Was bleibt, ist das Wunder

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Kategorie: Politik im Eichsfeld
Christel
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Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von Christel »

Die Themenüberschrift habe ich dem Buch von Wolfgang Schneller entliehen
„Was bleibt, ist das Wunder : Ein Lesebuch für Realisten“
978-3-95630-230-5

David Ben-Gurion, der erste Premierminister Israels sagte einmal „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“

Auf dem BUCHRÜCKEN von Wolfgnag Schnellers Buch steht geschrieben:
Leben wir in einem Zeitalter der Wunder? Das würden die wenigsten Menschen unserer Tage sofort bejahen. Fragt man aber tiefer, begegnet man bei vielen doch einer heimlichen Sehnsucht, im eigenen Leben dem Wunder auf die Spur zu kommen. Und manche schauen auf Erfahrenes zurück und sagen sogar: „Wie durch ein Wunder …“ Wie können wir modernen, aufgeklärten Menschen des 21. Jahrhunderts Wunder verstehen? Wolfgang Schneller, der über Jahrzehnte Menschen auf ganz unterschiedlichen Lebenswegen begleitet hat, hat Wunder erlebt. Bei anderen und bei sich selbst. Aber er schreibt nicht nur über seine Erfahrungen und Beobachtungen. Er lässt auch andere zu Wort kommen. Es ist spannend, aus der Sicht von Journalisten, Psychotherapeuten, einiger Theologen, eines Bischofs und einer Biologin zu erfahren, was „Wunder“ in ihrem Leben bedeuten und wie wir sowohl die Wunder der Bibel wie auch die Wunder inmitten unseres Lebensalltags verstehen können. Sind Wunder so etwas wie Poesie in unserem Leben? Es tut dem Menschen gut, wenn ihm ab und zu die Luft wegbleibt, wenn er mit offenem Mund und großen Augen dasteht wie ein Kind und nur noch staunen kann. Der Herausgeber dieses Buches legt uns wahrhaft staunenswerte Perspektiven vor! http://www.wagner-verlag.de/Wolfgang_Sc ... das_Wunder
Für mich ist die Deutsche Einheit ein Wunder. Die Friedliche Revolution, der Maurerfall, die Wiedervereinigung Deutschlands waren für mich Wunder. Sie sind es noch heute. Was bleibt, ist das Wunder!
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Nana
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von Nana »

Diese Welt braucht mehr Wunder!
Weisheit ist die Anerkennung der eigenen Grenzen. Paul Tillich
mar
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von mar »

Hypothese: Die Begriffe Wunder und das Absurde beziehen sich aus unterschiedlicher Perspektive auf die gleiche Sache.

Wunder: "ein Ereignis in Raum und Zeit, das menschlicher Vernunft und Erfahrung und den Gesetzlichkeiten von Natur und Geschichte scheinbar oder wirklich widerspricht".

Das Absurde: "ein außergewöhnliches, abstruses, der Logik widersprechendes oder seltsames Vorkommnis oder Phänomen [...], dem der Verstand des Einzelnen entgegen seiner Gewohnheit keinen Sinn, keine Bedeutung zu verleihen mag".

Mal angenommen, die Hypothese hat im Kern was Wahres. Ist es dann richtig zu sagen, diese Welt braucht mehr Absurdität?
Christel
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von Christel »

Ich las gerade in Wolfgang Schnellers Buch die Geschichte „Das verpasste Wunder“.
Kurz zusammen gefasst berichtet die Geschichte von einem Beter… einem Gottsucher, der „mit heißem Herzen sich den Herrn ersehnend“… betet. Da wird der Beter von Gott berührt. Zuerst fühlt der Beter nichts. Bei der zweiten Berührung wehrt sich der Betende „ungeduldig, ohne aufzublicken“. Bei der dritten Berührung ruft der Beter „voll Unmut aus: Heb dich hinweg, wer du auch seist – und störe nicht des Heiligen Gebet!

Da wendet Gott sich, still, wie er gekommen,
und schreitet traurig durch den Wald von dannen.“

„Doch voller Ungestüm steigt das Gebet zum Himmel…“

Hier gibt es das heiß ersehnte Wunder. Doch es entsprach wohl nicht den Erwartungen des Beters. Bestimmt definierte dieser Beter „Wunder“ auf andere Weise. Gibt es wenig Wunder? Oder sind einfach unsere „Definitionen“ falsch?

