschäftigen kann ist daher nur bekräftigen.

Für die Beschäftigung mit dem historischen Jesus empfehle ich:

Strotmann, Angelika: „Der historische Jesus: eine Einführung“
Die Frage nach dem historischen Jesus hat ihren festen Platz im Theologiestudium. Angelika Strotmanns bewährte Einführung vermittelt das Thema übersichtlich und kompakt. Über die klassischen Felder der Jesus-Forschung hinaus bietet das Buch u.a. eine Geschichte der Leben-Jesu-Forschung bis in die unmittelbare Gegenwart und legt einen Schwerpunkt auf Jesu Judesein .einschließlich der daraus folgenden Konsequenzen für seinen Umgang mit der Tora. https://www.buchhandel.de/buch/Der-hist ... 3825241605

Außerdem empfehle ich:

„Jesus : Sein Weg - Seine Botschaft - Seine Zeit“ von Claus-Peter März
Dieses kompakte Buch bietet eine leicht verständliche Einführung zu Jesus aus Nazaret, seiner Zeit und seinem Wirken. Neben Darstellungen über Israel zu Jesu Lebzeiten werden ausgewählte Bibelstellen verständlich erklärt. Im Mittelpunkt stehen dabei die in der Bibel überlieferten Worte von Jesus selbst, die anschaulich kommentiert werden. Auch ohne Vorkenntnisse findet man so schnell einen Zugang zum Thema und erhält eine »erste Auskunft« über Jesus. https://www.buchhandel.de/buch/Jesus-9783746233222

Ebenfalls sehr zu empfehlen und einfach spannend zu lesen ist:

„Der Schatten des Galiläers : Jesus und seine Zeit in erzählender Form“ von Gerd Theißen
Lebendig erzählte Geschichtsforschung
Gerd Theißen erzählt von Jesus und seiner Zeit. Die Rahmenhandlung ist fiktiv: Ein junger Jude, Andreas, wird von Pilatus dazu erpresst, Material über neue religiöse Bewegungen in Palästina zu sammeln. Dabei stößt er auf Jesus und reist ihm hinterher. Aus Erzählungen über Jesus rekonstruiert er dessen Leben.
Theißen ist ein fesselndes Buch gelungen, das dem Stand der Forschung entspricht, aber auch für die Gegenwart verständlich ist. Verkündigung und Geschick Jesu werden aus der Perspektive eines jüdischen Zeitgenossen dargestellt und im Rahmen der religiösen und sozialen Welt des Judentums verständlich gemacht. https://www.buchhandel.de/buch/Der-Scha ... 3579064048

Unter der Überschrift
2. Endlösung der Ungläubigenfrage - Ist Christus, der König der Könige?
meint Michael Schmidt-Salomon“ von dem historischen Jesus“ ist „der geglaubte, retuschiert überlieferte, mythische Jesus zu unterscheiden“.

Historisch überliefert ist allerdings nur der, wie Schmidt-Salomon es ausdrückt „der geglaubte, retuschiert überlieferte, mythische Jesus“, also der Jesus der Evangelien. Wie Jesus war und wer er für sie war, wird hier von den Freunden Jesu bezeugt. Dies ist die historische Quelle, die zur Verfügung stellt.
Jede Interpretation, muss hiermit begründet werden, auch die von Michael Schmidt-Salomon, auch seine Behauptung, dass „der historische Jesus" ein "patriotischer Jude erklärter Feind der Römer“ war.

Hans Küng geht in seinem Buch „Jesus“ der Frage nach, ob Jesus ein Revolutionär war. Er schreibt u.a. auf S. 60 :
Und doch muss man die ganzen evangelischen Berichte verdrehen und uminterpretieren, muss man die Quellen völlig einseitig auswählen, unkontrolliert und willkürlich mit vereinzelten Jesus-Worten und Gemeindebildungen operieren und von Jesu Botschaft als ganzer weithin absehen, muss also statt historisch-kritisch mit einer romanhaften Phantasie arbeiten, wenn man aus Jesus einen Guerillakämpfer, einen Putschisten, einen politischen Agitator und Revolutionär und seine Botschaft vom Gottesreich zu einem politisch-sozialen Aktionsprogramm machen will.

