Holuwir hat geschrieben:
Ich denke da z. B. an die Geschichte von Saulus als er zum Paulus wurde.
Diese Story nennt man auch das „Damaskuserlebnis“
Nach Apg 9,3–29 EU begegnete Paulus auf dem Weg nach Damaskus – „nicht weit vor der Stadt“ – in
einer visionären Lichterscheinung der auferstandene Jesus selbst. Dieser habe ihn mit seinem hebräischen Namen angerufen: Saul, Saul! Warum verfolgst du mich? Er habe zurückgefragt: Wer bist du, Herr? Darauf habe die Stimme geantwortet: Ich bin Jesus, den du verfolgst! Dadurch sei Paulus tagelang erblindet und habe nichts essen können, bis ihn ein anderer Urchrist im Namen Jesu geheilt habe. Daraufhin habe er sich taufen lassen und begonnen, Jesus als Sohn Gottes zu verkünden.
Sigmund Freud schreibt dazu:
Schon die symbolische Selbstblendung des legendären Ödipus, der seinen königlichen Vater tötete, verwies nach Freud auf die Selbstbestrafungstendenz im Schuldbewusstsein. Analog kehrt der verdrängte ödipale Konflikt mit der
Saulus/Paulus-Bekehrung wieder, ein „Durchbruch der Erkenntnis" in der Völkerpsychologie:
„Aus einer Vaterreligion hervorgegangen, wurde das Christentum eine Sohnesreligion".
Zu der Risikogruppe der UV-Licht-Geschädigten zählen unter anderen „Sonnenanbeter, religiöse Fanatiker, Schizophrene" und Soldaten („Selbstverstümmelung"). Demzufolge wäre das Damaskus-Erlebnis auf eine unbewusste oder bewusste Lichtexposition zurückzuführen.
Größenwahn der Apostel als narzisstische Grandiosität
Die Berufungsvisionen ermächtigen den Visionär, unmittelbar im Namen Gottes zu sprechen. Das hatte in der Spätantike eine hohe Glaubwürdigkeit.
Heute aber wird jemand, der ähnlich von einem göttlichen Auftrag erfüllt auftritt, leicht Insasse einer Nervenheilanstalt. „In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle gesellen sich zu den Beeinträchtigungsideen mehr oder weniger ausgeprägte Größenideen.
Der Kranke hat „bewunderungswürdig gelitten“, wird noch Großes vollbringen, ist zu Höherem berufen, hat ein zukünftiges besseres Los zu erwarten. Manchmal sind es lebhafte Träume, die ihn erheben und für alles Ungemach entschädigen.
In diesen „nächtlichen geistigen Verschleuderungen“ führt ihn die Gewalt Gottes in fremde Länder, bringt ihn in Verkehr, auch geschlechtlichen, mit hohen Personen und gibt ihm durch mannigfache Darstellungen aussichtsreiche Verheißungen für die Zukunft. Häufiger noch kommt es zu einzelnen, mit klarem Bewusstsein aufgefassten visionären Erlebnissen.
Der Kranke erwacht in der Nacht mit unbeschreiblichen Wonnegefühlen, fühlt sich durchströmt und durchleuchtet vom heiligen Geiste. Seine Augen werden von dem Lichte geblendet, welches sein Schlafzimmer erfüllt; ein wunderbarer Duft strömt herein. Er sieht Gott in Gestalt eines Sterns, eine bedeutungsvolle Figur aus Lichtpunkten, eine herrliche Gestalt in köstlichem Gewände, die Mutter Gottes, Engel mit goldenen Flügeln, welche eine Königskrone tragen, das Christkind, welches ihn an der Hand führt, ihm die Weltkugel überreicht, den Kaiser mit einer strahlenden Sonne. Dabei hört er eine Stimme, die in mehr oder weniger klaren Ausdrücken ihm seine hohe Sendung verkündet: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“, „Dir sind Deine Sünden vergeben“ und dergl. Bisweilen wiederholen sich solche Erlebnisse mehrmals in längeren Zwischenräumen. Auch die Sinnestäuschungen gewinnen vielfach einen angenehmen Inhalt. Gott selbst spricht zum Kranken, ernennt ihn zum Kaiser Rothbart, schenkt ihm riesige Summen, verheiratet ihn mit einer Prinzessin.“
Die Überzeugung,
vom göttlichen Geist in wundertätiger Weise erfüllt zu sein, entwickelt sich oft erst allmählich, auch ohne Damaskusvision oder hardcore-Bekehrungserlebnis des evangelikalen Sünders.
„Wenn er betet, so strömt fruchtbarer Regen herab, oder der umwölkte Himmel klärt sich plötzlich auf, sobald er auf die Straße tritt. Erinnerungsfälschungen erwecken in dem Kranken die Vorstellung, dass ihm von Gott alles im voraus verkündet werde, was sich ereignet. Während der Entwicklung dieser Wahnbildungen, die sich in einigen Monaten oder Jahren zu vollziehen pflegt, bleiben die Kranken besonnen, orientiert und im ganzen geordnet. Sie sind, namentlich im Anfange, recht wohl im Stande, ihre Ideen zusammenhängend darzulegen, zu begründen, Einwände zu bekämpfen; es ist „Methode“ im Wahnsinn.“
Die Grandiosität des Erwählten wird für den einfachen User von Gottesdiensten in Gesangbuchliedern besungen:
EKG 28,2: „Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren. Und haßst mich dir zu eigen gar, eh ich dich konnt, erkoren. Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden.“
EKG 441,2: „Friedefürst, ich ward erkoren am ersten Tag, als ich geboren, zu deinem selgen Gnadenkind; du gabst mir des Himmels Gaben, weil wir nichts Gutes eigen haben und ohne dich verloren sind. O Jesu, meine Ruh, ich greife freudig zu nach den Gaben, die du mir heut zur Seligkeit durch dein Erbarmen hast erneut.“ Das EKG ist durchzogen von diesem Erwählungsgedanken: Gerade ich bin auserwählt, Gottes Lieblingskind.
https://homepage.ruhr-uni-bochum.de/mic ... c366857111
Der Verfasser des Textes schreibt:
Ziel der Arbeit: Analogien zwischen Gläubigen und Patienten
Ich will in dieser Arbeit zeigen, wie sehr der Glaubende dem Schizophrenen gleicht. Der Grad der Realitätsferne ist ungefähr gleich, die schizoide Struktur seiner Ich- und Welterfahrung ebenfalls.
Der zentrale Unterschied ist, dass Schizophrene weggesperrt werden in Irrenhäuser, während Gläubige in Gemeinden eine Basis gegenseitiger Bestärkung in ihrer gegen alle Wissenschaft bekenntnishaft behauptete Weltanschauung gefunden haben.
Innerhalb dieser Sekte funktioniert ihre Sprachweise und ihre mentale Mythik rigider Aufspaltung der Welt in Gut und Böse.
Von außen werden „Christen“ für seltsame Spinner gehalten. In meiner Schulklasse war dies überdeutlich, die meisten glaubten nicht an die Existenz eines Gottes und hielten mich für skurril. Zu recht.
In evangelikalen Jugendkreisen konnte man sich gegenseitig trösten, von den normalen Menschen so wenig verstanden zu werden.
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)