"St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder
Hallo ihr beiden, könntet ihr bitte die Diskussion zu Religion und einem mechanischen Weltbild woanders hin verlegen? Vielleicht in den Thread "Lediglich die Hälfte?"
Christel, klar kann hier jeder Informationen einstellen, wie in den Nachrichten. Und der erste Beitrag für ein neues Thema ist ja häufig etwas Kontroverses, dem man sich gerade nicht oder besonders intensiv anschließt. Wenn darauf aber keine persönliche Diskussion folgt, dann kann ich auch gleich die Nachrichten gucken, Radio Vatikan hören oder PZ Meyers Pharyngula lesen. Ich will ja auch gar nicht Deine Privatsphäre angreifen und lege sehr viel Wert auf meine eigene. Aber ich habe Dich ja auch nicht zu Online-Sex aufgefordert oder nach dem Inhalt Deiner Küchenkramschublade gefragt. ;) Ich wollte ja nur eine Antwort auf die Frage, wer in der Exodus-Stelle von sich sagt, er habe Mitleid. Die Du ja dann auch bereitwillig geliefert hast. Ich denke wir sind uns einig, dass die Entscheidungsfreiheit eines jeden Schreibers, was er preisgibt, unbedingt zu respektieren ist. Ich stimme Dir zu, dass opressive Nähe eine Kommunikation scheitern lassen kann. Und versuche mich mehr zurückzunehmen. Im übrigen hast Du ja, wie mir scheint, kein Problem damit, zu signalisieren, wenn Dir die Luft ausgeht.
Ich stimme Dir vollständig zu: In dem Augenblick, wo ich mich in den anderen hineinversetze, bringe ich mich selbst mit meinen Erfahrungen und mit meiner eigenen Gefühlswelt ein. Zunächst mal habe ich ja als Mensch, die Fähigkeit, zu verstehen, dass es Subjekte mit einer eigenen Perspektive gibt, die eine andere ist, als meine. Die Kognitionswissenschaften nennen das "a perspective of mind". Und die Fähigkeit dazu tritt irgendwann in den ersten Lebensjahren eines Kindes zu Tage. Um den anderen aber zu verstehen, bin ich auf meine eigenen Erfahrungen und Assoziationen angewiesen, um seine Äußerungen zu deuten. Zumindest, solange ich nicht parapsychologisch begabt bin oder über ein Taschen-MRI verfüge. Und wenn die Richtung der Empathie, das Hinein-fühlen, nicht durch die Gegenrichtung, das Heraus-hören, ergänzt wird, dann scheitert die Kommunikation. Vielleicht kann man das, was du sagen willst, so ausdrücken: Ich soll versuchen, den anderen nicht aufgrund meiner eigenen Voraussetzungen zu verstehen, sondern aufgrund seiner Voraussetzungen.
Es tut mir Leid, dass meine (offensichtlich falsche) Vermutung über Deine potentielle Reaktion auf die Autonomie des Menschen bei Dir als Unterstellung und Falschaussage angekommen ist. Meine bisherige Erfahrung in Diskussionen mit Theisten ist, dass sobald das Thema Autonomie des Menschen auftaucht, der Theist dass Bedürfnis hat, diese Autonomie einzuschränken und auf die Bindung an Gott zu verweisen. In christlicher Terminologie: Die Freiheit des Menschen besteht in der Bindung an Gott.
Vielen Dank für Deine Erläuterungen zum Begriff Barmherzigkeit auf dem Hintergrund von Jesus. Genau das ist es ja, was ich mit den christlichen Assoziationen des Begriffes meine. Ich lehne diese Assoziationen nicht ab. Und im christlichen Kontext spreche ich gerne von Barmherzigkeit. Aber wenn ich über das Konzept "Mitleid plus helfendem Handeln" mit Atheisten, Buddhisten, Hindus oder wem auch immer reden will (um sie auf Grundlage ihrer eigenen Voraussetzungen zu verstehen s. o.), dann würde ich gerne einen anderen Begriff benuzten. Ich habe aber keinen. Oder kannst du einen vorschlagen?
Sehr spannend finde ich, wenn Du sagst: Der Begriff "Barmherzigkeit" hebt alle Rollen auf mit denen wir unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen versachlichen. (Nebenbei: hört sich wie ein theologisches Zitat an.) Die rationalen Begründungen (von denen ich sage, dass sie erst im Nachhinein kommen, siehe Thread zu PEGIDA) sind ja gerade die Versachlichung. Wenn man alle Rollen aufhebt, dann handelt man spontan und intuitiv. Wahre caritas im Moment des Handelns (!) kommt spontan vom Herzen und nicht erst nach langer Rationalisierung, Abwägung und Versachlichung.
So long. Ich warte immer noch auf eine Antwort auf die Frage in meinem letzten Post: Derjenige, der in Ex 22, 26 sagt "ich habe Mitleid" ist also Gott. Und dieser Gott ist ein sehr persönlicher Gott. Er hört zu. Und er leidet mit. Man könnte sogar sagen, er ist ein sehr menschlicher Gott, insofern er mit uns Menschen die Eigenschaft teilt, Gefühle zu haben. <del>Stimmst du mir darin zu?</del> Siehst Du das anders?
Christel, klar kann hier jeder Informationen einstellen, wie in den Nachrichten. Und der erste Beitrag für ein neues Thema ist ja häufig etwas Kontroverses, dem man sich gerade nicht oder besonders intensiv anschließt. Wenn darauf aber keine persönliche Diskussion folgt, dann kann ich auch gleich die Nachrichten gucken, Radio Vatikan hören oder PZ Meyers Pharyngula lesen. Ich will ja auch gar nicht Deine Privatsphäre angreifen und lege sehr viel Wert auf meine eigene. Aber ich habe Dich ja auch nicht zu Online-Sex aufgefordert oder nach dem Inhalt Deiner Küchenkramschublade gefragt. ;) Ich wollte ja nur eine Antwort auf die Frage, wer in der Exodus-Stelle von sich sagt, er habe Mitleid. Die Du ja dann auch bereitwillig geliefert hast. Ich denke wir sind uns einig, dass die Entscheidungsfreiheit eines jeden Schreibers, was er preisgibt, unbedingt zu respektieren ist. Ich stimme Dir zu, dass opressive Nähe eine Kommunikation scheitern lassen kann. Und versuche mich mehr zurückzunehmen. Im übrigen hast Du ja, wie mir scheint, kein Problem damit, zu signalisieren, wenn Dir die Luft ausgeht.
