Re: Alle erkennen Gott!?
Verfasst: Dienstag 30. Mai 2017, 09:44
@ga-chen,
wer sprach "über d i r" (Trance?) - oder war mich gemeint?
Ist Christsein ein Auslaufmodell?
Theologe Matthias Beck: "Das Christentum hat eine sehr große Praxisrelevanz"
Mit seinem Buch "Christ sein. Was ist das?" trifft Theologe Matthias Beck einen empfindlichen Nerv der christlichen Kirche - und das zum richtigen Zeitpunkt. Terroranschläge erschüttern und verunsichern Europa, der Islam rückt in den Fokus vieler Diskussionen. Und was ist mit dem Christentum? Im Interview verrät der Autor, was uns der Glaube bringen kann und warum viele Christen so wenig über ihre Religion wissen.
Sie schreiben, Christen wissen heutzutage wenig über ihre eigene Religion. Woher kommt das?
Punkt eins. Mein Eindruck ist, dass viele Menschen in christlichen beziehungsweise katholischen Ländern wie Österreich vieles machen, ohne darüber zu reflektieren. Man ist halt katholisch, weil die Mutter katholisch ist und der Großvater schon katholisch war. Das gehört zu einem Ritual dazu.
Punkt zwei. Wir haben die Menschen zu wenig zum eigenständigen Denken erzogen. Es gab – und gibt es zum Teil heute noch - eine Art von Gedankenverbot, nach dem Motto: „Das darfst du gar nicht denken, das ist nicht katholisch“. Wir haben die Aufklärung in Europa hinter uns, wir haben die vielen Kirchenaustritte erlebt und die Konfrontation mit dem Islam vor uns. Und jetzt erst fangen Menschen neu darüber nachzudenken an: „Wer sind wir eigentlich? Wo kommen unsere Werte her?“
Besteht ein Unterschied im Ausleben des Glaubens zwischen Christen in reichen europäischen Ländern und Christen in armen Staaten?
Ja. Ich würde sogar noch einmal zwischen Land- und Stadtbevölkerung unterscheiden. Ein Bauer in Tirol, der von der Natur abhängig ist, hat noch eher Ehrfurcht vor ihr. Naturmenschen haben oft einen Bezug zum Göttlichen. Der Städter hat diesen Zugang weniger. Da geht man ins Geschäft und kauft sich die Milch, die Kinder haben oft nicht einmal mehr die Beziehung von der Milch zur Kuh. Vieles, was wir für selbstverständlich erachten, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Meistens fangen die Menschen erst durch Krisen oder Krankheiten an, darüber nachzudenken. Ich will jetzt nicht den Umkehrschluss machen und sagen, dass es uns erst wieder viel schlechter gehen muss, damit die Leute wieder an Gott glauben. Ich möchte den Menschen mit dem Buch ein Augenöffner sein, dass das Leben an sich großartig ist: dass wir denken, dass wir hören, dass wir schauen können. Mir tut es immer leid, wenn Gott für schlechte Tage „missbraucht“ wird.
In Österreich hat sich die Zahl der Gottesdienstbesucher in den vergangenen 20 Jahren halbiert. Mangelt es dem Christentum daran, dass es mit seinen Predigten die heutige Gesellschaft nicht mehr anspricht?
Der Kirchengang ist nicht veraltet, aber die Vermittlung ist nicht so gut. Eine Predigt oder eine Theologie in Europa muss ganz anders aussehen als in Afrika, weil die Umstände ganz andere sind. Europa ist ein hochaufgeklärter und mehr oder weniger reicher Kontinent. Da sollte ein Priester in der Lage sein, auf Alltagsfragen im Kontext einer aufgeklärten Gesellschaft und beispielsweise auf naturwissenschaftliche, spirituelle oder psychologische Probleme einzugehen. Er muss nicht alles können, aber doch eine Ahnung haben, was Menschen beschäftigt. Was die Leute nicht mehr hören können, sind auswendig gelernte theologische Floskeln wie „Wir sind durch seinen Kreuzestod von unseren Sünden erlöst“. Das mag zwar theologisch stimmen, die Menschen verstehen es aber nicht. Friedrich Nietzsche hat damals schon gesagt: „Dann müssten die Christen alle erlöster aussehen“. Also in dem Fall müsste man erklären, was Erlösung schon in diesem Leben bedeutet. Es gibt ein Defizit an Aufklärung und Reflexion darüber, was wir glauben.
[...]
Was hat die Krise des Christentums in Europa ausgelöst?
Ich werfe einen Begriff in den Raum: Übersättigung. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren wir zuerst im Aufbau, dann sind wir satt geworden, wir sind reich geworden. Europa ist ein reicher Kontinent. Und viele sagen heute, wir brauchen das Christentum gar nicht. Es geht ohne genauso gut. Es ist vermeintlich alles da. Systeme neigen dazu, sich in sich selbst zu bewegen. Das hat auch die katholische Kirche - vielleicht auch die evangelisch und orthodoxe - gezeigt. Die Gefahr ist, dass man sich nur mit sich selbst, mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Was draußen passiert, merkt man gar nicht mehr. Dieses satte, reiche und ein bisschen träge gewordene System wurde massiv von außen erschüttert: durch Missbrauchsfälle, eine Kirchenaustrittswelle, Muslime und Flüchtlinge. Das ist ein Weckruf. Die Krise der Kirche in Europa ist eine „Trägheitskrise“. Es wäre für jeden einzelnen und die Kirche insgesamt gut, zu überlegen: „Sind wir noch richtig unterwegs?“ ....
