ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Diskussionen rund um Glaubensfragen

Moderatoren: niels, Kirche und Religionen

Forumsregeln
Glaube und Religion im Eichsfeld Wiki:
Religion im Eichsfeld
Kategorie: Religion im Eichsfeld
Kirchen im Eichsfeld
niels
Site Admin
Beiträge: 2323
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von niels »

Von Jesus über Marx bis Kant und Adorno - der ewige Wiedergänger Altruismus ist so lautstark präsent wie zuvor nur in den übelsten Diktaturen un das Instrument der Entfreiheitlichung, Diskriminierung uhnd Unterdrückung wie der organisierten Verantwortungslosigkeit, die immer noch und wieder viele Menschen für erstrebsam halten.

Die folgende Artikelserie bringt es auf die wesentlichen Punkte:
"...
Zunächst ist der Altruismus verantwortlich für den Zerfall unserer Kultur, Sitten und Traditionen und brachte die Masse näher an den wirtschaftlichen und finanziellen Ruin. Er brachte keine menschlichere Gesellschaft, im Gegenteil, er ist der Ursprung sinnloser Gewalt, Brutalität aus Langeweile, Drogenmissbrauch, Ziellosigkeit, Gefühllosigkeit, Kontaktarmut und Verlust der Umgangsformen.
Wenn dem Menschen seine Reaktionen und Handlungen ständig ein-souffliert werden, wenn er zum Wählen von Recht und Unrecht, von Gut und Böse nicht seine Vernunft einsetzen darf, wenn er zu Entscheidungen gezwungen wird ohne sich auf rationale Gründe beziehen zu können, verliert er seine Selbstständigkeit, sein Selbstbewusstsein und seine Verantwortung.
..."
Teil 1:
http://susannekablitz.wordpress.com/2013/08/22/309/

Teil 2 (u.a. über die Auswirkungen gefeierter "Vordenker" a la Kant und Adorno):
http://liberalerfaschismus.wordpress.co ... r-teil-ii/

Teil 3:
http://susannekablitz.wordpress.com/201 ... teil-drei/
Benutzeravatar
Heinrich5
Senior- Mitglied
Beiträge: 844
Registriert: Samstag 20. April 2013, 18:23
PLZ: 99974

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Zu diesem Thema fällt mir doch gleich wieder die Gemeinsame Erklärung der Bischofskonferenz und der EKD ein. Ein Dokument eines scheinheiligen Altruismus. Robert Zollitsch, und Nikolaus Schneider stellten ihre Initiative mit dem Titel "Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft" vor. Sie kritisieren in einer gemeinsamen Streitschrift die Gier und Maßlosigkeit auf den Finanzmärkten. Schamgefühle kommen bei den Würdenträgern dabei nicht auf. Denn irgendwie muss bei der Kritik vergessen worden sein, dass die Kirche sehr wohl auch von den so arg kritisierten Finanzmärkten profitiert. Da fordern die Kirchen - ganz uneigennützig natürlich! - einen automatischen Austausch steuerrelevanter Daten. Ein Schelm, wer dabei an die Kirchensteuern denkt. Susanna Kablitz hat es richtig erkannt, die christlichen Religionen haben schon lange ihren gesellschaftlichen Einfluss dem Altruismus überlassen. Dessen Stärke liegt darin, dass er seinen irrationalen Mystizismus hinter einer modernen und progressiven Fassade verbergen kann. Seine Stätten der Andacht sind öffentliche Proteste und Kundgebungen, Asylantenheime, Arbeits- und Sozialämter und Mahnmale des Nationalsozialismus. Die Heiligen das Altruismus sind die Opfer sozialer Ungerechtigkeit und des Kapitalismus, Unterprivilegierte jeglicher Art und Gegner nicht-demokratischer Regime.
Aus Sicht der Kirchen sollen es immer die anderen richten. Dies ist umso verwerflicher, da sie den “Erfolg” dann für sich reklamieren, obwohl sie nichts anderes getan haben als das Geld und das “Mitgefühl” anderer zu verwerten. Und selbst das gelingt ihnen nicht ohne sich vorher ein dickes Stück vom Kuchen abzuschneiden. In die gleiche Reihe gesellt sich eines der miesen Wahlplakate der Linken. „Teilen macht Spaß, darum Millionärssteuer“

