Die Macht der Verführung

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Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

@
niels hat geschrieben:Die Nazis haben sich einer ganzen Reihe Wissenschaften bedient, um ihre eigene sog. "Wissenschaft" (u.a. Rassenlehre, Germanentum etc.) daraus zu stricken. Die Ursache für diesen Mißbrauch aber liegt nicht in der Wissenschaft selbst...
Die Ursache sehe ich u.a. in einem Nützlichkeitsdenken:

Bauer zitiert Darwin u.a. aus „Die Abstammung des Menschen“ folgender Maßen“:
Beide Geschlechter sollten sich der Heirat enthalten, wenn sie in irgendeinem besonderen Grade an Körper oder Geist minderwertig wären. [...] Alles was uns diesem Ziele näher bringt, ist von Nutzen. [...] Wenn die Klugen das Heiraten vermeiden, während die Sorglosen heiraten, werden die minderwertigen [im englischen Original: ,inferior'] Glieder der menschlichen Gesellschaft die besseren zu verdrängen streben.
(Kopiert aus: http://www.literaturkritik.de/public/re ... abe=200902 )
Das Zitat ist auch Hier zu finden: http://www.kas.de/wf/doc/kas_16707-544-1-30.pdf
Die Geburt einer "neuen Moral"
Zwischen 1871 und 1933 wurde, unter ausdrücklicher Berufung auf Darwin, eine neue, scheinbar biologisch begründete Moral formuliert
http://www.literaturkritik.de/public/re ... abe=200902
Eine Serie von Bestsellern jener Jahre verkündete den Abschied von der jüdisch-christlichen beziehungsweise humanistischen Ethik, der zufolge nicht nur jeder Mensch ein Recht auf Leben besitzt, sondern Stärkere den Schwächeren beizustehen haben
http://www.literaturkritik.de/public/re ... abe=200902
In einer Rede anlässlich von Darwins hundertstem Geburtstag im Jahre 1908 rühmte der Medizinprofessor Max von Gruber das Prinzip von Kampf und Auslese, da es "die Missgebildeten, die Schwachen und die Minderwertigen" beseitige. Behinderte waren für ihn eine "enorme Last" und "eine fortwährende Gefahr für die Gesunden".

http://www.literaturkritik.de/public/re ... abe=200902
Ein entscheidender Punkt in der NS-Ideologie war der Sozialdarwinismus. Diesem fielen Tausende kranke und behinderte Menschen zum Opfer.
http://www.nationalsozialismus.at/Theme ... edizin.htm


@
Christel hat geschrieben:Noch einmal zurück zur Praxis: Die schlimmen Vorgänge in gewissen Gefängnissen, ob nun im Experiment oder in der wirklichen Welt, lassen sich durch ziel- und regelkonformes Verhalten, sowie durch Nützlichkeitsdenken erklären.

niels hat geschrieben: So?
Ich kann dem nicht folgen, denn ich kann darin keine "Nützlichkeit" erkennen, soweit man keinen extrem engen Fokus einnimmt. Wie bringst Du das zusammen?


Ziel- und regelkonformes Verhalten wird als nützlich angesehen, weil es Anerkennung innerhalb des sozialen Umfeldes verschafft und in der Regel einen Aufstieg innerhalb der sozialen Ordnung erst ermöglicht. Umgekehrt, wer sich nicht anpasst, hat es schwer. Die Anpassung ist für den einzelnen Menschen nützlich.

Nicht selten werden Menschen herabgesetzt, um das eigene Licht leuchten zu lassen. Wird das „belohnt“, verstärkt sich dieses Verhalten. Es ist dann nützlich.

Verlassen Menschen ihr gewohntes Umfeld und geraten in ein ihnen unbekanntes Umfeld, schauen sie sich um, welches Verhalten dort üblich ist und übernehmen das. Moral spielt dabei keine Rolle.

Daher habe ich Probleme mit der Nützlichkeit. – Aus meiner Sicht ist so ein rein an der Nützlichkeit orientiertes Verhalten unmoralisch.

LG Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Hallo Christel,

ich verstehe immer noch nicht, was Du Unter "Nützlichkeitsdeenken" verstehst - es scheint zumindest mit der "Nützlichkeit" die ich meine , wenig bis gar nichts zu tun zu haben. Wenn Du "kurzsichtiges" weil z.B. allein "eigennützig" gerichtetes Denken / Handeln meinst, dann bezeichne dies auch entsprechend.

Denn nicht wenige Menschen handeln kurzsichtig wie eigennützig, indem sie moralisch handeln - denn auch die bringt in vielen Fällen Anerkennung vor anderen, zuweilen auch vor sicht selbst - manch anderer zielt dagegen auf die Freuden (oder Nicht-Qualen) des ihm für konformes / moralisches Handeln versprochenen "Himmels" bzw. Paradieses.

Nahezu alles gerichtete Denken / Handeln dürfte auf eine "Nützlichkeit" zielen - sei es für sich selbst, einen anderen oder gar der Gemeinschaft. Ausnahme ist wohl bewusst destruktives Handeln.

Darwin hat in seinen Äußerungen nicht durchweg unrecht - auch wenn seine Äußerungen selbst für unser heutiges Verständnis fremd klingen mögen. Die Ressourcen auf unserer Erde sind begrenzt - soweit wir es nicht schaffen, neue Ressourcen zu erschließen, müssen wir Lösungen für die von ihm aufgezählten Probleme finden - wir tun gut daran, wenn wir und erst gar nicht in eine solche Lage manövrieren. Wenn wir seine Lösungen - oder neue Kriege als Alternative - vermeiden wollen, haben wir noch einiges zu tun.

Je weniger sich für die Fortentwicklung aller verantwortlich fühlen, desto schneller wird unsere heutige - ressourcentechnisch "prasserische" - Situation nur noch als eine "Friede-Freude-Eierkuchen-Zeit" in Erinnerung bleiben. Spätestens wenn Nahrung, Wasser und Energie nicht mehr für alle neuen Menschen reichen, werden wir uns darum totschlagen. Da bin ich mir sicher.

Moral wird uns auch dabei nicht helfen - sie lullt uns höchstens in einem trügerischen Gefühl von Sicherheit ein, die sie uns nicht bieten kann..
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Klar Niels, wir haben ein kleines Verständigungsproblem. Du verstehst etwas anderes unter Moral bzw. Nützlichkeitsdenken als ich und umgekehrt.

Moral

Für Dich ist Moral gleichbedeutend mit konformen Verhalten, für mich nicht.

Unter Moral werden die ethisch-sittlichen Normen, tragenden Überzeugungen, Grundsätze sowie Werte einer Gesellschaft verstanden.

Die Wertung „moralisch“/ „unmoralisch“ ergibt sich daraus inwieweit das Verhalten diesen Grundsätzen entspricht, also konformes Verhalten = moralisches Verhalten.

Wird bedacht, dass es keine einheitliche Moral gibt, unterschiedliche Gesellschaften unterscheiden sich in ihrer Moral, auch innerhalb der Gesellschaften gibt es verschiedene moralische Vorstellungen, wird es schwierig festzustellen, was ist moralisch und was unmoralisch.

Dennoch, gerade wenn es die Moral betrifft werden rein sachliche Diskussionen schwierig.
Geht es um moralische Fragen entzünden sich nicht selten die Gemüter.
Warum ist das so?
Weil jeder seine moralischen Vorstellungen als richtiges und gutes Handeln interpretiert.

Moral ist nicht nur eine Sache der Gesellschaft, sondern Bestandteil einer jeden Persönlichkeitsentwicklung.

Schon Paulus schreibt: „Wenn nämlich die Heiden, die ein Gesetz nicht haben, von Natur aus tun, was des Gesetzes ist, so sind sie, obgleich sie ein Gesetz nicht haben, sich selber Gesetz; sie lassen erkennen, daß des Gesetzes Werk eingeschrieben ist in ihre Herzen, wovon ihr Gewissen Zeugnis gibt und die Gedanken, die sich gegenseitig anklagen oder verteidigen“ (Röm 2,14f.)

Demnach hat jeder Mensch für sich selbst eine Moral unabhängig davon, ob es gesamt gesellschaftlich festgelegte Normen, Werte ... gibt.
Umgekehrt bildet erst die Summe dieser individuellen Wertvorstellungen die Moral einer Gesellschaft.
Deshalb ändert sich die Moral von Gesellschaften fortwährend.

Die Moral einer gesellschaftlichen Gruppierung oder von Individuen muß nicht mit der gesamt gesellschaftliche Moral übereinstimmen.
Außerdem eine Regel / Gesetz wird aufgestellt um einen Wert zu schützen. Unter bestimmten Umständen kann jedoch diese Regel ihr Ziel verfehlen und sogar entgegengesetzt wirken.
Daraus folgt, dass Menschen sich gerade aus moralischen Gründen nonkonform Verhalten und sei es nur weil der Wert „Ehrlichkeit“, höher geschätzt wird als Anpassung.

Wie gesagt, bei der Moral geht es um das richtige und gute Handeln.

Alle moralischen Verhaltensregeln haben dies zum Ziel. Zuweilen stellen sie sich später unter bestimmten Umständen als kontraproduktiv heraus und müssen geändert werden – aus moralischen Gründen.

Zum richtigen und gutem Handeln, also zum moralischen Handeln, gehört auch das bewußte Handeln. Ein handeln, welches geltende Verhaltensweisen hinter fragt. Wer einfach Regeln abarbeitet und vielleicht noch jeden verurteilt, der es nicht tut, handelt damit noch lange nicht moralisch (gut).


