„Die Stechfliege“ ein antikatholischer Roman und DEFA Film

Diskussionen rund um Glaubensfragen

Moderatoren: niels, Kirche und Religionen

Forumsregeln
Glaube und Religion im Eichsfeld Wiki:
Religion im Eichsfeld
Kategorie: Religion im Eichsfeld
Kirchen im Eichsfeld
Benutzeravatar
Atheisius
Senior- Mitglied
Beiträge: 1761
Registriert: Donnerstag 24. September 2015, 16:40
PLZ: 11111

„Die Stechfliege“ ein antikatholischer Roman und DEFA Film

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Auf der Suche nach Geschichtsliteratur im Internet stieß ich bei booklooker auf das Buch "Die Stechfliege" Den Roman habe ich nicht gelesen aber ich erinnerte mich sofort den Film habe ich in der DDR gesehen und zwar als zehnjähriger Junge. Deshalb habe ich etwas nachrecherchiert.

Der Roman wurde geschrieben von Ethel Voynich

Ihr bekanntestes Werk The Gadfly (Die Stechfliege, 1897 in den USA erschienen) hatte nach dem Sieg der Revolution in Russland einen ungeheuren Erfolg. Die Novelle über die Kämpfe und Leiden eines internationalen Aktivisten in Italien war in der Sowjetunion ein Bestseller und Schullektüre. Bis zu ihrem Tod wurden in der Sowjetunion 2.500.000 Exemplare verkauft, das Werk wurde in 18 Landessprachen übersetzt und zahllose Dissertationen und wissenschaftliche Arbeiten erschienen.
1955 wurde die Stechfliege (russ. „Ovod“) von dem sowjetischen Regisseur Alexander Fainzimmer verfilmt. Die Filmmusik schrieb der berühmte Komponist Dmitri Schostakowitsch (op. 97).
Umso seltsamer, dass die damals noch lebende Ethel Voynich bis 1955 in Russland unbekannt war und umgekehrt die Autorin von ihrem Ruhm und ihren Riesenauflagen in der Sowjetunion keine Ahnung hatte.
Auch in der Volksrepublik China war das Werk sehr populär, wo die Stechfliege mit einer Auflage von mehr als 700.000 Exemplaren verbreitet war.
Außerdem wurde die Stechfliege 1898 von George Bernard Shaw für die Bühne adaptiert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ethel_Lilian_Voynich
Zum Buch:
https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/E ... KOEAz01ZZQ
1955 wurde der Roman als sowjetische Verfilmung bei Lenfilm in der UdSSR produziert und kam 1956 über die DEFA auch in die DDR.

Der Film wurde in dem überwiegend katholischen Dingelstädt/Eichsfeld ebenfalls aufgeführt. Abends für Erwachsene und vormittags für die Schüler der Grundschule Dingelstädt. Meine damalige Schulklasse (6. Schuljahr, ich war zehn Jahre alt) nahm geschlossen mit anderen Schulklassen an der Filmvorführung teil.

Im Mitteilungskasten an der katholischen Kirche wurde ein Protestschreiben gegen den Film veröffentlicht, was dann einen Sturm der Empörung bei unseren Eltern hervorrief. Auf Betreiben der Stasi wurde (musste) der Aushang dann am nächsten Tag wieder entfernt. Im Internet ist heute nicht mehr viel über den Inhalt des Films zu sehen. Ich habe aber auf meinem PC einen ausführlichen Bericht über den Film und die Ereignisse in Dingelstädt und der damaligen Kreisstadt Worbis abgespeichert.

