Die Macht der Verführung

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niels
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Hallo Josef,

Du musst den Thread schon im Kontext und komplett lesen, sonst kannst Du Dir auch kein komplettes (und damit richtiges) Bild machen. Es ging im Prinzipum "was sind Beleidigungen und was nicht" - entsprechend habe ich mit einem Gegenbeispiel reagiert

Was Du persönlich über mich denkst, ist mir egal, denn das spielt in einem Forum auch keine Rolle (es "verstellt" maxximal den Blick für die Meinung bzw. Aussage desjenigen).

Wir sind alle Beförworter der Gleichberechtigung - darauf legt auch Christel Wert - im Übrigen kennen sich die meisten im Forum nicht persönlich. Hier geht es lediglich um Meinungen und Debatten - nicht um persönliche Befindlichkeiten der Beteiligten.
...Privatsache...
Du redest damit wie ein "Vorzeige-Missionar". Religion IST reine Privatsache - wo sie es nicht ist, d.h. wo sie sich in die Angelegenheiten von Nichtmitgliedern einmischt - ist es Staatsreligion. Die aber ist gem. Grundgesetz nicht möglich (zum Glück).

Auch wenn Religion in der Gruppe gelebt wird, so handelt es sich um private Angelegenheiten - ebenso wie in Vereinen. Natürlich kann eine Kirche auch als Unternehmen agieren, dann ist es ein privates Unternehmen. Religion ist heute also privat (sollte sie jedenfalls, denn noch immer gibt es Einmischungen) - die Zeiten der Diktatur des Vatikans sind zum Glück vorbei...

Ist doch auch nicht schlimm, oder?
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niels
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Re: Die Macht der Verführung - Nachschlag

Ungelesener Beitrag von niels »

Nur weil Christel eine Frau ist, soll ich sie für weniger voll nehmen?

Unter echten "Beleidigungen" verstehe ich übrigens etwas anderes, damit habe ich hier - mit Rücksicht auf die Netiquette - zurückgehalten. Alle Begriffe sind "Umgangsprache" und in den deutschen Sprachlexika / Duden wie der Literatur zu finden.

Für mich liegen "Atheist" oder "Dorfpfaffe" ungefähr auf dem selben Level - beides sind "abschätzige" Begriffe - je nach Sichtweise und Kontext. "imaginäres Alphamännchen" dagegen z.B. ist ein sehr neutraler, weil wissenschaftlicher Ausdruck.

Mir ist bewusst, das andere Menschen nicht meiner Meinung sind - andere wiederum schon. Es war noch nie mein Ziel das mich alle "lieb haben" und "Bekannte" (auf "Freunde" lege ich keinen großen Wert) sind dann am interessantesten, wenn Sie anderer Meinung bzw. verschieden von mir sind - denn nur dann kann man überhaupt durch Austausch beiderseits dazulernen.

Was andere von mir oder über mich denken, ist mir ehrlich egal. ICH muß mein Handeln und Tun vor meinem eigenen Gewissen verantworten - niemandem anderes. Ich halte nichts davon, die Verantwortung für die eigenen - mehr oder weniger großen - "Schandtaten" auf Dritte abzuwälzen, indem man deren Meinung assimiliert. Ich glaube auch nicht an "Vergebung" sondern die bewusste Aufarbeitung dessen, was Menschen gern "Sünde" nennen. Nur so kann man aus Fehlern wirklich lernen und es künftig besser machen.

In einer Kultur, in der man von "seinen Sünden reingewaschen" werden kann, ohne sich nennenswert und bewusst mit den Folgen des eigenen Tuns beschäftigt zu haben, fühle ich micht jedenfalls nicht zuhause, denn ich habe den Eindruck, das diese "Endlösung" zu Sorglosigkeit im Umgang mit sich selbst führt, was noch mehr "Sünden" der Betreffendenzur Folge hat.