viewtopic.php?f=10&t=3803

Zu den drei Beiträgen:
Was mir hier noch fehlt, das sind die Schlussfolgerungen aus den gewonnenen Erkenntnissen, das Fazit. Es kommt wohl sicher in dem angekündigten vierten Teil. Welche Alternativen bietet die Autorin an. Liberalismus? oder sogar Libertarismus?
Christel
Senior- Mitglied
Beiträge: 4610
Registriert: Montag 22. Mai 2006, 19:55
PLZ: 99734

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von Christel »

Altruismus (lat. alter ‚der Andere‘) bedeutet in der Alltagssprache „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise“,[1] kann bis heute jedoch nicht allgemeingültig definiert werden.[2] Der Begriff ist nach seinem "Schöpfer" Auguste Comte ein Gegenbegriff zu Egoismus und umfasst demnach eine Verhaltensweise, die einem Individuum zugunsten eines anderen Individuums mehr Kosten als Nutzen einbringt.[3]http://de.wikipedia.org/wiki/Altruismus

Demnach wäre die Alternative zum Altruismus der Egoismus.

Ich denke, Menschen sind beides. Mal handeln sie so, mal so.
Will man den Altruismus abschaffen, muss man den Menschen abschaffen.

Ich weiß nicht, wieso gegen den Altruismus polemisiert wird.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
niels
Site Admin
Beiträge: 2323
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von niels »

Christel, womöglich hast Du den Artikel nicht wirklich gelesen. Du hast in gewisser Weise Recht, wenn Du sagt, das Menschen beide Handlungsprinzipien innehaben bzw. "leben" - im Artikel aber geht es (verkürzt gesagt) um die ideologische Dämonisierung jeweden Ich's bzw. Egoismus, während der pure Altruismus als die "moralisch" wie gesellschaftlich absolut erstrebenswerte, ja zuweilen sogar die einzig legitime, Handlungsgrundlage darstellen soll.

JEDER Mensch handelt primär im ureigensten Interesse - auch und insbesondere dann, wenn er sich für andere einsetzt, diesen "hilft" bzw. zuweilen seine Interessen denen anderer unterordnet, denn es steht außer Frage, das viele Ziele vieler Menschen für sie nur in "Kooperation" mit Anderen erreichbar sind. Zu behaupten, das Egoismus "unmenschlich" sei, ist schlichtweg Anmaßung und dümmlich dazu.


@Heinrich:
Jaja, die "bösen Finanzmärkte" und "Spekulanten", die ja mal wieder für allen und jeden Mist verantwortlich gemacht werden, weil es praktisch und einfach ist, weil die große Mehrheit auch nur die gröbsten Zusammenhänge komplexer Marktmechanismen/-strukturen ungefähr so "gut" versteht, wie sie selbst persönlich (!) jene "Spekulanten" und Marktteilnehmer wie vor allem deren persönliche Arbeit und Beweggründe zu kennen meinen - nämlich ungefähr so gut, wie das "änternationahlä Fänanzjoäntom", wie es die braunroten Sozialisten noch beschimpften und dämonisierten. Es war ja auch eine "ausgemachte Scheinerei", das Adlogs Staatsanleihen wie Währung in den Auslagen der internationalen Finanzhandelsplätze versauerten, weil sie niemand haben wollte (aus guten Gründen, wie wir heute wissen).