Die Quellen der Informationen bezüglich der Stadt Dingelstädt usw. befinden sich im Bundesarchiv Filmarchiv

Nun zudem, was ich auf meinem PC dazu gespeichert habe:

Film die Stechfliege: Ersteinsatz: 6. Januar 1956

Italien um 1830. Der 20jährige Student Arthur lebt im Hause seines Stiefbruders. Er ist ein gläubiger Katholik, nicht zuletzt weil er Pater Montanelli, der ihn erzogen hat, nacheifern will. Zugleich gehört er dem Geheimbund „Junges Italien“ an, der für die Einheit Italiens, gegen die österreichische Besatzung und den Kirchenstaat kämpft. Montanelli wird zum Bischof in einer anderen Stadt ernannt. Montanellis Nachfolger, Pater Gardi, entlockt Arthur in der Beichte einige Angaben über die Verschwörung und meldet sie der Geheimpolizei.
Arthur und seine Freunde werden verhaftet. Im Gefängnis wird ihm klar, daß Gardi das Beichtgeheimnis gebrochen hat und er selbst der unwissentliche Verräter war. Nach seiner Entlassung erfährt er, dass Montanelli sein leiblicher Vater ist. Arthur kündigt in einem Brief an Montanelli seinen Selbstmord an und verschwindet spurlos. 13 Jahre später. Überall wird nach einem Revolutionär mit dem Decknamen „Stechfliege“ gesucht, der Flugschriften gegen die Österreicher und den Papst verfaßt und in Süditalien Aufstände organisiert. Es ist Arthur, der unter dem Namen Rivarez lebt und sich als ausländischer Kunstsammler tarnt. Er wird schließlich verhaftet und zum Tode verurteilt.
Montanelli, jetzt Kardinal, versucht ihn zu befreien. Doch Arthur stellt dafür Bedingungen: Montanelli soll den geistlichen Stand aufgeben und sich den Revolutionären anschließen. Montanelli geht darauf nicht ein, Arthur wird hingerichtet.

Bemerkungen:

Der 1955 produzierte sowjetische Film „Stechfliege“ war eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ethel Lilian Voynich, der in der Sowjetunion populär war: eine romantische Abenteuergeschichte um einen italienischen Revolutionär im 19. Jahrhundert mit scharf antikatholischer Zielrichtung. Die katholische Kirche spielt hier eine grundsätzlich reaktionäre Rolle. Geistliche brechen Zölibat und Beichtgeheimnis. Das Buch war 1952 auch in der DDR erschienen und in großer Auflage verbreitet worden.

Im Zulassungsprotokoll der deutschen Fassung vom 6. Dezember 1955 (Dok. 1) werden Religion und Reaktion gleichgesetzt, wenn es über den Haupthelden heißt: „trotz seines Glaubens an Gott und seiner Verehrung für die Kirche gehört er der fortschrittlichen Geheimorganisation ‚Junges Italien‘ an, die gegen die österreichischen Unterdrücker, gegen die Kirche kämpft.“ „Stechfliege“ wurde in die Kategorie der besonders zu fördernden Filme eingestuft, erhielt das unter Berücksichtigung der verwickelten Fabel niedrige Jugendprädikat „ab 6 Jahre“ und kam am 6. Januar 1956 in die Kinos.

Der Film im katholischen Eichsfeld

Am 27. Juni 1956 suchte der Leiter des Kreislichtspielbetriebes Worbis, Franz Seidenstücker, den Leiter der Presseabteilung des DEFA-Studios für Spielfilme, Busch, auf.
Während dieses Gesprächs übergab Seidenstücker Busch die Abschrift einer Filmkritik zu „Stechfliege“, die „öffentlich an der Bekanntmachungstafel der katholischen Kirche der Gemeinde Dingelstädt angeschlagen war“. Darin hieß es:
„Dieser Film ist ein offener und massiver Angriff gegen den Glauben, das katholische Priestertum und die Kirche. Vom Besuch dieses Films ist abzuraten.“