Ich finde es fast schon ein Stück weit pervers den Menschen zu erzählen, das sie - wenn Sie z.B. Die Weihnachts- bzw. Osteransprache des Papstes im TV sehen oder ein paar Vaterunser und "GGSDMs" beten wieder ein sauberes Gewissen haben dürfen. Zumindest wird dies von vielen so interpretiert.

Möchten wir wirklich eine bessere Gesellschaft, muß jeder zu seinen Schandtaten stehen - vor allem vor sich selbst. Er darf auf "Erlösung" von diesen hoffen, wenn er sich ehrlich und bewusst mit diesen beschäftigt und ehrlich versucht daraus zu lernen. Dazu braucht es m.E. ebensowenig einer Kirche wie einem Gottglaube - ich sehe das oft sogar eher hinderlich.


Cheers,


Niels.
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Niels,

Josef, hat nicht gemeint, dass Du mich nicht für voll nehmen sollst. Eher im Gegenteil!

Ich fragte im Diskussionsforum für Atheisten, Agnostiker und Freidenker nach, ob „Atheist“ ein Schimpfwort ist oder nicht? http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php ... c&&start=0

Du hast überzogen mit Deiner Behauptung „Atheist“ wäre ein Schimpfwort!
Du hast es benutzt um kräftig gegen mich aufzuholen. Ich finde das unfair.
Ich glaube auch nicht, das irgend jemand das mit Gewinn liest.

Christel :(
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Josef
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Josef »

Hier schließ ich mich der Christel an.
>>Wenn
Religion reine Privatsache wäre, lieber Nils -
wärst Du unter Umständen jetzt hier nicht der Adnim oder wie das heißt.
Warum ?
> Ein gewisser Pabst Johannes Paul zwo -
hat durch sehr konkretes Vorgehen seinerseits
maßgeblich zum Niedergang der Kommunisten in Polen beigetragen. Er unterstützte "die Bewegung" nicht nur mit wichtigen Faxgeräten und anderen technischen Hilfsmittel, sondern trug doch wesentlich moralisch- unterstützend zum Sieg der Gewerkschaft gegen das Regime bei.
Man kann von mir aus alles mögliche über diesen Mann denken, für mich war er ein ganz großer.
Und wenn man dann noch an den alten Mann jetzt denkt ... ich hab SOFORT nach seiner Wahl den Fernseher ausgeschaltet, mich an den Kopf gefasst und war fassungslos. Ich ahnte damals schon, wohin die Reise mit dem neuen Pabst geht. LEIDER hat er dies mehr als nur bestätigt.

Josef :(
war damals voller Hoffnung auf einen neuen , jungschen Pabst aus einem ARMEN Land (in Südamerika oder Afrika)
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niels
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Religion reine Privatsache wäre, lieber Nils -
wärst Du unter Umständen jetzt hier nicht der Adnim oder wie das heißt.
Warum ?
Doch, allerdings ev. aus dem Westen.

Dafür ist Polen bis heute nicht wirklich in der Demokratie angekommen.

Nein, den Umsturz der "Wende" hat nicht die Kirche oder gar der Vatikan, sondern mutige DDR-Bürger (die eben NICHT alle Mitglieder der "jungen Gemeinde" waren) bewirkt. Solidarnosh (oder wie das heisst) hatte auf die DDR nur geringen Einfluß. Als Kirchenangehöroger oder gar Angestellter war es einfach, dem DDR-Staat "freche Briefe" zu schreiben (wie Frau Liebermann) oder "kritisch" zu sein, denn man hätte nie seinen Job verloren und kein Problem mit der Familie bekommen. Wirklich riskiert haben die etwas, die NICHT aus der Kirche kamen - die einfachen Leute.

Die Kirche - vor allem der vatikan - hatte seine eigenen Machtinteressen, die Kommunisten (als Ihre machtpolitischen Feinde) loszuwerden, da sie in den kommunistischen Ländern auf Dauer keinen politischen (!) Einfluß mehr gehabt hätten.

