Katastrophenjahr 2009/2010

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Kategorie: Politik im Eichsfeld
Heinrich5

Katastrophenjahr 2009/2010

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Die Realität ist schlimmer als die Prognosen
Wenn man die täglichen Meldungen liest, kann man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die zunehmende Arbeitslosigkeit macht sich auch im Eichsfeld bemerkbar. Etliche Betriebe machen Kurzarbeit oder müssen vielleicht ganz die Produktion einstellen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann sitzen auch hier wieder die vielen Pendler arbeitslos herum. Etliche haben ihr altes Auto verschrottet und müssen dann vom ALG oder ALG II den neuen Kredit bedienen. Ende 2009 werden rund 750.000 Menschen mehr arbeitslos sein als am Jahresanfang. Auch 2010 wird die Arbeitslosigkeit zunehmen und die Quote auf 9,5 Prozent steigen. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall teilte mit, dass die Auftragseingänge im vierten Quartal um 25 Prozent unter Vorjahresniveau lagen. Immer mehr Ökonomen bezweifeln, dass es nach der Jahresmitte 2009 zu einer konjunkturellen Erholung kommt
Bleibt nur zu hoffen, dass der Staat nicht zahlungsunfähig wird und seine Sozialleistungen weiter aufrechterhalten kann.
http://www.faz.net/s/Rub58241E4DF1B1495 ... ntent.html
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niels
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Re: Katastrophenjahr 2009/2010

Ungelesener Beitrag von niels »

hallo,
Ich sehe die beiden vor uns liegenden Jahre - vor allem für uns Deutsche - nicht so pessimistisch wie vielleicht viele andere.

Die aktuelle Banken-Krise war bereits 2007 / 2008 absehbar, nur hat das keiner hören wollen. Das weltweite Bankensystem war schon lange marode und ist seiner - gern so oft zitierten - "volkswirtschaftlichen Verantwortung" lange nicht mehr nachgekommen. Die meisten "Wirtschaftsanalysten" kommen aber auch aus dem Bankensektor und haben deshalb eine entsprechend pessimistische Perspektive.

Besonders betroffen sind die Banken wie die Groß- und Schwerindustrie - die aber haben zuvor alle mehr als kräftig verdient, laufend neue Leute angestellt und die Preise für Wertstoffe aller Art waren schlicht übertrieben. Die momentane Situation hilft, die Preise weltweit wieder auf ein verträgliches und passendes Maß zu senken.

In Deutschland haben wir einen soliden Mittelstand - Politiker und Analysten aber konzentrieren sich fast außschließlich auf Großkonzerne und Automobilindustrie - immer wieder. Die fetten Gewinne haben gerade diese Sektoren fett und unbeweglich gemacht und ausstehende Modernisierungen / Veränderungen wurden schlicht versäumt.

Nicht zuletzt ist es eine vorrangig anglo-amerikanische Krise, in die wir nur indirekt verwickelt sind. Das auch die Wirtschaft Chinas und Indiens arg gelitten hat zeigt nur, das der angeblich so tolle Erfolg vorrangig durch ausländisches Kapital ermöglicht wurde.

Zu einem nachhaltigen Wachstum gehört auch mal ein Luft holen - momentan ist ein tieferes Luft holen nötig, da es zuvor lange keines mehr gab. Viel kritischer sähe ich die Sache wenn das Wachstum so unterbrechungsfrei weitergelaufen wäre.

Und nicht zuletzt - wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten.
Heinrich5

Re: Katastrophenjahr 2009/2010

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Dass nun auch noch unser lahmarschiger Wirtschaftsminister das Handtuch geschmissen hat, sehen viele ängstliche Gemüter als Beweis dafür an, dass die Krise nicht mehr beherrschbar ist.
Und das ein halbes Jahr vor den Wahlen. Die Merkel hätte hier Schaden von der CDU und CSU abwenden können, wenn sie den Kerl schon zu Beginn der Krise ausgewechselt hätte.

Da kann man nur hoffen, dass der weithin unbekannte Nachfolger es besser richtet.
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niels
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Re: Katastrophenjahr 2009/2010

Ungelesener Beitrag von niels »

Da kann man nur hoffen, dass der weithin unbekannte Nachfolger es besser richtet.
Nun, es gibt hier sicher viel bzw. mehr als genug zu tun.

Das der Minister das Handtuch geworfen hat und in Rente gehen möchte, kann ich zumindest teilweise nachvollziehen - würde ich selbst meine ganze Kraft und Interessen in meine Arbeit stecken, während mich Parteikollegen mit Mobbing und Intrigen kaltzustellen versuchen, würde ich vielleicht auch lieber in Rente gehen... Aber die Dateils dahinter kennen wir meisten wohl nicht (und der beste Wirtschaftsminister war er sicher auch nicht)...

Gut wäre aber wirklich, wenn nun endlich auch mal jüngere - vor allem gut ausgebildete wie erfahrene - Leute mit frischer Tatenkraft den Job bekommen würden. Danach sieht es bisher nicht aus - eher im Gegenteil. Auch wenn man Bayern als "wirtschaftliches Zugpferd" darstellt, so übersehen viele die eigentlichen Gründe dieses Erfolges - in den meisten "erfolgreichen" Firmen sitzen "Saupreussen" in den Führungsetagen und selbst viele der Firmen sind "saupreussische" - keine Bayern. So holt man den / die Nachfolger aus der konservativsten Region und Parteiflügel überhaupt.