Ich stimme Dir vollständig zu: In dem Augenblick, wo ich mich in den anderen hineinversetze, bringe ich mich selbst mit meinen Erfahrungen und mit meiner eigenen Gefühlswelt ein. Zunächst mal habe ich ja als Mensch, die Fähigkeit, zu verstehen, dass es Subjekte mit einer eigenen Perspektive gibt, die eine andere ist, als meine. Die Kognitionswissenschaften nennen das "a perspective of mind". Und die Fähigkeit dazu tritt irgendwann in den ersten Lebensjahren eines Kindes zu Tage. Um den anderen aber zu verstehen, bin ich auf meine eigenen Erfahrungen und Assoziationen angewiesen, um seine Äußerungen zu deuten. Zumindest, solange ich nicht parapsychologisch begabt bin oder über ein Taschen-MRI verfüge. Und wenn die Richtung der Empathie, das Hinein-fühlen, nicht durch die Gegenrichtung, das Heraus-hören, ergänzt wird, dann scheitert die Kommunikation. Vielleicht kann man das, was du sagen willst, so ausdrücken: Ich soll versuchen, den anderen nicht aufgrund meiner eigenen Voraussetzungen zu verstehen, sondern aufgrund seiner Voraussetzungen.
Es tut mir Leid, dass meine (offensichtlich falsche) Vermutung über Deine potentielle Reaktion auf die Autonomie des Menschen bei Dir als Unterstellung und Falschaussage angekommen ist. Meine bisherige Erfahrung in Diskussionen mit Theisten ist, dass sobald das Thema Autonomie des Menschen auftaucht, der Theist dass Bedürfnis hat, diese Autonomie einzuschränken und auf die Bindung an Gott zu verweisen. In christlicher Terminologie: Die Freiheit des Menschen besteht in der Bindung an Gott.
Vielen Dank für Deine Erläuterungen zum Begriff Barmherzigkeit auf dem Hintergrund von Jesus. Genau das ist es ja, was ich mit den christlichen Assoziationen des Begriffes meine. Ich lehne diese Assoziationen nicht ab. Und im christlichen Kontext spreche ich gerne von Barmherzigkeit. Aber wenn ich über das Konzept "Mitleid plus helfendem Handeln" mit Atheisten, Buddhisten, Hindus oder wem auch immer reden will (um sie auf Grundlage ihrer eigenen Voraussetzungen zu verstehen s. o.), dann würde ich gerne einen anderen Begriff benuzten. Ich habe aber keinen. Oder kannst du einen vorschlagen?
Sehr spannend finde ich, wenn Du sagst: Der Begriff "Barmherzigkeit" hebt alle Rollen auf mit denen wir unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen versachlichen. (Nebenbei: hört sich wie ein theologisches Zitat an.) Die rationalen Begründungen (von denen ich sage, dass sie erst im Nachhinein kommen, siehe Thread zu PEGIDA) sind ja gerade die Versachlichung. Wenn man alle Rollen aufhebt, dann handelt man spontan und intuitiv. Wahre caritas im Moment des Handelns (!) kommt spontan vom Herzen und nicht erst nach langer Rationalisierung, Abwägung und Versachlichung.
So long. Ich warte immer noch auf eine Antwort auf die Frage in meinem letzten Post: Derjenige, der in Ex 22, 26 sagt "ich habe Mitleid" ist also Gott. Und dieser Gott ist ein sehr persönlicher Gott. Er hört zu. Und er leidet mit. Man könnte sogar sagen, er ist ein sehr menschlicher Gott, insofern er mit uns Menschen die Eigenschaft teilt, Gefühle zu haben. <del>Stimmst du mir darin zu?</del> Siehst Du das anders?
Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder
Das ist von mir. Es fiel mir spontan ein. - Selbstbeobachtung: Kommt mir „Barmherzigkeit“ in den Sinn, dann sehe ich immer den konkreten Menschen vor mir (und zwar nicht in seiner Rolle).mar hat geschrieben:Sehr spannend finde ich, wenn Du sagst: Der Begriff "Barmherzigkeit" hebt alle Rollen auf mit denen wir unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen versachlichen. (Nebenbei: hört sich wie ein theologisches Zitat an.)
Ein anderes Wort für Barmherzigkeit mit identischem Inhalt fällt mir nicht ein.
So ist es!mar hat geschrieben:Wenn man alle Rollen aufhebt, dann handelt man spontan und intuitiv. Wahre caritas im Moment des Handelns (!) kommt spontan vom Herzen und nicht erst nach langer Rationalisierung, Abwägung und Versachlichung.
Zudem lassen sich die Anschauungen ja nicht in eine rationale und lauter irrationale Ansichten einteilen. Vielmehr verfügen die Anschauungen normalerweise alle über eine innere Logik. Dieser kann man andere sachliche logische Argumente entgegen setzen…
Aber wenn es darauf ankommt ist man intuitiv einfach schneller. Dann weiß man z.B. sofort, dass tut man nicht, auch wenn‘s noch so gut rational begründet wird.
Wer allein auf Rationalität und Logik setzt, verzichtet auf ein großes Spektrum an Erkenntnismöglichkeiten. Er analysiert weder die eigenen Gefühle, folgt weder der eigenen Intuition, noch übt er sich in Empathie.
Entschuldigung, das hatte ich vergessen.mar hat geschrieben:So long. Ich warte immer noch auf eine Antwort auf die Frage in meinem letzten Post: Derjenige, der in Ex 22, 26 sagt "ich habe Mitleid" ist also Gott. Und dieser Gott ist ein sehr persönlicher Gott. Er hört zu. Und er leidet mit. Man könnte sogar sagen, er ist ein sehr menschlicher Gott, insofern er mit uns Menschen die Eigenschaft teilt, Gefühle zu haben. <del>Stimmst du mir darin zu?</del> Siehst Du das anders?