In der DDR- vor allem aber bei den Nazis - gab es KEINE offene Stellungnahme gegen das Regime der Kommunisten und einige hohe Nazis hatten sogar offiziell angekündigte Privataudienz mit Film und Radioaufzeichnung beim damaligen Papst. Einige Proester, die sich gegen die Nazis stellen und im GESTAPO-Knast noch Hilfe aus Rom erwarteten wurden bitter enttäuscht (und totgemacht). In die Politik mischt sich der Vatikan nur dann ein, wenn es in erster Linie IHM Vorteile - d.h. mehr Macht bringt. Wer glaubt, er würde solche Dinge "aus Liebe zu den Menschen" tun, der irrt sich wahrscheinlich gewaltig. Ein Beispiel dürfte wohl das Kondomverbot für Afrikaner gewesen sein, weshalb noch heute tausende Afrikaner jährlich sterben (oder sogar zehntausende).

Papst Johannes Paul war - wie sagt man so treffend im Irak - "the unworst of the worst" oder so ähnlich ("der am wenigsten Schlimmen der Schlimmsten"). Er war persönlich vielleicht ein angenehmer Mann und ev. der beste Papst, den die römisch-katholische Kirche je hatte. Die Kirche war und ist dennoch keine demokratische Institution und seit Benedikt ist auch wieder offiziell, was der Vatikan eigentlich vertritt - Macht über Unterwürfige, Gefolgsamkeit und Intoleranz gegen Andersdenkene.

das mögen die Unterwürfigen anders sehen - es ist halt meine Meinung.


Nochmal: Religion IST (jedenfalls aus der Sicht unserer Verfassung) heute Privatsache, denn unsere Verfassung legt klar fest, das es eine klare Trennung von Staat und Kirche gibt UND, was nicht Staat ist, IST privat. Das dieser Zustand noch nicht erreicht ist, ist mir allerdings selbst klar, ich hoffe aber darauf...

Mac Donalds hat hunderttausende Angestellte in Deutschland und weltweit - dennoch ist es eine private Einrichtung, es ist Privatsache der Inhaber oder Aktionäre. Was ist anders an einer Kirche? Ich sehe da keinen wirklichen Unterschied - das "Produkt" ist lediglich ein Konstrukt aus Entertainment und Macht über Anhänger - kein Fastfood...

Wo Kirche NICHT mehr Privatsache ist, weil sie sich in die Politik einmischt, kommt ihre Machtposition und Ihr Machtstreben zum Ausdruck. Hätten die SED-Kommunisten die Kirche "toll" gefunden - ev. sogar noch einen "Gottesstaat" errichtet (wie der Iran im Islam), hätte der Vatikan sich wohl kaum eingemischt, solange man seinen Vertretern nur genug Einfluß zugebilligt hätte...

Heute - so der Vatikan übrigens selbst - sieht man die "größten Potentiale der katholischen Kirche" im noch wenig bemissionierten Südamerika - Europa ist wohl wegen der Aufklärung und klaren Verfassungen uninteressant geworden...
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Auch mit Technik aus dem Westen hätte man sicher hier nicht heimlich ein Forum betreiben können. Das Internet kann man nicht kontrollieren. Ein Staat, der damals jeden Kopierer kontrollierte, dem Kontrolle so wichtig war, hätte so ein Forum nicht gefördert... im Gegenteil.

Nicht der Vatikan, als solcher, sondern (wie Josef schrieb) der Papst Johannes Paul II. hatte Anteil am Umbruch. Ich habe gerade das Buch des Journalisten Andreas Englisch „Wenn Gott spricht : Die Prophezeiungen der katholischen Kirche“ ISBN: 978-3-570-01133-1 gelesen. (Eigentlich war das Buch noch gar nicht dran, ist aber absolut spannend geschrieben, ich konnte nicht widerstehen)
Er schreibst, dass dies bezügliche Aktivitäten des Johannes Paul II. von einigen im Vatikan gar nicht gern gesehen wurden. S. 147 f schreibt Englisch:
Wenn es um wirklich wichtige Schachzüge in der Auseinandersetzung mit Moskau ging, besprach sich der Papst mit seinem Sekretär, Don Stanislaw Dziwisz, und zwar auf Polnisch. Das wiederum ärgerte Kardinal Casaroli derart, dass der betagte Mann mit mehr als siebzig Jahren noch begann, Polnisch zu lernen.
Päpste sind eben auch nur Menschen. Und Johannes Paul Il. war Mensch und Pole.