Problem ist auch, das die meisten Politiker quasi keine - sie für die politische Aufgabe befähigende - Ausbildung genosen haben. Statt z.B. ein Team aus wirklich guten Volks- und Betriebswirtschaftlern zusammen mit Leuten aus der Praxis zusammenzustellen, schaut man eher auf dessen "politisches Profil", daß leider oft wenig mit der Fachpraxis
zu tun hat (die kann ja auch schwerer eingeschätzt werden von anderen Politikern, die i.d.R. selbst keine Fachleute sind). Wir aber brauchen heute gute und engagierte Fachleute, wenn wir Probleme möglichst gut lösen möchten. Schwätzer (oder etwas zurückhaltender: "Diplomaten") allein helfen da wenig...

Eine ganze Reihe Politiker ist ja nicht mal in der Lage von unterwegs irgendwo die eigenen Emails zu erreichen (es sei denn, jemand hat ihnen das Klick für Klick gezeigt) - spannen dafür die Sekretärin ein.

Den größten Fehler, den wir und unsere Politiker in der Situation tun können ist alles wie bisher und früher anzugehen (oder "weiterlaufen" zu lassen). Die Welt und Weltwirtschaft ist im Umbruch und es werden die gewinnen, die flexibel auf die Situation reagieren. "Konjunktrurpakete" und "Abwrackprämie" klingen doch sehr nach Althergebrachtem (und kosten ne Menge Geld) - so will man z.B. wieder vor allem (wie schon seit dem Krieg) die Autoindustrie hätscheln und versteift sich auch sonst wieder fast nur auf" die großen" - "ganz so wie immer" und hofft, das das auch jetzt wieder helfen wird. Das wird es aber nicht, denn es ist nicht nachhaltig.

Zukünftig werden meiner Überzeugung nach kleinere, flexiblere Einheiten (Unternehmen, Gruppen, Gremien etc.) erfolgreicher sein als träge Großkonzerne a la VEB Siemens. Wissen wird immer wichtiger und das "Durchziehen" von Steinkohlekumpels und massenhaft Maschinenarbeitern ohne Willen zur laufenden Fortbildung wird immer mehr Hemmschuh. Während international für die meisten Arbeitnehmer laufendes Lernen über ihr ganzes Leben üblich und selbstverständlich ist, denken viele Deutsche (auf allen Ebenen!) "Fortbildung" sei eine Maßnahme des Arbeitsamtes - ist nur dann nötig, wenn man keinen Job mehr bekommt.

Nachhaltig wäre auch eine echte Steuerreform für alle, eine effiziensbasierte Verwaltung und ein konsequenter Blick auf Ausgabeneffizienz - das alles wurde uns schon lange versprichen, aber nie gehalten und gerade jetzt heisst es wieder: Durch das Konjunkturpaket können wir uns eine Steuerreform erstmal nicht mehr leisten.

Die "fetten Jahre" in denen BOSCH und Siemens-Angestellte wie Quasi-Beamte lebenslangen Kündigungsschutz, dicker Rente, quasi kostenlose Betriebswohnung und derartige höchste Privilegien genossen sind vorbei. Unsere Politik täte gut daran dies den Bürgern früh genug zu vermitteln. Aber auch die Gewerkschaften - ein nunmehr ünber hundert jahre altes Relikt der Industrialisierung - halten an alten Pfründen fest und erzählen ihren Leuten: "böse Globalisierung", "böse Unternehmer" oder gar "böse Wirtschaft".

Aber auch die Grundsicherung müsste man fairer gestalten. Fair wäre, wenn man jedem deutschen Bürger (auf seinen Pass hin) monatlich eine Pauschale zahlen würde (als "negative Einkommensteuer" sozusagen) - unabhängig vom Einkommen. Rechnerisch start das gegenüber Hartz IV viel Geld und es wäre zudem fair und würde viele viele heutige Arbeitsplatz- und Lohnprobleme midern / vermeiden (allerdings auch nen Riesen-Verwaltungsaufwand und damit Beamtenarbeitplätze unnötig machen). Leute mit hohem Einkommen würden das Geld pratisch nicht erhalten, da ihre Einkommensteuer ja eh "posiiv" ist. Jeder könnte so selbst bestimmen wie viel er arbeiten / verdienen möchte. Eine (heute sehr teure) Grundsicherung steht ja eh jedem zu. Ausländer ohne deutschen Paß gingen dabei leer aus (wie in vielen anderen Ländern).

Als Unternehmer darf man sich häufig sogar schämen in Deutschland oder genießt zumindest Neid und Mißgunst - nicht selten sogar von den eigenen Angestellten, während Unternehmer in anderen Ländern als wichtige Stütze der Gesellschaft angesehen werden. Nicht zuletzt bringen auch in Deutschland kleine und mittlere Unternehmen die meisten Arbeitsplätze.

Dagegen spielen sich Angestellte von den großen deutschen Konzernen a la Ackermann u.a. Vorstandschefs wie "Unternehmer" auf, obwohl sie es gar nicht sind - sondern nur Angestellte. Unternehmer handeln auf eigene Verantwortung - nicht vorrangig zum Risiko Dritter.

Fazit: Es wird immer wichtiger, was man kann und was man bereit ist dazuzulernen. Wer das nicht für nötig hält, braucht sich zukünftig nicht wundern wenn er dauerhaft auf der Straße sitzt. Wir leben nicht in einer Seifenblase in der wir allen die Regeln bestimmen (zumindest nicht, wenn wir den Anschluß nicht verpassen wollen).
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