Im Alten Testament gibt es eine Stelle, welche ich sehr liebe:
„Der Herr antwortete: Komm heraus und stell dich auf den Berg vor den Herrn! Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm.
Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben.
Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer.
Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.
Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.“ 1. Kön 19,11-13

„Ein sanftes, leises Säuseln“, eine „zärtliche Berührung“… das Gefühl von Geborgenheit und plötzlich ist eine Kraft da, die zuvor nicht war. So wie Jesaja es beschreibt „Er gibt dem Müden Kraft, dem Kraftlosen verleiht er große Stärke.“ (Jes 40,29) – Vielleicht gibt es diese Erfahrung öfter, doch es traut sich kaum jemand davon zu erzählen? Ich habe das so schon erlebt.
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mar
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von mar »

Hrm. Ja, nette Geschichte. Fand kurz nach dem Gottesurteil auf dem Karmel statt. Baal war gerade pinkeln oder sonstwie unlustig. Jahwe zündet also das Opferfeuer an. Ein Wunder! Darauf Elija: "Ergreift die Propheten des Baal! Keiner von ihnen soll entkommen." Gemetzel. Isebel droht mit Rache. Elija rennt feige weg und versteckt sich in der besagten Höhle auf Horeb. Nach dem Säuseln schickt Jahwe den Elija nach Damaskus, um einen Krieg anzuzettlen: "Wer dem Schwert Hasaels entrinnt, den wird Jehu töten. Und wer dem Schwert Jehus entrinnt, den wird Elischa töten." Alles sehr zärtlich ... diese Wunder hätte ich tatsächlich lieber verpasst.
mar
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von mar »

p. s. Ich sehe meine Hypothese bestätigt. :) Das zärtliche Wunder des Elija ist im biblischen Kontext brutal und grotesk absurd. Die Geschichte vom Beter ist doppelt absurd: Er erkennt nicht, dass ihm begegnet, was er am meisten ersehnt. Das ist absurd. Und er erkennt desweiteren nicht, in was für einer absurden Lage er sich befindet. Das ist auch absurd. Ein passendes Gleichnis für die Lage des religiösen Menschen. Paul Tillich: "Die Ichgewißheit ist kein Fundament unbedingter Gewißheit. Sie wird von einem Traumschleier überdeckt, wenn die Außenwelt, auf die sie bezogen ist, sich in Schein auflöst. Mit dem Objekt wankt auch das Subjekt."
Nana
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von Nana »

Was denkt ihr über die Wunder, die es braucht, um Heilig gesprochen zu werden? War ja in diesem Jahr sehr aktuell.
Weisheit ist die Anerkennung der eigenen Grenzen. Paul Tillich
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Heinrich5
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Die Frage wurde schon beantwortet und zwar von mar am Dienstag 14. Oktober 2014, 21:31 (siehe oben)
Hypothese: Die Begriffe Wunder und das Absurde beziehen sich aus unterschiedlicher Perspektive auf die gleiche Sache.

Wunder: "ein Ereignis in Raum und Zeit, das menschlicher Vernunft und Erfahrung und den Gesetzlichkeiten von Natur und Geschichte scheinbar oder wirklich widerspricht".

Das Absurde: "ein außergewöhnliches, abstruses, der Logik widersprechendes oder seltsames Vorkommnis oder Phänomen [...], dem der Verstand des Einzelnen entgegen seiner Gewohnheit keinen Sinn, keine Bedeutung zu verleihen mag".

Mal angenommen, die Hypothese hat im Kern was Wahres. Ist es dann richtig zu sagen, diese Welt braucht mehr Absurdität?
Das betrifft auch die erfundenen und erlogenen „Wunder“ (Absurditäten) zwecks Heiligsprechung.
mar
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von mar »

Muss ehrlich sagen, ich habe die aktuellen Heiligsprechungen nicht verfolgt. Warum ging es da, Nana?