Beunruhigt über diese „äußerst starke negative Beeinflussung der Bürger der DDR“ durch die katholische Kirche verfasste Busch „nach Rücksprache mit dem Produktionsdirektor des Spielfilmstudios, Prof. Dr. Wilkening“ am 29. Juni 1956 eine Aktennotiz (Dok. 2), die er an die HV Film und die Kulturabteilung des ZK sandte. Darin schlug er vor, „einen Ausspracheabend in Worbis zu organisieren, wozu man natürlich neben der Bevölkerung auch besonders die Pfarrer der Gemeinden einladen könnte“, „um eine offene Aussprache über diese unhaltbaren Zustände in einer geschickten Form durchzuführen“. Weiterhin empfahl er, Journalisten des „Neuen Deutschland“ und des Zentralorgans der DDR-CDU, „Neue Zeit“, an dieser Veranstaltung teilnehmen zu lassen. Der Leiter der HV Film, Anton Ackermann, hielt „die Angelegenheit für äußerst wichtig“ und sandte den Vorgang an den Staatssekretär im Ministerium des Innern, Josef Hegen, wo sich die für Kirchenangelegenheiten zuständige „Abteilung Kulturfragen“ befand (Dok. 3). Dem dortigen Empfänger fiel zumindest ein Problem des Vorschlags aus dem DEFA-Studio auf, das er notierte: „CDU-Presse nimmt auch Stellung und übt Kritik an diesem Film.“ Zunächst sollte eine Stellungnahme vom Rat des Bezirks Erfurt eingeholt werden, und am 11. Juli 1956 besuchte Abteilungsleiter Ernst Kusch die Abteilung Innere Angelegenheiten des Rates und brachte dort den Vorgang zur Sprache.

Der Kreislichtspielbetrieb Worbis berichtete am 23. Juli 1956 an die ihm vorgesetzte Abteilung Kultur des Rates des Bezirkes (Dok. 4), der Aushang sei bereits nach einem Tag „durch das Einwirken verantwortlicher Mitarbeiter im Staatsapparat wieder entfernt worden.
Der Kollege Hirschmann der Abt. Innere Angelegenheiten beim Rat des Kreises wollte in Erfahrung gebracht haben, daß die Staatssicherheit Rücksprache mit den Verantwortlichen in Dingelstädt gehabt hat. Einen öffentlichen Ausspracheabend in Dingelstädt anzusetzen, halten wir für unklug.“ Die Besucherzahlen von „Stechfliege“ entsprächen denen von „gleichrangigen Filmen in normalen Veranstaltungen“.

Der Rat des Bezirkes Erfurt hielt es offensichtlich für unklug, wegen eines Films, der ja den erhofften Besuch erbracht hatte, im katholischen Eichsfeld einen Konflikt mit der Kirche zu riskieren und schrieb am 10. August 1956 an die Abteilung Kulturfragen des MdI (Dok. 5): „Unsere Feststellungen haben ergeben, dass die Tatsachen mit dem in der Aktennotiz niedergelegten Ausspracheergebnis nicht übereinstimmen. Wir sind der Auffassung, dass der Gen. Seidenstücker in Berlin Angaben machte, die er – bis auf den Anschlagzettel – nicht einwandfrei belegen kann. Es geschah vielleicht aus dem Grunde heraus, um an zentraler Stelle seine besonderen Schwierigkeiten herauszustellen.“