Küng, Hans: Jesus (Piper) ISBN: 978-3-492-05498-0 304 S.
Als Paperback: ISBN: 978-3-492-30226-5
Auch Schmidt-Saloms richtige Aussage, dass >>Pilatus, der stets "kurzen Prozeß" mit Verurteilten machte<< spricht gegen die These Jesus sei ein „patriotischer Jude erklärter Feind der Römer“ gewesen. Jesus war nicht allein. Er hatte Anhänger um sich gesammelt. Es gab die Jesus-Bewegung.
Es ist nicht logisch, dass Pilatus, der mit jeder antirömischen Erhebung "kurzen Prozeß" ausgerechnet die Jesus-Bewegung in Ruhe lies. Doch die Jesus-Bewegung überlebte. Weshalb?

In seinen weiteren Ausführungen beruft sich Michael Schmidt-Salomon „auf den Nicht-Theologen und Religionskritiker Franz Buggle
Dort wird aus einem Verbot „Unkraut und Weizen zu trennen“ (Mt 13,29 f. „Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte.) „eine Art himmlisches Auschwitz“ konstruiert.


Schmidt- Salomons hat seinen dritten Abschnitt unter die Überschrift gestellt
„3. Virtuosen der Unredlichkeit: Das Elend der humanistischen Theologie“
Auch hier beruft sich Schmidt-Salomon auf Franz Buggle:
Franz Buggle erinnert die intellektuelle Unredlichkeit human engagierter ChristInnen daher wohl auch nicht zu Unrecht an eine "Denk- und Entwicklungshemmung [...]
http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
Weiter behauptet Schmidt-Salomon:
Für sie gibt es - sofern sie HumanistInnen und ChristInnen bleiben wollen - idealtypisch nur einen einzigen Ausweg aus dem hier dargestellten Dilemma, nämlich den Weg der intellektuellen Unredlichkeit. http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
Daß intellektuell hochrangige Menschen wie Dorothee Sölle, Eugen Drewermann und Hans Küng diese Widersprüche rein logisch nicht erkennen können, ist kaum anzunehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sie die Widersprüche in ihrer ganzen Schärfe nicht erkennen wollen, weil sie in ihrer Kindheit allzu sehr in Richtung einer bedingungslosen Akzeptanz des Christentums indoktriniert wurden. (Deshalb bezieht sich ihre Kritik nur auf die Institution Kirche, niemals aber auf den ideologischen Hintergrund, der diese Herrschaftsinstitution begründete und auch heute noch - zumindest im Grundkern - begründen kann.) http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
Hans Küng, der es sich und anderen aus Gründen der Wahrhaftigkeit in seinem Leben nie leicht gemacht hat, soll intellektuell unredlich sein, weil indoktriniert? Hans Küng, der Initiator von „Projekt Weltethos“?

Also mir würde es zu denken geben, wenn meine Interpretation der Bibel von keinem Theologen geteilt wird.

4. Schwachstelle Vernunft: Theoretisch widerlegt heißt nicht praktisch erledigt

Kommen wir zur Ausgangsfrage zurück: Ist das Christentum erledigt? Für Menschen, die sowohl human als auch rational denken, kann die Antwort nur "ja" lauten. http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
Das passt nur unter der Voraussetzung, dass Schmidt-Salomons Thesen stimmen. Sind seine Thesen aber nicht absolut stichhaltig und unanfechtbar, ist eine andere Interpretation der Bibel und insbesondere von Jesus Christus möglich, dann geht es rational nicht auf, sondern seine ganze Argumentation bricht wie ein „Kartenhaus“ zusammen.

In seinem Fazit schreibt Schmidt-Salomon:
Sollten "authentische Christen" in solchen Krisenzeiten tatsächlich an die Macht kommen, würden sie nicht zögern, ihre heilige Drohbotschaft "Du wirst dran glauben oder: dran glauben!" tödlich wahr zu machen. Erbarmungslos militant wie Jahrhunderte zuvor. Sie würden fortfahren mit der "Endlösung der Ungläubigenfrage", würden die "Guten" von den "Bösen" trennen und die Ausselektierten "in den Ofen schieben". http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
Hier verschiebt Michael Schmidt-Salomon, sein aus dem Gleichnis vom „Unkraut und Weizen“ herausselektiertes „eine Art himmlisches Auschwitz:“ endgültig in die Gegenwart, ins Diesseits, das was laut Gleichnis, laut Jesus, die Menschen niemals tun dürfen, nämlich „Unkraut und Weizen“ zu trennen, dass was den Engeln überlassen bleiben muss am Weltende.

