Internet-Zensur jetzt auch für Deutschland?

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niels
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Internet-Zensur jetzt auch für Deutschland?

Ungelesener Beitrag von niels »

Deutschland steht kurz vor der Internetzensur: die Regierung – eine große Koalition zwischen den Deutschen Sozialdemokraten und den Konservativen – scheint in der Angelegenheit einer Meinung zu sein; am 18. Juni 2009 wird das Deutsche Parlament darüber abstimmen, ob eine Infrastruktur zur Internetzensur eingeführt werden soll.
Die Familienministerin Ursula von der Leyen hat die Diskussionen innerhalb der Bundesregierung über die Sperrung von Internetseiten zur Bekämpfung von Kinderpornografie initiiert und geleitet. Die Idee besteht darin, eine Zensurinfrastruktur aufzubauen, die die Regierung befugt, Inhalte zu sperren, die Kinderpornografie enthalten. Das Bundeskriminalamt soll die Listen der Seiten, die gesperrt werden sollen und der Anbieter überhaben, die verpflichtet werden, die geheime Zensurinfrastruktur für die Regierung zu errichten.
...
Die Netzcommunity stellt sich nicht nur gegen die Pläne der Regierung, sondern bietet konstruktive Vorschläge, wie wir mit dem Problem der Kinderpornografie umgehen könnten, ohne die Zensur einzuführen und die verfassungsrechtlichen Freiheiten zu beschneiden. Die Arbeitsgruppe zur Zensur stellte Alternativen vor, zum Beispiel wie über 60 Webseiten mit Kinderpornografie innerhalb von 12 Stunden entfernt werden können, einfach indem man E-Mails an die internationalen Anbieter sendet, die daraufhin die entsprechenden Inhalte aus dem Netz entfernen.
der ganze Artikel findet sich hier bei unwatched.org:
http://www.unwatched.org/node/1430

Gibt es dazu keine Kommentare aus dem Eichsfeld?

Niels.
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pOng
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Re: Internet-Zensur jetzt auch für Deutschland?

Ungelesener Beitrag von pOng »

Die Äußerungen von Jörg Tauss halte ich für ganz passend:

http://www.abgeordnetenwatch.de/print.php?frage=196633
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niels
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Re: Internet-Zensur jetzt auch für Deutschland?

Ungelesener Beitrag von niels »

Ein grosser Teil der Parlamentarier ist mit dem Internet nicht aufgewachsen. Sie empfinden es daher moeglicherweise sogar als Bedrohung. Sie nehmen es nicht als technisches Netz oder als Kommunikationsinfrastruktur wahr, verstehen nichts von Netzneutralitaet, sondern als etwas, wo man eben Boeses bekommen kann und wo vermeintlich das Boese auch herkommt und die Gesellschaft durchdringt. Das Netz spiegelt nicht Probleme wider, sondern verursacht sie in deren Augen: (in beliebiger Reihenfolge und austauschbar Islamismus, Pornos, Hacker, Bombenbauanleitungen, Terroristen, Rechtsradikale und dann auch noch amoklaufende Jugendliche etc. etc.). Deshalb muss das auch bei uns bekaempft werden, zumal, siehe Olympia, es die Chinesen ja schliesslich sogar vormachen koennen (CSU- Uhl ernsthaft: Bei der Ueberwachung des Internet von China lernen).
Ja,
diese Darstellung von Taus trifft den Nagel weit auf den Kopf.

Schade nur, das er mittlerweile auch weithin zu den "Kinderporno-Konsumenten" gezählt bzw. deklariert wurde. Die Umstände des Falles sind schon sehr sonderbar. Der "Beweis" (Taus arbeitete ja in der Kommission zum Thema Kinderporno im Internet) gegen Ihn war wohl ein ihm zugesandtes (nennen wir es mal "pädophilografisches") Foto - allerdings kam das gar nicht über's Internet, sondern (wie zumindest in der kommerziellen Branche angeblich verbreitet) über's Mobiltelefon per MMS - von einem Händler solcher Fotos. Das man die Absenderkennung einer MMS recht einfach fälschen kann, kam nicht zur Sprache. Bin mal gespannt, wann man das Telefonieren verbietet (Filtern ist da ja nicht möglich)...

cheers,

Niels.
GiGi
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Re: Internet-Zensur jetzt auch für Deutschland?

