Hokus Pokus Fidibus

Diskussionen rund um Glaubensfragen

Moderatoren: niels, Kirche und Religionen

Forumsregeln
Glaube und Religion im Eichsfeld Wiki:
Religion im Eichsfeld
Kategorie: Religion im Eichsfeld
Kirchen im Eichsfeld
Leinetal
regelmäßiger Besucher
Beiträge: 37
Registriert: Montag 10. Mai 2021, 18:22
PLZ: 37327
Wohnort: Leinefelde

Hokus Pokus Fidibus

Ungelesener Beitrag von Leinetal »

In meiner Kinder -und Jugendzeit, das ist nun schon über 60 Jahre her, wurde die „Heilige katholische Messe“ noch in Latein abgehalten.
Die Gläubigen in den Bänken kannten natürlich kein Latein. Sie hatten aber ein Gebetbuch in welchem stand, was sie dem Priester zu antworten hatten.
Die Meßdiener (Ministranten) am Altar neben dem Priester, hatten kein entsprechendes Gebetbuch in der Hand und mussten die lateinischen Texte auswendig lernen um sie dann am Altar aufzusagen. Was das wiederum auf deutsch hieß, wussten diese 10 bis 14 - jährigen Jungen nicht. Es war denen auch egal.
Ich war auch einer von diesen Meßdienern und kenne heute noch die schwierigsten lateinischen Texte, nämlich das „Confiteor“ und das „Suscipiat“ fließend auswendig. Was es auf deutsch heißt, hatte ich übrigens vergessen und ich habe lange in alten Gebetbüchern gesucht um die deutsche Übersetzung zu finden.
Ich habe in Erinnerung, dass die meisten Jungen mit dem Aufsagen der lat. Texte Schwierigkeiten hatten. Das Confiteor und das Suscipiat wurden kniend und mit gebeugtem Oberkörper von den Meßdienern aufgesagt. Wer nicht sattelfest war murmelte sich hier irgendetwas in den Bart und das fiel nicht so auf, wenn noch zwei oder drei Ministranten rechts und links neben dem Pfarrer knieten und die Texte einigermaßen richtig aufsagen konnten.
Mein Pfarrer hieß damals Willi Metzler. Er kannte das Problem und er beugte sich auch immer sehr tief hinab um zu hören was die Meßdiener so von sich gaben. Er war da sehr misstrauisch. Nach der Messe mussten einige immer noch einmal das Confiteor und das Suscipiat in der Sakristei aufsagen. Es gab da auch schon mal von Seiten des Pfarrers kräftige Backpfeifen. Beim nächsten Gottesdienst mussten dann die Texte vor Beginn der Messe aufgesagt werde.

Das Confiteor

Confiteor Deo omnipotenti, beatae Mariae semper Virgini, beato Michaeli Archangelo, beato Joanni Baptistae, sanctis Apostolis Petro et Paulo, omnibus Sanctis, et vobis, fratres, quia peccavi nimis cogitatione verbo, et opere; mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. Ideo precor beatam Mariam semper Virginem, beatum Michaelem Archangelum, beatum Joannem Baptistam, sanctos Apostolos Petrum et Paulum, omnes Sanctos, et vos, fratres, orare pro me ad Dominum Deum nostrum.
Misereatur tui omnipotens Deus, et dimissis peccatis tuis, perducat te ad vitam aeternam.

Auf deutsch:

Ich bekenne Gott dem Allmächtigen, der seligen, allzeit reinen Jungfrau Maria, dem hl. Erzengel Michael, dem hl. Johannes dem Täufer, den hl. Aposteln Petrus und Paulus, allen Heiligen, und euch, Brüder, daß ich viel gesündigt habe in Gedanken, Worten und Werken durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld. Darum bitte ich die selige, allzeit reine Jungfrau Maria, den hl. Erzengel Michael, den hl. Johannes den Täufer, die hl. Apostel Petrus und Paulus, alle Heiligen und euch, Brüder, für mich zu beten bei Gott, unserm Herrn.
Der Allmächtige Gott erbarme sich deiner! Er lasse dir die Sünden nach und führe dich zum ewigen Leben