Ja, dieser Gott ist persönlich und leidenschaftlich! – Man, kann man es jedoch so oder so sehen.
„Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ Gen 1,27
Ist Gott menschlich oder wird der Mensch „göttlich“ wenn er Mitleid hat, barmherzig handelt…?
Christen glauben, dass Gott Mensch wurde in Jesus. Also, dass man an Jesus sehen und ablesen kann wie Gott ist.
Jesus hat uns ein Gleichnis hinterlassen, welches Gott mit einem Mann vergleicht, der zwei Söhne hat.
Als der jüngere Sohn sein Erbteil fordert, da teilt dieser Vater sein Vermögen unter die beiden Söhne auf. Bald darauf packt der jüngere Sohn alles zusammen und verschwindet. Als er das Vermögen durchgebracht hat und der Hunger ihn quält macht sich auf den Heimweg.
Der Vater sieht ihn schon, als er noch weit entfernt ist. Der Vater hat Mitleid und rennt dem Sohn entgegen. Der Vater fällt dem Sohn um den Hals und küsst ihn. Der Sohn sagt zum Vater, ich bin nicht mehr Wert Dein Sohn zu sein. Doch der Vater sieht das anders. Er lässt neue Kleider bringen, einen Ring, es gibt einen Festbraten, Musik und Tanz. Es wird ein Freudenfest gefeiert.
Nun gibt es Probleme mit dem zweiten Sohn. Nachdem dieser sich bei einem Knecht erkundigt hat, was das bedeuten soll, wird dieser Sohn zornig und will nicht hineingehen. Wieder ist es der Vater, der auf den Sohn zugeht, der heraus kommt und dem Sohn gut zuredet.
Doch der Sohn antwortet mit Vorwürfen: „So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.“
Wir erinnern uns, auch der ältere Sohn ist Sohn und nicht Knecht und der Vater hatte sein Vermögen unter beide Söhne aufgeteilt. Entsprechend antwortet der Vater: „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.“ (frei nach Lk 15,11-32)
Gott wird hier als freigiebig dargestellt. Als jemand der dem Menschen nicht nur die Freiheit lässt, sondern sie durch die Aufteilung seines Vermögens erst ermöglicht. Gott ist es der barmherzig, großherzig, voller Mitleid, Sehnsucht und Liebe ist. Gott ist es der auf dem Menschen zugeht, rennt, der gut zuredet. Gott ist es der einlädt zum Fest (beide Söhne).
„Wir sind also Gesandte anstelle Christi, wie wenn Gott bittet durch uns. Wir beten anstelle Christi: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2.Kor 5,20)
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder
Huhu Christel, in Deinem Satz zur Barmherzigkeit steckt eine Menge drin. Zumindest kann ich das mit meinen Assoziationen hineinlegen: Jean-Paul Sarte sagt ja im Prinzip, Menschen sind verdammt dazu Rollen zu spielen. Oder andersherum: Der Blick der anderen zwingt mir eine Rolle auf. Die einzige Freiheit die uns bleibt, meint Sartre, ist diejenige, eine Rolle für uns selbst zu wählen. Ich meine dagegen, es gibt Momente, in denen diese Rollen wegfallen können. Und das sind häufig gerade die "besseren" Momente. Nicht nur im Zusammenhang mit Schule und Erziehung stellt sich aber die Frage, wie man diese spontane Barmherzigkeit errreichen kann, das intuitive Mitleid entwickeln kann. Und da sehe ich ein Paradox, dass im chinesischen Konzept vom Wu-Wei besonders krass formuliert ist. Wie kann man mit Absicht spontan handeln wollen?
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn empfinde ich als eine schöne und glückliche Geschichte. Es gibt ein Happy-End. :) Aber ich sehe auch, dass dieses Gleichnis sehr Vater-zentriert ist. Hier sehe ich durchschimmern, was ich zur Autonomie des Menschen angedeutet habe: Die Autonomie des Menschen liegt (oder soll liegen?) in der Bindung zu Gott. Was ist mit dem hypothetischen dritten Sohn, der sich von seinem Vater los sagt, weil er empfindet (lassen wir erstmal offen, ob er den Vater nur missversteht), dass sein Vater nicht nur barmherzig, großherzig, voller Mitleid, Sehnsucht und Liebe ist, sondern auch zornig, unbeherrscht, selbstgerecht und eifersüchtig? Wie reagiert der Vater auf diesen dritten Sohn, wenn dieser sich von seinem Vater lossagt, auf sein Erbteil verzichtet und in die Welt zieht, um dort Barmherzigkeit zu üben und nie wieder zurückkehrt?
Und das wirft mich wieder in das Alte Testament zurück, womit ich noch nicht ganz durch bin. Gott in Ex 22, 26 ist persönlich und leidenschaftlich. Da die Regel "gib den Mantel zurück" als Anhang zum Dekalog eingefügt wurde, kann man wohl davon ausgehen, dass diese Situation unter den Israeliten durchaus gelegentlich vorkam. Der Mantel steht hier für das Letzte, was ein Isreaelit noch besitzen kann, bevor er gar nichts mehr hat. Der Arme leiht sich wahrscheinlich kein Geld um ein neues iPhone oder ein geiles Rennkamel zu kaufen, sondern um Nahrung für sich und seine Familie zu erwerben. Oder Saatgut in der Hoffnung, das Geld nach der Ernte zurückzahlen zu können. Was ist nun mit demjenigen, der dem Armen Geld leiht und dafür den Mantel pfändet? Hat der kein Mitleid? Ist er nicht leidenschaftlich?
