...irgendwas wird es schon geben....
Nun, eine solche Annahme derart grob gefasst kann natürlich nicht falsch sein - hat aber auch keinerlei Aussagekraft. Aber wo hat dies etwas mit fehlverstandener staatlicher Neutralität oder Säkularität zu tun?
Christlicher Bezug
Hast Du den Rest des Threads überlesen oder nur überflogen? Die meisten Antworten habe ich bereits selbst gegeben. Ethikunterricht soll einer "ethischen Unterweisung" dienen, also (auch) inhaltlich Einfluß auf die Werteentwicklung wie Ideologie der Schüler nehmen, was einer freien, selbstbestimmten Entwicklung entgegensteht (warum und wieso habe ich ausführlich dargelegt). Eine nach Objektivität strebende, wissenschaftliche Betrachtung aber tut genau dies NICHT - sie vermittelt historische wie sozialphänomenale Fakten und überlässt weltanschauliche wie ideologische Prinzipien allein dem Betrachter.
Die einzige Ethik eines modernen Rechtsstaates, die als Moral aller Bürger gelten kann (und muß) erwächst aus dem Verfassungsrecht bzw. Grundgesetz. Dieses wiederum kann nur per einvernehmlicher Konvention nahezu aller Bürger geändert bzw. aktualisiert werden.
Was jeder darüberhinaus als sich für Wert oder Gruppenmoral wählt, ist seine persönliche Angelegenheit.
Worin hiernach z.B. eine ethische Unterweisung liegen soll, wenn Kindern z.B. die katechistisch-beschränkte (!) Darstellung des sog. "Weihnachtsfestes" oder die Sage vom Sk. Nikolaus vermittelt wird, ist für mich nicht erkennbar, denn beides ist weder objektiv (da einseitig) noch unabhängig. Hier soll vermittelt werden, das nur der Christ feiern darf bzw. die Tradition / den Ritus "richtig" begeht bzw. nur diese Form gesellschaftlich "legitimiert" ist. Das selbst Atheisten am 24./25 mit einem Weihnachstsbaum ein bzw. das Fest feiern (auch der Weihnachtsbaum usw. hat ja ältere bzw. andere Traditionen) übergeht eine solche Betrachtungsweise.
Ich BIN für eine *umfassende* wie *objektive* Aufarbeitung dessen, was wir die großen Religionen nennen - ohne wenn und aber - mit allen objektiven Details, denn nur Bildung kann der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Welt- bzw. Glaubensbild öffnen. Das aber gehört demnach in den Geschichts- wie Sozialkundeunterricht - nicht in ein moralisch wertendes wie "erziehendes"Fach, das es m.E. nicht mal geben sollte wie brauchte - schon gar nicht in der heute präsenten, föderalen Form.
Herr Rau redet sich geschickt um die Thematik herum, um sich dann doch wieder zu widersprechen. Spätestens wenn die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime die Zahl der Christen ein- oder gar überholt (was nicht undenkbar ist) würden Politiker wie Herr Rau eine solche Rede inhaltlich wesentlich anders formulieren, da bin ich mir sicher. Herr Rau geht davon aus oder vermittelt, als wäre der Christenglaube für Deutsche "selbstverständlich" und "der Rest" quasi kaum eine Rolle spiele - wir die Kirchen brauchen, um Moral bzw. Werte zu bilden. Damit aber räumt er genau das ein, was nicht wenige bis heute bestreiten, einen mittelbaren bis unmittelbaren Einfluß der Christenkirchen auf Politik und Staatswesen.
Auch Herr Raun verwechselt in seiner Rede "öffentliches Leben" mit "öffentlichem Recht" - absichtlich oder auch nicht. Aber gerade dort liegt der feine Unterschied zur echten Religionsfreiheit, die nur über staatliche Neutralität realisierbar ist.