Aufschlussreich dürfte u.a. auch das Buch sein Joachim Jauer „Urbi et Gorbi : Christen als Wegbereiter der Wende“ ISBN: 978-3-451-32253-2 sein.

Ohne die Veränderungen im Ostblock, insbesondere in Polen, hätte es keinen Regierungswechsel gegeben.

Der Umsturz bei uns begann nicht auf der Straße, sondern in den Kirchen. Ausgangspunkt der Demonstrationen auf den Straßen waren die Friedensgebete in den Kirchen.
Die Kirche(n) war die einzige organisierte Opposition in der DDR. Es waren nicht die Kirche(n) als solche, sondern „Einzelne“ innerhalb dieser. Aber stark genug ein Netzwerk zu bilden. Friedensgebete, oppositionelle Umweltgruppen... fanden dort ein Zuhause. Das Netzwerk war stark genug um im Mai 1989 flächendeckend die Wahlen nachzuzählen.

Es gab doch ein offizielles Vatikan-Dokument gegen die Nazis die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ vom 14. März 1937 nachdem alle Beschwerden des Vatikan von den Nazis ignoriert wurden:
Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobachten Wir seit geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche, die wachsende Bedrängnis
http://stjosef.at/dokumente/mit_brennender_sorge.htm
Büßen müßten die Kritik am Regime die einfachen Katholiken, Ordensleute... Der Vatikan konnte nicht helfen.
Hilfe lief nur über geheime Aktivitäten. Es sind auch genug Priester ins KZ gewandert. Oder Menschen, die einfach zu katholisch waren, wie Marcel Callo.
Er wird von der Gestapo mit der Begründung „Durch seine katholische und religiöse Aktion hat er sich als Schädling für die Regierung der nationalsozialistischen Partei und für das Heil des deutschen Volkes erwiesen“ verhaftet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Marcel_Callo

Übrigens, Andreas Englisch schreibt über Benedikt XVI., dass der kein Durchgreifer ist und sich im Vatikan sehr viel mehr gefallen läßt als Johannes Paul II. Auch Hans Küng schrieb aus der früheren Professorenzeit, dass sich Ratzinger im Fall eines strittigen Doktorenten zurücknahm, um dem nicht den Weg zu verbauen. Allerdings behielt Ratzinger letztendlich Recht. – Päpste werden wahrscheinlich immer erst gewürdigt, wenn sie tot sind.

Grüße
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Ratzinger werde ich gaanz sicher aun nicht würdigen, wenn er mal unter der Erde (bzw. im Keller des Petersdomes) liegt. Ich hab ihn schon als Inquisitor (es gab mal eine deutsche Doku über sein damaliges Amt vor ca. 10 Jahren...) nicht gemocht... Aber ich habe mit dem "bayrischen Konservativismus" noch nie viel anfangen können - er war und bleibt da ein Sinnbild für mich (lebendig oder tot - für mich ist er schon heute eine "lebendige Leiche", man hat den Eindruck, man hnabe ihm das ganze menschliche Leben - jedenfalls das, was es ausmacht, ausgesaugt.).

Johannes Paul II war - als ich noch Kind war - fast schon ein "Vorbild" für mich (was sich später zwar relativierte, aber ein gutes Minimum an Respekt habe ich noch behalten). Bei Ungarnaufenthalten (zu DDR-Zeiten) haben wir sogar regelmäßig Radio Vatikan gehört.

Ratzinger ist m.W. - d.h. unter deutschen jugendlichen Christen - heute schon (fast) so populär wie Paul.

"Wir sind Papst!"