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn empfinde ich als eine schöne und glückliche Geschichte. Es gibt ein Happy-End. :) Aber ich sehe auch, dass dieses Gleichnis sehr Vater-zentriert ist. Hier sehe ich durchschimmern, was ich zur Autonomie des Menschen angedeutet habe: Die Autonomie des Menschen liegt (oder soll liegen?) in der Bindung zu Gott. Was ist mit dem hypothetischen dritten Sohn, der sich von seinem Vater los sagt, weil er empfindet (lassen wir erstmal offen, ob er den Vater nur missversteht), dass sein Vater nicht nur barmherzig, großherzig, voller Mitleid, Sehnsucht und Liebe ist, sondern auch zornig, unbeherrscht, selbstgerecht und eifersüchtig? Wie reagiert der Vater auf diesen dritten Sohn, wenn dieser sich von seinem Vater lossagt, auf sein Erbteil verzichtet und in die Welt zieht, um dort Barmherzigkeit zu üben und nie wieder zurückkehrt?
Und das wirft mich wieder in das Alte Testament zurück, womit ich noch nicht ganz durch bin. Gott in Ex 22, 26 ist persönlich und leidenschaftlich. Da die Regel "gib den Mantel zurück" als Anhang zum Dekalog eingefügt wurde, kann man wohl davon ausgehen, dass diese Situation unter den Israeliten durchaus gelegentlich vorkam. Der Mantel steht hier für das Letzte, was ein Isreaelit noch besitzen kann, bevor er gar nichts mehr hat. Der Arme leiht sich wahrscheinlich kein Geld um ein neues iPhone oder ein geiles Rennkamel zu kaufen, sondern um Nahrung für sich und seine Familie zu erwerben. Oder Saatgut in der Hoffnung, das Geld nach der Ernte zurückzahlen zu können. Was ist nun mit demjenigen, der dem Armen Geld leiht und dafür den Mantel pfändet? Hat der kein Mitleid? Ist er nicht leidenschaftlich?
Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder
Hallo niels, klar ist Hören ohne Mitleid möglich. Heuschrecken haben in Bereichen ein wesentlich besseres Hörvermögen als Menschen. Trotzdem kann man wohl mit einiger Berechtigung davon ausgehen, dass sie kein Mitleid haben können. Ich benutze hier den Begriff Hören in einer sehr losen und weit ausgreifenden psychologischen Bedeutung. Ich sehe zwei Punkte, die zeigen, was ich mit "ohne Mitleid kein Hören" meine. Der erste Punkt ist einfach: Wenn Du den Bettler und die Frostbeulen an seinen Füßen siehst und weiter gehst, dann nimmst Du dir keine Zeit zuzuhören. Der Empfang akustischer Information findet nicht statt. Der zweite Punkt ist komplizierter: Was ich hier unter Hören verstehe, kann man vielleicht beschreiben als "Hören und den Anderen verstehen, so wie er verstanden werden will". Du schließt den Prozess des Verstehens ja selbst in Deine Definition mit ein, wenn du von bewusstem Hören sprichst. Abgesehen von der Bahn Innenohr, Höhrnerv, Thalamus, Primärer Akustischer Cortex und Wernicke Areal gibt es ja auch immer die Beteiligung der assoziativen Kortexareale und der emotionalen Zentren. Es macht daher für Dein Verstehen einen Unterschied, ob Du gerade Ekel oder Mitleid empfindest. Du kannst meinen Ansatz "verstehen, so wie der andere verstanden werden will" gerne als naiv oder ideologisch gefährlich verwerfen. Ich sehe das eher pragmatisch. Wenn du auf dem Wilhelmsplatz in Heiligenstadt einen Fahrradunfall hast und aus einer Kopfwunde blutest, dann fühlst du Dich wahrscheinlich von dem Passanten, der um die Blutlache herumschreitet, weitergeht und mit Ekel auf die Blutspritzer an seinen Turnschuhen schaut, wahrscheinlich weniger gut verstanden, als von dem Passanten, der Mitleid hat und auf die Idee kommt einen Krankenwagen zu rufen.niels hat geschrieben:Nein, "hören" ist nicht mehr und nicht weniger als der Empfang akustischer "Information" - "bewusstes Hören" inkludiert den Prozess der Verarbeitung (d.h. min. Filterung und [teilweise] Speicherung) der "Hörereignisse" - Hören ist sehr wohl ohne "Mitleid" möglich. Aber derlei Versuche der Umdeutung finden sich bekanntlich viele in faschistoiden / diskriminierenden Ideologien
Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder
Wu-Wie kannte ich noch nicht. Ich habe erstmal nachgelesen und u.a. dies gefunden:
Es gibt sicher Überschneidungen: Barmherzigkeit rückt den Mitmenschen in den Blick und führt dadurch sowohl zum Handeln als auch zum Lassen, z.B. die Freiheit lassen…
Es geht allerdings nicht um ein Prinzip, Prozess… - Barmherzigkeit weckt das Gewissen, Nächstenliebe… Hier geht es um eine Beziehung zwischen Menschen. Es geht nicht darum ein Ziel besser durch Lassen … zu erreichen.
(http://www.christ-in-der-gegenwart.de/a ... ag=1844526
cursillo infotext cursillo erfurt oder erfurt@cursillo.de)
Der Kontext des Gleichnisses ist folgender: „Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm [Jesus], um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er [Jesus] ihnen ein Gleichnis… Weiter sagte Jesus: „Ein Mann hatte zwei Söhne…“ LK 15
Jesus rechtfertigt sich also. Er muss so handeln, weil der Vater (Gott) so ist, es will…
Mar, ich bin erstaunt, dass Du schnell vom Happy End sprichst und einen hypothetischen dritten Sohn ins Spiel bringst.
Das Gleichnis endet nicht damit, dass der jüngere Sohn nach Hause kommt und sich Vater und Sohn umarmen.
Was ist mit dem zweiten Sohn? Er ist zornig auf den Vater. Dieser ältere Sohn, will nicht hineingehen. Er macht dem Vater Vorwürfe. Ob sich der zweite Sohn besinnt oder ob er nun gleichsam ein verlorener Sohn ist, dies lässt das Gleichnis offen.
Jesu Lebensgeschichte ging weiter. Sie endete am Kreuz. Da war keine menschliche Barmherzigkeit.
"Philippus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns. Jesus antwortete ihm: Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? (Joh 14, 8-10)
Ist diese Aussage und die Begründung nicht eindeutig?
