Mehr:In seinem 1976 erschienen Welt-Bestseller hatte Dawkins das aufsehenerregende Konzept der "Memetik" ins Leben gerufen. Seine gewagte These: Wie sich Gene als biologische Information per Fortpflanzung verbreiten, entstanden Meme als kulturelle Informationseinheiten, die sich über Nachahmung verbreiteten. Heißt konkret: Ideen, Meinungen oder Weltanschauungen springen als unsichtbare Meme von Kopf zu Kopf und verbreiten sich so in der Welt. Seine Mem-Theorie nutzt Dawkins seither auch als Vehikel für Religionskritik. So sind für ihn religiöse Überzeugungen "Viren", die von den "erkrankten" Menschen Besitz ergreifen. Mit seiner Theorie gelang Dawkins ein Mediencoup, der heute noch in unserer Alltagskultur spürbar ist. So werden sich schnell verbreitende Internet-Videos und -Bilder als Meme bezeichnet. Für den emeritierten Papst ist diese Theorie aber nichts als Unfug.
Rückendeckung bekommt Benedikt vom renommierten Evolutionsforscher und Religionswissenschaftler Michael Blume. Der Experte für Evolutionsbiologie der Religiosität (Buch: "Gott, Gene und Gehirn") betont: "Mit seiner Aussage, dass Richard Dawkins auch 'Science Fiction' vertritt, hat Papst Benedikt XVI. völlig Recht." So handle es sich bei Dawkins Memetik längst nicht mehr um eine haltbare, wissenschaftliche These. "Trotz zahlreicher Versuche konnte ein 'Mem' nie definiert und keine einzige empirisch haltbare Studie dazu veröffentlicht werden."
Fast 40 Jahre nachdem Dawkins seine Mem-Theorie erstmals verkündete, ist diese laut Blume reif für ihre Entsorgung. Eine eigene Fachzeitschrift, das "Journal of Memetics", musste mangels Substanz wieder eingestellt werden. Nach einer Konferenz zur Evolutionsforschung in Bristol 2010 widerrief auch die letzte, bedeutende "Memetikerin" Susan Blackmore diesen Ansatz und erklärte in der englischen Zeitung "The Guardian", warum entgegen Dawkins Theorie Religion kein Virus sein kann.
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