Es bleibt halt immer wieder praktisch, sich als Mehrheit gezielt Minderheiten rauszugreifen, denen man die Folgen der eigenen Inkompetenz, vor allem aber der eigenen ideologischen Schöpfungen in die Schuhe schieben kann - vor allem wenn da Neid und Mißgunst kräftig behilflich sein können und es neben dem Spaß der kollektiven Diskriminierung auch noch was wegzunehmen lohnt. Wie praktisch, wenn die eigene Ideologie Gewissen und Restverstand betäubt, wenn der große kollektive Raubzug anrollt.

Mich erstaunt täglich wieder, wie unkritisch sich viele Menschen mit derlei Ideologismen in die Fallen der Machtgeilen und Bessermenschen locken lassen. Das individuelle Freiheit nur wenigen Menschen wichtig ist (meist denen, die bereits ihren Verlust schmerzlich zu spüren hatten), habe ich inzwischen verstanden - nur waren es am Ende einmal mehr wieder "die Anderen", wenn Mord und Totschlag, Hunger und Unfreiheit resultiert - die eigene Ideologie, die da Pate stand, kann's nicht gewesen sein, weil sie ja "Gutes" wollte und will - ganz sicher!!!...

"Gut" gewollt aber ist eben noch lange nicht gut gemacht - abgesehen davon, das "gut" und "böse" bereits zwischen nur zwei Menschen sehr verschiedene Formen annehmen können. Da hilt auch wenig, das irgend eine "demokratische Mehrheit" das "Recht des Uebermächtigen" auszuüben gedenkt, in der anmaßenden Annahme, das alles Recht sei, was eine Mehrheit für "gut" befände...
Benutzeravatar
Heinrich5
Senior- Mitglied
Beiträge: 844
Registriert: Samstag 20. April 2013, 18:23
PLZ: 99974

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Christel schrieb.
Will man den Altruismus abschaffen, muss man den Menschen abschaffen.

Das ist eine vollkommen unbegründete Polemik. Altruismus kann man nicht abschaffen, man kann ihn aber erkennbar machen und aus der Erkenntnis Schlussfolgerungen für sich selbst ziehen. Ich denke, du hast die Beiträge nicht gelesen.

Christel schrieb:
Ich weiß nicht, wieso gegen den Altruismus polemisiert wird.
Hättest du die Beiträge gelesen, wüßtest du, warum der Altruismus kritisiert werden muss. In jeder Kritik siehst du zu erst einmal Polemik, ja sogar teilweise Fanatismus. In den Beiträgen wird doch klar aufgezeigt, dass Altruismus nichts mit Güte oder Respekt vor Anderen zu tun hat. Güte oder Respekt vor Anderen werden durch den Altruismus eher verhindert. Unabdingbare Voraussetzung des Altruismus ist Selbstaufopferung, Selbstverleugnung und schließlich Selbstzerstörung. Das heißt: Das „Selbst“ ist der Standort des Bösen und „selbstlos“ ist der Standort des Guten. Daraus entwickelt sich dann weiter der „Gutmensch“. Das eine und einzige Wort, das wird in diesem Beitrag aufgezeigt, welches die gesamte Moralität des Altruismus hinwegfegen kann ist: „warum?“ Warum sollte ein Mensch zum Zwecke eines anderen existieren?
Warum sollte einer der beiden das Opferlamm sein? Warum sollte solch ein Konzept „gut“ sein? Dafür gibt es keine irdische Erklärung und in der gesamten Geschichte der Philosophie wurde nie eine irdische Erklärung dafür angeboten.
Christel
Senior- Mitglied
Beiträge: 4610
Registriert: Montag 22. Mai 2006, 19:55
PLZ: 99734

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von Christel »