Bin mir nicht so sicher, ob ich mit Heinrich5s Gebrauch meiner tollen Hypothese als Antwort einverstanden bin. :) Es war eine spontane Idee, dass (selbst-)zufriedene religöse Menschen und pessimistische Existenzialisten (Sartre, Camus et al.) in der gleichen Welt leben. Oder eben nicht in der gleichen? *g*

Die Heiligsprechung ist ja sozusagen ein kirchenrechtliches Zertifikat darüber, dass es legitim ist, eine verstorbene Person um himmlische Fürsprache zu bitten. Ich finde es verblüffend, dass Menschen Wert auf ein solches Zertifikat legen. Naja, wie Christina sagt: Was wo drauf steht, muss auch drin sein. Woher sollen wir wissen, dass jemand heilig ist, wenn es der Papst nicht bestätigt hat? -- Vielleicht wäre es eine erfolgreiche Public-Relations-Strategie für die römische Kirche, den Prozess out-zu-sourcen und in die Hände einer unabhängigen Kommission zu geben. FSC, MSC und Saints Stewardship Council: SSC. Das wäre ein toller Marktanreiz auch für mehr weltlich orientierte Leute, die Idee der zertifizierten Heiligkeit zu kaufen!
Christel
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von Christel »

Was die Geschichte „Das verpasste Wunde“ mit der Religionsphilosophie von Paul Tillich zu tun hat ist mir unklar.

mar hat geschrieben:Die Geschichte vom Beter ist doppelt absurd: Er erkennt nicht, dass ihm begegnet, was er am meisten ersehnt. Das ist absurd.
Das leuchtet ein! Es ist eine mögliche Deutung.
Allerdings nur eine unter anderen Deutungsmöglichkeiten.

In der Geschichte wird noch über den Beter gesagt:
„Voll tiefer Inbrunst rief er ihn
mit allen seinen Namen,
ohn‘ Unterlass, nicht ahnend, was auf Erden war –
er sah nicht Tier noch Mensch,
er suchte Gott.“


Dies zeigt, es völlig logisch und folgerichtig, dass dieser Beter das Wunder nicht sehen konnte.
Er war ja völlig „blind“. Gott wohnt nicht einfach im Herzen des Beters. Gott tritt von außen an den Beter heran, als ein Anderer, als Gegenüber.

Ein zweiter Grund, weshalb der Beter das Wunder nicht sehen kann, zeigt sich an dieser Stelle:
„Da rührt zum dritten Mal die leichte Hand des Gottsuchers starren Arm.
Der aber ruft voll Unmut aus:
Heb dich hinweg, wer du auch seist –
und störe nicht des Heiligen Gebet!“


Dieser Beter ist völlig starr. Und er hat sofort eine Deutung, die nach seiner starren Meinung unumstößlich gilt. Gott kommt in dieser Deutung nicht vor. Er ist fest überzeugt, jemand will ihn stören.

Möglicherweise erwartete der Beter so etwas:
Wunder: "ein Ereignis in Raum und Zeit, das menschlicher Vernunft und Erfahrung und den Gesetzlichkeiten von Natur und Geschichte scheinbar oder wirklich widerspricht".

Und dann trat Gott mit etwas ganz alltäglichen an ihn heran, mit einer sanften Berührung.

In Wolfgang Schnellers Büchlein über Wunder kommt auch Gerhard Lohfink zu Wort. Er schreibt über Wunder in der Alten Kirche u.a. „Als größtes Wunder empfand man folgerichtig, dass Menschen von Gott die Kraft bekamen, für ihren Glauben als Blutzeugen zu sterben.“

Dass Menschen von Gott Kraft bekommen, Berührungen durch Gott ... gibt es, denke ich, sehr viel öfter als man allgemein glaubt.

Bei Heiligsprechungen sucht die Kirche nach etwas was sichtbarer ist:
Mehr: „Wie ist das mit den Wundern?“
Stand: 26.04.2014 13:45 Uhr
http://www.tagesschau.de/ausland/heilig ... ng104.html http://www.tagesschau.de/multimedia/vid ... 89344.html

Auch dies lässt sich unterschiedlich deuten:
- Der eine meint, eine Spontanheilung sei ungewöhnlich. Sie beruhe auf Zufall… oder was auch immer.
- Andere glauben, Gott lässt zufallen auf die Fürsprache des Heiligen hin.
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mar
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von mar »

Huhu Christel, der Zusammenhang mit Herrn Tillich: Der Beter ist seiner selbst gewiss ("der Heilige") und sucht ein Objekt ("Gott"). Dabei verpasst er das Unbedingte. Starr, wie du sagst. :)
Christel
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von Christel »

Sorry, ich versteh es immer noch nicht:
Das Unbedingte steht neben dem Bedingten; aber die Religion gestattet nicht, daß man auch religiös ist, sie gestattet überhaupt nicht, daß man religiös ist. Sie erträgt keine Nebenordnung, auch nicht in der Form einer Rangordnung, wo sie an erster Stelle steht. http://www.gleichsatz.de/b-u-t/can/ptillich1.html
Es führt sicher hier zu weit, ist ein eigenes/anderes Thema. Wo man zuerst fragen muss, was versteht Paul Tillich unter „Religion“ und was unter „religiös“.