Dokument 1

Zulassungsprotokoll 523/55 A v. 6. Dezember 1955 (Durchschlag). BArch DR 1/4057

Arthur, ein 20jähriger Student, lebt im Hause seines Stiefbruders. Seine ganze Liebe gehört dem Klostervorsteher Padre Montanelli, von dem er erzogen wurde. Trotz dieser Liebe, trotz seines Glaubens an Gott und seiner Verehrung für die Kirche gehört er der fortschrittlichen
Geheimorganisation „Junges Italien“ an, die gegen die österreichischen Unterdrücker, gegen die Kirche kämpft. Durch die Ernennung Montanellis zum Bischof einer anderen Stadt verliert Arthur seinen Beschützer. Sein Beichtvater wird Pater Gardi, der Nachfolger Montanellis. Dieser versteht es, aus Arthur einige Dinge über die Gesellschaft „Junges Italien“ herauszubekommen, er bricht das Beichtgeheimnis. Arthur und einige andere
Mitglieder der Gesellschaft „Junges Italien“ werden verhaftet. Im Gefängnis hat Arthur Gelegenheit, mit einem der Verhafteten zu sprechen. Dabei wird ihm klar, dass er der Verräter war. Nach seiner Entlassung erfährt er von seiner Schwägerin, dass er der leibliche Sohn des Padre Montanelli ist. Diese Schläge meint er nicht überwinden zu können. Er schreibt einen Brief an Montanelli: „Suchen Sie meine Leiche im Fluss!“ 13 Jahre sind vergangen. Die Kämpfe gegen die österreichischen Besatzer sind heftiger denn je. Verzweifelt gesucht wird ein Mann namens Stechfliege, Verfasser beißender Pamphlete gegen Österreich und den Papst, Anführer vieler Aufstände in Süditalien. Durchs Land reist er als Ausländer und Kunstliebhaber Signor Rivarez. Als solcher hat er auch Verbindung zu der Partei „Junges Italien“, die jetzt sehr liberal geworden ist. Dort findet er die Frau wieder, die er immer noch liebt. Sie erkennt ihn nicht sofort, sie ahnt nur, dass er Arthur ist. Eines Tages bittet Rivarez Gemma, ihm nach Süditalien zu folgen. Sie tut es, ohne zu wissen, wer er wirklich ist. Er versprach, ihr alles zu erzählen, wenn sie sich wiedersehen. Doch dazu kommt es nicht mehr. Stechfliege wird verhaftet. Im Gefängnis hat er noch ein letztes Zusammentreffen mit Montanelli, dem er sich zu erkennen gibt. Alle Angebote Montanellis, Arthur zu befreien, lehnt dieser ab, da Montanelli sich nicht entschließen kann, seinen geistlichen Stand aufzugeben und sich der Bewegung „Junges Italien“ anzuschließen. Er wird hingerichtet. In einem letzten Brief an Gemma gibt er sich ihr endgültig zu erkennen.

Die Synchronisierung des Filmes ist gut. Es gibt zwar einige stimmliche Unebenheiten und Tonsprünge, die aber den guten Gesamteindruck nicht beeinträchtigen. Besonders hervorgehoben verdient bei dieser Synchronisierung die Textbearbeitung, die von der Kollegin Erika Hirsch durchgeführt wurde.

Dokument 2

Aktennotiz des Leiters der Presseabteilung des DEFA-Studios für Spielfilme, Busch, v. 29.
Juni 1956 BArch DO 4/6157

Betr.: Einflußnahme der katholischen Kirche auf den Filmbesuch im Bezirk Erfurt

Am 27. Juni 1956 suchte mich der Leiter der Kreislichtspielbetriebe von Worbis, Bezirk Erfurt, der Genosse Franz Seidenstücker, auf und bat um Hilfe bei der Durchführung einer für den 8. Juli 1956 um 19.00 Uhr in Worbis geplanten öffentlichen Veranstaltung mit Filmschaffenden.
Im Laufe des Gesprächs mit dem Genossen Seidenstücker stellte sich heraus, dass der Grund für die Einberufung eines solchen Abends darin liegt, dass die katholische Kirche in dieser Gegend der DDR eine äußerst starke negative Beeinflussung der Bürger der DDR vornimmt. Der Genosse Seidenstücker übergab mir z. B. die Abschrift eines Zettels, der öffentlich an der Bekanntmachungstafel der katholischen Kirche der Gemeinde Dingelstädt angeschlagen war:

Film „Stechfliege“
„Der sowjetische Film zeigt den Entwicklungsweg eines italienischen Revolutionärs. Die filmischen Geschehnisse beruhen keineswegs auf geschichtlicher Grundlage. Dieser Film ist ein offener und massiver Angriff gegen den Glauben, das katholische Priestertum und die
Kirche. Vom Besuch dieses Films ist abzuraten.“