Egal ob sich jemand bei der Interpretation der Bibel des historisch-kritischen Methodenapparates bedient oder ob er in fundamentalistischer Manier die Bibel als wörtlich inspiriert versteht oder was auch immer dazwischen, hier gibt es keinen Deutungsspielraum.

Auch fundamentalistische Christen, die Schmidt-Salomon als die "authentische Christen" betrachtet, sind an Jesu Wort gebunden.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Ungelesener Beitrag von mar »

Moin Christel, hehe, eine eifrige Apologie.

Du: "Wikipedia verrät über Hans Conrad Zander, dass er [...] gerade mal drei Jahre Mitglied der Dominikaner war.

Der Versuch eines argumentum ad hominem gegen Zander? Warum sollte das gegen ihn sprechen? Oder willst du sagen, dass drei Jahre einfach nicht reichen, um einen Novizen ausreichend auf Linie zu bringen?

Du: "Also mir würde es zu denken geben, wenn meine Interpretation der Bibel von keinem Theologen geteilt wird."

Ja, es ist doch echt erleichternd, sich auf Autoritäten verlassen zu können und nicht selbst für seine abweichende Überzeugung mit Argumenten einstehen zu müssen! ;)

Du: "Hier verschiebt Michael Schmidt-Salomon, sein aus dem Gleichnis vom 'Unkraut und Weizen' herausselektiertes 'eine Art himmlisches Auschwitz:' endgültig in die Gegenwart, ins Diesseits, das was laut Gleichnis, laut Jesus, die Menschen niemals tun dürfen, nämlich 'Unkraut und Weizen' zu trennen, dass was den Engeln überlassen bleiben muss am Weltende."

Ja, und erleichternd ist auch, wenn man die schmutzige Arbeit an Jemand anderen delegieren kann, in diesem Fall an die Engel. ;)

Übrigens: Ich hätte Jesus nicht gekreuzigt, genauso wie Pilatus, der offensichtlich in einem seltenen (?) Moment der Einsicht auf die Frage kam: Was ist Wahrheit?
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Re: "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Ungelesener Beitrag von niels »

Schmidt Salomons "Humanismus" bzw. der, der heute von seinen lautesten Vorbetern und Predigern vormissionierte ist - wie schon Kant's und Marxens Ideologie - eine kulturell bedingte Fortentwicklung des christlichen europäischen Protestantismus, wenngleich auch Propheten durch "Philosophen" ersetzt worden sind (MS bezeichnet sich selbst bzw. seine Tochter gern öffentlich als "Philosoph"...) und diese vom überholten Gottesprinzip getrennt wurde, jedoch gleich einen ganzen Satz fehlerhafter Kernthesen adaptiert. Goethe hatte schon Recht als er sagte, das das Märchen von Jesus und seiner jungfräulichen Mutter Ursache dafür ist, das sich die Erde "noch zweitausend Jahre drehen kann" und "niemand darauf" ... "recht zu Verstand" käme...

Stalin wusste dies ebenso für sich zu nutzen wie Che Guevara, Mao und andere große Verbrecher - zuvor waren es Päpste und die von ihnen eingesetzten Doktrine - und werden bis heute von vielen gefeiert.

Es dürfte schwierig sein, sich in die Zeit des Roms / Judäas um das Jahr 0 hineinzuversetzen - Tatsache aber ist laut Bibelstory (damit meine ich deren Wortlaut im klassischen Sinne - nicht deren gerade mal aktuelle ideologische Interpretation, die gezielt ganze Passagen unterdrückt bzw. Widersprüche stumm stehen lässt) das Jesus den Sturz des Regimes zum Ziel hatte (wenngleich er darauf hoffte, das "sein Vater" das "erledigt" - mit einer Form vom "Weltuntergang", den er wohl (wie viele andere) für "kurz bevor" stehen sah) um dann selbst "INRI" - König der Juden - zu werden, während man annehmen darf, das seine zwölf Jünger seine direkten Untergebenen bleiben sollten - zB als eine Art "Gauleiter" der 12 Völker Israels). Den gewaltsamen Putsch lehnte er ab (was zumindest strategisch nachvollziehbar war, denn gegen die römische Besatzungsarmee wäre man absehbar chancenlos gewesen). Da er gegen geltendes Recht verstoßen hat, war er folglich auch zu bestrafen. Heute haben wir (in Europa bzw der EU) seit ein paar Jahrzehnten keine Todesstrafe mehr, aber auch hier würde jeder, der sich auf widerrechtliche Weise der Staatsmacht bemächtigen wollte, Bestrafung erwarten.