Das Suscipiat

Der Priester küßt den Altar, wendet sich an die Gemeinde und spricht: Oratre fratres, ut meum ac vestrum sacrificium acceptabile fiat apud Deum Patrem omnipotentem. (Betet, Brüder, daß mein und euer Opfer wohlgefällig werde bei Gott dem allmächtigen Vater)

Der Meßdiener antwortet in Vertretung alle anwesenden Gläubigen:

Suscipiat Dominus sacrificium de manibus tuis ad laudem et gloriam nominis sui, ad utilitatem quoque nostram, totiusque Ecclesiae suae sanctae.

Auf deutsch:

Der Herr nehme das Opfer an aus deiner Hand zum Lobe und Ruhme seines Namens, zum Segen für uns und seine ganze heilige Kirche.

Wer mehr über diese lateinische Messe erfahren will kann heute noch in diesem „Lernbuch für Ministranten“ weiterlesen:
https://www.introibo.net/download/mini_ ... n_fssp.pdf

Ich habe nun schon seit vielen Jahren keine Kirche mehr von innen gesehen aber ich habe erfahren, dass dieses unsinnige Latein während der Messe abgeschafft wurde. In konservativen katholischen Ländern, wie z. Bsp. Polen, soll wohl heute immer noch Latein in der Messe gesprochen werden.

Übrigens, wer weiß wo der Begriff Hokus Pokus Fidibus herkommt?

Natürlich aus dieser lateinischen Messe.

Ich erinnere mich da besonders an den dicken Vikar Gunkel, der den leiblichen Genüssen sicher sehr gefrönt hat.
Unmittelbar vor der ,,Heiligen Wandlung“ in der kath. Messe musste der Messdiener dem Priester aus einem Weinkännchen den Messwein in den hl. Kelch gießen. Ein kleiner Schluck war dem Vikar Gunkel zu wenig und er knurrte dann ,,Mehr“ bis der Kelch voll war und das Weinkännchen leer war.

hoc est enim corpus meum

Der Priester spricht dabei während der ,,Wandlung“ von Brot in den Leib Christi und Wein in das Blut Jesu die Worte: Hoc est enim corpus meum, „Das ist mein Leib“. Gemeint ist der Leib Christi.

Menschen, die kein Latein verstanden, und das waren eigentlich alle Messebesucher, hörten nur so etwas wie Hokuspokus.
Daraus entstand dann Hokus Pokus Fidibus!
Der Ausdruck "Hokus Pokus", auch Hokuspokus oder hocus pocus fidibus (pseudolateinische Neuschöpfung des 17. Jahrhunderts), ist ein bekannter Zauberspruch.

Was der salbungsvolle Zauberspruch "Hoc est enim corpus meus", "Das ist mein Leib" bedeutet, verstehen bis heute nur Leute welche Latein gelernt haben. Denn tatsächlich konnte man aus dem lateinischen Satz schnell genau das verstehen: "Hokus Pokus".
Und da nach dem Verständnis der Geistlichen, dass etwas während des Gottesdienstes verwandelt wird - das Brot, die Hostie, in den Leib Jesu Christi – der Messwein in das Blut Jesu Christi, war der vermeintliche Zauberspruch geschaffen.
Und da raunten sich manche Gottesdienstbesucher leise zu: "Jetzt macht er wieder seinen Hokuspokus." Der Begriff "Hokus Pokus" hat sich so durch viele Jahrhunderte gezogen und sich bis heute als der vielleicht bekannteste Zauberspruch in der deutschen Sprache erhalten. :lol:
Kein Gottesbeweis hält, was er verspricht. Wer von der Existenz Gottes ausgeht, sie als Faktum nimmt, tut so als sei der Gottesbeweis gelungen - und operiert mit ungedeckten Schecks. Im Wirtschaftsleben ist das strafbar, in der Theologie ist es Einlassbedingung.
Christoph Türcke
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Ahrefs [Bot] und 188 Gäste