„Nimmst du von einem Mitbürger den Mantel zum Pfand, dann sollst du ihn bis Sonnenuntergang zurückgeben; denn es ist seine einzige Decke, der Mantel, mit dem er seinen bloßen Leib bedeckt. Worin soll er sonst schlafen? Wenn er zu mir schreit, höre ich es, denn ich habe Mitleid.“ (Ex 22,25 f.)
Würdest Du einem Menschen in der Nacht ohne Zudecke lassen?
Das ist interessant, darin steckt Wahrheit.Aber das Wu-Wei-Prinzip enthält eben ein Paradox, das auf den ersten Blick unüberwindbar erscheint: Wir sollen versuchen, uns weniger anzustrengen. Dann werden wir erfolgreicher sein. Schwer vorstellbar, wenn man in einer Gesellschaft groß wird, in der Anstrengung und permanente Selbstkontrolle als Erfolgsversprechen gelten: Reiß dich zusammen, dann schaffst du es! http://www.fuersie.de/psychologie/perso ... -erreichen
Es gibt sicher Überschneidungen: Barmherzigkeit rückt den Mitmenschen in den Blick und führt dadurch sowohl zum Handeln als auch zum Lassen, z.B. die Freiheit lassen…
Es geht allerdings nicht um ein Prinzip, Prozess… - Barmherzigkeit weckt das Gewissen, Nächstenliebe… Hier geht es um eine Beziehung zwischen Menschen. Es geht nicht darum ein Ziel besser durch Lassen … zu erreichen.
Du nennst es ganz selbstverständlich „Gleichnis vom verlorenen Sohn“. Warum eigentlich? Im griechischen Text des Neuen Testaments gibt es diese Zwischenüberschriften nicht. Überschriften interpretieren. Im Cursillo wird dieses Gleichnis die „Botschaft vom barmherzigen Vater“ genannt:mar hat geschrieben:Das Gleichnis vom verlorenen Sohn empfinde ich als eine schöne und glückliche Geschichte. Es gibt ein Happy End.Aber ich sehe auch, dass dieses Gleichnis sehr Vater-zentriert ist. Hier sehe ich durchschimmern, was ich zur Autonomie des Menschen angedeutet habe: Die Autonomie des Menschen liegt (oder soll liegen?) in der Bindung zu Gott.
(http://www.christ-in-der-gegenwart.de/a ... ag=1844526
cursillo infotext cursillo erfurt oder erfurt@cursillo.de)
Der Kontext des Gleichnisses ist folgender: „Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm [Jesus], um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er [Jesus] ihnen ein Gleichnis… Weiter sagte Jesus: „Ein Mann hatte zwei Söhne…“ LK 15
Jesus rechtfertigt sich also. Er muss so handeln, weil der Vater (Gott) so ist, es will…
Mar, ich bin erstaunt, dass Du schnell vom Happy End sprichst und einen hypothetischen dritten Sohn ins Spiel bringst.
Das Gleichnis endet nicht damit, dass der jüngere Sohn nach Hause kommt und sich Vater und Sohn umarmen.
Was ist mit dem zweiten Sohn? Er ist zornig auf den Vater. Dieser ältere Sohn, will nicht hineingehen. Er macht dem Vater Vorwürfe. Ob sich der zweite Sohn besinnt oder ob er nun gleichsam ein verlorener Sohn ist, dies lässt das Gleichnis offen.
Jesu Lebensgeschichte ging weiter. Sie endete am Kreuz. Da war keine menschliche Barmherzigkeit.
Der Vater wartet voller Trauer und Sehnsucht. Schließlich geht er dem Sohn in der Welt nach und stirbt für ihn, lässt sich für ihn kreuzigen. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13)mar hat geschrieben:Wie reagiert der Vater auf diesen dritten Sohn, wenn dieser sich von seinem Vater lossagt, auf sein Erbteil verzichtet und in die Welt zieht, um dort Barmherzigkeit zu üben und nie wieder zurückkehrt?
"Philippus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns. Jesus antwortete ihm: Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? (Joh 14, 8-10)
Er durfte sich den Mantel nehmen als Sicherheit aber nur bis zum Abend.mar hat geschrieben:Was ist nun mit demjenigen, der dem Armen Geld leiht und dafür den Mantel pfändet? Hat der kein Mitleid? Ist er nicht leidenschaftlich?
Ist diese Aussage und die Begründung nicht eindeutig?
„Nimmst du von einem Mitbürger den Mantel zum Pfand, dann sollst du ihn bis Sonnenuntergang zurückgeben; denn es ist seine einzige Decke, der Mantel, mit dem er seinen bloßen Leib bedeckt. Worin soll er sonst schlafen? Wenn er zu mir schreit, höre ich es, denn ich habe Mitleid.“ (Ex 22,25 f.)
Würdest Du einem Menschen in der Nacht ohne Zudecke lassen?
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder
Huhu Christel, Barmherzigkeit und Wu-Wei sind sicherlich zwei ganz verschiedene Konzepte und die Überschneidungen sind vielleicht erstmal sehr gering. Ich finde häufig, dass Wu-Wei sehr missverständlich beschrieben wird. Und selbst dann, wenn es gut dargestellt wird, ist es nahzu unmöglich zu verstehen, wenn man aus der abendländischen Denktradition der aristotelischen Logik kommt. Ich hatte es hier eigentlich nur angeführt, weil ich mir die Frage stelle, wie man Barmherzigkeit üben kann. Durch Praxis? Durch Vorbild von Lehrern, Eltern, Peers? Durch den Verweis auf das Gewissen? Durch heroische Geschichten und Heiligenlegenden? Durch Werte und moralische Vorgaben? Durch Regeln und Gebote? Durch Strafandrohung, wenn jemand in dem Ziel versagt? Wo steckt in all dem die intuitive Spontaneität, und wo kommt sie her, wenn sie nicht bereits da ist?
