Man benötigt keine große geschichtliche und politische Bildung um zu erkennen, dass die vom Holuwir und Roth gezeigten Beispiele der Grausamkeit des Menschen gegen den Menschen sich nicht auf das Verhalten von Christen eingrenzen lassen -
„homo homini lupus“.
Schuldabwehr wurde nicht erst durch die moderne Psychologie entdeckt. Bereits vor rund 3000 Jahre wurde dies als typisch menschliches Verhalten identifiziert, Genesis 3:
12 Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben und so habe ich gegessen.
13 Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt und so habe ich gegessen.
Typisch menschlich ist der Vergleich und die damit verbundene Selbstaufwertung, Lukas 18,11):
Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.
Danach werden die eigenen Vorzüge aufgezählt.
Typisch menschlich ist auch die Entrüstung, natürlich über andere, Lukas 19,7:
7 Als die Leute das sahen, empörten sie sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt.
All das sind Mittel der Schuldabwehr, der Aufwertung und Stabilisierung der eigenen Person.
Der Mensch rechtfertigt sich hierbei selbst. Er übernimmt keine Verantwortung, schiebt sie vielmehr auf andere Menschen ab.
In sich stabil und mit sich selbstzufrieden sieht der Mensch keine Veranlassung sich selbst zu verändern.
Der christliche Ansatz ist ein anderer, Römer 3,10 ff.
Es gibt keinen, der gerecht ist, auch nicht einen
Niemand schafft es wirklich gerecht zu werden, nicht durch Werke und schon gar nicht durch Selbstrechtfertigung (siehe oben, Vergleiche insbesondere die Selbstrechtfertigung durch den Vergleich, Lukas 18,11).
Lukas 18,13 zeigt ein alternatives Verhalten, ohne Selbstrechtfertigung.
13 Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Jesus spricht:
14 Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht.
Paulus schlussfolgert:
Römer 3,23f. „Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren. Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus.“
Niemand kann sich selbst rechtfertigen. Das geht daneben und verstört das menschliche Miteinander, menschliche Gemeinschaft wird so unmöglich. Zudem setzt Selbstrechtfertigung nicht auf Selbstveränderung, sondern auf die Veränderung anderer Menschen.
Niemand ist gerecht, führt zur Selbsterkenntnis, zur Übernahme von Verantwortung und Umkehr.
Alle bedürfen der Barmherzigkeit Gottes und Gott spricht den Sünder gerecht, eröffnet den Raum zum barmherzigen Umgang mit sich selbst, mit den eigenen Fehlern und Schwächen und mit den Schwächen der Mitmenschen.
Die Erkenntnis der Barmherzigkeit und Liebe Gottes, die in Jesus Christus offenbar wurde, führt in die Nachfolge Jesu.
DEUS CARITAS EST, PAPSTBENEDIKT XVI. 2005
,,Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm’’ (1Joh 4, 16). In diesen Worten aus dem Ersten Johannesbrief ist die Mitte des christlichen Glaubens, das christliche Gottesbild und auch das daraus folgende Bild des Menschen und seines Weges in einzigartiger Klarheit ausgesprochen. Außerdem gibt uns Johannes in demselben Vers auch sozusagen eine Formel der christlichen Existenz: ,,Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hat, und ihr geglaubt’’ (vgl. 4, 16).
Mehr:
http://w2.vatican.va/content/benedict-x ... s-est.html