Der Gottesbegriff des römischen Philosophen Seneca

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Atheisius
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Der Gottesbegriff des römischen Philosophen Seneca

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Lucius Annaeus Seneca (* etwa im Jahre 1 in Corduba; † 65 n. Chr.), war ein römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Politiker und als Stoiker einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. Seine Reden, die ihn bekannt gemacht hatten, sind verloren gegangen. Wenngleich er in seinen philosophischen Schriften Verzicht und Zurückhaltung empfahl, gehörte Seneca zu den reichsten und mächtigsten Männern seiner Zeit. Vom Jahr 49 an war er der maßgebliche Erzieher bzw. Berater des späteren Kaisers Nero. Senecas Bemühen, Nero in seinem Sinne zu beeinflussen, war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Zuletzt beschuldigte ihn der Kaiser der Beteiligung an der Pisonischen Verschwörung und befahl ihm die Selbsttötung. Diesem Befehl kam Seneca notgedrungen nach.

Senecas Gottesbegriff ist komplex. Je nach Kontext spricht er von „Göttern“, dem „Göttlichen“ oder dem „Gott“.

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Gott in uns

Solange wir leben, ist Gott in uns, und nach dem Tode sind wir in ihm. Ähnlich wie Seneca sah es Ovid: „In uns wohnet ein Gott, wir erglühen durch seine Bewegung, seine Gegenwart in uns macht uns frei und reich und allem überlegen, was weniger ist als Gott“.

Senecas Gottesvorstellung ist universal: Gott ist der Lenker und Erhalter des Alls, Seele und Geist der Welt, aber ohne Namen:
  • „Nennst du ihn „Schicksal“, wirst du nicht irren; denn er ist aller Ursachen Ursacher, von dem alles abhängt“.
  • „Nennst du ihn „Vorsehung“, tust du auch damit recht; denn er ist es, in dessen Weltenplan Vorsorge getroffen ist, dass alles im Universum seine Bewegungen harmonisch ausführt und seine Bahn vollendet“.
  • „Nennst du ihn „Welt“, ist auch das richtig; denn alles, was du siehst, ist seine Offenbarung. Sein Wesen lebt in allen Teilen; und er ist es, der die Teile und das Ganze in Bewegung hält“.
  • „Nennst du ihn „Natur“, begehst du auch damit keinen Fehler; denn er ist es, aus dem alles hervorging und durch dessen Geist alles lebt….“
….Aber ob du von Schicksal oder Vorsehung, von Natur oder Welt sprichst, oder Gott sonst einen Namen gibst – es ist nur ein Name ein und desselben göttlichen Wesens, das sich auf verschiedene Weise äußert. Zugleich aber ist Gott ein Freund, der uns immer nahe ist, für den kein Tempel errichtet zu werden braucht, weil wir selbst sein Tempel sind, weil er in unserem Inneren lebt und dort verehrt werden sollte.

Ja, mein Freund, das behaupte ich: es wohnt in uns ein heiliger Geist, ein göttlicher Helfer, Beobachter und Wächter alles Guten und Bösen, der uns so behandelt, wie wir ihn behandelt haben.

Wenn du einen Mann siehst, unerschrocken in Gefahren, unberührt von Leidenschaften, im Unglück gelassen, in Stürmen ruhig, jederzeit zufrieden und glücklich, die Götter neben sich wissend: wird dich nicht Verehrung gegen ihn ergreifen? Wirst du nicht sagen, ein solches Wesen sei höher und größer, als dass es dem Körper, in dem es wohnt, ähnlich sein könnte? Diese erhabene Seele, die alles Irdische als klein erachtet, bewegt eine himmlische Macht.

Deine Bestimmung und Aufgabe ist es, diese Macht auch in dir zur Herrschaft zu führen und dein ganzes Dasein dem Gott in dir zu weihen, damit er die Führung deines Lebens übernimmt. Dann wirst du wahrhaft zum Lebensmeister und zum Selbstgestalter deines Schicksals.

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Senecas Gottesbegriff (Gottesvorstellung) kommt ohne Tempel, Kirchen und Kathedralen aus. Er braucht keine Priesterschaft, keinen Klerus und keine Heilige Schrift.

Absurde, unglaubhafte Dinge wie Jungfrauengeburt, Gottessohnschaft, Dreieiniger persönlicher Gott (Trinität), Himmel und Hölle, Teufel und Engel, Auferstehung von den Toten, Himmelfahrt etc. kommen in seinem Gottesbegriff nicht vor. Diese Dinge sind ganz einfach überflüssig wie ein Kropf.

Der heutige evolutionäre Humanismus stützt sich auf die reine Vernunft. In diese Welt- und Lebensanschauung fließen Anregungen durch Denker und Philosophen vom Altertum bis zur Gegenwart ein, von der altindischen Philosophie der Gedanke der All-Einheit, von der chinesischen Philosophie des Konfuzius und Lao-tse, von den antiken griechischen und römischen Philosophenschulen der Sokratiker und Platoniker , der Stoiker und Epikureer bis zu neuzeitlichen Philosophen wie Ludwig Feuerbach und modernen Vorbildern wie Mahatma Gandhi und Albert Schweitzer.
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)
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