Christel hat geschrieben:Will man den Altruismus abschaffen, muss man den Menschen abschaffen.
Das ist eine völlig sachliche Aussage, die ausdrückt, dass Altruismus untrennbar und unabänderlich zum Menschsein gehört.
Heinrich, zur Kategorie „Polemik“ gehören Deine Angriffe gegen meine Person.
Heinrich6 hat geschrieben:In den Beiträgen wird doch klar aufgezeigt, dass Altruismus nichts mit Güte oder Respekt vor Anderen zu tun hat. Güte oder Respekt vor Anderen werden durch den Altruismus eher verhindert.
Man kann es einfach so hinnehmen und schlucken. Zur Kritikfähigkeit gehört es solche Aussagen zu hinterfragen zu können.
Die Aussagen in den Beiträgen stehen im Widerspruch zur Wikipedia-Definition:
Altruismus (lat. alter ‚der Andere‘) bedeutet in der Alltagssprache „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise“,[1] kann bis heute jedoch nicht allgemeingültig definiert werden.[2] Der Begriff ist nach seinem "Schöpfer" Auguste Comte ein Gegenbegriff zu Egoismus und umfasst demnach eine Verhaltensweise, die einem Individuum zugunsten eines anderen Individuums mehr Kosten als Nutzen einbringt.[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Altruismus
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Christel
Senior- Mitglied
Beiträge: 4610
Registriert: Montag 22. Mai 2006, 19:55
PLZ: 99734

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Niels, stimmt. Ich hatte den Artikel gar nicht gelesen, sondern nur die Verbindung von Altruismus und Neurose sowie Dein kleines Zitat daraus.
niels hat geschrieben: Zu behaupten, das Egoismus "unmenschlich" sei, ist schlichtweg Anmaßung und dümmlich dazu.

Auch hier stimme ich zu.
Egoismus, „an sich selbst denken“, ist überlebensnotwenig, ein Überlebenstrieb. – In Stresssituationen, zeigt sich, dass man das nicht wirklich im Griff hat. Da zeigt sich der Egoismus als Trieb, nicht als Handlungsprinzip.

Ich denke mit dem Altruismus verhält es sich ähnlich. Einerseits ist er ein Handlungsprinzip und somit ein Wert. Andererseits glaube ich, dass der Altruismus so stark in dem von Natur aus sozialen Wesen „Mensch“ angelegt ist, dass er einfach da ist, auch ohne Übergeordnetes Ziel…

Gesellschaftlichen Einfluss hat der Altruismus, weil er ein tatsächlicher positiver Wert. – Als solche kann er missbraucht werden, hat auch eine dunkle Seite und kann so zum Unwert werden. – So ist es aber mit jedem Wert.
Auch Werte müssen hinterfragt werden. So wie unser Handeln nicht einfach durch Regeln bestimmt werden sollte, so sollte es auch nicht einfach und unreflektiert Werten untergeordnet werden. „Du musst altruistisch sein“, sagt der Dieb. „Du musst demütig sein“, sagt der Machtmensch. „Du musst liebevoll sein“, sagt der, der berechtigte Kritik abwehren will.

Diese Werte bleiben aber dennoch Werte.

In diesem Artikel wird vieles vermischt. Altruismus wird auch zur Ursache erklärt, wo er nicht Ursache ist. Der Artikel ist einseitig und absolut. Sein Radikalismus sorgt dafür, dass er insgesamt falsch/schlecht ist.
Es hilft nicht, dass er auch richtige Aussagen enthält.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Benutzeravatar
Heinrich5
Senior- Mitglied
Beiträge: 844
Registriert: Samstag 20. April 2013, 18:23
PLZ: 99974

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Christel schrieb:
Die Aussagen in den Beiträgen stehen im Widerspruch zur Wikipedia-Definition
Wer hat denn die Wikipedia-Definition formuliert? Etwa ein Gutmensch?
Christel
Senior- Mitglied
Beiträge: 4610
Registriert: Montag 22. Mai 2006, 19:55
PLZ: 99734

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von Christel »