Niels.
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niels
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

..achja:
Der Umsturz wurde von den einfachen Menschen der DDR in Gang gesetzt, d.h. die, die das Land verlassen haben aber auch die, die auf die Straßen gegangen sind und dabei viel zu verlieren hatten.

Die Kirche spielte dabei nur eine untergeordnete Nebenrolle - in Polen stellte sie Geld ("Valuta") und Faxgeräte - in Leipzig stellte Eppelmann seine Räume zur Verfügung. Das rechne ich gern an - die Behauptung, die Kirche hätte die Wende möglich gemacht oder gar initiiert ist ebenso abwegig, wie anzunehmen ohne die Kirche hätte es keinen Umsturz gegeben.

Persönliche halte ich z.B. Frau Lieberknecht nicht für eine "Bürgerrechtlerin" in dem Sinne, wie es andere im Osten tatsächlich waren - die "nebenbei" Beruf, Freiheit und Familie riskiert haben. Was sie sich "traute" trauten sich zu der Zeit bereits viele andere Menschen in der DDR - selbst ich als Jugendlicher hatte mehrere "offene" Diskussionen mit Parteibeauftragten vor der gesamten Schule oder früher die Stasi auf dem Hals, weil ich als einziger der Klasse nicht zur Jugendweihe gegangen bin, am folgenden Montag auch nicht in die Schule bin.

So oder ähnlich haben viele ihre Erfahrungen mit der Diktatur machen dürfen - vor allem dort, wo keine ;Kirche dahinterstand.

Verwunderlich finde ich bis heute die sog. "Bartfraktion" derer, die sich heute als "Wendeaktivisten" und damalige "Oppositionelle"sehen, was sie mit ihrem Bart auszudrücken gedachten. In der Wendezeit sprießten die Bärte ja auf jedem zweiten Gesicht...

Hätte die SED Katholizismus zur Staatsreligion erklärt (und ehrlich gemeint) hätte wohl keine Kirche den Demonstranten auch nur die Tür aufgemacht. Für die Kirche war der Umsturz reines Machtkalkül - so wie für Stalin die Niederschlagung der Nazis im II. WK.
Josef
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Josef »

Also Nils - das Du als einziger deiner Klasse nicht zur Jugendweihe marschiert bist verdient gewiß Respekt ! > Hut ab !

In meiner Klasse war das so das nur ein Mädchen zur Jugendweihe war. Sie war die Tocher vom roten Direktor...

Josef
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Josef »

Gegen Johannes Paul zwo
ist der "Volksratz" ein erbärmlicher Wicht, ein geistiger Kleingärtner.
>> Pontifex Maximus bedeutet meines wissens "größtmöglicher Brückenbauer".

Und dißer ?

Verkracht sich schnellstmöglich mit allen anderen Religionen, möglichst eindrucksvoll !

Aber halt -
da hat er doch noch ganz und gar die Buddisten/Hinduisten vergessen... noch ...sind ja nur ´ne Milliarde Menschen .
Und dann dieses eisige lächeln, welches mir schon fast das Blut gefrieren läßt und sicher nicht vertrauenserweckend wirkt.

Josef :cry:
tief enttäuscht vom jetzigen
Heinrich5

Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

dieses eisige lächeln,
erinnert stark an das ewige, stereotype Grinsen eines Herrn Krenz. Wenn der mal so alt wird wie der "Volksratz", wird wohl kein Unterschied mehr feststellbar sein.
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

@ Hallo Josef, das mit "geistige Kleingärtner" hatten wir schon mal.
Zu Deiner Information:
Damals hatte ich darauf toleranter reagiert als Niels, obwohl es mir ebensowenig gefallen hat wie ihm.
Ich wollte Neulinge nicht gleich... wie auch immer... – Ausnahmen bestätigen in Regel.
In der Regel bin ich, was dies betrifft empfindlicher als Niels. Ob es nun gegen Mitschreibende geht oder gegen Dritte, d.h. Menschen über die wir schreiben.
Wer es tut, ist mir auch egal! Es ist egal, ob Du Josef oder Heinrich oder sonst wer es macht.