Und das ist auch die Frage, die ich an Ex 22, 24-26 stelle. Dort wird der Geldleiher angewiesen, was er tun darf, bzw. eher was er nicht tun darf. Warum ist diese Anweisung notwendig? Warum handelt der Geldleiher nicht spontan und intuitiv barmherzig und lässt dem Armen seinen Mantel, ohne auf eine Regel angewiesen zu sein? Wenn Du fragst "Würdest Du einen Menschen in der Nacht ohne Zudecke lassen?" dann antworte ich (wobei mir ganz klar ist, dass ich kein Heiliger bin und nicht besser als die anderen Menschen): Klar würde ich den Menschen nicht ohne Zudecke lassen! Das erscheint mir intuitiv so völlig selbstverständlich! Trotzdem hat Gott scheinbar die Regel für notwendig erachtet, um den Armen zu schützen. Ist diese Regel nur ein letzter Notnagel, der greift, wenn alle anderen Bemühungen versagen? Wie kann man den Geldleiher dabei unterstützen, seine Intuition zur Anwendung zu bringen, ohne auf die Vorschrift angewiesen zu sein? Was sind die Rahmenbedingungen einer sozialen Gemeinschaft, die helfende Spontaneität fördern, anstatt mit Regeln und Strafen zu drohen?
Die Botschaft vom barmherzigen Vater ist für mich ein schwieriger Text. Ich sehe, dass dieser Titel einen anderen Schwerpunkt setzt. Du hattest die Geschichte angeführt, um die Leidenschaftlichkeit des Vaters zu beschreiben, nicht um auf den "verlorenen Sohn" zu verweisen. Ich hatte auch den Kontext der Zöllner, Sünder und Pharisäer verpasst, der Jesus veranlasst diese Geschichte zu erzählen. Das Gleichnis gibt beiden Gruppen, den Sündern und den Rechtschaffenen, eine Antwort. Und auch richtig, für den ersten Sohn ist das Happy-End nicht ausgemacht. Und die Perspektive, dass der erste Sohn mit offenen Ende auch ein "verlorener Sohn" sein könnte, ist für mich neu und überraschend. Dank' Dir für den Hinweis. Dass der Vater voller Trauer und Sehnsucht ist, kann ich nachfühlen. Ein Kind zu verlieren, denke ich, ist einer der schlimmsten Verluste überhaupt. Aber selbst das neue Testament stellt die Loyalität zu den Eltern oder gar die Elternliebe nicht absolut. Jesus sagt zu den Fischern: Lasst alles liegen, verabschiedet euch nicht von euren Familien und folgt mir nach. Das hat mich immer bekümmert, weil ich mich gefragt habe, was jetzt mit den Eltern und Familien ist. Und so gut das Gleichnis eine Antwort an die Zöllner und Pharisäer ist, hakele ich mit der Geschichte, weil ich mich dort nicht finde. Was ist mit Mk 16, 16 "Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden."? Für diese Frage habe ich den dritten Sohn erfunden. Und wenn wir uns von Vater und Jesus gar nicht völlig lösen können, weil sie uns in die Welt begleiten (so verstehe ich Dich), warum sagt Jesus dem Phillipus dann nicht: Glaubst du nicht, dass du im Vater bist und dass der Vater in Dir ist? Wozu der "Umweg" über Jesus?
Ich hatte gesagt, ich würde mich zurücknehmen. Trotzdem möchte ich hier noch was weiterspinnen. Ich hoffe, du fühlst dich nicht erdrückt. Es ist schwerer, teilweise melancholischer und bitterer Stoff. Ich erwarte auch nicht unbedingt einen Kommentar. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn (nicht das vom barmherzigen Vater) gibt es auch als Apokryphe ;) die in zwei Varianten kommt. Beide Varianten beginnen gleich:
Und das ist auch die Frage, die ich an Ex 22, 24-26 stelle. Dort wird der Geldleiher angewiesen, was er tun darf, bzw. eher was er nicht tun darf. Warum ist diese Anweisung notwendig? Warum handelt der Geldleiher nicht spontan und intuitiv barmherzig und lässt dem Armen seinen Mantel, ohne auf eine Regel angewiesen zu sein? Wenn Du fragst "Würdest Du einen Menschen in der Nacht ohne Zudecke lassen?" dann antworte ich (wobei mir ganz klar ist, dass ich kein Heiliger bin und nicht besser als die anderen Menschen): Klar würde ich den Menschen nicht ohne Zudecke lassen! Das erscheint mir intuitiv so völlig selbstverständlich! Trotzdem hat Gott scheinbar die Regel für notwendig erachtet, um den Armen zu schützen. Ist diese Regel nur ein letzter Notnagel, der greift, wenn alle anderen Bemühungen versagen? Wie kann man den Geldleiher dabei unterstützen, seine Intuition zur Anwendung zu bringen, ohne auf die Vorschrift angewiesen zu sein? Was sind die Rahmenbedingungen einer sozialen Gemeinschaft, die helfende Spontaneität fördern, anstatt mit Regeln und Strafen zu drohen?
Die Botschaft vom barmherzigen Vater ist für mich ein schwieriger Text. Ich sehe, dass dieser Titel einen anderen Schwerpunkt setzt. Du hattest die Geschichte angeführt, um die Leidenschaftlichkeit des Vaters zu beschreiben, nicht um auf den "verlorenen Sohn" zu verweisen. Ich hatte auch den Kontext der Zöllner, Sünder und Pharisäer verpasst, der Jesus veranlasst diese Geschichte zu erzählen. Das Gleichnis gibt beiden Gruppen, den Sündern und den Rechtschaffenen, eine Antwort. Und auch richtig, für den ersten Sohn ist das Happy-End nicht ausgemacht. Und die Perspektive, dass der erste Sohn mit offenen Ende auch ein "verlorener Sohn" sein könnte, ist für mich neu und überraschend. Dank' Dir für den Hinweis. Dass der Vater voller Trauer und Sehnsucht ist, kann ich nachfühlen. Ein Kind zu verlieren, denke ich, ist einer der schlimmsten Verluste überhaupt. Aber selbst das neue Testament stellt die Loyalität zu den Eltern oder gar die Elternliebe nicht absolut. Jesus sagt zu den Fischern: Lasst alles liegen, verabschiedet euch nicht von euren Familien und folgt mir nach. Das hat mich immer bekümmert, weil ich mich gefragt habe, was jetzt mit den Eltern und Familien ist. Und so gut das Gleichnis eine Antwort an die Zöllner und Pharisäer ist, hakele ich mit der Geschichte, weil ich mich dort nicht finde. Was ist mit Mk 16, 16 "Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden."? Für diese Frage habe ich den dritten Sohn erfunden. Und wenn wir uns von Vater und Jesus gar nicht völlig lösen können, weil sie uns in die Welt begleiten (so verstehe ich Dich), warum sagt Jesus dem Phillipus dann nicht: Glaubst du nicht, dass du im Vater bist und dass der Vater in Dir ist? Wozu der "Umweg" über Jesus?
