"sind wir bald gläserne Bürger?"

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niels
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"sind wir bald gläserne Bürger?"

Ungelesener Beitrag von niels »

Plakat
Plakat
plakat_piratenpartei.jpg (45.16 KiB) 16104 mal betrachtet
Mittwoch am 13. januar 2010

Eine öffentliche Podiumsdiskussion im ZHG der Universität Göttingen.

Weitere Infos siehe Plakat
Zuletzt geändert von niels am Donnerstag 14. Januar 2010, 19:39, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Termin vorbei
Christel
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Re: "sind wir bald gläserne Bürger?"

Ungelesener Beitrag von Christel »

Vielleicht noch nicht, aber eventuell bald?

Der Spiegel 02/2010 enthält einen interessanten Artikel über "google".
Inhaltsverzeichnis - Wie viel darf Google wissen? Seite 58
http://www.spiegel.de/spiegel/print/index-2010-2.html
Der Spiegel lässt sich übrigens auch kostenlos online lesen, falls man in einer dieser 10 Bibliotheken angemeldet ist.
Siehe: http://www.thuebibnet.de
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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niels
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Re: "sind wir bald gläserne Bürger?"

Ungelesener Beitrag von niels »

ja,
aber Google bezieht seine "Informationsgewalt" lediglich aus der Dummheit und Sorglosigkeit der Anwender, die "tatsächlich" glauben kostenlos sei "frei". Die meisten Deutschen / Menschen gehen fast wie eh und je absolut "sorgenfrei" mit persönlichsten Informationen wie Emails, Dateien, persönliche Daten usw. um und lassen sich davon offensichtlich nur ungern abhalten. Aber jeder kann, wenn er will - nach eigenem Gutdünken - die Finger davon lassen. Wer aber seine Mails, Fotoalben, Dokumente und Bookmarks Google "anvetraut" ist schon ein Stück weit selbst Schuld für daraus resultierenden Mißbrauch.

Viel kritischer sehe ich deshalb die Datensammelwut des Staates - vor allem den aktuellen Begehrlichkeiten einiger Verfolgungsbehörden - denn gegen die kann sich niemand wehren. Der gern und häufig benutzte Spruch "ICH habe doch nichts zu verbergen" zeigt, wie weit die meisten Menschen die Risiken und Probleme - für den Einzelnen wie die Freiheit aller - unterschätzen. Wer noch nie mit derart Daten und IT-Möglichkeiten hantiert hat, hat meist nicht die geringste Ahnung was er da behauptet. Den Eindruck erwecken auch die betr. - immerhin verantwortlichen - Politiker wie Schäuble oder von der Leyen, die selbst hochdekorierte, weithin anerkannte Fachleute aus dem In- und Ausland - die die Gesetze und Vorschläge zu solchen fast alle estrem kritisch sehen - als "Mithelfer" und "Unterstützer der Kriminellen" bezeichnen.

Da wird von einer "Online-Durchsuchung" geredet, die sachlich richtig eigentlich eine "Online-Überwachung" ist - oder eine "Sperre von Kinderpornoseiten", die tatschlich ein "Internet-Filter" ist, wie ihn bisher nur Iran und China betreiben. Ich möchte denen keine vorsätzliche Täuschung unterstellen, aber ein gutes, dreistes Stück Dummheit und Arroganz braucht man schon, wenn man sowas nicht vorsätzlich tut.

Immerhin wollen momentan über 60% der Deutschen die sog. "Nacktscanner", dabei ist noch lange nicht klar, was mit den Daten passiert, ob deren Technologie ev. krebserregend ist oder - eigentlich am wichtigsten - diese überhaupt das Sicherheitsproblem an Airports nur um ein Minimum mindern können. Deutschlands oberster Datenschützer sieht das z.B. noch lange nicht als gegeben. Dagegen spricht der Polizeipräsident: "Die Nacktscanner bringen uns vor allem subjektive Sicherheit". Was? Wir brauchen doch objektive Sicherheit - allein die Einbildung von Sicherheit mag manch schlichtes Gemüt besänftigen - tatsächlich sicherer wird es dadurch noch lange nicht, womöglich sogar noch weniger sicher, da sich der Mensch oft zu schnell zu sehr auf die Technik verlässt.

Aber nochmal zu Google:
Problematisch finde ich da vor allem, das selbst die IHK Werbung und Veranstaltungen für die Verwendung des "freien Analysetools" Google Analyzer anbietet, welches schon prinzipbedingt - jedenfalls nach eigentlich geltendem Gesetz - aus Datenschutzgründen in Deutschland gar nicht betrieben werden darf. Die bunten Grafiken und tollen Versprechen Googles scheinen Hirn und Augen vieler Anwender tot zu stellen.