Mehr: http://www.news.at/a/christ-sein-was-ist-das-7554268?
wer sprach "über d i r" (Trance?) - oder war mich gemeint?
Ist Christsein ein Auslaufmodell?
Theologe Matthias Beck: "Das Christentum hat eine sehr große Praxisrelevanz"
Mit seinem Buch "Christ sein. Was ist das?" trifft Theologe Matthias Beck einen empfindlichen Nerv der christlichen Kirche - und das zum richtigen Zeitpunkt. Terroranschläge erschüttern und verunsichern Europa, der Islam rückt in den Fokus vieler Diskussionen. Und was ist mit dem Christentum? Im Interview verrät der Autor, was uns der Glaube bringen kann und warum viele Christen so wenig über ihre Religion wissen.
Sie schreiben, Christen wissen heutzutage wenig über ihre eigene Religion. Woher kommt das?
Punkt eins. Mein Eindruck ist, dass viele Menschen in christlichen beziehungsweise katholischen Ländern wie Österreich vieles machen, ohne darüber zu reflektieren. Man ist halt katholisch, weil die Mutter katholisch ist und der Großvater schon katholisch war. Das gehört zu einem Ritual dazu.
Punkt zwei. Wir haben die Menschen zu wenig zum eigenständigen Denken erzogen. Es gab – und gibt es zum Teil heute noch - eine Art von Gedankenverbot, nach dem Motto: „Das darfst du gar nicht denken, das ist nicht katholisch“. Wir haben die Aufklärung in Europa hinter uns, wir haben die vielen Kirchenaustritte erlebt und die Konfrontation mit dem Islam vor uns. Und jetzt erst fangen Menschen neu darüber nachzudenken an: „Wer sind wir eigentlich? Wo kommen unsere Werte her?“
Besteht ein Unterschied im Ausleben des Glaubens zwischen Christen in reichen europäischen Ländern und Christen in armen Staaten?
Ja. Ich würde sogar noch einmal zwischen Land- und Stadtbevölkerung unterscheiden. Ein Bauer in Tirol, der von der Natur abhängig ist, hat noch eher Ehrfurcht vor ihr. Naturmenschen haben oft einen Bezug zum Göttlichen. Der Städter hat diesen Zugang weniger. Da geht man ins Geschäft und kauft sich die Milch, die Kinder haben oft nicht einmal mehr die Beziehung von der Milch zur Kuh. Vieles, was wir für selbstverständlich erachten, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Meistens fangen die Menschen erst durch Krisen oder Krankheiten an, darüber nachzudenken. Ich will jetzt nicht den Umkehrschluss machen und sagen, dass es uns erst wieder viel schlechter gehen muss, damit die Leute wieder an Gott glauben. Ich möchte den Menschen mit dem Buch ein Augenöffner sein, dass das Leben an sich großartig ist: dass wir denken, dass wir hören, dass wir schauen können. Mir tut es immer leid, wenn Gott für schlechte Tage „missbraucht“ wird.
In Österreich hat sich die Zahl der Gottesdienstbesucher in den vergangenen 20 Jahren halbiert. Mangelt es dem Christentum daran, dass es mit seinen Predigten die heutige Gesellschaft nicht mehr anspricht?
Der Kirchengang ist nicht veraltet, aber die Vermittlung ist nicht so gut. Eine Predigt oder eine Theologie in Europa muss ganz anders aussehen als in Afrika, weil die Umstände ganz andere sind. Europa ist ein hochaufgeklärter und mehr oder weniger reicher Kontinent. Da sollte ein Priester in der Lage sein, auf Alltagsfragen im Kontext einer aufgeklärten Gesellschaft und beispielsweise auf naturwissenschaftliche, spirituelle oder psychologische Probleme einzugehen. Er muss nicht alles können, aber doch eine Ahnung haben, was Menschen beschäftigt. Was die Leute nicht mehr hören können, sind auswendig gelernte theologische Floskeln wie „Wir sind durch seinen Kreuzestod von unseren Sünden erlöst“. Das mag zwar theologisch stimmen, die Menschen verstehen es aber nicht. Friedrich Nietzsche hat damals schon gesagt: „Dann müssten die Christen alle erlöster aussehen“. Also in dem Fall müsste man erklären, was Erlösung schon in diesem Leben bedeutet. Es gibt ein Defizit an Aufklärung und Reflexion darüber, was wir glauben.
[...]
Was hat die Krise des Christentums in Europa ausgelöst?
Ich werfe einen Begriff in den Raum: Übersättigung. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren wir zuerst im Aufbau, dann sind wir satt geworden, wir sind reich geworden. Europa ist ein reicher Kontinent. Und viele sagen heute, wir brauchen das Christentum gar nicht. Es geht ohne genauso gut. Es ist vermeintlich alles da. Systeme neigen dazu, sich in sich selbst zu bewegen. Das hat auch die katholische Kirche - vielleicht auch die evangelisch und orthodoxe - gezeigt. Die Gefahr ist, dass man sich nur mit sich selbst, mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Was draußen passiert, merkt man gar nicht mehr. Dieses satte, reiche und ein bisschen träge gewordene System wurde massiv von außen erschüttert: durch Missbrauchsfälle, eine Kirchenaustrittswelle, Muslime und Flüchtlinge. Das ist ein Weckruf. Die Krise der Kirche in Europa ist eine „Trägheitskrise“. Es wäre für jeden einzelnen und die Kirche insgesamt gut, zu überlegen: „Sind wir noch richtig unterwegs?“ ....
Mehr: http://www.news.at/a/christ-sein-was-ist-das-7554268?