Seite 1 von 1

Leben wir im digitalen Mittelalter?

Verfasst: Sonntag 19. Juli 2015, 14:44
von Christel
Ein interessanter Artikel:
17.07.2015, von DIETER NUHR
Ich habe mit einem Twitter- und Facebook-Post – „Meine Familie hat demokratisch abgestimmt: Der Hauskredit wird nicht zurückgezahlt. Ein Sieg des Volkswillens!“ – satirisch-ironisch darauf hingewiesen, dass man den Bruch eines Kreditvertrages nicht durch demokratische Abstimmung legitimieren kann.
Eigentlich sollte dies für jeden selbstverständlich sein: Vertragliche Vereinbarungen sind nicht durch einseitige Abstimmung im Nachhinein änderbar, und das ist gut so, denn ansonsten gäbe es faktisch keine Rechtssicherheit mehr. Wäre die Regierung Tsipras damit durchgekommen, hätte der kurzfristige populistische Pyrrhussieg dazu geführt, dass Griechenland aus dem Kreis der Länder ausgeschieden wäre, die sich rechtsstaatlicher Grundsätze verpflichtet sehen. So hat Griechenland noch eine wahrscheinlich letzte Chance, endlich staatliche Strukturen aufzubauen, die geeignet sind, eine weitere Teilnahme am Friedensprojekt Europa zu ermöglichen, eine funktionierende Verwaltung, ein Katasteramt, das den Namen verdient, ein Finanzamt, das mehr ist als eine Chillout-Zone.

Strafrechtlich relevante Pöbeleien

MEHR:
HTTP://WWW.FAZ.NET/AKTUELL/FEUILLETON/M ... 06268.HTML
Unten im selben Artikel:
Es geht hier schon lange nicht mehr um Meinungsfreiheit. Es geht um Meinungshoheit. In den seltensten Fällen kommt es zum Austausch von Argumenten. Die Regel ist, dass die Vernichtung der abweichenden Meinung angestrebt wird, meist durch Überwältigung, Etikettierung, Beleidigung. Das Internet, vor allem die „sozialen Netzwerke“, sind insofern zum mittelalterlichen Marktplatz verkommen. Die Orte, an denen die Scheiterhaufen lodern, heißen Facebook und Twitter. Der Zivilisation fehlt in der Anonymität des Virtuellen ihre wichtigste Grundlage: die Haftbarkeit des Einzelnen. Die Erfindung des Individuums als haftbare, sein eigenes Handeln verantwortende Person war die Voraussetzung für die Errichtung der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer großen Errungenschaften: Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde. Die anonymen Massenaufläufe im Internet entheben den Einzelnen aus der bürgerlichen Verantwortlichkeit.
HTTP://WWW.FAZ.NET/AKTUELL/FEUILLETON/M ... 06268.HTML
Ist die Aufhebung der Anonymität die Lösung?

Re: Leben wir im digitalen Mittelalter?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2015, 16:49
von blaubär
Ist die Aufhebung der Anonymität nicht schon längst im volen Gange?!

Re: Leben wir im digitalen Mittelalter?

Verfasst: Montag 14. September 2015, 17:17
von nubles67
blaubär hat geschrieben:Ist die Aufhebung der Anonymität nicht schon längst im volen Gange?!
Für normale Nutzer von Internet und Co schon lange, für Leute die sich damit auskennen, wahrscheinlich nie.

Re: Leben wir im digitalen Mittelalter?

Verfasst: Dienstag 13. Oktober 2015, 10:17
von niels
Wem wer bereit ist seine persönlichen Daten zu überlassen, ist mir reichlich egal - das ist Privatsache (sollte sie jedenfalls sein).

Aber die Aufhebung des Rechtes (!) auf Anonymität ist bis zum Wochenende wohl durch - siehe:

viewtopic.php?f=9&t=4164

Die staatliche Vollüberwachung wie damit Realität.

Da fehlen nun eigentlich nur noch Zwangskameras durch das Ordnungsamt in jedem Wohnraum - zum Schutze er darin lebenden Personen natürlich.

Wie sagte mal ein Innenminister: "...alles was technisch möglich ist, um Menschen zu schützen, müssen wir auch einsetzen..." - nich wahr?!??

soweit...

Re: Leben wir im digitalen Mittelalter?

Verfasst: Sonntag 18. Oktober 2015, 17:07
von Christel
niels hat geschrieben:Da fehlen nun eigentlich nur noch Zwangskameras durch das Ordnungsamt in jedem Wohnraum - zum Schutze er darin lebenden Personen natürlich.
Hat das nicht längst google home view übernommen? :mrgreen:
https://www.google.de/search?q=google+h ... sAGzw6HIDA

Staatliche Stellen müssen gar nicht selber Daten sammeln:
Google bestätigt Abfragen von Nutzerdaten durch US-Geheimdienste. Auch europäische Google-Server seien nicht ausgenommen. http://www.wiwo.de/politik/ausland/date ... 56042.html
Einfach der Besitz und die Nutzung eines Smartphone ermöglicht das Datensammeln:
FAQ: Handy-Ortung
Ortung durch Provider

Kann mich mein Mobilfunkbetreiber orten?
Ja, wenn das Smartphone im Netz des Betreibers registriert ist, und zwar über Zuordnung zu den Funkzellen und über ihre Signalstärke. Allerdings ist diese Ortung nicht besonders genau: In Städten kann die ermittelte Position um einige hundert Meter, im ländlichen Bereich sogar mehrere Kilometer von der tatsächlichen Position abweichen.

Die Provider geben diese Daten in anonymisierter Form auch an Dritte weiter. TomTom wertet beispielsweise die Bewegungsprofile von Vodafone-SIM-Karten für sein Verkehrssystem HD Traffic aus, der Navigationskartenhersteller Navteq nutzt dazu Daten der Telekom. http://www.heise.de/ct/hotline/FAQ-Hand ... 68122.html
Der Zivilisation fehlt in der Anonymität des Virtuellen ihre wichtigste Grundlage: die Haftbarkeit des Einzelnen.
Ich denke schon, dass Anonymität die Hemmschwelle senkt. – Aber nicht jeder, der anonymisiert schreibt, nutzt das aus. Und nicht jeder, der mit Namen schreibt hat „Hemmungen“. (Auch wichtig, nicht jeder, der anonymisiert für die allgemeine Öffentlichkeit schreibt, ist wirklich anonym.)
Hemmschwellen werden zudem auch gesenkt, wenn „schlechtes Benehmen“, toleriert wird oder gar auf Zustimmung trifft. – Jeder der zustimmt wirkt mit und kann zur Eskalation beitragen.

Anonymität ist dagegen auch ein Stück Freiheit!