Ratzinger, ist gewiß kein Mensch, dessen Stärke darin besteht, sich in Szene zu setzen. Das wird von einem Papst allerdings erwartet. Formulierungen müssen immer der "Political correktness" entsprechen, kein Zitat zu viel, kein Wort zu wenig... – Dennoch dürfte die Bilanz positiver sein als es manches Medienspektakel vermuten lässt. Papst Benedikt XVI. war in der Türkei, aber auch in Auschwitz und Yad Vashem. Als er 2005 zum Weltjugendtag nach Köln kam besuchte er auch eine jüdische Gemeinde.
Papst Benedikt XVI. wird heute die jüdische Gemeinde in Köln besuchen. Der Festakt in der Synagoge und das gemeinsame Gedenken an die während der Nazi-Zeit ermordeten Juden gelten als Höhepunkte im Programm seines Deutschland-Besuchs.
http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,370393,00.html

Sein Buch „Einführung in das Christentum“ ist ein Standardwerk. (http://de.wikipedia.org/wiki/Einf%C3%BC ... hristentum)
Generell werden seine Bücher nicht nur von Katholiken mit Gewinn gelesen und geschätzt. Ratzinger ist ein Gelehrter auf dem Stuhl Petri.

@ Hallo Niels, ich behauptete nie, die „Friedliche Revolution“ das waren die Kirchen. Ich sage, es begann in den Kirchen. Erst später schlossen sich die Menschen dem an. Erst später ging es auf die Straße, Ausgangspunkt waren die Kirchen. ... Wie auch immer, an der Friedlichen Revolution haben organisierte Christen, nebst Pfarren, die die Kirchen öffneten, einen hohen Anteil. – Ich war dabei. Einen Bart trage ich nicht! :mrgreen: Zur Jugendweihe war ich übrigens auch nicht, als einzige in meiner Klasse. Ich hatte dadurch nie Schwierigkeiten. Ich denke, das haben meine Lehrer unter den Tisch fallen lassen.
Eppelmann? War der nicht in Berlin? In Leipzig war es Pfarrer Christian Führer http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_F%C3%BChrer

Grüße
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Zurück zum Thema:
Ich habe Prof. Zimbardo so verstanden, dass er nicht von Ausnahmen spricht, sondern von der Regel.
Er geht nicht davon aus, dass sich nur einzelnen Personen oder bestimmten Gruppen destruktiv verhalten.
Im Gegenteil, er meint, wir alle sind so. Er behauptet das von den ganz normalen Menschen.

Es führt das Phänomen nicht auf eine falsche Moral zurück, eine falsche Ideologie..., sondern er meint, wir alle würden unsere guten Vorsätze ignorieren, unser Gewissen das mahnt, ausschalten...

Menschen, die sich dem entgegensetzen, wären die Ausnahmen.

Vielleicht hat das ja was mit unserem Rollenverhalten zu tun? Rollen, üben wir von Klein an, nicht nur im Spiel... , sondern konkret. Wir verhalten uns im Kindergarten anders als zu Hause. Zu Spielkammerraden anders, als zu Eltern oder Erzieher. Wir lernen uns passend zu kleiden, nicht nur dem Wetter entsprechend, sondern der Situation, dem Anlass entsprechend.
Wir sind sehr flexibel. Wir schauen, wie verhält man sich da... und passen uns an. In der jeweiligen Situation sind wir der Rolle treu, statt unserem Gewissen.

Grüße
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von niels »

Ich sehe das genau andersherum.

Der Mensch in seiner "reinen" Form - wie z.B. Kleinstkinder oder viele ältere Kinder - ist eher "konstruktiv" als "destruktiv" veranlagt, abgesehen von dort, wo durch experimentieren und erkunden von "Neuland" versehentlich etwas "kaputt" gemacht wird.

Die Destruktivität ist ein Ausdruck von "seelischen Spannungen", welche durch "unnatürliche" Erziehung / " Aufzucht" erst während es Lebens entsteht. Demnach liegt die Destruktivität nicht in den "Genen" sondern in den "Mnemen" des Menschen.