Ungelesener Beitrag von GiGi »

kann ja mal jemand "unseren" wahlkreisabgeordneten manfred grund fragen, warum er einem gesetz zugestimmt hat, dass sowohl sein ziel verfehlt, als auch die informationsfreiheit beschädigt. vielleicht wär's auch interessant zu wissen, ob er es unterstützt, dass die jetzt im zugangserschwerungsgesetz erlaubten zensurtechniken auch bei anderen inhalten, wie z. b. bei "killerspielen", angewendet werden.
--GiGi
--GiGi
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pOng
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Re: Internet-Zensur jetzt auch für Deutschland?

Ungelesener Beitrag von pOng »

Jetzt scheint es raus!


Frau von der Leyen (alias "Zensursula") lässt uns nun wissen, das das "gegen Kinderpornografie" errichtete Zensursystem ''selbstverständlich'' auch für vielerlei "andere Zwecke" verwendet werden soll und kann.

Ja Frau von der Leyen, dafür ist es ja auch ein Zensursystem - man kann es allerdings auch nur für Zensur verwenden. China und Iran haben damit schon "gute Erfahrungen" gemacht...

Auf die Frage
"Warum sperren Sie dann nicht auch Internetseiten, die Nazipropaganda verbreiten oder Gewalt gegen Frauen verherrlichen?"
sagte sie abendblatt.de, der Online-Ausgabe des Hamburger Abendblatts:
"Mir geht es jetzt um den Kampf gegen die ungehinderte Verbreitung von Bildern vergewaltigter Kinder. Doch wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß erhalten. Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann."
Da hat Frau von der Leyen aber ein "fragwürdiges" Bild vom Medium Internet - sei es nun technisch oder inhaltlich. Immerhin - während sie ihre Kritiker öffentlich bisher in die KiPo-Ecke stellte, schiebt sie sie nun in richtung rechts...

Das Internet war und ist bis heute sicher kein "Chaosraum" - auch wenn es technisch "quasi-autonom" funktioniert. Bereits heute gibt es mehr Gesetzgebung rund um das Medium Internet, als eigentlich nötig wäre (z.B. Langzeitspeicherung von Verbindungsdaten, gesetzliche Datenspionage beim Bürger usw.).

Zudem geht es Ihr technisch gar nicht um "Sperren" sondern "Filter". Sperren waren und sind schon lange möglich und ein probates, nicht zuletzt sogar (so die Erfahrung) effizienteres Mittel um illegale Inhalte zügig vom Netz zu bekommen. "Filter" beheben die Ursache nicht - sie erschweren lediglich den Zugriff für "einfache Anwender". Man kehrt Unbeliebtes unter den Teppich, statt es ordentlich zu entsorgen...

Das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf einen freien Journalismus war und ist uns wichtig - gerade dort, WO sie für manch einen auch mal unangenehm wird. Das Grundprinzip gilt ebenso für öffentliche Datennetze wie das Internet und wird im "Fachjargon" oder Internet-Bürgerrechtsgruppen weltweit auch "Netz-Neutralität" bezeichnet. Ich bin überzeugt, das "Netz-Neutralität" zukünftig den selben Stellenwert erhalten wird wie freie Rede, freie Presse und Meinungsfreiheit.

Offenbar ist Frau von der Leyen unbekannt, das es sich bei Betrug, Beleidigung, Verleumdung etc. schon heute um Straftaten handelt, die entsprechend zu verfolgen sind und verfolgt werden (übrigens auch im oder am Internet).

"Das Internet" ist - wie so oft von (vielleicht zu alten) Politikern fehlverstanden - kein "rechtsfreier Raum". Manch Angeordneter - wie wohl auch manch uninformierter Bürger - sieht im Internet gar "einen Hort und Quell des Bösen..." - dabei bildet das Netz selbst nur ein Abbild unserer Gesellschaft. Es wäre ein Irrglaube anzunehmen, das man "die Gesellschaft vor dem Internet schützen muß" (manchmal eher andersherum).

Von der Leyen betonte ferner:
"Wo die Würde eines anderen verletzt wird, endet die eigene Freiheit. Welche Schritte für den Schutz dieser Grenzen notwendig sind, ist Teil einer unverzichtbaren Debatte, um die die Gesellschaft nicht herumkommt."
Das ist richtig - ebendazu gibt es ja unser bestehendes Rechtssystem, das natürlich genauso auch für das Internet gilt. Es sieht klare Vorschriften (Straftaten etc.) wie auch Rechte (Menschenrechte, Meinungs- und Informationsfreiheit) vor.