Nützlichkeit

Nützlichkeit ist ein sehr viel rationalerer Begriff als „gut“.
Er umfasst für mich nur einen Bruchteil der Lebenswirklichkeit. Würde ich alles nach der Nützlichkeit betrachten und bewerten, verarmt mein Leben. Zwischenmenschliche Beziehungen werden schwierig. Alles wird zum Markt, jeder zur Ware. Selbst der rationalste Mann kommt nicht auf die Idee, wenn er eine Frau anbaggern will zu sagen „Du kannst mir nützlich sein. Komm lass uns ein Zweckbündnis eingehen und heiraten.“ Oder?


„Eigennützig" = kurzsichtig und nicht nützlich; „Gemeinwohl“ = nützlich - Ob das hinkommt?

Eigennutz kann durchaus auch dem Gemeinwohl dienen. Gemeinwohl kann auch das Unglück des Einzelnen bedeuten. Eine auf Kollektivismus ausgelegte Gesellschaft muss sich nicht human gegenüber Einzelnen handeln.

Was die von uns diskutierten Experimente und Vorfälle betrifft, so ist Anerkennung innerhalb der Sozialgemeinschaft, also „Eigennutz“ nur ein Teil der Erklärung.
Beim „Milgram-Experient“ oder auch bei den Vorfällen in den Gefängnissen ging es bei den unmoralischen Handlungen immer auch um das Gemeinwohl. Beim „Milgram-Experient“ um den Fortschritt der Wissenschaft. In den Gefängnissen um den Schutz der Gemeinschaft vor bösen Menschen, vor Terror ...

Nützlichkeitsorientiertes Handeln ist immer zielorientiert. Es fragt weder nach Gerechtigkeit, noch nach Barmherzigkeit. Ob das Handeln wirklich nützlich war, ist immer eine andere Frage. Meist stellt es sich erst im Nachhinein heraus, mitunter gerade angesichts vieler sinnloser Opfer.

Moralisch Handeln heißt gut und richtig Handeln. Das bedeutet auch verantwortungsbewußt Probleme in den Blick nehmen und dabei nicht dem Menschen aus dem Blick zu verlieren.

Ich glaube die meisten zwischenmenschlichen Probleme bis hin zu globalen Konflikten entstehen nicht, weil Menschen sich in Sicherheit wiegen, sondern weil sie sich bedroht fühlen, nicht selten ohne Grund. Vielleicht entstehen sogar mehr Konflikte aufgrund dieser Einbildung als durch tatsächliche Bedrohung.
niels hat geschrieben:Darwin hat in seinen Äußerungen nicht durchweg unrecht
Stimmt! Dass alles zusammenhängt, eine Art aus der anderen hervorgeht, damit hatte er Recht. Aber mit dem Kampf der Arten als Motor des Fortschritts, wie es scheint, unrecht. Eine Theorie, die aus ökonomischen Vorstellungen kam und nun mit „biologischer“ Begründung verstärkt in die menschliche Gesellschaft zurück wirkte. Ziel war der Nutzen – das Gegenteil wurde und so meine ich, wird durch dieses Denken erreicht.

LG Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

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Klar Niels, wir haben ein kleines Verständigungsproblem. Du verstehst etwas anderes unter Moral bzw. Nützlichkeitsdenken als ich und umgekehrt.
Für "Nützlichkeitsdenken" trifft bzw. traf dies sicher zu

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Für Dich ist Moral gleichbedeutend mit konformen Verhalten, für mich nicht.

Ja und Nein,
so einfach ist das nicht.
"Moral" hat zwar immer etwas mit "konformen" Denken / Verhalten zu tun - ebenso kann es aus einem anderen Blickwinkel heraus "inkonform" sein.

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Unter Moral werden die ethisch-sittlichen Normen, tragenden Überzeugungen, Grundsätze sowie Werte einer Gesellschaft verstanden. 
Das hatten wir schon.

Das Problem fängt dort an, wo man "Gesellschaft" definieren will. denn alles, was wir heute als Gesellschaft verstehen, ist nicht gegeneinander abgrenzbar - so ist jeder Mensch Teil bzw. "Teilnehmer" in min mehreren "Gesellschaften" - die wiederum verschiedene bis gar gegensätzliche "Normen" haben. Z.B. kann man als Teilnehmer in derart Fällen zwar moralisch (nach den "Normen" der einen Gesellschaft) handeln, verstößt damit aber zugleich gegen die Norm einer anderen Gesellschaft deren Teil man ist. Demnach ist die Norm aus meiner einen Gesellschaft nicht die Norm meines Mitmenschen in einer anderen Gesellschaft, in der ich bin. Schlußendlich könnte man auch versuchen einen gemeinsamen "Nenner" zwischen allen Gesellschaften zu finden - mit wachsender Zahl "Gesellschaften", in der ein Mensch Mitglied ist, tendiert die Zahl der verbleibenden Normen gegen Null.

Nebenbei ist "sittlich" ein noch schwammiger Begriff - den man in etwa "sittlich ist das, was moralistisch ist..." definieren könnte (bzw. nicht könnte) - und sich so für Definitionen kaum eignet. "Sitten" sind ebenso an Gesellschaften / Gruppen gebundene Verhaltensnormen, wie es "Moral" ist - zumindest gibt es eine nicht kleine Schnittmenge.

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Die Wertung „moralisch“/ „unmoralisch“ ergibt sich daraus inwieweit das Verhalten diesen Grundsätzen entspricht, also konformes Verhalten = moralisches Verhalten.
Im Prinzip ja.

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Dennoch, gerade wenn es die Moral betrifft werden rein sachliche Diskussionen schwierig.
Ja und Nein,
nein - wenn man lediglich erklären bzw. vereinbaren will, was "Moral" ist bzw. wie sie funktioniert.
ja - wenn man über den Wert von "Moral" befinden möchte.

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Weil jeder seine moralischen Vorstellungen als richtiges und gutes Handeln interpretiert.

Dann ist es keine "Moral" - möglicherweise gerade noch "Eigenmoral" (wenn ich den Begriff richtig interpretiere).

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Moral ist nicht nur eine Sache der Gesellschaft, sondern Bestandteil einer jeden Persönlichkeitsentwicklung.

Ja, insoweit die Person "Moral" aufnimmt - d.h. die Normen aufnimmt, speichert, (erinnert) und anwendet. So zumindest wird "Moral" von den (meisten) Menschen gelebt und auch verstanden.

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Schon Paulus schreibt: „Wenn nämlich die Heiden, die ein Gesetz nicht haben, von Natur aus tun, was des Gesetzes ist, so sind sie, obgleich sie ein Gesetz nicht haben, sich selber Gesetz; sie lassen erkennen, daß des Gesetzes Werk eingeschrieben ist in ihre Herzen, wovon ihr Gewissen Zeugnis gibt und die Gedanken, die sich gegenseitig anklagen oder verteidigen“ (Röm 2,14f.)
Das ist nicht ganz dumm, denn eine ganze Reihe Lebens- und Überlebensprinzipien sind uns von der Natur genetisch oder mnemetisch mitgegeben.

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Demnach hat jeder Mensch für sich selbst eine Moral unabhängig davon, ob es gesamt gesellschaftlich festgelegte Normen, Werte ... gibt.
Nein,
Moral ist i.d.R. "kopiert" - maximal noch in einem einmaligen Lernprozess selbst abgeleitet.

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Umgekehrt bildet erst die Summe dieser individuellen Wertvorstellungen die Moral einer Gesellschaft.
Echt?
Dann wäre die Summe dessen, was über unsere Triebe hinausreicht - eine Null. Denn allein die Menschen sind schon zu verschieden.

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Deshalb ändert sich die Moral von Gesellschaften fortwährend.
Ja, denn Triebe ändern sich.

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Die Moral einer gesellschaftlichen Gruppierung oder von Individuen muß nicht mit der gesamt gesellschaftliche Moral übereinstimmen.

Du widerprichst Dir - hast aber recht.

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Außerdem eine Regel / Gesetz wird aufgestellt um einen Wert zu schützen. Unter bestimmten Umständen kann jedoch diese Regel ihr Ziel verfehlen und sogar entgegengesetzt wirken.
Ja,
genau hier haben Gesetz und Moral ihre Grenzen.

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Daraus folgt, dass Menschen sich gerade aus moralischen Gründen nonkonform Verhalten und sei es nur weil der Wert „Ehrlichkeit“, höher geschätzt wird als Anpassung.
So einfach ist das nicht.
Gesetze sind manchmal noch unvollkommener als Moral - zuweilen ist es aber auch andersherum (so kann ein Gesetz in bestimmten Situationen höher geschätzt werden als "moralische" Vorstellungen).

Nicht jeder wird in der Situation die "Ehrlichkeit" als richtig oder gar klug werten - meist findet man sogar das Gegenteil.

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Wie gesagt, bei der Moral geht es um das richtige und gute Handeln.

Ja,
aus dem eigenen Blickwinkel heraus - mit eigenen Zielen (wenn auch nicht immer direkt).

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Alle moralischen Verhaltensregeln haben dies zum Ziel. Zuweilen stellen sie sich später unter bestimmten Umständen als kontraproduktiv heraus und müssen geändert werden – aus moralischen Gründen.
Ja genau,
aber erst, wenn eine "unfunktionierende" Moral sich als "kontraproduktiv" herausgestellt hat - was mangels stetigem Feedback der Handelnden erst stark verzögert passiert (also schon nennenswerter bis großer "Schaden" angerichtet wurde) - kann ein "optimieren" oder gar löschen einer Norm erfolgen / möglich sein.

"Gut gemeint" ist noch lange nicht "gut" - dazu braucht man "gut" nicht mal zu definieren.

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Zum richtigen und gutem Handeln, also zum moralischen Handeln, gehört auch das bewußte Handeln.

Nein,
hier verdrehst Du den Zusammenhang. Moral != bewusster Prozess - meint "Moral" ist der Teil des Denkens oder Handelns, der unbewusst - d.h. ohne tiefergehende Betrachtung - erfolgt. Sicher wird jeder Mensch bei all seinen Entscheidungen nur einen Teil Moral einfließen lassen - aus meiner Sicht wird dieser (z.B. aus Bequemlichkeit, fehlender Erfahrung oder fehlendem Selbstvertrauen) zu oft zu hoch bewertet / in Übermaßen verwendet.