Das Argumnent der "christlichen Tradition unseres Landes" teile ich so nicht. Wer käme in diesem Kontext auf die Idee unser Land als ein traditionell nazistisches oder auch kommunistisches zu bezeichnen oder gar auf römische wie germanische Traditionen, um hieraus besondere Rechte abzuleiten? Der Eindruck kursiert, wir Deutschen bzw. unsere Vorfahren hätten sich weithin freiwillig bzw. aus freier, eigener Entscheidung zum Christentum bekannt - dabei wissen wir aus vielen histolrischen Quellen, das Religion über Jahrtausende NICHT die Frage der persönlichen Entscheidung war, sondern der Masse der Menschen mehr oder weniger auferzwungen wurde - egal ob aus politischem Machtkalkül oder persönlicher Überzeugung eines Diktators.
Wär käme z.B. in den USA auf die Idee, das das Land in der Tradition der Sklaverei lebe? Ach, übrigens waren auch unser aller Vorfahren fasst ausschließlich Sklaven - Sklaven der Obrigkeit aus Kirche und weltlicher Diktatur.
ALLE diese Prinzipien stehen einem modernen, toleranten Rechtsstaat entgegen und ich empfinde es eher als ein Akt fehlenden Rechtsbewusstseins zu behaupten, wir hätten diese christlichen Traditionen / religiöse Historie als Teil unseres Rechtsstaates zu begreifen.
Dabei sieht ja gerade die Gewaltenteilung wie der Aufbau der Regierungsgremien einer Demokratie vor, das die gewählten Mehrheiten die Stimme wie den Willen des Volkes repräsentieren und Christen haben sogar ihre eigene Partei repräsentiert. Das aber soll nicht reichen? Deutsche Politiker schielen schon jetzt mit Unbehagen auf den Irak. Würde man dorthin unsere Vorstellungen von Rechtsstaat und Demokratie adaptieren, wäre der Irak ruckzuck ein schiitischer Demokratiestaat, dessen Toleranzprinzipien maßgeblich von den Schiiten bestimmt werden, weshalb wir uns bis heute vornehmlich christliche Iraker ins deutsche Asyl holen.
Mir ist bekannt, das der Staat Deutschland weder strikt säkular ist noch sich halbwegs neutral verhält - dabei zeigen die Länder, die dies sind bzw. danach bestrebt sind, eine weitaus neutralere Position in Sachen Glaube oder Weltanschauung - auch aus der Sicht der meisten Religiösen bzw. Ideologisierten. Soviel Toleranz und Neutraliität aber trauen religiöse Deutsche bzw. deutsche Politiker unserem Staat nicht zu, bedeutet es doch auch ein Stück Verlust an Macht und Einfluß, den Machtinstitutionen bzw. die, die sich darin trefflich eingerichtet haben offensichtlich nur ungern aufgeben.
Warum reicht es z.B. nicht, das Religionen wie die Kirchen Einfluß über die Parlamente haben, wie sie jedem anderen im Lande zustehen? Warum brauchen gerade diese Organisationen zusätzliche hoheitliche Privilegien wie Zugriff wuf Medien, Finanzwesen bis hin zum Bildungswesen, die keiner anderen Gruppe per Grundgesetz zur Verfügung stehen? Was oder wer legitimiert sie hierzu bzw. warum?
Die heutige Bundesrepublik wurde nach dem Krieg von den kirchennahen Zentrumsleuten und dem (sorry) "Stinkstiefel" Adenauer gebaut und mit der Wiedervereinigung quasi fraglos auf den Osten adaptiert in der Annahme, die CDU - als Vertreter der Christenkirche - ist und bleibe dauerhaft stärkste Kraft in der Demokratie. Ähnlich gingen wohl auch Adenauer & Co. vor. Das Christentum bot zur Zeit des Kriegsendes die nicht ganz zufällig einzige noch vorhandene Gruppierung mit politischen wie medialen "Infrastrukturen" um schnell eine politische Wählerbasis aufzubauen.
Es steht ihnen doch eh bereits frei, in Parteien für eigene Ideen / Werte oder Ziele zu werben (ja sie haben sogar quasi eine eigene Volkspartei) - so wie jede andere Interessengruppe auch? Ebendies fordern wir ja auch von islamisierten bzw. islamischen Staaten wie dem Iran, Saudi Arabien u.a.