Vor allem verstehe ich nicht, weshalb die Geschichte vom Beter
mar hat geschrieben:[/size]"Ein passendes Gleichnis für die Lage des religiösen Menschen."[/quote ]sein soll.

Dies widerspricht der Logik und der Erfahrung:

Es ist falsch von Beispielen auf’s Allgemeine zu schließen. Nur weil es im Eichsfeld regnet, regnet es noch lange nicht überall.
Es widerspricht der Erfahrung, dass Beter generell starr sind, die Umwelt nicht wahrnehmen und unfähig sind Wunder wahrzunehmen.

Pflegt der Beter nun seine Religion oder ist er religiös? Laut Paul Tillich ist beides gleichzeitig nicht möglich. – Wie gesagt, ich verstehe es nicht.

Zusammenfassend stelle ich fest, die besondere Art und Situation dieses Beters, lässt sich nicht verallgemeinernd „die Lage des religiösen Menschen“ nennen.

Außerdem, treffen weder „Tunnelblick“, die eingeschränkte Wahrnehmung, noch der feste Glaube an einer einzig möglichen richtigen Deutung von Begebenheiten, Starrheit allein auf religiösen Menschen zu. Nicht in der Religion, sondern in der Psyche des Menschen liegen solche Verhaltungsweisen begründet. Diese Psyche funktioniert prinzipiell bei allen Menschen gleich.
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Christel
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von Christel »

Sorry, ich versteh es immer noch nicht:
Das Unbedingte steht neben dem Bedingten; aber die Religion gestattet nicht, daß man auch religiös ist, sie gestattet überhaupt nicht, daß man religiös ist. Sie erträgt keine Nebenordnung, auch nicht in der Form einer Rangordnung, wo sie an erster Stelle steht. http://www.gleichsatz.de/b-u-t/can/ptillich1.html
Es führt sicher hier zu weit, ist ein eigenes/anderes Thema. Wo man zuerst fragen muss, was versteht Paul Tillich unter „Religion“ und was unter „religiös“.

Vor allem verstehe ich nicht, weshalb die Geschichte vom Beter
mar hat geschrieben:[/size]"Ein passendes Gleichnis für die Lage des religiösen Menschen."[/quote ]sein soll.

Dies widerspricht der Logik und der Erfahrung:

Es ist falsch von Beispielen auf’s Allgemeine zu schließen. Nur weil es im Eichsfeld regnet, regnet es noch lange nicht überall.
Es widerspricht der Erfahrung, dass Beter generell starr sind, die Umwelt nicht wahrnehmen und unfähig sind Wunder wahrzunehmen.

Pflegt der Beter nun seine Religion oder ist er religiös? Laut Paul Tillich ist beides gleichzeitig nicht möglich. – Wie gesagt, ich verstehe es nicht.

Zusammenfassend stelle ich fest, die besondere Art und Situation dieses Beters, lässt sich nicht verallgemeinernd „die Lage des religiösen Menschen“ nennen.

Außerdem, treffen weder „Tunnelblick“, die eingeschränkte Wahrnehmung, noch der feste Glaube an einer einzig möglichen richtigen Deutung von Begebenheiten, Starrheit allein auf religiösen Menschen zu. Nicht in der Religion, sondern in der Psyche des Menschen liegen solche Verhaltungsweisen begründet. Diese Psyche funktioniert prinzipiell bei allen Menschen gleich.
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von mar »