Der Genosse Seidenstücker versicherte mir, dass es ihm jederzeit möglich ist, noch 10 bis 12 derartiger Beurteilungen über aufzuführende Filme zu besorgen, die ebenfalls öffentlich an den Kirchengemeinden dieser Ortschaften seines Bezirkes angeschlagen waren. Gleichzeitig besitzt der Genosse Seidenstücker den Matrizenabzug von Rundschreiben, die seitens des Oberhauptes der katholischen Kirche dieses Bezirkes laufend an die Pfarrherren der Ortschaften gehen und in denen der Besuch von bestimmten Filmen empfohlen und der Besuch von anderen Filmen abgelehnt wird. Diese Rundschreiben benutzen die Pfarrer, um sie in dieser sehr streng katholischen Gegend in ihren Kanzelreden den Gläubigen zu vermitteln und beeinflussen außerordentlich stark den Besuch der Filme.

Verschiedene Meldungen, die der Genosse Seidenstücker in dieser Hinsicht bereits an den Progreß-Filmvertrieb gemacht hat, blieben bisher ohne Echo. Nach Rücksprache mit dem Produktionsdirektor des Spielfilmstudios, Prof. Dr. Wilkening, wird dem Ministerium für Kultur bzw. dem ZK vorgeschlagen, einen Ausspracheabend in Worbis zu organisieren, wozu man natürlich neben der Bevölkerung auch besonders die Pfarrer der Gemeinden einladen könnte. Weiterhin wird vorgeschlagen, zu diesem Ausspracheabend das Zentralorgan der SED [„Neues Deutschland“] und das Zentralorgan der CDU [„Neue Zeit“] einzuladen. Vielleicht ist es möglich, die vorgesehene Veranstaltung am 8. Juli 1956 zu benutzen, um eine
derartige offene Aussprache über diese unhaltbaren Zustände in Dingelstädt in einer geschickten Form durchzuführen.

Dokument 3

Brief des Leiters der Hauptverwaltung Film, Anton Ackermann, an den Staatssekretär im Ministerium des Innern, Josef Hegen, v. 3. Juli 1956. Anschreiben zu Dok. 2. Mit schwer leserlichen handschriftlichen Vermerken. BArch DO 4/6157

In der Anlage übersende ich Ihnen eine Aktennotiz des DEFA-Studios für Spielfilme, Presseabteilung, betreffs Einflußnahme der katholischen Kirche auf den Filmbesuch im Bezirk Erfurt. Ich halte die Angelegenheit für äußerst wichtig und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihre Stellungnahme in dieser Angelegenheit mitteilen würden.

Handschriftlich:
Betr. Film „Die Stechfliege“

In W[est]D[eutschland] neben der amtl. Zensur eine besondere Zensur durch die ev. Kirche und kath. Kirche. CDU-Presse nimmt auch Stellung und übt Kritik zu diesem Film. Stellungnahme des Bezirks einfordern. Schreiben 29.6.56 an Bez. Erfurt gegeben.

Dokument 4

Brief von Steinhäuser, Kreislichtspielbetrieb Worbis an den Rat des Bezirks Erfurt, Abteilung Kultur, v. 23. Juli 1956. BArch DO 4/6157

Betr.: Aushang an dem Anschlagbrett der katholischen Kirche in Dingelstädt zum Film „Stechfliege“

Beiliegend übersenden wir Ihnen eine Abschrift des Textes, der an der Anschlagtafel der katholischen Kirche in Dingelstädt angeschlagen war und den o. g. Film betrifft. Wie wir in Erfahrung brachten, ist dieser Aushang am Sonnabend an dem Anschlagbrett erschienen und bereits am Sonntag durch das Einwirken verantwortlicher Mitarbeiter im Staatsapparat wieder entfernt worden. Der Kollege Hirschmann der Abt. Innere Angelegenheiten beim Rat des Kreises wollte in Erfahrung gebracht haben, dass die Staatssicherheit Rücksprache mit den Verantwortlichen in Dingelstädt gehabt hat. Einen öffentlichen Ausspracheabend in Dingelstädt anzusetzen, halten sowohl wir, als auch der Kollege Hirschmann für unklug. Wir sind vielmehr der Meinung, dass wir über den Demokratischen Block und den Bürgermeister der Stadt Dingelstädt mehr erreichen können, was noch geschehen soll. In der Presse ist über diesen Film mehr als sonst üblich erschienen, so daß dieser Aushang an und für sich nicht den Erfolg brachte, den man sich davon versprochen hatte. Der Besuch zu diesem Film kommt gleichrangigen Filmen in normalen Veranstaltungen gleich.