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Ein handeln, welches geltende Verhaltensweisen hinter fragt.

Der Teil, der hinterfragt, ist keine Moral.

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Wer einfach Regeln abarbeitet und vielleicht noch jeden verurteilt, der es nicht tut, handelt damit noch lange nicht moralisch (gut).
Das ist richtig - aber ebenso auch, wer "zu viel Moral hat". Weniger wäre häufig mehr...

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Nützlichkeit ist ein sehr viel rationalerer Begriff als „gut“. 
Ja,
die Summe aller Nützlichkeiten und Unnützlichkeiten im abgeschlossenen System (z.B. Universum) ist Null.
die Summe aller Nützlichkeiten ist Null.

Könnte man schon von Kirchhoff ableiten...

Allerdings macht mir Dein Posting nicht ganz einfach zu verstehen, was DU darunter verstehst.

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Er umfasst für mich nur einen Bruchteil der Lebenswirklichkeit. Würde ich alles nach der Nützlichkeit betrachten und bewerten, verarmt mein Leben.

Das kommt darauf an, was man unter "nützlich" versteht.

Alles, was nicht direkt oder indirekt auf einen Nutzen zielt, ist vertane Lebenszeit / verpuffte Ressourcen. Nahezu alles Denken von lebewesen - inkl- dem menschen - zielt auf "Nützlichkeit" ab. Allerdings unterscheidet sich das, was Derjenige in der jeweiligen Situation unter "nützlich" versteht, gravierend. Für den einen ist es nützlich, den anderen wenn er anderen hilft den nächsten wenn er sich die Taschen voller Geld haut - ohne Rücksicht auf andere - für wieder andere vielleicht in den Himmel zu kommen, wofür man auch Dinge tut, deren Nützlichkeit sich ihm nur "mittelbar" (z.B. per Religion) eröffnet.

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Zwischenmenschliche Beziehungen werden schwierig. Alles wird zum Markt, jeder zur Ware. Selbst der rationalste Mann kommt nicht auf die Idee, wenn er eine Frau anbaggern will zu sagen „Du kannst mir nützlich sein. Komm lass uns ein Zweckbündnis eingehen und heiraten.“ Oder?
Nein,
Deine "Nützlichkeit" scheint sich auf (sehr kurzsichtigem) "Eigennutz" zu beschränken (oder sowas ähnliches) - so wie sicher nicht wenige Menschen heute leben bzw. dahinvegetieren.

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„Gemeinwohl“ = nützlich - Ob das hinkommt?
Hier kommt es darauf an, was man unter "Gemeinwohl" versteht. Versteht man sich selbst als nahezu oder ganz gleichbedeutenden Teil der Menschheit, hat man als Mensch die halbe "Miete". "Nützlich" wird es aber erst, wenn man auch bewusst handelt - d.h. unter stetig neuer - möglichst tiefer Reflektion - selbst wenn es im Einzelfall, für Dritte oder im Moment auch "kontraproduktiv" - oder gar "unmoralisch" - scheinen mag.

Was die von uns diskutierten Experimente und Vorfälle betrifft, so ist Anerkennung innerhalb der Sozialgemeinschaft, also „Eigennutz“ nur ein Teil der Erklärung.

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Beim „Milgram-Experient“ oder auch bei den Vorfällen in den Gefängnissen ging es bei den unmoralischen Handlungen immer auch um das Gemeinwohl. Beim „Milgram-Experient“ um den Fortschritt der Wissenschaft. In den Gefängnissen um den Schutz der Gemeinschaft vor bösen Menschen, vor Terror ... 
Ja,
um das Erreichen von Gemeinwohl durch "moralisches" Handeln oder, weil Moral hier nicht helfen konnte . das bewusste Handeln aber (wegen der bequemeren "Moral") nie richtig erlernt wurde...

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Nützlichkeitsorientiertes Handeln ist immer zielorientiert.

Ja,

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Es fragt weder nach Gerechtigkeit, noch nach Barmherzigkeit. Ob das Handeln wirklich nützlich war, ist immer eine andere Frage. Meist stellt es sich erst im Nachhinein heraus, mitunter gerade angesichts vieler sinnloser Opfer. 
Falsch,
gerade das Nachfragen und Überdenken soll ja Ziele auftun, die man als ideal ("nützlich") sieht und erreichen will.

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Moralisch Handeln heißt gut und richtig Handeln. Das bedeutet auch verantwortungsbewußt Probleme in den Blick nehmen und dabei nicht dem Menschen aus dem Blick zu verlieren.
Nein,
Moral heißt Verantwortung abgeben, indem man Entscheidungen der allgemeinen Norm unterordnet. Handelt man gegen Moral, erfolgt dies mit Sicherheit auf eigene Verantwortung.

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Ich glaube die meisten zwischenmenschlichen Probleme bis hin zu globalen Konflikten entstehen nicht, weil Menschen sich in Sicherheit wiegen, sondern weil sie sich bedroht fühlen, nicht selten ohne Grund. Vielleicht entstehen sogar mehr Konflikte aufgrund dieser Einbildung als durch tatsächliche Bedrohung.
Ja,
Angst scheint das, was die meisten Menschen antreibt. Angst vor Armut, Krankheit, Einsamkeit oder Tod. Angst ist einer der stärksten Triebe - zumindest bei uns Säugetieren. Die Angst - von der Natur ursprünglich als Notsignal in ernsthaft bedrohlichen Situationen angelegt - wird vom Menschen mißbraucht. Der Mißbrauch wird steigt perfektioniert, da der die Angst kontrolliert, auch die Macht über den Menschen hat.

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Stimmt! Dass alles zusammenhängt, eine Art aus der anderen hervorgeht, damit hatte er Recht. Aber mit dem Kampf der Arten als Motor des Fortschritts, wie es scheint, unrecht.

Nein,
es war zwar nicht ganz so einfach, wie er es z.T. auslegte - das Grundkonzept stimmt bis heute.

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Eine Theorie, die aus ökonomischen Vorstellungen kam und nun mit „biologischer“ Begründung verstärkt in die menschliche Gesellschaft zurück  wirkte. Ziel war der Nutzen – das Gegenteil wurde und so meine ich, wird durch dieses Denken erreicht.

Das verstehe ich nicht...

In jeder wissenschaftlichen Arbeit ist der Nutzen das Ziel - auch wenn der Nutzen sich nicht jedem Dritten erschließt.

Würden wir Menschen nicht "nützlich" denken / handeln, würde es uns nicht geben.

Ich sehe Darwins wichtigen wissenschaftlichen Beiträge für die Fortentwicklung unserer Naturwissenschaft bis heute. Er war sicher Naturwissenschaftler - jedoch kein Ökonom - wenn doch, dann ist er vielleicht über's Ziel hinausgeschossen.

Ich habe den Eindruck, das Dich Darwins "Fehltritt" weitaus mehr beeindruckt als das, was er naturwissenschaftlich erarbeitet hat. Ich sehe Darwin lediglich als Naturwissenschaftler. Daher ist mir bekannt, das selbst geniale Naturwissenschaftler sehr of keine guten Ökonomen, Philosophen oder was auch immer nicht Naturwissenschaftliches sind. Einstein war ein genialer Wissenschaftler, auch wenn z.B. seine Beziehung zu Frauen - wie man heute weiß - nicht nur "nette Züge" - kannte.

Mendels Theorie ist übrigens mindestens ebenso löchrig und - aus heutiger Sicht - fehlerbehaftet (was Du - um nur ein Beispiel zu nennen - schon aus Hrn. Bauers Artikel ableiten kannst).
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:

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Deshalb ändert sich die Moral von Gesellschaften fortwährend.
Ja, denn Triebe ändern sich.
Ich denke, dass Triebe sich nicht ändern. Triebe wie Hunger, Durst, Sexualtrieb..., die sind da. Sie können in gewissen Grade beherrscht werden. Die Einstellung zu ihnen kann sich ändern, die Triebe selbst nicht. Sie sind biologischer Natur.

Moral und Ethik sind Vorstellungen. Sie ändern sich, sind unterschiedlich, was sicher nicht zuletzt auch mit der Lebenssituation zu tun hat, mit den Lernerfahrungen...
Fromm unterscheidet übrigens zwischen Trieben und Leidenschaften. Ich finde seine Auffassung schlüssig.

Niels, wie ich an Deinem letzten Beitrag sehe, wir verstehen auch unter Moral etwas Unterschiedliches. Du verstehst darunter „Regelgehorsam“, entsprechend der Definition für eine gesellschaftliche Moral. Das Dilemma einer solchen Sichtweise hast Du gut beschrieben:
niels hat geschrieben:Das Problem fängt dort an, wo man "Gesellschaft" definieren will. denn alles, was wir heute als Gesellschaft verstehen, ist nicht gegeneinander abgrenzbar - so ist jeder Mensch Teil bzw. "Teilnehmer" in min mehreren "Gesellschaften" - die wiederum verschiedene bis gar gegensätzliche "Normen" haben. Z.B. kann man als Teilnehmer in derart Fällen zwar moralisch (nach den "Normen" der einen Gesellschaft) handeln, verstößt damit aber zugleich gegen die Norm einer anderen Gesellschaft deren Teil man ist. Demnach ist die Norm aus meiner einen Gesellschaft nicht die Norm meines Mitmenschen in einer anderen Gesellschaft, in der ich bin. Schlußendlich könnte man auch versuchen einen gemeinsamen "Nenner" zwischen allen Gesellschaften zu finden - mit wachsender Zahl "Gesellschaften", in der ein Mensch Mitglied ist, tendiert die Zahl der verbleibenden Normen gegen Null.
Dies trifft auch sehr gut den Kern des „Problems“ bei den „Experimenten“ . Menschen, sie sich danach ausrichten, was von ihnen verlangt wird, passen sich an. Dabei bilden sie keinen bzw. nur einen unzureichenden „persönlichen Kern“ aus. – So tun sie, was verlangt wird.
Die meisten taten es, zumindest bei dem Milgram-Experiment, allerdings mit Gewissensbisse. Es gab wohl auch hinterher psychische Probleme.