Destruktivität muß "gelernt" werden - ebenso wie alles andere. Der Mensch geht oft der irrigen Annahme nach, er könne z.B. sein Kind von destruktivem Verhalten fernhalten, indem er es von derart Gedanken oder auch praktizierter Destruktivität fernhält. Das allerdings führt lediglich dazu, das das Kind den Umgang mit "Destruktivität" gar nicht erlernt - sie gar nicht als solche einstufen fähig wird.

Besonders kritisch wird gerade hier der Faktor "Moral", die in den Regel aus "Du darfst nicht" und "Du kannst nicht" vermittelt wird, ohne das das Kind / der Mensch lernt, selbst bewusst zu erfahren, was Destruktivität auch auf ihn bewirkt. Verhaltensnormen werden "aufgeprägt" - nicht verstanden und schon gar nicht in ihren Folgen für den Destruktiven selbst bewusst erfasst. Viele Eltern oder auch Erwachsene untereinander sehen sogar viele Themen als "tabu" - "darüber redet man nicht" usw. Dabei sind die Vorgänge und Zusammenhänge, die zu Destruktivität führen, äußerst komplex und zuweilen nur schwer zu verstehen.

Dazu kommt, das Eltern / Mitmenschen ja oft auch selbst mehr oder weniger desktuktiv handeln - meist wohl unbewusst. Jemand der desktruktiv handelt ist ja eigentlih immer der Meinung "im Recht zu sein, selbst wenn sein Gewissen "juckt".

Ein Beispiel:
Kommerzielle Werbung vermittelt vielen Menschen den Eindruck, sie hätten Bedarf an Produkten, die sie eigentlich gar nicht brauchen, die ihnen oft nicht mal einen nennenswerten "Mehrtwert" bieten können. Ebenso wird suggeriert, das auch viele andere das Produkt gekauft hätten und es sich demnach leisten könnten und damit "glücklich" sind. Andere zeigen sogar, das sie mit dem Produkt als Zugehör in der "Warengesellschaft" eine scheinbar "höhere Stellung" in ihrer Gesellschaft erzielen können. Für nicht wenige Menschen besteht ein wichtiges Lebensziel in einer Anhäufung von Waren und Warenoptionen (Geld) in der Annahme - mehr Geld mache mehr glücklich.

Man selbst kann sich nicht "all die schönen Produkte" leisten, was nicht selten ein Gefühl der "Ungerechtigkeit" erzeugt. Der Neid führt zu einem "verschobenen" Gerechtigkeitsgefühl, was nicht wenige Menschen im Beruf oder Geschäft intrigant, rücksichtslos oder gar kriminell werden lässt. Diejenigen sind davon überzeugt "im Recht" zu sein obgleich sie die Destruktivität (nur) am Umfeld (nicht aber an sich selbst) erkennen.

"Wenn ich nicht so glücklich sein kann wie der andere, und der "dran Schuld" ist, wil ich ihm wenigstens sein Glück nehmen"...

Die "Auslöser" für Destruktivität sind fast immer die selben:
- Neid / Mißgunst
- Haß
- Dummheit (mangelnde Bildung)
- Minderwertigkeitsgefühle
Die sich nicht selten "ineinander im Kreis drehen".

Freud sah diese als Folge unterdrückter Gefühle / Kommunikation zur Mutter in der Kindheit - Buddha z.B. in der "Anhaftung". Ich denke beide zeigen das selbe Problem / Phänomen aus verschiedenen Richtungen.

Zudem sind ja auch die erziehenden Eltern von derart "Spannungen" geprägt, damit verstärkt sich der "Effekt" - das er sich über die Generationen nicht stetig verstärkt, lede ich der "konstruktiven" Seite des Menschen zugrunde, die gegen die "destruktive" angeht.