Das Tool erlaubt den Betreibern von Webseiten eine "kostenlose Analyse" der Besucher, wozu der Webmaster im Gegenzug ein Stück Programmcode in seine Website einbauen muß, so das bei jedem Seitenaufruf (ahnungloser) Surfer dessen Daten an Google übermittelt werden. Google gibt natürlich auch nur einen Teil der erhobenen Daten an den Websitebetreiber zurück - der ahnungslose Besucher ist der Gelackmeierte, denn er bekommt von all dem nichts mit. Hat er schon vorher mal einen Google-Dienst benutzt ist er auch dann, wenn er Google nicht mehr besucht, "lokalisierbar" wie "identifizierbar".

Und alle machen schön mit...

Selbst ein angebrachter Hinweis, das eine Website "Google Analytics" verwendet, reicht gem Deutschem Datenschutz nicht aus, da der Besucher den Hinweis erst lesen kann, wenn er schon erfasst wurde.

Die Aussagekraft der Google-Analysen ist allerdings dennoch von fraglichem Wert - die bisher noch nicht von Google erfassbaren Daten und Besuche werden nicht berücksichtigt - ebenso wie Besucher die über die (wenn auch marginale) Konkurrenz kommen. Jede ordentliche Webstatistiksoftware, die heute eigentlich jeder Web-Provider seinen Nutzern anbieten sollte, ist aussagekräftiger und vor allem: exakter!
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Re: "sind wir bald gläserne Bürger?"

Ungelesener Beitrag von niels »

....der Spiegel lässt sich (dann allerings meist nicht ganz aktuell) übrigens auch kostenlos lesen, wenn man rechtzeitig die wochenendlichen Lieferungen des Lesezirkel abpasst ;)

Ok, spaß beiseite...

Wen das Thema und ähnliches zu Bürgerrechten und Daten(schutz)politik interessiert, findet relevante Neuigkeiten meist schon Wochen oder Monate früher in den "Netzzeitungen" - ohne das man Technik-Geek sein muß und die kosten übrigens auch nix ;)

Beispiele:
http://www.netzpolitik.org
http://www.telepolis.de
http://www.heise.de

Oder natürlich den einschlägigen Mailinglisten (FITUG, AK Vorrat, Erfa uva.) wie im guten alten Usenet (ja, das ist immer noch nicht tot :): - z.B.: de.org.ccc - noch schneller ist und bleibt wohl nur das #IRC. ;)

Wer lieber vom Papier liest, kann zuweilen mal über die Cover der C't (Computerzeitschrift) schauen, die haben oft auch mal politische Themen für den "Nichttechniker".

Ist ist löblich, das auch die "Populärmedien" derart Themen endlich mal aufgreifen - leider nicht selten sachlich wie inhaltlich falsch (recherchiert bzw. wiedergegeben), was meist schade ist, da die Artikel so den "Gegnern" sonst rare Angriffsfläche bieten.
Heinrich5

Re: "sind wir bald gläserne Bürger?"

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

US-Soziologe Sennett:

"Die Stasi war eine Organisation wie Google"


………Beide, Politik und Google, wollen Daten. Google ist ein kapitalistisches Unternehmen, die Firma gibt es, weil man mit Partikularismus auch Geld verdienen kann, nämlich mit gezielter Werbung. Es geht darum, einen neuen Markt zu schaffen, eine neue Art, wie man etwas vermarktet.
Aber: Die Technik ist nicht der Feind. Wer sich um die Privatsphäre sorgt, sollte sich um die Regierung Sorgen machen, nicht um Google.
Wer sich wirklich um die ökonomische Ausbeutung von persönlichen Daten Sorgen macht, sollte sich mit dem Kapitalismus beschäftigen, nicht mit Google. Google ist das Werkzeug, nicht die Ursache.

Man sieht das am besten im historischen Vergleich - die britischen Parlamentarier im 18. Jahrhundert machten Gesetze, ohne die Leute zu kennen, die sie regierten. Der Staat war kein Datensammler und das Gesetz wurde nicht für Zielgruppen maßgeschneidert. Das gab den Menschen einen enormen Schutz der Privatheit. ……..Großbritannien weiß heute alles über die Zahl der Ausländer im Land. Heute gibt es Gesetze, die auf muslimische Jungs in der zweiten Einwanderergeneration zielen. Man weiß alles über sie, deshalb kann man es machen. Es war vor drei Jahrhunderten unmöglich, auf diese Art Macht auszuüben.
Die Computertechnik ist dabei nur ein Mittel, um mehr und mehr Informationen zu bekommen. Die Idee sie für politische Zwecke zu nutzen, gibt es schon viel länger.
Es ist extrem gefährlich. Das Datensammeln in Politik und Wirtschaft ist den Mächtigen zur zweiten Natur geworden.

