(Zitat von mir gekürzt)emery hat geschrieben: ↑Dienstag 20. November 2018, 19:09Ich möchte hier gern einen zufälliges Lesefundstück einfügen. Weil es gut tut mit der Einschätzung einer Situation nicht völlig alleine dazustehen. Yuval Noah Harari fasst hier zusammen, was ich sagen wollte und benennt genau das Sentiment von Desillusion und Zorn, auf das ich mit dem Nietzsche-Zitat anspielen wollte. In 21 Lessons for the 21st Century schreibt er, folgend auf eine Analyse der Krise des Liberalismus:Zur Zeit ist die Menscheit weit entfernt zu diesen Fragen einen Konsens zu erreichen. Wir befinden uns noch im nihilistischen Moment der Desillusion und des Zorns, nach dem Menschen den Glauben an alte Geschichten verloren, aber bevor sie neue angenommen haben. Also, was kommt als Nächstes?
Harari scheint so wie Nietzsche eine Art „Gott ist tot“-Philosophie zu vertreten.
Weshalb haben laut Harari die „Menschen den Glauben an alte Geschichten verloren“?
Auch ein zufälliges Fundstück, erklärt das so:
Von Yuval Noah Harari aus: Homo Deus, ISBN 9783406704017, Seite 237f.
Dort beschreibt er richtig, dass die „Juden in der Antike“ in Dürre oder „wenn König Nebukadnezar von Babylon in Judäa einmarschierte und die Menschen vertrieb“ „göttliche Strafen für ihre eigenen Sünden“ sahen. Harari benennt andere Ursachen und betont richtig, dass „die Bibel keinerlei Interesse“ zeigt „die globale Ökologie, die babylonische Ökonomie oder das politische System Persiens zu verstehen."
Dann schlussfolgert er:
Ist es nicht arrogant die Menschen der Antike mit Fünfjährigen zu vergleichen?Eine solche Selbstbezogenheit zeichnet alle Menschen in ihrer Kindheit aus. Kinder aller Religionen und Kulturen glauben, sie seien der Mittelpunkt der Welt, und zeigen deshalb wenig Interesse an der Situation und den Gefühlen anderer Menschen. Aus diesem Grund ist eine Ehescheidung für Kinder so dramatisch, denn ein Fünfjähriger kann nicht verstehen, dass etwas Wichtiges geschieht, die nichts mit ihm zu tun haben.“
Evolutionsbiologisch gesehen sind es „Jetztmenschen“, uns gleich.
Ist ihnen wirklich vorzuwerfen, dass sie die Geschichte aus ihrer eigenen Perspektive schilderten?
Zudem stimmen zwar Harari’s Beispiele, aber nicht in dieser Absolutheit.
Auch im Alten Testament wird nicht alles Leid als Strafe Gottes interpretiert, auch Dürre nicht.
Ich erinnere an den Gründungsmythos, den Auszug aus Ägypten:
Das Leid der Juden im „Sklavenhaus Ägypten“ wurde keineswegs als Strafe Gottes verstanden, sondern schlicht als ungerecht. - Gott JHWH, ist der Gott, der da ist, die Klagen hört und daraus befreit.Der Auszug aus Ägypten oder Exodus (lat. „Auszug“) ist die mythische Erzählung von der Rettung der Israeliten aus der Sklaverei des Pharao Ägyptens, die im Buch Exodus in Kapitel 1-15 zu finden ist. Damit beginnt im Tanach (der hebräischen Bibel) die besondere Geschichte Israels mit seinem Gott JHWH, durch die er sich seinem Volk bekannt macht und es zu seinem Bundespartner erwählt. Diese theologische Ursprungsgeschichte Israels ist das zentrale Glaubensbekenntnis des Judentums.
https://www.jewiki.net/wiki/Auszug_aus_%C3%84gypten
Immer wieder wird ungerechtes Leid beklagt, auch das der Propheten…
Ganz deutlich wird einem generellen SEIN-Ergehens-Zusammenhang im Buch Hiob widersprochen.
Gibt es nicht heute Menschen, die den Klimawandel als von Menschen mitverursacht bestreiten?
Sind das jetzt die Erwachsenen im Gegensatz zu den „Fünfjährigen“, die bei sich die Schuld suchen?
Ist denn immer nur eine einzige Ursache vorhanden? Ist Harari's Pespektive die Richtige und die der Bibelschreiber die Falsche?
Gibt es immer nur eine richtige Perspektive?
Zu Yuval Noah Harari: „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ fand ich diesen interessanten Kommentar
Kleine Elite und eine Klasse der „Nutzlosen“Von Thorsten Jantschek
Darin heißt es :
Demnach bietet Harari eine Lösung für die Gegenwartsprobleme an.Die Gegenwart ist also gekennzeichnet durch eine radikale Unsicherheit und verbunden mit der Aufgabe, ein neues Narrativ für die Zukunft zu erfinden. Und wie sieht das aus? Für Harari besteht dieses Narrativ im Kern aus einer säkularen Haltung, in der die Suche nach Wahrheit die eine, und das Mitgefühl für das Leiden der Anderen die andere Verpflichtung ist. Man könnte das eine „aufgeklärte Mitleidsmoral“ nennen. https://www.deutschlandfunkkultur.de/yu ... _id=428365
Thorsten Jantschek kommentiert:
Ich denke, Neues wächst immer aus Altem. Dabei entstehen auch so manche Irrwege.Ausgerechnet auf der Grundlage eines berechenbaren und kontrollierbaren Gefühls sollen wir die Zukunft bewältigen? Eines Gefühls, das auch ohne Algorithmen ziemlich schwankend ist, das Menschen, denen wir nahe stehen, stärker zu Teil wird als solchen, die uns fern sind? Waren wir da nicht schon mit den Denkern der Aufklärung bis hin zu den (liberalistischen) Philosophen einer universalen Moral, wie zum Beispiel John Rawls, weiter? Waren wir!https://www.deutschlandfunkkultur.de/yu ... _id=428365