Ich hatte gesagt, ich würde mich zurücknehmen. Trotzdem möchte ich hier noch was weiterspinnen. Ich hoffe, du fühlst dich nicht erdrückt. Es ist schwerer, teilweise melancholischer und bitterer Stoff. Ich erwarte auch nicht unbedingt einen Kommentar. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn (nicht das vom barmherzigen Vater) gibt es auch als Apokryphe ;) die in zwei Varianten kommt. Beide Varianten beginnen gleich:
Die erste Variante endet so:Nachdem der zweite Sohn zurückgekehrt war, verschwand der Vater plötzlich und unerklärlich. Kurz nach dem Verschwinden des Vaters wurde der dritte Sohn geboren. Er hat seinen Vater nicht mehr kennengelernt. Am Hof gab es verschiedene Fraktionen. Einige verehrten den Vater als barmherzig und hielten ihn in gutem Angedenken. Andere ließen durchblicken, dass sie froh waren, aus der selbstgerechten Knechtschaft des Vaters befreit zu sein. Einige von diesen behaupteten sogar, der Vater habe nie gelebt, die Erinnerung sei eine Erfindung. Der dritte Sohn fragte alle nach seinem Vater. Und er fand, dass unter den Verehrern auch Leute waren, die selbstgerecht und hinterrücks handelten, genauso wie unter den Nicht-Verehrern Leute waren, die selbstlos und liebenswürdig handelten. Es gab auch eine Gruppe von Knechten, die auf die Fragen des Sohnes nur mit der Schulter zuckten und sagten: Es gibt Arbeit im Weinberg. Wir müssen die Ernte einbringen, damit wir den Winter überstehen. Das geht besser, wenn wir kooperieren und und uns nicht zu viel streiten. Unter den Verehrern des Vaters gab es auch einige, die sagten, der Vater sei gar nicht verschwunden, er habe sich nur in ein Privatgemach zurückgezogen. Manche von diesen behaupteten sogar, dass sie mit dem Vater sprächen und seine Befehle übermitteln. Andere sagten, dass sei nur eine Lüge der Anhänger des Vaters, die damit ihre Machstellung am Hof festigen wollten. So viel der dritte Sohn auch suchte, er konnte den Vater auf dem Hof nicht finden. So sagte er sich eines Tages: What the heck, was nützt das ganze Grübeln, ich falle hier den Leuten mit meinen Fragen nur zur Last und bin zu nichts nütze. Daraufhin verzichtete er auf seinen Erbteil und zog in die Welt um Barmherzigkeit zu üben.
Die zweite Variante endet so:Der Sohn zog in die Welt und übte Barmherzigkeit. Aber immer wieder musste er an seinen Vater denken. Manchmal war er traurig, manchmal war er voller Zorn über das unerklärliche Verschwinden seines Vaters. Er wurde zunehmend grüblerisch und abweisend. Die Menschen mieden ihn, weil er sich nicht in ihre Gemeinschaft einfügte. Manchmal traf der Sohn auf Leute, die er vom Hof des Vaters kannte. Sie redeten ihm in's Gewissen und sagten: Wenn der Vater noch da wäre, dann wäre er sicher sehr traurig, dass der Sohn nicht auf seinem Hof geblieben sei. Eines Tages war der dritte Sohn so zerrissen und verzweifelt, dass er einen Strick nahm und sich an einem Baum aufhing. Es wird berichtet, dass die Leiche dort noch lange hing, weil die Leute sagten, Selbstmord sei Sünde und sich ihre Hände nicht an der Leiche beflecken wollten. Ein paar armselige Kreaturen wurden jedoch durch die Leiche vor dem Hungertod bewahrt: Krähen, Aaskäfer und Würmer. Das Leben in der Welt nahm seinen Lauf, wie es immer schon gewesen war.
Der Sohn übte sich in Barmherzigkeit. Die Menschen schätzten ihn, weil er etwas in ihre Gemeinschaft einbrachte. Zu seiner Erinnerung an den Hof des Vaters entwickelte der dritte Sohn eine zunehmende Gelassenheit. Er war weder besonders stolz, noch besonders traurig, noch besonders zornig. Der dritte Sohn spürte, dass sein Handeln den anderen Menschen gut tat. Und dass es ihm selbst gut tat. Eines Tages starb er still und friedlich mit einem Lächeln auf den Lippen. Nach seinem Tod stritten die Menschen, ob man ihn heilig sprechen sollte. Einige meinten jedoch, dass wäre nicht in seinem Sinne gewesen, weil er sich immer nur als unbedeutenden Menschen unter anderen Menschen gesehen hätte.
Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder
Warum handeln Menschen so und nicht so? Weil Menschen keine trivialen Maschinen sind, denen man einen Anstoß gibt, worauf sie sich in die entsprechende Richtung bewegen?mar hat geschrieben:Und das ist auch die Frage, die ich an Ex 22, 24-26 stelle. Dort wird der Geldleiher angewiesen, was er tun darf, bzw. eher was er nicht tun darf. Warum ist diese Anweisung notwendig?
Ich beginne noch einmal mit dem Gleichnis Lk 15,11-32. Der Vater hätte auch anders reagieren können:
Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne.
12 Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf.
Das hätte der Vater nicht tun müssen. Die Söhne waren Erben, aber erst nach dem Tod des Vaters.