Der Begriff „Altruismus“ stammt von dem französischer Mathematiker, Philosoph und Religionskritiker Auguste Comte:
Die Erfindung des Wortes “Altruismus” wird August Comte zugeschrieben. Comte wollte mit dem Begriff selbstloses Denken und Handeln beschreiben “Vivre pour autrui”, Leben für den anderen, wie er das nannte. In dieser Bedeutung hat Altruismus als “Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit oder als durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise” in der westlichen Kultur, und vor allem in deutschsprachigen Ländern festgesetzt. http://sciencefiles.org/2012/02/23/altr ... gegensatz/
Laut http://de.wikipedia.org/wiki/Altruismus umfasst Altruismus “eine Verhaltensweise, die einem Individuum zugunsten eines anderen Individuums mehr Kosten als Nutzen einbringt.“ [Entnommen: Manuela Lenzen: Evolutionstheorien in den Natur- und Sozialwissenschaften. Campus Verlag, 2003, ISBN 3-593-37206-1 (Google Books)].

Altruismus ist folglich kein Synonym für Selbstaufopferung, Selbstverleugnung und schließlich Selbstzerstörung. Es kann zwar so weit gehen, muss es aber nicht. Altruismus kommt im Alltag ständig vor. Normalerweise wird das gar nicht reflektiert.

Eine extreme Variante des Altruismus schildert Theodor Fontane in seinem Gedicht:

John Maynard
John Maynard!
"Wer ist John Maynard?"
"John Maynard war unser Steuermann,
aushielt er, bis er das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

Die "Schwalbe" fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Fraun
im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
"Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund."

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
"Feuer!" war es, was da klang,
ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, bunt gemengt,
am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
am Steuer aber lagert sich´s dicht,
und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?"
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
der Kapitän nach dem Steuer späht,
er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
aber durchs Sprachrohr fragt er an:
"Noch da, John Maynard?"
"Ja,Herr. Ich bin."

"Auf den Strand! In die Brandung!"
"Ich halte drauf hin."
Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -

"Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
mit Blumen schließen sie das Grab,
und mit goldner Schrift in den Marmorstein
schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

"Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
hielt er das Steuer fest in der Hand,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

http://www.lyrikwelt.de/gedichte/fontaneg2.htm
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Benutzeravatar
Heinrich5
Senior- Mitglied
Beiträge: 844
Registriert: Samstag 20. April 2013, 18:23
PLZ: 99974

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt
Von 300 Menschen an Bord, darunter viele schweizerische und deutsche Zwischendeckspassagiere, wurden nur 29 gerettet. :roll:
niels
Site Admin
Beiträge: 2323
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von niels »

Ich meine schon ebenjene Interpretation:
Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit
Diese Begriffe stehen bereits im offensichtlichen im Widerspruch zu:
Altruismus ist folglich kein Synonym für Selbstaufopferung, Selbstverleugnung und schließlich Selbstzerstörung. Es kann zwar so weit gehen, muss es aber nicht. Altruismus kommt im Alltag ständig vor. Normalerweise wird das gar nicht reflektiert.
denn "Selbst-Losigkeit" bedeutet die Ignoranz bzw. Aufgabe persönlicher Interessen. Das Maß des Nutzens für Dritte im Verhältnis zum eigenen "Nutzen" ist hierbei sekundär bis irrelevant - schon deshalb, weil es dem Handelnden primär um seinen Nutzen geht - der Nutzen für andere lediglich mittelbar seinen Nutzwert bedingt (s.u.). Dazu kommt, das der individuelle Nutzen - insbesondere von außen - nicht bestimmbar ist, da mindestens teilweise subjektiver Natur. Die "Wikipedia-Definition" ist somit ein typisches Produkt ebenjener "Philosophen", die sich allen Ernstes einbilden / anmaßen den "(Nutz)wert" von etwas für jemanden über ihre eigene Bewertung hinaus - oder sogar allgemeingültig - bemessen zu können. Dabei ist offensichtlich, das selbst scheinbar "gemeinverbindliche" Werte wie Geld oder Lebenszeit für jedes Individuum eigene Wertigkeiten haben, die wiederum von deren Situation wie deren sonstigen Präferenzenprofil abhängig ist.