Ehrlicherweise muß man auch feststellen, das es keine von der Person Jesus "postulierte" (der heute noch hochgejubelten) Kernthesen gibt, die nicht schon zuvor an anderer Stelle und/oder von anderen Menschen erdacht und mehr oder weniger öffentlich debattiert, niedergeschrieben und/oder diskutiert worden sind - nicht zuletzt aber auch und vor allem von denen, die insbesondere die Vergöttlichung von ihnen verehrter (oder einfach nur für die eigenen Interessen praktischer) Personen wie zB Jesus praktisch daran taten, die Geschichtsschreibung "aktiv umzugestalten" - und gerade hierin haben sich die thematischen Religionen binnen der letzten 2.000 Jahre immer wieder im Besonderen hervorgetan und es sind jene Prinzipien, die auch von neueren Ideologen - da offenkundig "bewährt" - gezielt genutzt wie bedient werden.

Nur falls nicht ganz mitgekommen: Ebensoqwenig brauchte s einen Schmidt Salomon für derlei Erkenntnisse, die er nahezu durchweg belegbar selbst nur von anderen aufgeschnappt, jedoch als Erguss seines eigenen, meinerseits nicht gerade geschätzten, "Intellektes" verkaufen geht - so wie viele die Ideen anderer auf der Suche nach persönlicher, außerordentlicher sozialer Anerkennung als die eigenen verkaufen gehen. Aber zwischen Blinden gilt ja bereits der Einäugige als ein König - und mancheinem ist dies nun mal Lebensinhalt wie -ziel...

Ich bleibe nicht zuletzt daher bei meinem höchstpersönlichen Spruch:

"Philosophie ist Wissenschaft ohne Arme,
Religion ist Philosophie ohne Beine..."
mar
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Re: "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Ungelesener Beitrag von mar »

Hi, niels. Du: "Schmidt Salomons 'Humanismus' [...] ist - wie schon Kant's [sic, Deppengenetiv] und Marxens Ideologie - eine kulturell bedingte Fortentwicklung des christlichen europäischen Protestantismus, wenngleich auch Propheten durch 'Philosophen' ersetzt worden sind [...] und diese vom überholten Gottesprinzip getrennt wurde, jedoch gleich einen ganzen Satz fehlerhafter Kernthesen adaptiert."

Würdest Du bitte mal diese Kernthesen auflisten?
Christel
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Re: "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Ungelesener Beitrag von Christel »

Mar, der Text von Dr. Michael Schmidt-Salomon >>Ist das Christentum "erledigt"?<< http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm beträgt insgesamt mit Anmerkungen acht A4 Seiten.

Folglich musste ich mich bei meiner Analyse beschränken, sonst wird es für einen Forumsbeitrag einfach zu lang. Daher habe ich mich einerseits an der Struktur orientiert, um die wesentliche Inhalte zu erfassen, andererseits an dem, was mir so ins Auge fiel. Außer den Inhalten ist es auch immer ganz spannend herauszufinden, wie jemand argumentiert.

Beim ersten oberflächlichen überfliegen den Textes fiel mir in einer Zwischenüberschrift diese Aussage ins Auge:
1. "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!" http://www.schmidt-salomon.de/erledigt.htm
Dann wurde ich von Heinrich auf den angeblichen „katholischen Dominikanermönch“ geschuppst:
Heinrich5 hat geschrieben:Sie unterstellt Schmidt-Salomon, dass auch er Jesus gekreuzigt hätte. Dabei stammt das nicht von ihm sondern von einem katholischen Dominikanermönch (siehe unten). viewtopic.php?f=10&t=4029&start=15
Richtiger schreibt Michael Schmidt Salomon „Der ehemalige Dominikanermönch Hans-Conrad Zander“.