Nur, hätte der Einzelne keine Moral, dann gäbe es auch keine gesellschaftliche Moral. - Ohne einzelne Sandkörnchen, gibt es keinen Sandstrand.

In dem was Du mit Nutzen und Bewußtsein beschreibst, sehe auch eine Moral und Ethik. Allerdings, eine andere als ich habe. Für mich ist der Nutzen nicht das höchste Gut.
Insofern der Nutzen Menschenopfer fordert, lehne ich ihn ab.

Für viele Teilnehmer am Milgram-Experiment war der Nutzen ein so hohes Gut, dass die bereit waren Menschen mit Stromstößen zu quälen, ja zu töten. Für den Nutzen der Wissenschaft, der Menschheit...
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

hallo Christel,

Du verwechselst "Moral" mit "Courage" bzw. "Zivilcourage". Courage / Zivilcourage kann auch gegen Moral gerichtet sein.

Triebe ändern sich nicht - allerdings ihre Ausprägungen und Erscheinungen. Z.b. kann der Überlebenstrieb mal zu Krieg führen, dann wieder zu Pazifismus - es ist dennoch der selbe Trieb. Sicher, der Mensch - wie die meisten Säugetreie und alle Primaten - ist zu relativ komplexen Kombinationen und Schlüssen möglich und verügt über ein relativ komplexes Gefühlsleben - seine Handlungen basieren immer auf Trieben.

Wir Menschen sind "biologischer" Natur wie alle anderen Lebewesen - oder ebensowenig.

"Vorstellungen" sind Vorgänge - bestehend aus Reflektieren und Kombinieren - z.B. um Schlüsse zu ziehen.

Ich habe nicht bestritten, das es keine "Moral" gibt - Moral entsteht aber nicht in demjenigen selbst in der konkreten Situation (hier widersprichst Du selbst Deinen eigenen Zitaten - z.B. der Duden-Definition). Moralisches Handeln bedeutet unbewusst nach gebildeten Werten - insbesondere von anderen bzw. "der" Gruppe - deren Teil man ja nun mal ist. Handelt man jedoch bewusst - und damit u.U. gegen die moralischen Regeln (bzw. Vorstellungen) - nennt man dies nicht Moral, sondern (Zivil-)Courage.

Ich denke der Begriff "Nutzen" bringt Dich hier nicht weiter, da Du ein sehr fokussiertes Bild zu diesem Begriff hast. Auch Du handelst fast durchweg mit dem Ziel einen "Nutzen" zu generieren. Z.B. sagst Du, das Du für kein Ziel die Tötung eines Menschen akzeptieren würdest. Damit hast Du den Schutz des menschlichen Lebens zum Ziel (aus Sicht der Art Mensch / Evolution ein klarer Nutzen) - allerdings ist die Aussage "moralisch". Würdest Du Dein Menschenleben nicht opfern, wenn Du damit z.B. 100 anderen Menschen das Weiterleben ermöglichen könntest - oder auch nur Deinem eigenen Kind? Selbst Ameisen oder Bienen tun dies für ihr Volk - im Sinne und zum Nutzen ihrer Art...

Wenn Du weiter von "Nutzen" sprechen möchtest, dann stell bitte klar, was DU darunter verstehst. Wenn Du z.B. Egoismus meinst oder "kurzsichtiges Handeln", dann bezeichne es bitte als solches.

Die von Dir bezeichneten Teilnehmer der Milgram-Experimentes waren sicher keine Wissenschaftler - recht wahrscheinlich aber religiös (Christen z.B.), aus religiöser Familie bzw. Menschen mit (vor allem würden sie sich selbst so sehen) "Moral". Zumindest bei den heute bekannt gewordenen Folterungen durch US-Soldaten in irakischen Gefängnissen war/ist dies belegbar der Fall.
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Niels, ich widerspreche mich nur scheinbar. Der springende Punkt bei der Geschichte ist, dass der Mensch eben nicht wie alle Säugetiere oder Primaten ist. Er ist es ebensowenig, wie ein Rennwagen dasselbe ist wie eine Kutsche, auch wenn beide 4 Räder haben.

Die Bibel erfasst das viel klarer, als manch moderner Mensch.
Kein Tier entspricht dem Menschen:
„Der Mensch gab allem Vieh, allen Vögeln des Himmels und allem Feldgetier Namen; aber für den Menschen fand sich keine Hilfe als sein Gegenstück. Da ließ Gott, der Herr, einen Tiefschlaf auf den Menschen (= Adam) fallen, so daß er einschlief, nahm ihm eine seiner Rippen und verschloß deren Stelle mit Fleisch. Gott, der Herr, baute die Rippe, die er dem Menschen entnommen hatte, zu einer Frau aus und führte sie ihm zu. Da sprach der Mensch: >>Das ist nun endlich Bein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch. Diese soll man Männin heißen; denn vom Manne ist sie genommen.<< (1Mos 2,20-24)
Wir Menschen sind nicht nur biologische Wesen, wir sind auch kulturelle Wesen. Ja wir sind auf die Kultur angewiesen. Wir werden in eine Kultur hinein geboren. Die Kultur ist schon da und jeder von uns muss sie zunächst einmal für sich selbst übernehmen, sonst ist geistiges Wachstum nicht möglich.

Wenn wir sprechen lernen übernehmen wir mehr als Laute...
Alle Lernprozesse beginnen zuerst mit der Nachahmung, mit der Übernahme.
Erst auf diesem Fundament entwickeln sich Kreativität, Fortschritt, Umformung...

Auf dem Fundament der vorgefundenen Moral, entwickelt jeder Mensch eigene moralische Vorstellungen. Mit diesen Vorstellungen und Werten bringt er sich wiederum in die Gesellschaft (Kultur) ein und formt diese mit.

Moralisches Handeln bedeutet nach meiner Meinung eben nicht, „unbewusst nach gebildeten Werten“ leben und handeln. Dies würde dem Niveau von Kleinkindern entsprechen, aber nicht dem von normalen erwachsenen Menschen.

Woher soll denn (Zivil-)Courage kommen, wenn nicht aufgrund der eigenen Persönlichkeit und eigener moralischer Vorstellungen?
Wie entsteht und ändert sich die Moral einer Gesellschaft, wenn nicht durch (viele) Einzelne?

Die Zivilcourage kann auch gegen die moralischen Vorstellungen einer Gruppe gerichtet sein, muß es aber nicht.

Das Handeln in den Experimenten entspricht nicht unserer allgemeinen gesellschaftlichen Moral. Denn unserer Moral entspricht es Menschen nicht zu quälen, zu foltern ...
Wäre die Moral übermächtig hätte das Milgram-Experiment gar nicht stattfinden können, mangels Beteiligung. Die Menschen hätten sich gleich geweigert ihren Mitmenschen Stromstöße zu erteilen.
Folter ist unmoralisch, entspricht nicht unserer Moral. Also dürfte es sie gar nicht geben, wenn die Moral mächtig wäre, oder?

Es erforderte keine Zivilcourage unmoralisch zu handeln. Um unmoralisch handeln genügte es einfach mitzumachen und den Anweisungen zu folgen. (Anweisungen sind nicht gleich moralisch, auch nicht die von Autoritäten.)

Um moralisch zu Handeln bedarf es jedoch Zivilcourage. Sie ist die Kraft, die in die Lage versetzt moralisch zu handeln. Moral sind Vorstellungen und Werte, Zivilcourage ist der Mut danach zu handeln.

LG Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Niels, ich widerspreche mich nur scheinbar. Der springende Punkt bei der Geschichte ist, dass der Mensch eben nicht wie alle Säugetiere oder Primaten ist. Er ist es ebensowenig, wie ein Rennwagen dasselbe ist wie eine Kutsche, auch wenn beide 4 Räder haben.
Ja,
auch ein Gorilla ist kein Schimpanse - dennoch sind beide - wie auch der Mensch - Primaten, Säugetiere, Tiere und Lebewesen.
Die Bibel erfasst das viel klarer, als manch moderner Mensch.
Kein Tier entspricht dem Menschen:
Doch, der Mensch sich selbst.

Immerhin ist der Mensch ein Tier - nicht nur biologisch, auch "kulturell". Auch viele soziale Tierarten sind auf ihre "Kultur" angewiesen - z.B. auf Kommunikation, auf Regeln und Verantwortungsbereiche. Für die meisten Tiere ist unsere Sprache kaum mehr als "Laute" - für uns Menschen die Kommunikation der meisten Tiere ebenso unverständlich (gleich was wir uns einbilden). Nicht zuletzt gibt es in der Natur eine große Vielfalt an Kommunikationsmöglichkeiten - der Mensch beherrscht selbst nur einen kleinen Bruchteil daraus. Auch Tiere sind "kreativ" bis "hochkreativ" und sie kennen auch "aktiven Fortschritt", wie man heute anhand vieler Beispiele weiß. Was also bitte soll am Menschen "besser" sein?

Nun kannst Du gern behaupten, kein Mensch sei wie der andere - aber auch das gilt so für alle Schimpansen, für alle Gorillas usw.

Die immerhin viele Jarhunderte alte Bibel (die moderne Wissenschaft nicht kannte) kann das zwar gern behaupten (ebenso wie behauptet wurde, die Erde sei eine "flache Scheibe") - belegen kann sie es aber nicht (vor allem nicht nach heutigen Maßstäben) - dennoch gibt es zu viele Leute, die an solche veralteten "Erkenntnisse" glauben. Vor allem kann Sie nicht glaubhaft machen, warum der Mensch etwas "Besseres" sei als andere Lebewesen - diese Gemeinsamkeit mit wohl den meisten höher entwickelten Art Lebewesen belegt nur einmal mehr, das auch die Art Mensch eine Art wie alle ist.