Vielleicht eignet sich ein Vergleich mit der Stasi. Die Stasi war eine Organisation wie Google. Sie hat Unmengen Material über die DDR-Bürger gesammelt. Sie hat nicht gewusst, ob sie all das Material verwenden würde, aber das Sammeln wurde zum Ziel, bloß damit der Staat die Daten hatte. Das ist der Geist. Nicht nur bei Google, auch bei anderen Technologien. Man sammelt Informationen, weil vielleicht irgendjemand, irgendwie sie nutzen will. Deshalb gibt es diesen Datenüberfluss. Und die Idee dahinter ist immer Macht durch detailliertes Wissen über die Menschen.
Die Staatsmacht lässt den Bürgern immer weniger Anonymität. Schon der politische Analytiker Michel Foucault hat gesagt, dass den Bürgern unter diesen Umständen nicht das Recht zugebilligt wird, dem Staat unbekannt zu sein.
Quelle:
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,15 ... 06,00.html
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Re: "sind wir bald gläserne Bürger?"

Ungelesener Beitrag von niels »

nein,
der Vergleich eignet sich schon aus verschiedenen Gründen gar nicht:
- bei Google geht es allein ums Geld der Investoren / Aktionäre, wenn auch mit Hilfe von "totalitären Strategien"
- Google bekommt die Daten seiner Anwender (bisher) hauptsächlich frewilllig

Der Vergleich mit der Stasi - oder auch Stasi 2.0 - eignet sich dagegen viel besser für die aktuelle deutsche Gesetzgebung wie auch die Verfahrensweise bei der Durchsetzung derartiger Gesetze in der Legislative. Google kann man (mit mehr oder weniger Einschränkungen für die eigene Freiheit) aus dem Weg gehen - den deutschen Gesetzen nicht.

Die "Einschränkungen" aus Richtung Google aber kommen wiederum aus der Freiwilligkeit und Dummheit der Anwender. Denn nur wenn alle Googles Dienste nutzen, hat Google auch Marktmacht.

Nach der damals noch "großen" Erfindung des Link-basierten Rankings (noch lange bevor Google groß-kommerziell wurde) hat Google bis heute eine nennenswerte, eigene Erfindung rausbringen können, die es nicht schon vorher gab und gibt. Die stetig wachsende Investorengruppe erwartet schon lange "DEN" neuen Hit von Google und Google pumpt immer mehr Geld in den Markterhalt, denn ohne wirklich neue Idee wird man die "Quasi-Monopol-Position" schon mittelfristig ebenso verlieren wie zuvor andere wirklich Große im Netz. Das aber trauen sich nichtmal Investoren zu diskutieren aus Angst der Kurs könnte schon heute "crashen". Vieles was Google heute so "wichtig" macht gibt es - im Gegensatz zu Google - tatsächlich frei für jedermann und diese Dienste holen Dank offener Community kräftig auf.

Der Irrtum Google sei "kostenlos" und "kostenlos ist geil" wird sich für einige Menschen noch unschön in Richtung Realität wenden, aber dann ist es für die Beteiligten eh zu spät. Kostenlos ist halt noch lange nicht frei - wie überall im Leben.

Google zieht immer mehr Geld an und verbrät es für wirtschaftlich immer zweifelhafte "Abenteuer" (bisher ohne nennenswerten Erfolg - dafür werden die Versprechen in den Ad-Hoc News immer vollmundiger. Schaut man sich die Masse der Investoren an, sieht man, das die meisten kaum bis keine Ahnung von IP-Technologie - schon gar nicht vom Geschäft - haben - wie um 2.000 beim neuen Markt.

Wächst Google nur noch wenige Jahre so weiter wie jetzt, wird Google ev. die nächste - ev. noch größere - Finanzkrise heraufbeschwören, denn schon heute ist es die größte Geldvernichtungsmaschine der Erde...

Persönlich rate ich jedem Investor sich wenigstens - von Wachstumsschub zu Schub - ein paar Google-Puts (ohne Ende) ins Depot zu legen, denn die werden den Inhabern recht wahrscheinlich mal "den Hals" retten).

M.E. ist selbst das Suchkonzept heute schon überholt, denn die Menschen / Anwender haben dazugelernt und wissen, das sie gute Treffer auch bei Google nur mit mehr als einem Begriff bekommen. Immerhin ist die Anscht Googles zu vage, das jeder Nutzer die gleichen semantischen Präferenzen und Ziele hat, wenn er Suchbegriffe eingibt.

Ich denke das es zukünftig immer mehr offen, standardisierte, verteilte "Suchmaschinen" - d.h. Indizes und Abfragesysteme/-frontends - geben wird, die sich jeweils mehr oder weniger spezialisieren - wie fast das gesamte Internet schon heute - auf Open Source Software (freie Software, die jeder verwenden und daran mitarbeiten bzw. für sich verändern kann). Open Source hat das Internet bis heute zum Erfolg gebracht und wird einziger, dazerhafter "Motorkomponente" des Internets bleiben.


Cheers,


Niels.
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