„Dominikanermönch“ und "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"? – Da hat sich mein „Bauch“ gewehrt. Nein, so schreibt kein Dominikaner! Also habe ich nachgeschaut, wer ist Hans-Conrad Zander?
Was, er war nur drei Jahre im Dominikanerorden, zuvor calvinistisch?
Wer und aus welchen Grund hebt so eine kurze Episode hervor, insbesondere bei einem 78 Jahre alten Menschen?
Wikipedia beschreibt Zander als „Journalist und Schriftsteller“, „der vor allem durch seine mild satirischen kirchen- und religionskritischen Glossen und Bücher bekannt geworden ist“

Unter der Überschrift (das Zander-Zitat) "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!" schreibt Michael Schmidt Salomon u.a. Jesus sei „in zentralen Punkten ethisch weit unter dem Niveau vieler heute lebender Menschen.“ Zander hat Galilei als intellektuell minderbemittelt, geltungssüchtig und geldgierig charakterisiert. - :mrgreen:

Jo! So bin ich wie ein Bienchen von Blüte zu Blüte auf Entdeckungsreise durch den Text von Dr. Michael Schmidt-Salomon „geflogen“ und als ich fertig war, habe ich meine kleine Analyse ins Forum gestellt.

mar hat geschrieben:Du: "Also mir würde es zu denken geben, wenn meine Interpretation der Bibel von keinem Theologen geteilt wird."

Ja, es ist doch echt erleichternd, sich auf Autoritäten verlassen zu können und nicht selbst für seine abweichende Überzeugung mit Argumenten einstehen zu müssen! ;)
Ja weißt Du, manche fahren auf die Autobahn und stellen fest, da sind lauter Geisterfahrer. :mrgreen:

Da ich über keinen Doktortitel verfüge, müsste ich nach Deiner Logik vor Dr. Michael Schmidt-Salomon anbetend auf die Knie fallen. Ich könnte mich jedenfalls in keiner Weise kritisch zu einem Text von ihm verhalten. Ich müsste ihn schlucken, ob er mir schmeckt oder nicht.

Nein, ich bin nicht übermäßig autoritätshörig. Ich habe Respekt vor dem Handwerk!
Was hat jemand gelernt, womit beschäftigt er sich täglich?

Mit jemand, der durch Innenausbau seine Brötchen verdient, kann ich auf seinem Gebiet nicht mithalten.
Mit Niels kann ich im IT Bereich nicht mithalten.
Ich weiß, was ich gelernt habe, was ich kann, bin mir aber auch meiner Grenzen auf anderen Gebieten bewusst. Und ich gehe zu meinem Zahnarzt ohne Dr. Titel und würde mir nie im Mund herumwerkeln lassen von einem Philosophen, nur weil der einen Dr.-Titel hat.

Ich nehme an, Dr. Michael Schmidt-Salomon hätte sich nicht mit einem ehemaligen „Kurzzeit-Dominikaner“ als Referenz begnügt, wenn er einen Theologen gefunden hätte, der seine Jesus-Interpretation teilen würde. Seine Aussage Hans Küng, Eugen Drewermann oder Dorothee Sölle sowie alle Theologen, die sich des historisch-kritischen Werkzeugkastens bedienen, würden „weder das weltpolitisch bedeutsame noch das eigentliche, ursprüngliche, authentische Christentum“ vertreten sowie seine Unterstellung ihrer „Unredlichkeit“ ... haben einen Argumentationswert von Null.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Christel
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Re: "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:wie schon Kant's und Marxens Ideologie - eine kulturell bedingte Fortentwicklung des christlichen europäischen Protestantismus

JA! Ich stimme Dir zu.
niels hat geschrieben:gleich einen ganzen Satz fehlerhafter Kernthesen adaptiert
Ich würde sagen, Kernthesen fehlerhaft adaptiert.
+ als Beschleuniger / Katalysator für Rassenkampf und Klassenkampf Darwins Evolutionstheorie:
Marx las Über die Entstehung der Arten ein Jahr später und war genauso enthusiastisch. Er nannte es, „das Buch, das die naturhistorische Grundlage für unsere Ansicht enthält.“2 In einem Brief an den deutschen Sozialisten Ferdinand Lassalle schrieb er: „Sehr bedeutend ist Darwins Schrift und passt mir als naturwissenschaftliche Unterlage des geschichtlichen Klassenkampfes…Trotz allem Mangelhaften ist hier zuerst der ‚Teleologie‘ in der Naturwissenschaft nicht nur der Todesstoß gegeben, sondern der rationelle Sinn derselben empirisch auseinandergelegt.“3 http://www.perspektiven-online.at/2010/ ... nd-darwin/
Die „Teleologie, dass die Welt ein Ziel … hat, war wiederum dem Christentum entnommen, wobei die Entwicklung der Industrie und der daraus resultierende Fortschrittsglaube das seine dazu beitrug.