Ich könnte z.B. ein Buch schreiben, in dem ich behaupte, mein Vater sei Gott und ich deshalb ein besserer Mensch als alle anderen - den Anspruch jedoch werde ich damit nicht erheben können.
Woher soll denn (Zivil-)Courage kommen, wenn nicht aufgrund der eigenen Persönlichkeit und eigener moralischer Vorstellungen?
Du versuchst hier den Begriff " eigene moralische Vorstellungen" unterzuschieben.

Zivil-Courage bedeutet ja i.d.R. gegen eigene Interessen, aber ebenso auch gegen moralische Vorstellungen zu handeln. Andernfalls stände kaum Courage dahinter...

Dabei ist schon der Begriff ein Widerspruch in sich. "Moral" kommt von der Gesellschaft - d.h. hauptsächlich von "anderen" - zumindest aber nicht durch eigenes bewußtes Reflektieren und Handeln.
Wie entsteht und ändert sich die Moral einer Gesellschaft, wenn nicht durch (viele) Einzelne?
Die heutige "Moral" vieler "ensteht" hauptsächlich durch "Moral-Multiplikatoren" wie z.B. der Kirche, den Medien, einigen Politikern usw. Dabei wird vieles als Moral "verkauft", die eigentlich (noch) keine ist. Statt durch Reflektion eines jeden Einzelnen entsteht Moral durch einen eigendynamischen Prozess, der die Beteiligten glauben lässt, ihre "Moral" sei die eigene bzw. aus bewusst gesellschaftlichem Konsens gezogene Wertesammlung. Einige Gewiefte benutzen diesen Nerv recht gezielt für ihre persönlichen Vorteile, Macht oder Lobbyismus. Kommerzielle Werbung ist dabei noch die harmloseste Form...

Nochmal: Moral entsteht NICHT durch bewusstes Reflektieren im Einzelnen, sondern durch unbewusste Prozesse wie z.B. Kopieren von Dritten / der Gruppe.
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Lieber Niels, wenn man das Gemeinsame sucht, wir alles gleich.

Ein Regenwurm ist ein Lebewesen wie der Mensch.
Betrachtet man die Unterschiede und nur die, wird alles unterschiedlich.

Es bringt uns nicht weiter, wenn Du das Gemeinsame betonst und ich die Unterschiede.

Ein reales Bild ergibt sich, wenn beides betrachtet wird, Gleiches und Unterschiede. Dann gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Tieren und Unterschiede!
niels hat geschrieben:Die immerhin viele Jarhunderte alte Bibel (die moderne Wissenschaft nicht kannte) kann das zwar gern behaupten (ebenso wie behauptet wurde, die Erde sei eine "flache Scheibe") - belegen kann sie es aber nicht (vor allem nicht nach heutigen Maßstäben) - dennoch gibt es zu viele Leute, die an solche veralteten "Erkenntnisse" glauben. Vor allem kann Sie nicht glaubhaft machen, warum der Mensch etwas "Besseres" sei als andere Lebewesen - diese Gemeinsamkeit mit wohl den meisten höher entwickelten Art Lebewesen belegt nur einmal mehr, das auch die Art Mensch eine Art wie alle ist.
Wo bitte steht in der Bibel, die Erde sei eine flache Scheibe? Kannst Du eine solche Bibelstelle nennen? Also ich weiß keine!

An welcher Stelle behauptet die Bibel der Mensch sei etwas Besseres?

In der Geschichte von Adam und Eva wird lediglich unterschieden, das die Tiere anders sind als der Mensch. Ich denke kein Mensch wird seine Frau gegen eine Schimpansin tauschen wollen, und behaupten es wäre egal, weil es dasselbe ist, oder?

Außerdem in der Bibel steht, einen Vorrang des Menschen vor dem Vieh gibt es nicht:
„Wahrlich, das Los der Menschen und das Los des Viehs - ein und dasselbe Los haben sie! Wie jenes stirbt, so sterben diese. Denselben Odem haben sie alle, und einen Vorrang des Menschen vor dem Vieh gibt es nicht.“ (Pred 3,19)
niels hat geschrieben:Nochmal: Moral entsteht NICHT durch bewusstes Reflektieren im Einzelnen, sondern durch unbewusste Prozesse wie z.B. Kopieren von Dritten / der Gruppe.
Das können wir festhalten, dass ich eine andere Auffassung von Moral habe. Wer nur kopiert, hat keine Persönlichkeit und keine eigene Moral.
Moral und Ethik ist für mich sowohl etwas Gesellschaftliches, aber genau so etwas sehr Persönliches. Für eigene moralisch ethische Vorstellungen bedarf es der bewußten Reflexion.

Davon ab, wer unsere gesellschaftlichen moralischen Vorstellungen kopiert, müßte diese doch verinnerlichen und gerade, weil es unbewußt ist konsequent anwenden.

Warum geschah das aber nicht?

Zimbardo nennt in seinen Buch mehrere Beispiele, so auch das von der Frauenrechtlerin Pauline:
Pauline, der ehemaligen Sozialarbeiterin und Familienministerin in Ruanda. Sie war eine Vorkämpferin für die Rechte der Frauen, vielen Landsleuten, egal ob Tutsi oder Hutu, galt sie als Hoffnungsträgerin.

Bis zu diesem Tag im Frühjahr 1994. Die Regierung hatte Pauline in ihren Heimatort gesandt, wo sich die Tutsi-Bevölkerung gegen angreifende Hutu verteidigen musste. Als „Sonderbeauftragte“ versprach sie den Menschen Schutz im örtlichen Fußballstadion. Das Rote Kreuz werde sich da um die Angegriffenen kümmern, gab sie vor. Tatsächlich warteten in der Arena bewaffnete Hutu-Banden, die über die Schutzsuchenden herfielen. Mit Maschinengewehren und Granatwerfern schossen sie in die Menge. Überlebende wurden mit Macheten niedergemetzelt.
http://www.focus.de/kultur/buecher/bran ... 20142.html

Was bringt eine Frauenrechtlerin dazu die Vergewaltigung und Tötung von Frauen zu befehlen?

LG Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Lieber Niels, wenn man das Gemeinsame sucht, wir alles gleich.
Nein,
ich kann nur keine Unterschiede erkennen - jedenfalls keine größeren, wie zwischen jeder anderen Tierart auch.

Bisher hast Du mir auch keine Unterschiede (also etwas, was wir haben, was kein anderes Lebewesen / Tier hat) nennen können. Die von Dir vorgebrachten, entpuppen sich für mich eher als Gemeinsamkeit mit andere Tieren / Lebewesen.

Dreh die Diskussion also bitte nicht um, die Gemeinsamkeiten wolltest Du als die maßgeblichen Differenzen "verkaufen".
Ein reales Bild ergibt sich, wenn beides betrachtet wird, Gleiches und Unterschiede. Dann gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Tieren und Unterschiede!
Damit kommst Du der Sache schon näher, und Du wisrt feststellen, das wir Menschen in so ziemlich nichts einzigartig sind (abgesehen von der Summe aller Einzelheiten,. wie bei jedem Tier / Lebewesen auch) - vor allem nicht in der Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten. Selbst die "Weltherrschaft" hatten schon andere vor uns (bis sie durch die Natur ausgelöscht wurden). Unsere einzig "besondere" Aufgabe wird wohl darin bestehen, das Leben auf die nächstumliegenden Planeten zu bringen - vielleicht auch in fernere Regionen. Damit sind wir aber ebenso nur ein kleiner Teil des Ganzen, wie alle anderen Tiere... Wir können (weil "müssen") uns darauf auch was einbilden, denn nur so ist der fortführende Drang unsere Aufgabe zu erfüllen gesichert.
Wo bitte steht in der Bibel, die Erde sei eine flache Scheibe? Kannst Du eine solche Bibelstelle nennen? Also ich weiß keine!
Ok, ich bin nicht bibelfest. Adam und Eva wären wohl ein besseres Beispiel gewesen (denn daran kann auch ich mich aus "Reli" noch erinnern) - oder zumindest, das die Erde im Mittelpunkt des Ganzen steht. Das die Erde eine Scheibe ist, war erst dem späteren "Interpretationsmonopol" Kirche wichtig (war ja die "logische" Schlußfolgerung) - wer andere Meinungen hatte, war ein Ketzer.
Wer nur kopiert, hat keine Persönlichkeit und keine eigene Moral
Richtig,
denn es GIBT keine eigene "Moral". Schon der Begriff ist Irrwitz und stellt das komplette Gegenteil der von Dir zitierten Definitionen (Duden & Co.).

Sicher mag fast ein jeder Moral in sich tragen - sie ist aber nicht von ihm, sondern von der Gruppe Kopiertes.

Jeder hat nur eine scheinbar "eigene" - weil von den meisten anderen zumindest abweichende "Moral, die aber ist nicht Folge seiner Verantwortung, sondern seiner gesellschaftlichen Situation wie Position in den Gesellschaften, derer er angehörig ist - hierin ist ein jeder Mensch wohl verschieden, nur daher auch seine "Moral".
Davon ab, wer unsere gesellschaftlichen moralischen Vorstellungen kopiert, müßte diese doch verinnerlichen und gerade, weil es unbewußt ist konsequent anwenden.
Das ist falsch - genau das Gegenteil ist der Fall. Da Moral kein bewusster Prozess ist, lassen sich viele Betreffende immer mal wieder von ihren niederen Trieben "übermannen" (bzw. "übermenschen"). Da sie bewusstes Reflektieren nicht laufend üben und damit kaum gelernt haben, können sie ihre niederen von höheren Trieben nicht unterscheiden bzw. im Wert für die eigene Art einordnen. Theistische Religionen wollen hier eine Lücke schließen, indem sie z.B. auf ebenjene niedere Triebe zielen und den Betreffenden "Boni" zusagen (z:B. wenn Du schön artug bist, dann kommst Du in den Himmel, wo alles toll und "Party" ist), wenn sie denn zumindest moralisch, wenn schon nicht bewusst handeln.
Was bringt eine Frauenrechtlerin dazu die Vergewaltigung und Tötung von Frauen zu befehlen?
Eine "kranke" Moral vielleicht? ;)

Ich kenne "Frauenrechtlerin Pauline" nicht - kann daher auch nicht im Detail urteilen. Zumindest die Geschichte zeigt, wozu "Moralisten" fähig sind - vor allem selbsternannte...