Für das Internet aber braucht man Medienkompetenz - ohne diese wird man nicht weit kommen - auch und schon gar nicht mit Filtern und Zensur.
Die Sperrungen sollten spätestens Mitte Oktober beginnen. Dazu hätten sich die fünf wichtigsten Provider, die 75 Prozent des Marktes abdecken, vertraglich verpflichtet. Bis dahin müssten sie die technischen Voraussetzungen geschaffen haben. Ihren Kritikern hielt von der Leyen entgegen, selbst kein Rezept gegen Kinderpornografie im Internet zu haben. Sie wüssten auch keine Lösung, sagte sie.
Das ist eine freche Lüge - oder sie begreift die von ihr selbst beauftragten Arbeiten und Gutachten nicht.

Darin kommen Fachleute fast einhellig zum Schluß, das es bereits erheblich wirksamere, effizientere Methoden gibt - nämlich die "Sperrung" von Internet Seiten - nicht die von ihr initiierten "Filterung". Einige Gutachter kamen sogar zum Ergebnis, das in den meisten betrachteten Beispielfällen illegaler Websites nie ein Sperrversuch gegeben hat.

Ich persönlich wünsche mir eine öffentlichere Debatte über die Gefahren der Zensur - aber genauso auch Reaktionen von Internet-Nutzern, die zukünftig Einwahl-Provider wählen, die das Internet - statt deutschland.net (oder "von-der-leyen.net") - haben wollen.

-> http://www.heise.de/newsticker/Von-der- ... ung/142937
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niels
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Re: Internet-Zensur jetzt auch für Deutschland?

Ungelesener Beitrag von niels »

Ich bin überzeugt, das "Netz-Neutralität" zukünftig den selben Stellenwert erhalten wird wie freie Rede, freie Presse und Meinungsfreiheit.
Den internationalen Meldungen nach setzt sich auch Obama für Net-Neutrality ein:

http://www.savetheinternet.com/

Eine Reihe von amerikanischen Bürgerrechtsbewegungen setzt sich über eine aktuelle Petition für ein Gesetz zum Schutz der Net-Neutrality ein ("Tell Congress: Pass Net Neutrality Legislation Now"). Das Thema scheint dort in der Politik anzukommen, während wir in Deutschland keine offene Debatte dazu haben - stattdessen geht unsere Politik aktuell den entgegengesetzten Weg, obwohl wir doch sonst so gern von den Amis "kopieren" (vordringlich in der "Bush-Ära"), vor allem wenn es um Einschränkungen von Bürgerrechten geht.

Stattdessen beschimpft man die wenigen deutschen Gruppierungen aus Fachleuten (Internet-Techniker, Juristen, Journalisten und auch "einfache" Anwender), die sich der Thematik annehmen als "Kriminelle", da sie mit ihren Forderungen angeblich die Internet-Kriminalität schützen wollten und damit "kriminelle Handlungen unterstützten" - das ist totaler Quark und m.E. sind diese Äußerungen "kriminell", da man die Betreffenden zu unrecht der Kriminalität bezichtigt.

Eine sachliche, öffentliche Debatte, die auch der "Normalbürger" verstehen kann, findet bei uns nicht statt und wird mit derart Äußerungen von deutschen Politikern verhindert. Es gibt seit Neuestem zwar die "Piraten-Partei" (auch in Thüringen)
http://www.piraten-thueringen.de/
- deren thematisch stark fokussiertes Parteiprogramm dürfte bei einer Bundestagswahl kaum punkten. Deutschland hat ja noch andere Probleme, schon deshalb halte ich eine Partei nicht für das richtige Mittel (nicht zuletzt auch da das Thema damit "Wahlkampfthema" wird). Lediglich die FDP äußerte sich bisher zu derart "informationspolitischen" Themen und Bürgerrechte - bisher aber leider nur zaghaft. Im Wahlkampf scheint alles möglich - und alles erlaubt. Es wäre schade, wenn unser Grundrecht auf Netz-Neutralität dem Wahlkampf, anderen persönlichen Interessen oder Lobbyisten zum Opfer fiele.

Können wir nur hoffen, das zumindest das Verfassungsgericht oder die EU "zur Vernunft" kommen wird und das Recht auf Netzwerk-Neutralität auf eine gesetzliche Basis stellt. Ähnliche Gesetze gibt es afaik bereits - z.B. das Recht auf freien Nachrichtenempfang (oder Satellitenempfang) für jeden EU-Bürger.
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