Weshalb Kernthesen fehlerhaft adaptiert?

Nehmen wir die zentrale Predigt Jesu „Das Reich Gottes ist da!“
„Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen.“ Lk 11,20
„Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch.“ Lk 17,21
Reich Gottes = Königsherrschaft Gottes = Gottesherrschaft synonym hierzu wird bei Matthäus auch der Begriff "Himmelreich" verwandt. Diese Gegenwärtigkeit der Gottesherrschaft fußt im Judentum, lässt sich ins AT zurückverfolgen und wird in besonderer Weise durch Jesu neu gegenwärtig.

Schauen wir uns Heines Gedicht an:
Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.

Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.
http://www.heinrich-heine-denkmal.de/he ... ze Gedicht
Der Himmel, das Reich Gottes wird hier durchweg als Vertröstung auf das Leben nach dem Tod interpretiert. Jesu Botschaft „Das Reich Gottes ist da!“ scheint Heine völlig unbekannt zu sein.

Worin bestehen die Unterschiede?

Anstelle der Gottesherrschaft tritt bei Marx die „Diktatur des Proletariats“.
Unter marxistischen Gesichtspunkt geht das gar nicht:
„Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte.
Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch.“ Lk 17,20 f.
Das marxistische Reich kann man konkret raum-zeitlich verorten. Es kommt mit der Revolution und ist genau auf dem Gebiet wo, die Revolution gesiegt hat und die „Diktatur des Proletariats“ aufgerichtet wurde. Es kann nicht einfach da sein inmitten der ganz normalen Welt ohne Sturz der bisherigen Regierung…

Das Reich Gottes ist hingegen dort, wo der Wille Gottes geschieht, wo Menschen den Weg der Nachfolge Jesu gehen…
niels hat geschrieben:Es dürfte schwierig sein, sich in die Zeit des Roms / Judäas um das Jahr 0 hineinzuversetzen
Dies ist Gerd Theißen mit seinem Buch „Der Schatten des Galiläers : Jesus und seine Zeit in erzählender Form“ recht gut gelungen. https://www.buchhandel.de/buch/Der-Scha ... 3579064048
Ich empfahl es in meinem Eingangsbeitrag.

Die Tatsache, dass keinerlei Polemik gegen die römische Besatzungsmacht, keinerlei politische Agitation von Jesus überliefert ist, lässt sich nicht mit dem Argument Fälschung, Retusche… aus der Welt schaffen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Jesus tatsächlich kein politischer Agitator war, kein Putschist.

Politik kommt von Polis = Stadt, Gemeinwesen. In diesem Sinn ist Jesus ein „politischer“ Mensch. Er erhob für sich den Anspruch einer engen Beziehung zu Gott, den er seinen Vater nannte und er lud seine Mitmenschen in eben diese Beziehung ein: „Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme…“ Lk 11,2
Die 12 Apostel symbolisieren die 12 Stämme Israel, die Vollzähligkeit der Stämme. Jesus versuchte die zerstrittene Bevölkerung Israels unter der Gottesherrschaft (Reich Gottes) zu einen.

Es ist davon auszugehen, dass es Jesus gelang Unterstützer in allen Bevölkerungsgruppen zu finden, die einen mehr die anderen weniger.
Zöllner und Dirnen mehr. „Amen, das sage ich euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.“ Lk 21,27 – Die „Hohenpriester und die Ältesten des Volkes“ Lk21,23 weniger.