Moral ist immer "krank", denn sie ist immer eine Notlösung (auch wenn sie scheinbar auf ein augenscheinlich (ich betone "augenscheinlich") hohes "Erfolgsniveau" zielt und damit der Art Mensch nutzt)... "Eigene Moral" gibtes nur insoweit sie die "Summe" der aus den verschiedenen Gesellschaften eines menschen kopierten Normen ist. Fängt er hingegen selbst an bewusst nachzudenken, ist es keine Moral, sondern Eigenverantwortung oder Zivilcourage...

Beispiel:
Im Mittelalter bgalt es für Christen als höchst unmoralisch, eine Hexe zu unterstützen - ihr vielleicht auch nur etwas zu essen zu geben. Die, dies es dennoch taten - ob aus Mitleid oder was auch immer, taten dies nicht aus "Motal" sondern Zivilcourage oder Verantwortungsbewusstsein. Beispiele gibt es aber auch genügend anderswo. Die Kirche ist ein gutes Beispiel, weil für diese Gruppe das Konzept "Moral" eine der wichtigsten Triebfedern war (und wohl noch ist). Für einige Religionen (Gruppierungen aus Christen wie Moslems) galt und gilt es auch "höchst moralisch" anderen die eigene Religion - in der Geschichte (aber auch heute noch / wieder) nicht selten mit Gewalt - aufzuzwingen ("missionieren", wie es so nett heisst) - zumindest aber die damit verbundenen Werte und Normen. Gewalt bedeutet auch Nötigung - manchmal allein schon einen Vorteil zur Abwendung besonderen Leids zu versprechen.

Moral ist so ziemlich alles das, was nicht aus dem eigenen Verstand und vor allem nicht der eigenen Verantwortung geschieht. Wohin das so alles führt, zeigen die Kreutzritter, die Nazis wie islamische Terroristen...

Ich halte die "Kollateralschäden" des Konzepts für schlicht zu hoch - sie wiegen die angeblichen "Vorteile" keineswegs auf. Diese verschwinden schnell, wenn man anfängt "veranwortungs"-"bewusst" darüber nachzudenken.
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Lieber Niels,

die von mir vorgebrachten Unterschiede zwischen Mensch und Tier, entpuppen nicht als „Gemeinsamkeit mit andere Tieren / Lebewesen.“ Du hast das zwar entgegengehalten, aber mich nicht überzeugt. - Ich bin darauf nicht weiter eingegangen, weil es sich dabei sowieso nur eine kleine Nebendiskussion handelt. Im Thema geht es „um die Macht der Verführung“ beim Menschen (nicht bei Tieren).

Ich werde ganz bestimmt nicht feststellen, „das wir Menschen in so ziemlich nichts einzigartig sind“.
Deine Meinung sei Dir unbenommen. Wenn Du keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier siehst, kannst Du ja Dein Forum mit Tieren betreiben und auf mitschreibende Menschen verzichten. Vielleicht stellst Du dann fest, dass Tiere auch hier dem Menschen überlegen sind. – Sie widersprechen nicht. :mrgreen:

niels hat geschrieben:Ok, ich bin nicht bibelfest.
Das sind die Fundamentalisten in der Regel auch nicht. Sie erliegen dazu viel zu sehr der Versuchung die eigenen Anschauungen mit der Bibel zu belegen zu wollen.
Ohne den „Sitz im Leben“ zu beachten, d.h. Sichtweise, Anliegen und Problemlagen der „Bibelschreiber“ zu betrachten und davon ausgehend die Schrift auszulegen, wird sehr viel in die Bibel hinein gelesen, was nicht drin steht.
Hinzukommt die ungenügende Berücksichtigung der literarischen Gattungen innerhalb der Bibel.
Normalerweise wird niemand ein Gedicht oder eine Erzählung mit einer naturwissenschaftlichen Theorie vergleichen und überprüfen wollen, ob das Gedicht bzw. die Erzählung auch wissenschaftlich genug sind.
Bei der Bibel schon, hier wird dieses, an sich unsinnige Ansinnen, unternommen. Bei dem „Vergleich“ wird außderdem ungenau gearbeitet. Selbst das Augenfälligste, fällt nicht auf.
Wer nimmt schon wahr, dass es sich beim „1. Schöpfungsbericht“ um ein Gedicht handelt?
Ein Gedicht, welches mit Gen 2,4 a endet. Wem ist klar, dass mit Gen 2,4 b eine Erzählung beginnt?

Laut dem Gedicht (Priesterschrift, Zeit der Babylonischen Gefangenschaft) war am Anfang das Wasser:
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
Lauf der Erzählung (Jawist, Königszeit) war es am Anfang trocken, das Wasser fehlte:
Zur Zeit, als Gott, der Herr, Erde und Himmel machte, gab es auf der Erde noch keine Feldsträucher und wuchsen noch keine Feldpflanzen; denn Gott, der Herr, hatte es auf die Erde noch nicht regnen lassen und es gab noch keinen Menschen, der den Ackerboden bestellte; aber Feuchtigkeit stieg aus der Erde auf und tränkte die ganze Fläche des Ackerbodens.
Wäre den „Bibelschreibern“ der genaue und richtige Hergang wichtig gewesen, so wie es das Anliegen der Naturwissenschaft ist, wären die beiden Texte sicher nicht so stehen geblieben.
Heute ist es anscheinend für viele wichtig, dass was die Naturwissenschaft heute zu sagen hat, bereits in der Bibel steht. Die streitenden Parteien erzählen nur von sich selbst!
Das Anliegen der Bibel, dass was die Bibel sagen will, bleibt dabei auf der Strecke.
:(


Dein Beispiel „Mittelalter“ hinkt. Es basiert auf einem Irrtum, wenn auch auf einem sehr populären Irrtum:
Die weit verbreitete Ansicht, Hexenverfolgungen wären hauptsächlich eine Erscheinung des Mittelalters gewesen, ist historisch ebenso falsch, wie die Ansicht, die großen Wellen neuzeitlicher Hexenverfolgung wären vorrangig von der kirchlichen Inquisition angestrebt oder ausgeführt worden. http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung
Im Mittelalter hat man (jedenfalls kirchlicherseits) nicht an Hexen geglaubt. Für sie war das Aberglaube, Unfug. Eine Hexenverfolgung setzt jedoch den Glauben an Hexen voraus: Ohne Glaube an Hexen keine Bedrohungsangst, ohne Angst keine Verfolgung. Für solch heidnischen Unfug hatte man im Mittelalter nichts übrig.
Die vorchristlichen Germanen kannten die Verbrennung von Schadenszauberern seit frühester Zeit. http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung
In der frühen Neuzeit war es wieder soweit. Aberglaube machte sich breit, nun glaubte man wieder an Hexen und Hexerei.
Die weit verbreitete Annahme, die vor allem im 15.–18. Jahrhundert stattgefundenen
Hexenverfolgungen gingen hauptsächlich auf das Konto der kirchlichen Inquisition, ist historisch falsch. Die weit überwiegende Anzahl der Hexenprozesse wurde vor weltlichen Gerichten verhandelt. http://de.wikipedia.org/wiki/Inquisitio ... verfolgung
Die staatliche spanische Inquisition lehnte Hexenverfolgung ausdrücklich ab. http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung
Friedrich von Spee SJ (1591-1635) gegen den Hexenwahn unter dem Titel "Cautio Criminalis" (1631):
Erstens die Fürsten als den Letztverantwortlichen für die schauerlichen Prozesse: "Wehe den Fürsten und zweimal wehe den Fürsten!"
Zweitens die Juristen, denen Gerüchte und fragwürdige Indizien genügten, um gegen die Opfer mit Folter vorzugehen und so das Geständnis zu erzwingen.
Drittens die Geistlichkeit, in der es zu viele Geistliche gibt, die ungeistlich gesinnt sind und Übereifer mit mangelnder Urteilsfähigkeit verbinden. Nigg hält es für erschreckend, "wie bereitwillig sie sich immer der Zeitströmung angepaßt haben" (S.66).
Viertens das Volk, denn der Hexenwahn war eine Volksbewegung. In diesem Zusammenhang schreibt Nigg: "Spee wußte um die Macht der allgemeinen, unkontrollierbaren Volksmeinung und stand ihr nicht weniger kritisch gegenüber als den Ansichten der tonangebenden Schichten. Er war unabhängig und schrieb: ‘Mir gefallen die Geister, die nicht immer alles für unzweifelhaft wahr halten, woran das gemeine Volk glaubt.'" http://www.kath-info.de/spee.html
Niels, Du verstehst unter Moral Regeln und Gesetze. Wenn Du die Moral abschaffen bzw. überwinden willst, welches „Konzept“ willst Du anwenden, um Rechtssicherheit zu schaffen?
Womit willst Du sie ersetzen, gerade angesichts der Tatsache, dass die Hexenverfolgung eine Volksbewegung war? Mit Bewußtsein? Bewußtsein kann man nicht verordnen.
Und wenn Bewußtsein, welches Bewußtsein? Nach Deiner Aussage gibt es weder gut noch böse. Also ist doch letztlich alles egal, oder?
Mit Nützlichkeit? Nun, die Hexenverfolger hielten es für nützlich die Hexen zu verbrennen.

