"Schöpfung" umschreibt die Entstehung der Welt. Die einen meinen den Begriff wörtlich, einen teleologischen Prozess, der von einem Schöpfergott veranlasst und in irgendeiner Form gezielt gesteuert wurde. Andere verstehen darunter eine Metapher für einen unteleologischen Prozess, der allein von den deterministischen, aber ungesteuerten Kräften der Materie angestoßen worden ist und auf unabsehbare Zeit in Gang gehalten wird. Nur eines von beiden kommt in Frage. Dazwischen gibt es nichts.
Um herauszufinden, was von beiden zutrifft, können wir diese entstandene Welt erforschen. Wir können nach Hinweisen suchen, die uns helfen, die Frage nach dem Ursprung zu beantworten. Darin hat die Welt in den letzten zwei Jahrhunderten gewaltige Fortschritte gemacht. Der wohl herausragendste Physiker und Naturforscher war wohl Albert Einstein. Insofern hat sein Antwort auf diese Frage besonderes Gewicht. Welche Position bezieht er?
Christel hat dazu z. B. diese Aussagen von Ihm zitiert:
"Jene mit tiefem Gefühl verbundene Überzeugung von einer überlegenen Vernunft, die sich in der erfahrbaren Welt offenbart, bildet meinen Gottesbegriff; man kann ihn also in der üblichen Ausdrucksweise als »pantheistisch« (Spinoza) bezeichnen."
(Albert Einstein: "Mein Weltbild", "Über wissenschaftliche Wahrheit")
Meint er damit den Schöpfergott, an den Juden und Christen glauben? Nein. Dazu sagt Einstein eindeutig:
"Einen Gott, der die Objekte seines Schaffens belohnt und bestraft, der überhaupt einen Willen hat nach Art desjenigen, den wir an uns selbst erleben, kann ich mir nicht einbilden."
(Albert Einstein: "Mein Weltbild", "Wie ich die Welt sehe")
Was meint er aber dann mit "Vernunft", wenn nicht eine geistige Fähigkeit eines übernatürlichen Wesens? Hier kommt die Lösung:
"Es ist gewiß, daß eine mit religiösem Gefühl verwandte Überzeugung von der Vernunft bzw. Begreiflichkeit der Welt aller feineren wissenschaftlichen Arbeit zugrunde liegt."
(Albert Einstein: "Mein Weltbild", "Über wissenschaftliche Wahrheit")
"Begreiflichkeit" ein Synonym für "Vernunft"? Tatsächlich wird der Begriff "Venunft" in einer weiteren, weithin unüblichen Bedeutung verwendet, die Einstein offensichtlich gemeint hat:
"Neben dieser Vernunft als subjektives Vermögen eines Menschen oder „endlichen Vernunftwesens“ [..] nahmen einige Philosophen die Existenz einer objektiven Vernunft an: ein die Welt durchwaltendes und ordnendes Prinzip als metaphysische oder kosmologische Vernunft ..."
(https://de.wikipedia.org/wiki/Vernunft)
Objektive, also Objekten innewohnende Vernunft kommt dem pantheistischen Gottesbegriff sehr nahe. Einstein spricht also nicht von der subjektiven Vernunft eines Gottes, die die subjektive Vernunft von Menschen übersteige, sondern von objektiver, also materiellen Objekten innewohnenender Vernunft, so ungewöhnlich uns diese Verwendung des Begriffes auch erscheinen mag. Nur so lassen sich die verschiedenen Stellungnahmen Einsteins widerspruchsfrei zusammenführen.
Nein, Einstein glaubte nicht an einen persönlichen Schöpfergott, sondern an das, das ganze Universum durchdringende, Ordnungsprinzip der vier physikalischen, ganz und gar unteleologischen Grundkräfte, die allein für die Entstehung der Welt verantwortlich sind. Diese dann Gott zu nennen, eine kosmische Religiosität daraus abzuleiten und damit nicht als Atheist zu gelten, sei jedem freigestellt. Ich persönlich nehme davon Abstand, denn das schafft nur Missverständnisse, wie hier deutlich zu beobachten ist.