Dokument 5

Brief von Kother, Rat des Bezirkes Erfurt, Abt. Innere Angelegenheiten an die Abteilung Kulturfragen des Ministeriums des Innern v. 10. August 1956.
BArch DO 4/6157

Betr.: Einflußnahme der katholischen Kirche auf den Filmbesuch im Bezirk Erfurt Bezug: Aktennotiz des VEB DEFA-Studios vom 29.6.56

Bei seinem Besuch am 11.7.56 überließ der Abteilungsleiter für Kulturfragen, Gen. Kusch, dem Rat des Bezirkes Erfurt die beigefügte Aktennotiz zur Klärung des Vorganges. Gemeint ist Dok. 2, vgl. Dok. 5.

Unsere Feststellungen haben ergeben, daß die Tatsachen mit dem in der Aktennotiz niedergelegten Ausspracheergebnis nicht übereinstimmen. So schreibt der Koll. Steinhäuser entgegen dieser Notiz in einem am 23.7.56 von ihm unterzeichneten Brief an die Abt. Kultur des Rates des Bezirkes (im Original beigefügt) wörtlich: „Der Besuch zu diesem Film kommt gleichrangigen Filmen in normalen Veranstaltungen gleich.“ Er schreibt ferner auch, dass die Ansetzung eines öffentlichen Ausspracheabends nicht für erforderlich gehalten wird. Aus diesem Grund fand auch am 8.7.56 keine Aussprache statt. Was die Matrizenabzüge sog. Rundschreiben des Oberhauptes der katholischen Kirche anbelangt, so war der Leiter des Kreislichtspielbetriebes nicht in der Lage, dem Abteilungsleiter für Innere Angelegenheiten des Rates des Kreises Worbis ein solches vorzulegen. Er erklärte, dass es sich bei diesen Rundschreiben um 2 Exemplare gehandelt habe, die nur positive Stellungnahmen zu Filmen enthielten. Die absendende Stelle konnte der Leiter des Kreislichtspielbetriebs ebenfalls nicht angeben. Die Exemplare habe er von einem Vorführer bekommen. Wir sind der Auffassung, dass der Gen. Seidenstücker in Berlin Angaben machte, die er – bis auf den Anschlagzettel – nicht einwandfrei belegen kann. Es geschah vielleicht aus dem Grunde heraus, um an zentraler Stelle seine besonderen Schwierigkeiten herauszustellen.

Anmerkung:

Im 19. Jahrhundert wandte sich die katholische Kirche, besonders in Italien, tatsächlich gegen liberale und demokratische Bewegungen. Das hing auch mit der Rolle der Päpste als weltliche Territorialfürsten zusammen, die erst 1871 endete, als italienische Truppen Rom besetzten.
Eine weitere deutsche Übersetzung von 1957 trägt den Titel „Der Sohn des Kardinals“. Das Zulassungsprotokoll der Originalfassung konnte bisher nicht aufgefunden werden.

Der Kreis Worbis war ein Teil des stark katholisch geprägten Eichsfelds. Seit 1946 gab die Arbeitsstelle für pastorale Medien in Erfurt Filmbesprechungen zu allen in den DDR-Kinos eingesetzten Spielfilmen heraus. Sie waren als „Nur für den innerkirchlichen Gebrauch“ gekennzeichnet.
In der Zusammenfassung der „Filmbesprechung 0420“ in der BRD, abgedruckt in „Filme in der DDR 1945-86.“, S. 415, heißt es: „Abenteuerliche Unterhaltung als Mittel für kompakte Angriffe gegen Religion und Kirche.“
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 59 Gäste