LG Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Ich werde ganz bestimmt nicht feststellen, „das wir Menschen in so ziemlich nichts einzigartig sind“.
Nun, bisher hast Du mir kein stichhaltiges Argument degegen - also für Deine Meinung - vorgebracht.
Deine Meinung sei Dir unbenommen. Wenn Du keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier siehst, kannst Du ja Dein Forum mit Tieren betreiben und auf mitschreibende Menschen verzichten. Vielleicht stellst Du dann fest, dass Tiere auch hier dem Menschen überlegen sind. – Sie widersprechen nicht. :mrgreen:
Na, so schnell beleidigt?
Ich habe gesagt, der Mensch ist ein Tier - aber auch, das jedes Tier einzigartig ist. Wir Menschen sind auf jeden Fall nichts "Besseres" als jedes andere Tier. Die Tiere unseres Planeten können nicht in unserer Schriftsprache schreiben - das sollte auch Dir bekannt sein. Ebensowenig, wie der Mensch bis heute keine Sprache bzw. Kommunikationsprotokoll auch nur eines anderen Tieres versteht.
Das sind die Fundamentalisten in der Regel auch nicht.
Wer (außer den Autoren der Bibel) "kennt" die Bibel denn wirklich? Nur die Autoren ("Evengelisten") wissen doch überhaupt, warum und aus welcher Quelle welches Wort da drin steht. Wie beim Koran und der Thora - alle "Experten" beschöäftigen sich dich lediglich mit Auslegung, ohne auch nur einen belegbaren Zusammenhang bemächtigen zu können. Die "Unklarheit" der Svhriften - wie auch ihr Zeitbezug - machen erst die differenziertesten Auslegungen möglich - egal ob nun "fundamental", gemäßigt oder wie auch immer. Die Muslime sehen in der Wortwahl des Korans schon den Beweis, das das Wort von Gott kommen müsse - kein Mensch könne so vollkommen dichten bzw. formulieren...

Wenn man etwas unvollkommenes als vollkommen bestimmt, kann nur Quark herauskommen (siehe Grundlagen der höheren Mathematik - Logik).
Laut dem Gedicht (Priesterschrift, Zeit der Babylonischen Gefangenschaft) war am Anfang das Wasser:
Lauf der Erzählung (Jawist, Königszeit) war es am Anfang trocken, das Wasser fehlte:
Ich war schon paar mal in "Babylon" - dem heutigen Irak. Man sieht dem Land wie wahrscheinlich kaum einem anderen an wie es vom Menschen gebeutelt und wie das Ökosystem über Jahrtausende zerstört wurde. Früher gab es (verglichen mit heute) "reichlich" Wasser und grüne Natur. Heute ist alles weg.

Die Evangelisten würde man heute wohl besser als "Sagen-Sammler" a la Gebrüder Grimm einstufen. Sie haben das aufgeschrieben, was und wie es ihnen überliefert wurde - nicht mehr und nicht weniger. Der starke Zeitbezug macht es uns heute noch schwerer, überhaupt irgendwelche brauchbaren Fakten zu entnehmen.
Heute ist es anscheinend für viele wichtig, dass was die Naturwissenschaft heute zu sagen hat, bereits in der Bibel steht. Die streitenden Parteien erzählen nur von sich selbst!
Ja, das ist totaler Quark.
Die Bibel hat mit Wissenschaft ebensowenig am Hut, wie eine Nonne mit einem Erdbeer-Kondom.
Das Anliegen der Bibel, dass was die Bibel sagen will, bleibt dabei auf der Strecke.
Nun, die Dinge, die uns die Bibel heute noch sagen kann, lassen sich auf ein paar einzelne Wortgruppen reduzieren - z.B. die 10 Gebote. Der Rest ist mangels Zeitbezug aus der Zeit getreten. Die Evangelisten haben damit heute ungefähr soviel zu sagen, wie die Gebrüder Grimm den Kindern.
Dein Beispiel „Mittelalter“ hinkt. Es basiert auf einem Irrtum, wenn auch auf einem sehr populären Irrtum:
Soweit es um Hexenverfolgung geht, stimme ich Dir sogar zu, denn diese fand man schon früher wie auch heute noch. Das Mittelalter aber taugt - wohl weil wir einen gewissen zeitlichen Abstand haben - als anerkanntes Beipiel, wohin die "Moral" z.B. einer Religion führen kann. Auch heute noch gibt es ähnliche Irrsinnigkeiten.

Mir ging es bei der Inquisition nicht primär um Hexenverfolgung - auch wenn diese die wohl für viele die bekanntesten Beispiele bietet. "Moral" war das, was dem jeweiligen Machthaber für seine persönliche Lobby genehm war. Die Kirche war damals die wohl einflußreichste Macht. Sie bestimmte, was "Moral" ist - zu gunsten ihrer Vorsteher (Päpste) und Günstlige.

Das Erbe tragen die Europäer, die Deutschen auch heute noch. Eigenes Denken und Zivilcourage waren nicht gefragt - "Moral" war das, was die Obrigkeit für "gut" "hielt" - vor allem dem "Lehnsherren" gehorchen war "hochmoralisch". Die Menschen waren Sklaven ihrer Lehnsherren wie der Kirche. Wer sich dagegen auflehnte war - meistens und in den Augen der meisten - "unmoralisch" und "schlecht".

Auch die Eichsfelder waren damals im Prinzip (so würden wir es heute bei anderen Menschen auch definieren) "Sklaven" der Kirche bzw. den durch die Kirche bestimmten / begüterten Lehnsherren. Als "hochkatholische" Region - u.a. dadurch, da Kurmainz in HIG für sich ein wichtiges - damals schon zentral gelegenes "Kongresszentrum" betrieb (heute "Heiligenstadt"). Man brauchte "gute" wie billige (d.h. bei Bedarf auch kostenlose) Untertanen für den Betrieb der Anlage. Aber auch allen anderen Eichsfelder waren zu 99% "Unfreie" und den Herrn der Kirche untertan, die darüber bestimmten, was gut udn böse ist. Ein einfacher Trick dabei war der Beschützer-Trick - Dein Lehnsherr beschützt Dich, wenn Du ihm treu dienst. Dein Gott beschützt Dich, wenn Du seinen Vertretern treu dienst usw.

Eine Brutstätte für Revolutionäre war das Eichsfeld jedenfalls nie.

Heute sind viele Eichsfelder "stolz" darauf, über Jahrhunderte schon Eichsfelder zu sein - also ehemalige Leibeigene bzw. Sklaven einer Kirchendiktatur - und immer noch gelten weithin die alten Werte und Regeln, wie man sie den Eichsfeldern über tausend Jahre eingebleut - oder wenn nötig auch geprügelt - hat. Zur "Moral" der Eichsfelder gehört auch, das man auf die Obrigkeit hört, statt sich öffentlich aufzulehnen. Ohne das "OK" der Kirche (d.h. wäre die Kirche wohl dicke mit der SED gewesen) wäre 1989 wohl auch kaum ein Eichsfelder auf die Straßen gegangen...

Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit.
Niels, Du verstehst unter Moral Regeln und Gesetze.
Nein,
bitte lies meine Posting ordentlich.
Gesetze liegen auf einem anderen Level - lediglich das Prinzip ist ähnlich.
Wenn Du die Moral abschaffen bzw. überwinden willst, welches „Konzept“ willst Du anwenden, um Rechtssicherheit zu schaffen?
Für "Rechtssicherheit" gibt es Gesetze.

Die halte ich für eine erheblich bessere Lösung - denn jeder weiß und gibt zu, das diese ihre Grenzen bzw. nie vollkommen sein können haben.

Nicht zuletzt ist auch die Optimierung / laufende Überarbeitung von Gesetzen geregelt. Kontraprodutik wird es dort, wo Gesetze nicht wirken bzw. passen - wie auch und erst recht bei der Moral.

Gesetze sind klar und verbindlich vereinbarte Verhaltensnormen zwischen den Menschen. Zudem denken die Menschen über Gesetze nach - über Moral i.d.R. nicht. Mit etwas geld und Einfluß - etwas Geschick gehört dazu - kann heute jeder "Moral" unter den Menschen erzeugen.

Geführlich ist es dort, wo man aus der Moral Gesetze bilden will. Z.B. die CSU macht sowas gerne (die Linken wahrscheinlich auch, wenn sie es könnten). Da gibt es aktuell die Forderung nach einer "Sexualtäterlkartei" und "einfacherem lebenslangem Wegsperren". Damit spielt man gezielt den "Beschützetrick" aus - Du gibst uns Deine Freiheit udn wir beshützen Dich dafürm weil wir es besser wissen / können als Du. der Riesenapplaus kommt - wie gehabt - gerade aus den Gegenden, wo man seiner Obrigkeit / der Kirche schon historisch besonders treu war. Wer behauptet denn schon, das "Moral" immer gleich Gerechtigkeit oder Menschlichkeit meint? Nein... Moral ist damit das, was die Obrigkeit für uns für gut hält (weil die es ja besser wissen) - und wir deshalb auch...

Moral ist oft auch das, was von den Eltern vorgelebt bzw. vermittelt wurde (ist ja auch "kopiert").

Für überzeugt-rote DDR-Leute war z.B. Westbesuch "unmoralisch". Für Christen war bzw. ist der Wunsch einer Frau auf Ehetrennung "unmoralisch" - auch wenn sie erst zu spät feststellt, das der Ehepartner sie (vielleicht weil er dies als "moralisch richtig" empfindet) laufend verprügelt? "Moral" ist meist eine Sache "der anderen" - nicht immer...

