Polzei fordert: "Datei für Personen mit kruden Gedanken"

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Polzei fordert: "Datei für Personen mit kruden Gedanken"

Ungelesener Beitrag von niels »

unser oberster Polizei-Gewerkschafter Witthaut, der sich ja gern, öffentlich wie immer wieder für die "großen Vorzüge" der Vorratsdatenspeicherung einsetzt und nicht müde wird uns wie der Politik darzulegen, das ein Leben ohne VDS schlicht "unverantwortbar" bzw. "unverantwortlich" sei, ließ uns nun - im Kontext des Osloer Attentates wissen, das der Vorfall zeige, wie wichtig die Einführung der VDS in Deutschland sei.

"Mit Hilfe der VDS hätten wir das Attentat in Deutschland auf jeden Fall verhindern können" - so sein Tenor.

Zudem fordert er wie angeblich auch andere den Sicherheitsbehörden Nahestehende eine "Personendatei", in der man "frühzeitig Personen" die sich "öffentlich mit kruden Gedanken" äußern bzw. "auffallen", erfasse, um diese dann "gezielt" bzw. "genauer beobachten" zu können.

Seine Äußerung lässt keine andere Schlußfolgerung zu, als das Herr Witthaut die VDS als ein Instrument eines Überwachungsstaates versteht - nicht (wie bisher ja angeblich vorgegeben/behauptet) zur Verfolgung von (begangenen) Straftaten. Wie sonst wollte Herr Witthaut mittels der VDS (wie seiner "Personendatei") einen ermittlungstechnischen Vorteil - den er hier selbst unterstellt - erlangen?

Nun, keine Ahnung was Herr Witthaut unter "kruden Gedanken" oder auch "auffallen" versteht (ich würde Ihn dort - ginge es nach meiner Betrachtung - wohl an erster Stelle auflisten) - ich kann mir auch nicht vorstellen, wie ein Gesetzgeber die Gedanken von Bürgern als "krude" bzw. "auffallen" definieren will. "Krudes Denken" wird afaik von keinem StGB-Paragrafen gedeckt...

Soweit ich Herrn Witthaut richtig interpretiere (man möge mich gern berichtigen), versteht er die VDS als Instrument der "präventiven Überwachung", wie sie z.B. auch die "Staatssicherheit" der DDR oder die GeStaPo pflegte. Unter dem Prinzip der rechtsstaatlichen Strafverfolgung ergäbe seine Aussage jedenfalls keinen Sinn, selbst der Osloer Attentäter ist zuvor wohl mit keiner Straftat aufgefallen.

Ehrlicherweise muß man auch einbringen, das das Attentat auch ohne Herrn Witthauts geforderter Bespitzelung der Bevölkerung recht wahrscheinlich zu verhindern gewesen wäre. Sogar der Attentäter selbst hat sich zuvor mehrfach öffentlich zur Planung seiner Attentate geäußert. Es gab eine ganze Reihe bekannter Indizien wie sogar Informationen / Meldungen an die Sicherheitsbehörden - nur hat die niemand in Norwegen tatsächlich für ernst befunden.

Wozu also möchte Herr Witthaut einen breit fundierten Überwachungsstaat Deutschland?

Der Deutsche Verfassungsschutz ist sich nun sicher, das uns ebensolche Attentate bevorstehen könnten, die übrigens nicht "nationaloszialistisch", sondern "nationalistisch kulturell-ideologisch motiviert" seien (was wiederum falsch ist, denn Breivik bezieht sich auf Europa bzw. den "christlich kulturell geprägten Teil Europas"- und nicht Norwegen, findet Israel sei ein Vorbild uvm.). Davon, das Herr Breivik sich selbst als Christ, Kreuzritter bzw. im Auftrag christlicher Ideologie, Moral usw. motiviert sah, geht in (außer das deutsche ZDF binnen Deutschland wie der Mehrheit internationaler Medien) kaum jemand ein - vielleicht weil bisher das"christliche" Pendant zum allseits bekannten term: "islamistisch" fehlt (oder weil man damit auch sich als Christen bezeichnende Gruppierungen auf den Schirm des Verfassungschutzes holen "müsste")?

Mein Eindruck ist und bleibt, das manch ein Vertreter hoheitlichster Aufgaben in unserem Land eine sonderbare Beziehung zu Grundgesetz wie Rechtsstaat pflegt. Das Prinzip populistischer Angstpolitik scheint die Deutschen einmal mehr zu erfassen - inzwischen scheint jedes noch so abwegige Thema geeignet, sich "rechtsstaatlicher" bzw. "grundgesetzlicher Altlasten" wie "gefährlicher Bürgerrechte" zu entledigen, die - glaubt man unseren Innenpolitikern - eh nur ein Konstrukt "fachbeschränkter" oder "realitätsferner Idealisten" darstellen...

Wäre es nicht konstruktiver wie ehrlicher, die kritischen Stimmen immer mehr Deutscher wie anderer Europäer - auch und vor allem in Bezug auf Mißstände in der Migrationspolitik, aber auch der Verflechtung von Religion und Staat oder andere (wie Breivik es in seinem Pamphlet bezeichnet) - durch die "politiocal correctness" unterdrückte bzw. gesperrte Fragestellungen endlich auch offen und vor allem sachlich zu debattieren?

Oder zieht man es ehrlich vor, das in den kommenden Jahren wie Jahrzehnten mehr und mehr rechtsextrem-antidemokratische wie anti-rechtsstaatliche Parteien an die Macht gewählt werden?

Rechnet man sich allen Ernstes aus, das man das Prinzip der "political correctness" mittels eines Überwachungsstaates aufrecht erhalten kann? Sollte man dann nicht ehrlicher zugeben, das nur mehr echte Transparenz und Demokratie Rechtsstaatlichkeit wie Freiheit sichert? Warum müssen wir Angst vor einer Islamisierung unserer Staaten haben, wenn wir angeblich eh eine strikte Trennung von Staat und Religion praktizieren? Weil wir dies gar nicht tun - nur will sich das auch kaum jemand eingestehen...

Wenn aber die Regierung bzw. der Staat die öffentlichen Meinungen schon über eine Personendatei aufgrund "Kruder Gedanken" steuern will - und sei es auch aus angeblichen "Sicherheitsgründen" - dann ist und bleibt dies die erste (wie vielleicht auch letzte) Tür heraus aus den Grundprinzipien Demokratie und Rechtsstaat. Da hilft auch nicht das Argument, das unser GG wie Rechtsstaat in seiner Form ein Ergebnis einer anderen Zeit sei und "lediglich" aus den Erfahrungen aus dem Nationalsozialismus entstanden sei - und nur für die Überwindung dieser Diktaturform "geeignet" sei - nicht aber als Basis einer modernen Gesellschaft.



Beste Grüße,


Niels.
Niels.

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