Diese gut integrierten „Ordnungshüter“ brachte Jesus die Ordnung durcheinander. Der Oberste für Ruhe Sorger war Pilatus. Ein religiöser Unruhestifter zu sein reichte völlig aus, Jesus zu kreuzigen.
Wer etwas verändern will, wird immer auf den Widerstand der Bewahrer der gegenwärtigen Verhältnisse stoßen.
niels hat geschrieben:derlei Erkenntnisse, die er nahezu durchweg belegbar selbst nur von anderen aufgeschnappt
Wer auch immer, was von wem übernahm, mir sind in den letzten Jahren wiederholt vorallem folgende Argumentationsmuster begegnet (aufgefallen) von Menschen, die sich zum Atheismus bekennen:
a) Die Betonung der eigenen Wissenschaftsorientierung, Logik und Rationalität
b) Die alleinige Anerkennung des fundamentalistischen Christentums als das wahre, authentische… Christentum
c) Die Berufung auf Ergebnisse der historisch-kritischen Methode, die herausgefunden hätte, dass das Christentum falsch sei
d) Christen, die weder in die Kategorie von b) oder c) passen, werden entweder in die fundamentalistische Ecke geschoben oder ihnen wird das Christsein abgesprochen
e) Außerdem wird sehr die eigene Ethik und Moral hervorgehoben.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
mar
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Re: "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Ungelesener Beitrag von mar »

Moin, Christel.

Du: "Außer den Inhalten ist es auch immer ganz spannend herauszufinden, wie jemand argumentiert."

Der Ansatz gefällt mir.

Du: "'Dominikanermönch' und 'Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!'? – Da hat sich mein 'Bauch' gewehrt. Nein, so schreibt kein Dominikaner! Also habe ich nachgeschaut, wer ist Hans-Conrad Zander? Was, er war nur drei Jahre im Dominikanerorden, zuvor calvinistisch?"

Naja, ich kann Dir auch das Beispiel eines Dominikaners nennen, der -- nachdem er 35 Jahre im Orden war -- wegen seiner Texte aus dem Orden und aus der Kirche ausgeschlossen und dann öffentlich verbrannt wurde. Sein Kommentar zu dem über ihn verhängten Urteil: "Maiori forsan cum timore sententiam in me fertis quam ego accipiam". Wehrt sich da auch Dein Bauch? Weil sowas ein Dominkaner einfach nicht schreibt? Oder vielleicht doch eher wegen der brutalen Hinrichtung?

Du: "Zander hat Galilei als intellektuell minderbemittelt, geltungssüchtig und geldgierig charakterisiert."

Tja, vielleicht war der Galilei tatsächlich intellektuell minderbemittelt, geltungssüchtig und geldgierig? Da müsste man mal ein paar verschiedene Biographien vergleichend zu Rate ziehen. Bahnbrechende Erkenntnisse jedenfalls werden häufig nicht von geistigen, moralischen und charakterlichen Superhelden gefunden, sondern einfach von Leuten, die zufällig über etwas stolpern, die den richtigen Riecher haben (Intuition) und die respektlos genug sind, die für sie gegebenen Autoritäten anzuzweiflen. *g* (Mein Grinsen ist breiter als deins, ätsch.)

Du: "Jo! So bin ich wie ein Bienchen von Blüte zu Blüte auf Entdeckungsreise durch den Text von Dr. Michael Schmidt-Salomon 'geflogen' und als ich fertig war, habe ich meine kleine Analyse ins Forum gestellt."

Hehe. Der Vergleich mit dem Bienchen ist ja etwas pikant. Für wen stehen denn hier die Blüten? Träumst Du manchmal nachts von Sex? ;) *lach*

Du: "Ja weißt Du, manche fahren auf die Autobahn und stellen fest, da sind lauter Geisterfahrer."

Ja und weißt Du, manche glauben, man könne über "Wahrheit" per Mehrheitsbeschluss entscheiden. Ich erkenne halt ziemlich schnell, wenn ich auf der Autobahn in Gegenrichtung fahre und bin in der Lage meinen Irrtum zu korrigieren. Es gibt aber eben auch Überzeugungen, die ich trotz aller Selbstkritik nicht widerlegen konnte, und die ich deshalb auch dann aufrecht erhalte, wenn eine autoritative Mehrheit widerspricht. Niels redet ja so gerne von Rückgrat. Hier ist meins.

Du: "Da ich über keinen Doktortitel verfüge, müsste ich nach Deiner Logik vor Dr. Michael Schmidt-Salomon anbetend auf die Knie fallen. Ich könnte mich jedenfalls in keiner Weise kritisch zu einem Text von ihm verhalten. Ich müsste ihn schlucken, ob er mir schmeckt oder nicht."