In der zeitlichen Folge entstehen "Spannungen", da der Mensch stetig neue Diskrepanzen zwischen "vorgekaukelter" und von ihm selbst erlebter Welt sieht, aber nicht "lösen" kann, womit die Spannungen nicht abgebaut werden können. "Entspannte" Menschen werden bekanntlicherweise extrem selten vorsätzlich destruktiv - meist dann, wenn sie mal nicht entspannt sind...

Diese "Einseitigkeit" der Moral "für das Gute" führt dazu, das das Interesse der meisten Menschen an "Destruktivität" und "Destruktivem" so ungebrochen hoch war und ist. Denn Moral erklärt nicht warum - sie gibt nur vor, was erlaubt ist (und damit "existieren darf") nicht aber was nicht. Auf der anderen Seite sind oft die Mächtigsten und Stärksten die zugleich Destruktivsten - wie kann das sein, fragte sich wohl fast jeder irgendwann?

Wie sagte Hochhuth mal "Cäsar - der neben Jesus Höchstgerühmte" (Rolf Hochhuth)

Die Irridee vom "Sünder" Mensch, den man zum Guten "zwingen" und vom Destruktiven mit allen Kräften abhalten muß halte ich deshalb auch für die verheerende Ursache, warum die Menschen in den letzten Jahrtausenden vergleichweise unglücklich lebten und warum in den meisten Ländern die Destruktivsten zu höchster Macht und Ansehen aufstiegen. Macht wird mit Destruktionsvermögen - nicht Konstruktionsvermögen gleichgesetzt.

Wie weit die Idee von der Realität verkehrt ist, zeigte auch die Diskrepanz zwischen Soll und Haben in der römisch katholischen Kirche wie heute im Islam. "Sie ruinieren die Menscheit im Sinne des Guten".

Man muß den Menschen erst zum Sünder erklären oder machen, damit man ihn dann wieder "neu verbessern" kann - das aber hat offensichtlich nicht funktioniert, selbst wenn es noch so gut gemeint war. Der Mensch will kein "Sünder" sein, erkennt aber den echten eigentlichen Ausweg aus seinem Dilemma nicht, denn es liegt nicht in den Genen sondern den Mnemen (und die kann man durch Bewusstwerdung verstehen und ändern - die Gene kaum).

Das "Gewissen" ist lediglich die Spannung zwischen Mensch selbst und seiner Konditionierung von außen wie - apäter - auch durch sich selbst.
Christel
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Re: Die Macht der Verführung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Niels, ich will Dir gar nicht widersprechen!
(Ob seelische Spannungen aus einem falscher Erziehung resultieren oder im Laufe des Lebens unvermeidlich sind, ist eine andere Sache. ...)

Du folgst dem üblichen Ansatz, indem Du das Verhalten von der individuellen Eigenschaften der „Täter“ ableitest.

Zimbardo versucht in seinem Buch nachzuweisen, dass es situative Kräfte gibt, denen jeder Mensch erliegt, völlig unabhängig von Kulturraum und Erziehung.

Das müßte dann mit unserem Mensch sein zu tun haben.

Beispiel:
Alle Menschen sind soziale Wesen. Wäre das nicht der Fall, würde Konfirmationsdruck nicht wirken.
Es bringt Vorteile sich anzupassen und Nachteile, wenn man es nicht tun. – So ist da nun mal.
Weil wir soziale Wesen sind, unterscheiden wir zwischen Bekannten und Fremden.
Wir Verhalten uns unter Freunden anders als in einer anonymen Gruppe.
Wir alle lernen zuerst durch Nachahmung. Man muss schon was wissen, um über etwas Nachdenken zu können.
Wir lernen in kleinen Schritten. Große Veränderungen führen zu Stress. Stress führt zu verminderten logischen Denken. Sind wir Orientierungslos suchen wir Orientierung. Wo? Natürlich in unserer Umwelt. Wir schauen was läuft. Wir passen uns dem an. Usw., usw.

Wem solche Mechanismen klar sind, der kann Menschen manipulieren oder sich gegen solche Manipulationen wehren. Wem sie nicht klar sind, der stolpert ahnungslos hinein.

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