Alternativ wären folgende Handlungsweisen des Vaters denkbar:
Der Vater teilt sein Vermögen nicht unter seinen Söhnen auf. Mit dem jüngeren Sohn geht der Vater so um:
a) Der Vater lacht den Sohn aus, verweist ihn auf die Rechtslage und empfiehlt ihm zu arbeiten.
b) Der Vater rastet aus, beschimpft ihn und jagt ihn ohne Geld davon.
c) Der Vater informiert sich detailliert über die Pläne des Sohnes und besteht auf Überarbeitung. Nach der 666. Version bekommt der jüngere Sohn einen kleineren Betrag und geht davon.
13 Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen.
14 Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht.
15 Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten.
16 Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon.
17 Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um.
18 Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt.
19 Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.
20 Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Alternativ wären folgende Handlungsweisen des Vaters denkbar:
a) Der Vater sieht den Sohn nicht kommen. Er hat ihn sowieso längst abgeschrieben. Einen Job hat er auch nicht für ihn.
b) Dem Vater wird berichtet, dass ein Sohn vor der Tür steht. Schadenfroh blickt der Vater durchs Fenster. Mittels eines Dieners erfährt der Vater, was der Sohn will. Daraufhin gibt er ihm einen Job und zwar den miesesten, den er hat.
c) Der Vater lässt den Sohn antreten, der schon ganz Kleinlaut ist und macht ihn vor der versammelten Dienerschaft noch keiner.
21 Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.
Sehr richtig antwortet der Vater!
Die Verse Lk 15,22-24 entfallen. Denn der wieder eingetroffene jüngere Sohn bekommt keine neue Kleidung, keinen Kalbsbraten, keine Musik, kein Tanz, kein Fest.
25 Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er nichts.
Die Verse Lk 15,26-32 entfallen ebenfalls.
Der ältere Sohn geht ins Haus und erfährt vom Vater, was geschehen ist. Beide sind sich einig, dem jüngeren Sohn ist Recht geschehen. Denn er hat das Vermögen des Vaters mit Dirnen durchgebracht. Damit hat er sein Recht verwirkt Sohn zu sein. Er gehört nicht mehr zur Familie. Das Erbe gehört allein dem älteren, dem treuen Sohn. Der Konflikt zwischen dem Vater und zweiten älteren Sohn findet nicht statt. Im Gegenteil, das Geschick des abtrünnigen Sohnes hat die Bande zwischen Vater und Sohn bestärkt.
In diesem umgestalteten Gleichnis kommt keine Barmherzigkeit vor!
mar, Deine Geschichte vom verschwundenen Vater in Deinem letzten Beitrag erinnert an unsere Situation und an die Situation in den Evangelien:
Der Unterschied dazu lässt sich an diesem Satz festmachen:verschiedene Fraktionen. Einige verehrten den Vater als barmherzig und hielten ihn in gutem Angedenken. Andere ließen durchblicken, dass sie froh waren, aus der selbstgerechten Knechtschaft des Vaters befreit zu sein. Einige von diesen behaupteten sogar, der Vater habe nie gelebt, die Erinnerung sei eine Erfindung. …
„Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ (Joh. 1,18)
Oder dasselbe, aber etwas weniger polarisiert:
„Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat; er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens…“ (Hebr. 1,1-3)
Daraus folgt:
Wenn Jesus, der ist, der es als einziger wirklich weiß, wie der Vater ist, wenn er der ist, der wirklich Kunde gebracht hat, dann kommt es darauf an ihm zu glauben und ihm zu folgen.
Und weiter folgt daraus:
Von diesem Standpunkt aus erscheinen die Texte der Bibel in einem neuen Licht. Die Bibel ist dann nicht mehr platt „Gottes Wort“, sondern darin steht, was Menschen in einem langen Prozess von Gott verstanden haben oder zu verstehen meinten. Am Ende dieses Prozesses zunehmender Erfahrung/Erkenntnis erscheint der Sohn, der der wirklich Kunde bringen konnte. Also ein revolutionärer Einschnitt, der alles andere als harmonisch verlief.
Hans Küng stellt die Frage: „Warum er sterben musste?“ Dort schreibt er u.a.:
Nimmt man freilich nicht nur die Passionsgeschichte, sondern die Evangelien als ganze, auf deren Hintergrund die Passionsgeschichte überhaupt erst verständlich wird, so ist völlig klar, warum es so weit kam, warum er nicht durch eine Vergiftung, einen Herzschlag, einen Unfall oder durch Altersschwäche gestorben ist, sondern ermordet wurde. Oder hätte die Hierarchie diesen Radikalen, der eigenmächtig ohne Ableitung und Begründung Gottes Willen verkündete, laufenlassen sollen?
Diesen Irrlehrer, der das Gesetz und die gesamte religiös-gesellschaftliche Ordnung vergleichgültigte und Verwirrung ins religiös und politisch unwissende Volk brachte?
Diesen Lügenpropheten, der den Untergang des Tempels prophezeite und den ganzen Kult relativierte und gerade die traditionell Frommen zutiefst verunsicherte?
Diesen Gotteslästerer, der in einer keine Grenzen kennenden Liebe Unfromme und moralisch Haltlose, Gesetzesbrecher und Gesetzlose in seine Gefolgschaft und Freundschaft aufgenommen hat, der so in untergründiger Gesetzes- und Tempelfeindlichkeit den hohen und gerechten Tora- und Tempelgott zu einem Gott dieser Gottlosen und Hoffnungslosen erniedrigte und in ungeheuerlicher Anmaßung sogar durch persönliche Gewährung und Verbrüderung von Vergebung hier und jetzt in Gottes ureigene souveräne Rechte eingriff?
Diesen Volksverführer, … (Jesus / Hans Küng, München, 2012 S.225 f.)
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder
Streiten sich die zwei Söhne und kommen zu ihrem Vater. Der eine trägt seine Meinung vor. Sagt der Vater: Du hast recht. Trägt der andere seine Meinung vor: Sagt der Vater zu ihm: Ja, du hast auch recht. Tritt der Dritte Sohn dazwischen und sagt: Aber Vater, du hast dem einen Recht gegeben, und seine Meinung ist das Gegenteil des anderen. Und dem hast du auch Recht gegeben. Das geht doch nicht! Das widerspricht sich doch! Sagt der Vater zum Dritten: Ja, du hast auch recht.
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