Man kann für sich selbst festlegen, was "Moral" ist, den Teil, den man selbst festlegt, ist aber keine Moral mehr, sondern freies Entscheiden, nur das, was man übernimmt, der Teil "Moral". Legt man alles nach eigenem bewussten Ermessen fest, bleibt keine Moral mehr übrig. Warum also soll Moral gut oder gar die bessere Lösung sein?

Auch Deine sog. "Volksbewegung" der Hexenverfolgung hatte ihre Ursachen und Lobbyisten. Die Kirche war hier an vorderster Front. Falls nicht, hat sie - als damals immerhin in Europa mächtogste Institution - lieber ihre Vorteile daraus gezogen udn unliebsame Kritiker beiseite geschafft, als den Menschen zu helfen oder gar ein ordentliches Leben beizubringen.

Vielleicht verstehe ich auch nur den Sinn der Kirche wie ihrer Existenzberechtigung nicht. Das "Erbe Christi" hätte zuweilen wahrscheinlich jede armselige Hure ("Mietfrau") mit 12 unehelichen Kindern besser und ehrlicher bewahren und weiterkommunizieren können. Das, was Jesus den Menschen tatsächlich vermitteln wollte (was ich dabei zumindest annehme - dazu gehört jedenfalls nicht ein Gottesstaat oder eine Machtkirche), hätte man wohl ehrlicher und nur damit besser ohne Machtinstitution Kirche durch die Zeit retten können. Wie bei jeder theistischen Religion ist der Glanz - spätestens je nach einigen Jahrhunderten - kräftig abgekratzt...

Der Erfolg Hexenverfolgung ist - für sich selbst - ebenfalls ein negatives Beispiel für die Moral. Wurde diese vom "Volk" angekrubelt (und von der Kirche "nur" mitgemacht) zeigt dies ebenso, welche Dynamik moralistische Strömungen entfachen können.
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Wieso?
Wieso habe ich kein stichhaltiges Argument für den Unterschied zwischen Mensch und Tier gebracht?
In einem sind wir uns doch bereits einig, Tiere können nicht schreiben, Menschen schon. Menschen sind darin einzigartig.

Wieso sollte ich beleidigt sein? Nur weil ich etwas nicht unbedingt ausdiskutieren oder beweisen will?
Ich denke, die meisten Diskussionen, die genau diese Zielrichtung verfolgen, verlaufen kontraproduktiv. Ich halte es nicht für sinnvoll. Außerdem kann man zwar einen Computer mit Informationen füttern und erhält dann das entsprechende Ergebnis, beim Menschen ist das nicht so.

In den zeitbedingten Aspekten der Bibel sehe ich kein Problem. Man sollte sie einfach beachten. Dabei hilft die Geschichtswissenschaft. Speziell mit der Entstehung und Struktur der einzelnen biblischen Schriften beschäftigt sich die Einleitungswissenschaft. Siehe:
http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Bi ... chaft.html

Standardwerke sind:
Schnelle, Udo
Einleitung in das Neue Testament
(UTB) ISBN: 978-3-8252-1830-0

Zenger, Erich, u.a.
Einleitung in das Alte Testament
(Kohlhammer) ISBN: 978-3-17-020695-3

Hier wird auch deutlich, dass die Evangelisten eben keine Sammler a la Gebrüder Grimm
sind. Es sind Theologen, ihre Evangelien sind strukturiert (Kompositionen) mit einer jeweils spezifischen Aussage.

Muslime betrachten den Koran bis im genauen Wortlaut von Gott gegeben.
Das ist deren Sache und hängt mit dem Propheten Mohahammed zusammen.

Eine solche Position der sog. Verbalinspiration bezüglich der Bibel ist fundamentalistisch. Ich lehne dies ab.
niels hat geschrieben: Nun, die Dinge, die uns die Bibel heute noch sagen kann, lassen sich auf ein paar einzelne Wortgruppen reduzieren - z.B. die 10 Gebote. Der Rest ist mangels Zeitbezug aus der Zeit getreten.
Nur die 10 Gebote?

Vor einiger Zeit schrieb eine Schülerin im Ethikunterricht eine Arbeit über das Christentum. Sie erhielt darauf zwar eine Eins, allerdings wies die Lehrerin sie darauf hin, dass die 10 Gebote nicht zum Christentum, sondern zum Judentum gehören würden. Das stimmt zwar so nicht, aber ganz verkehrt ist der Hinweis nicht. Das Judentum sammelt sich um das Gesetz, die Tora (= AT Mose 1-5), welches die 10 Gebote einschließt. Christen versammeln sich um Jesus. Kirche heißt, dem Herrn [Jesus] gehörig. Du hast Jesus vergessen! Nicht ein Gesetz, sondern die Person Jesu ist für Christen Weg, Wahrheit und Leben.

Mir ist nicht verständlich wie Du Moral von Gesetz abkoppeln willst. Beides bedingt einanderer. Die in unserem Grundgesetz verankerten Menschenrechte basieren auf einer bestimmten Moral.

Die meisten Menschen entwickeln aufgrund ihrer Erziehung, Sozialisation ... im Laufe ihres Lebens eine bestimmte Moral, indem sie allgemeine Regeln verinnerlichen. Dies muß nicht reflektiert werden, kann es aber schon und kann so eine Modifikation erfahren. Diese Moral wirkt prosozial und verhindert antisoziales Verhalten. Menschen lernen sich zurückzunehmen, Rücksicht zu nehmen auf Schwächere ... Es sind selbstregulierende Mechanismen.

Entferne ich den Mechanismus "Moral", bleibt das Gesetz. Die jeweils aktuellen Regelungen, die auch nicht unbedingt in der Lage sind Gerechtigkeit zu schaffen.
Und Barmherzigkeit ? Das ist eine Frage der Moral, nicht des Gesetzes.
Von den 10 Geboten gilt dann nur noch das 11 „Du sollst Dich nicht erwischen lassen“, denn die selbstregulierenden Mechanismen der Moral sind ausgeschaltet.

LG Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Christel hat geschrieben:Wieso?
Wieso habe ich kein stichhaltiges Argument für den Unterschied zwischen Mensch und Tier gebracht?
In einem sind wir uns doch bereits einig, Tiere können nicht schreiben, Menschen schon. Menschen sind darin einzigartig.l
Schreiben ist ñediglich eine Formk der Kommunikation (Informationsweitergabe -uebertragung oder speicherung). Das koennen die meisten Tiere. Kannst Du z.B. "delphinisch"¿ nein...

Ich sehe keinen "Vorsprung" des Menschen ggenueber irgend einem anderen Lebewesen auf der Erde - schpn gar nichts, was uns ueber alle anderen Arten auf der EWrde stellen duerfte oder koennte (bis auf unseren Ressourcenverbrauch, der das Oekosystem Erde an den Rand der Existenzparameter bringen duerfte - wie ev. auch eine zu erfolgreiche Rattenplage in einer Stadt)... Was wie wo auf anderen Planeten abgeht bzw. welch entwickelte Lebensformen es dort gibt, wissen wir kleinen Menschen schon gar nicht - dafuer ost unsere Art noch viel yu jung oder "unentwickelt"...

aber immerhin: Unter den Blinden ist auch der Einaeugige ein Koenig...

Mag sein, das Du im Zeitbezug der Bibel kein Problem siehst - ich auch nicht, denn fuer mich ist es lediglich ein historsiches Buch mit "gewissem, temporaerem Einfluss" auf die Menscheitsgeschichte. Fuer heuet oder die Zukunft halte ich andere Schriften - insbesondere wissensbezogene / wissenschaftliche- fuer erheblich wichtiger weil wertvoller. Die Bibel wird uns bei Problemen wie dem Treibhauseffekt, Umweltverschmutzung oder auch Uberbevoelkerung der Erde ebensowenig helfen, wie der Koran, die Tora oder andere - aus der Zeit gegriffene - Epen.


cheers aus Maroc,

Niels.
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Lieber Niels,
richtig Schreiben ist eine „Form der Kommunikation“. Kommunikation ist hier ein Oberbegriff.
Oberbegriffe zeigen immer nur das Gemeinsame.
Was ist das Gemeinsame von Mensch und Stein? Beide bestehen aus Materie.
Hier wird kein Unterschied sichtbar. - An der Oberfläche ist alles gleich. In der Tiefe werden die Unterschiede sichtbar.

Zwischen der Literatur willst Du schon unterscheiden. Ich nehme an Du definierst „wissensbezogen / wissenschaftlich“ als naturwissenschaftlich, technisch, oder?
Unter Wissenschaft wird heute nicht selten nur die Naturwissenschaft verstanden und somit ungefähr der gesamten Geisteswissenschaft (Geschichtswissenschaft, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft, Religionswissenschaft, Bibelwissenschaft ...) die Wissenschaftlichkeit abgesprochen.
Ich halte das für eine verengte Sichtweise.

Ob Naturwissenschaft und Technik die aktuellen Probleme lösen können, muss sich erst noch herausstellen. Wir haben ja die Probleme noch, trotz Naturwissenschaft und Technik. Oder gerade wegen der Naturwissenschaft und Technik? Naturwissenschaft und Technik sind nicht nur mögliche Problemlöser, sondern auch Versursacher der Probleme. Z.B. Industrialisierung, Emissionen, Treibhauseffekt ...
Die Atombombe ist eine wissenschaftlich-technische Meisterleistung.

Warum sollte die Naturwissenschaft und Technik überhaupt versuchen die Problems zu lösen? Ihre Zielrichtung ist nicht Ethik sondern Funktion.

Vielleicht reichen Naturwissenschaft und Technik nicht aus? Vielleicht bedarf es einer Ethik? Wenn ja, welcher Ethik?
Warum sollte eine Ethik, die Gleichwertigkeit und Gleichgültigkeit vertritt, die Lösung der Probleme forcieren?
Unter diesem Aspekt ist es doch egal, oder?

LG Christel
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