Hehe. Nicht verstehen ist ein guter Ansatz. Nehmen wir Sokrates und seinen Spruch "Ich weiß, dass ich nichts weiß". Wenn man jetzt mal annimmt, dass das keine rhetorische Figur ist, kein bescheidener Hinweis auf Sokrates' Begrenztheit, sondern eine unmittelbar einleuchtende Erkenntnis ... was dann? Ich weiss - nichts. Ich verstehe - nichts. Eine unbehagliche Situation, die wir Menschen gern schnell verlassen, indem wir uns der nächst besten Gewissheit zuwenden. Descartes macht dieses Experiment in seinen "Mediationen". Er bezweifelt nach und nach alles, bis nichts mehr übrig bleibt. Unheimlich. Und dann sagt er, "Ich denke, also bin ich". Dummerweise ist völlig unklar, wo im Zustand des Zweifels das Denken herkommt, wo das Ich herkommt, wo das Sein herkommt und wo die Kausalität herkommt, mit der er diese Begriffe verknüpft. Und schwups wird aus der plötzlichen Erkenntnis eine nächstbeste Gewissheit, an die er sich klammern kann, und auf deren Grundlage er dann seinen Gottesbeweis führt. Paul Tillich: "Die Paradoxie des Unbedingten ist nicht auflösbar. Sie stellt eine Aufgabe an das Schauen."
Christel
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Re: Was bleibt, ist das Wunder

Ungelesener Beitrag von Christel »

Ich habe die sogenannten „Gottesbeweise“ nie als unumstößliche Gewissheiten verstanden. Wohl aber Zugänge zu Gott im Denken durch die Vernunft.

Es gibt schlicht und ergreifend nicht wenig vernünftige Gründe an Gott zu glauben.

Der britische Literaturwissenschaftler und Schriftsteller C. S. Lewis einstmals ein überzeugter Atheist kam nach jahrelanger Auseinandersetzung mit Argumenten zur Überzeugung, dass die besseren Argumente für den christlichen Glauben sprechen. Er argumentiert so:
Dabei geht er von der Existenz eines „natürlichen Sittengesetzes“ aus, einer „Regel betreffend richtig und falsch“, deren Grundzüge intuitiv allen Menschen bekannt sei und deren Grundsätze gemeinhin akzeptiert seien. Dieses Gesetz fasst er als eine vom Menschen nicht geschaffene, sondern vorgefundene Realität auf, das sich allerdings insofern von einem Naturgesetzunterscheide, als dass der Mensch imstande sei, es zu ignorieren oder zu brechen. Nach Lewis ist dies das einzige Gesetz, das der Mensch aus sich selbst heraus kenne und das sich ihm nicht erst durch Beobachtung offenbare. Als Beispiel für die allgemeine Bekanntheit des Sittengesetzes zu allen Zeiten und in allen Kulturen führt Lewis an, dass die Strafen für Diebstahl sich zwar unterschieden, nirgendwo und nirgends aber die eigenmächtige Aneignung fremden Hab und Gutes gar nicht bestraft werde. Erst die Bestürzung, die den Menschen erfasse, wenn er begreife, dass er aus eigener Kraft unfähig ist, die unerbittlichen Anforderungen des Sittengesetzes zu erfüllen, ermögliche es ihm nach Lewis überhaupt, den christlichen Glauben zu verstehen. Ohne diese Einsicht bleibe dem Menschen das Christentum danach unweigerlich verschlossen.

Daneben stellt Lewis aufgrund der menschlichen Erfahrung des Numinosen die These auf, dass, da für alle sonstigen menschlichen Bedürfnisse die Mittel zu ihrer Befriedigung existierten, der Mensch nicht Sehnsucht nach Gott haben könne, wenn dieser nicht ebenfalls existiere. http://de.wikipedia.org/wiki/Christentum_schlechthin
Mehr:
Pardon - ich bin Christ
Meine Argumente für den Glauben
von Clive S Lewis
Brunnen, 01.04.2008
Taschenbuch
8,95 €

Kurzbeschreibung
Dieser Longseller ist seit der Herausgabe der deutschen Übersetzung vor über zwanzig Jahren zu einem Klassiker zum Thema „Argumente für den Glauben“ geworden. Höchst logisch und mit kraftvoller Bildhaftigkeit begegnet Lewis dem Vorurteil, man müsse den Verstand über Bord werfen, um heute noch Christ zu sein. Ein ideales Geschenk für alle, die sich näher mit dem christlichen Glauben beschäftigen wollen, aber auch für Christen, die die Grundlagen ihrer persönlichen Überzeugung neu auf den Prüfstand stellen wollen.
https://www.buchhandel.de/buch/Pardon-i ... 3765531507
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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