Auch John Maynard - als Kapitän - handelte nicht zwingend "selbstlos", sondern sehr wohl im eigenen Interesse, auch wenn derlei Zusammenhänge loyaler Integrität jenen oft intransparent erscheinen, die keinen solchen Berufsstand eingegangen sind, der bei Bedarf auch die Herausgabe des eigenen (restlichen) Lebens wie der körperlichen Unversehrtheit fordert. Der "Eigennutz" in der Selbstaufopferung liegt z.B. in der sozialen hohen Anerkennung eines solchen "aufopfernden" Berufsstandes, die er nicht zuletzt selbst genoß, seiner Familie oder der über sein Leben hinausreichenden Ehre, die auch nicht wenigen Menschen wichtig ist - um nur einzelne Beispiele zu nennen.

Warum z.B. kommt niemand der "Selbstlosigkeitsbessermenschen" auf die Idee, das demnach vor allem freiwillige Soldaten, die Ihr Leben unbedingt dem Interesse anderer bzw. der Gesellschaft wie deren Schutzinteressen unterordnen, "selbstlos" handelten?

Aber auch:
JEDES menschliche Handeln ist eigennützig - d.h. dient primär dem eigenen Nutzen, selbst dann, wenn sich hieraus Nutzen (ggf. sogar "größerer" aus Sicht Dritter) für andere ergibt oder derjenige allen Ernstes davon überzeugt ist, "selbstlos" zu handeln - sei es sein "Seelenheil", seine Ehre oder die seiner Familie, sein Gewissen oder Ehrverpflichtung gegenüber einer Gruppe.

Die Verachtung des Eigennutzes bzw. der Interessen des Individuums selbst oder zu behaupten, das "Selbstlosigkeit" (im Gegensatz zu Selbstinteresse) "menschlich" sei ist Leugnen dessen, was Mensch ist und was Mensch ausmacht.
Christel
Senior- Mitglied
Beiträge: 4610
Registriert: Montag 22. Mai 2006, 19:55
PLZ: 99734

Re: ALTRUISMUS – KULT DER NEUROTIKER

Ungelesener Beitrag von Christel »

Es gibt zwei Möglichkeiten:
a) Man kann nach der Wahrheit suchen oder
b) man kann eine „Wahrheit“ begründen.
Niels mir scheint, Du hast b) gewählt.
Allerdings kann man jede scheinbare „Wahrheit“ begründen, selbst wenn es weit von der Realität entfernt ist.

Ich stelle Aussagen wie „Gutmenschen“ und "Selbstlosigkeitsbessermenschen" in Frage. Das sind abwertende Aussagen über andere Menschen, Etiketten. – Wer sie benutzt stellt sich selbst als besserer Mensch dar.
Außerdem wurde erst kürzlich hier im Forum den Christen vorgeworfen, dass sie egoistisch seien. Hier sehe ich Widersprüche.

Da „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit“ kein Synonym für Selbstaufopferung, Selbstverleugnung und schließlich Selbstzerstörung ist, gibt es hierbei keinen Widerspruch.

.....
niels hat geschrieben:Auch John Maynard - als Kapitän - handelte nicht zwingend "selbstlos", sondern sehr wohl im eigenen Interesse, … Der "Eigennutz" in der Selbstaufopferung liegt z.B. in der sozialen hohen Anerkennung eines solchen "aufopfernden" Berufsstandes, die er nicht zuletzt selbst…
Wovon er besonders als Toter viel hatte. – Die Familie verlor zwar den Ernährer, aber dafür hatte sie den Ruhm.
Ich denke nicht, dass jemand in der Situation, wie sie Theodor Fontane in seiner Ballade schildert, an Ruhm denkt.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Ahrefs [Bot], Amazon [Bot], Bing [Bot] und 20 Gäste