Hallo? Ich bin verwirrt. Sagte ich nicht, man solle sich nicht auf Autoritäten verlassen? Also, wenn ich über einen Doktortitel verfügte, dann fände ich es enorm nervend, wenn meine Diskussionpartner ständig auf den Knieen vor mir herumrutschten. *lolololol*

Du: "Nein, ich bin nicht übermäßig autoritätshörig."

Naja, vielleicht nicht übermäßig, aber (wie mir scheint) jeden Falls hörig. Von Deiner kritischen Unabhängigkeit konntest Du mich bisher nicht ganz überzeugen. :|

Du: "Ich habe Respekt vor dem Handwerk! Was hat jemand gelernt, womit beschäftigt er sich täglich?"

Mir gefällt wiederum der Ansatz. Damit ich Deine Argumentation diesem Prinzip gemäß richtig einordnent kann: Würdest du mitteilen, was Du gelernt hast und womit Du dich täglich beschäftigst? Notfalls auch per Privat-Nachricht?

Du: "Mit jemand, der durch Innenausbau seine Brötchen verdient, kann ich auf seinem Gebiet nicht mithalten."

Ich schon. -- Nebenbei, willst du jetzt sagen, dass Innenausbauer keine fundierte Theologie betreiben können? Wie war das dann mit diesem jüdischen Wanderprediger, der wahrscheinlich die Zimmerei von seinem Vater erlernt hatte, sich dann aber ohne Schul- und Universitätsabschluss als reisender Rabbi selbständig machte? Durfte der jetzt theologische Aussagen treffen, oder hätte er dieses Fachgebiet besser den Hohepriestern überlassen sollen? Oder was ist mit dem irischen Hobbytheologen (verbriefter Abschluss: Philosophie und antike Geschichte), den Du neulich noch umschwärmt hast (wie die Biene das Blümchen, hehe), weil er auf einer Motoradfahrt zum Zoo eine theologische Einsicht hatte?

Du: "Mit Niels kann ich im IT Bereich nicht mithalten."

Ich schon.

Du: "Ich weiß, was ich gelernt habe, was ich kann, bin mir aber auch meiner Grenzen auf anderen Gebieten bewusst."

Ich auch.

Du: "Und ich gehe zu meinem Zahnarzt ohne Dr. Titel und würde mir nie im Mund herumwerkeln lassen von einem Philosophen, nur weil der einen Dr.-Titel hat."

Bei diesem Problem ist es hilfreich, zwischen Dr. med. dent., Dr. phil und Dr. rer. nat. zu entscheiden. Im übrigen halte ich den Dr-Titel für Ärzte (wie du offensichtlich auch bei deinem Zahnarzt) für völlig überflüssig. Sie lernen dadurch nichts praktisch relevantes hinzu, machen die Behandlung keinen Deut besser und liefern im Vergleich zu anderen Fächern die lausigsten und irrelevantesten Dr-Arbeiten ab.

Ich mach die flapsige Art in Deinem Beitrag. Macht gleich mehr Spass. :] Ich schätze auch Deine Respektlosigkeit gegenüber meinen Argumenten (wenn es auch noch mit der Verarbeitung etwas hapert) und bin sehr erfreut, dass Du nicht vor mir auf die Knie fällst, sondern die aufrechte Haltung probst. Aber wie wär's, wenn Du diese selbstbewusste Einstellung versuchweise auch mal bei Deinen Lieblingstheologen, der Bibel und Gott ausprobieren würdest? :)
Christel
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Re: "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Ungelesener Beitrag von Christel »

mar hat geschrieben:Ich schätze auch Deine Respektlosigkeit gegenüber meinen Argumenten
Welche Argumente? Du projezierst!

Übrigens, Deine letzten Beiträge waren Off-Topic.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
mar
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Re: "Auch ich hätte Jesus gekreuzigt!"

Ungelesener Beitrag von mar »

Hallo, Christel.

Du: "Du projezierst!"

Scheint so. Ich dachte, ich sähe die Ansätze einer verwandten Seele. Offensichtlich habe ich mich getäuscht.

Du: "Deine letzten Beiträge waren Off-Topic".

Oh, wenn die Beiträge für Dich das Thema nicht trafen, dann ignorier sie bitte.
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