Der "Vorteil" einer jedweden Religion oder auch gruppierenden Ideologie ist evolutionärer Natur - wenn auch nur temporär. Erst durch Abgrenzung einer Gruppe gegen andere verschafft man den Mitgliedern der eigenen Gruppe temporär evolutionäre Vorteile in einer gesellschaftlichen Situation, die nicht nur bis in die demokratische Mitbestimmung wirken, ja deren Grundprinzipien zugunsten dieser und damit zulasten der anderen außer Kraft setzen können - denn nicht zuletzt basieren Religionen bzw. die Religionsgruppierungen auf Prinzipien, die weder modernen demokratischen Grundsätzen entsprechen noch die konkrete Meinung des Einzelnen repräsentieren. Darin sehe ich eine der größten Gefahren für demokratische (Rechts-) Staaten in der kommenden Zukunft (und inzwischen wohl nicht nur ich - schaut man nach Ägypten, Irak usw.).
Ich halte es dennoch für gefährlich zu glauben, dieser Vorteil sei derart im Sinne der Allgemeinheit, als das diese Organisationen nicht nur den Schutz der Gesellschaft, sondern vor allem besondere Privilegien manifestiert bekommen müssten. Die Kirche hatte zur Zeit Adenauers höchst eigene Interessen, die wenig mit dem Wohlergehen aller zu tun hatte - so stand vor allem die Selbsterhaltung der eigenen Kirche auf deutschem Boden im Kerninteresse. Die Kirche quasi als eine Art "Garant" für die Freiheit mißzuverstehen, halte ich für brandgefährlich, denn so könnte eine zukünftig andersgelagerte Situation auch dazu führen, das die Kirche Freiheit und Rechtsstaatlichkeit anderer unterläuft, nur um die eigenen Interessen su sichern. Womöglich stehen wir bereits heute vor ebensolcher Situation.
Die USA stand dem unter Bush bereits kurz zuvor und die Religion wurde nicht unwesentlich Instrument der Kriegstreiberei gegen die "Ungläubigen" im mittleren Osten, die zu Unrecht auf dem dem "freien Amerika" zustehenden Öl hock(t)en. Teils rasende Reden von Geistlichen in "Staats-TV" wie von Kanzeln fachte ein Feuer nicht unwesentlich zusätzlich an, was allein mit Lug und Trug nicht richtig brennen wollte. Bush selbst nannte "seinen" Krieg mehrfach öffentliche eine "heilige Aufgabe" bzw. einen "Auftrag Gottes". Heute werden - vor allem in Regionen der mittleren USA - Menschen mit vorderasiatischem oder gar islamischen Background , von "Christen" ins soziale Abseits gedrängt, beschimpft und inzwischen nicht selten sogar auf staatlicher Ebene zweitklassig bis diskriminierend behandelt - von "Christen" in der Form von Amtspersonen, Polizisten, Richtern, Politikern in Ämtern - denen die klare Trennung von Staat und Weltanschauung mal eben "*sch***egal*" ist, wenn sie einen solchen Menschen / Bürger vor sich haben. Aber auch Nichtgläubige werden inzwischen wieder häufiger sozial ausgegrenzt und mancheiner sieht sie als "Verräter am Vaterland". Wenn man schon nicht glaube, so müsse man doch in solch schweren Zeiten die christlichen Traditionen hochalten, die kursierenden Ideologien mittragen usw. In Deutschland sind wir davon (noch) ein gutes Stück weit weg, wenngleich man ihn einzelnen besonders "christlich geprägten" Regionen ähnliche Ausgrenzungen beobachten kann - z.B. in manch erzkatholisch-bayrischen Ort.
So glauben z.B. allen Ernstes nicht wenige christliche Amerikaner, der Islam wolle die Herrschaft über ihr Land und ihnen den Islam bringen, was die US-Armee (natürlich) verhindern müsse.
Ein säkularer wie neutraler Staat reduziert diese Option der Ungleichgewichtung auf ein Minumum und sichert den freien Wettbewerb zwischen Religionen, Ideologien und Weltanschauungen wie den daraus erwachsenden Meinungen und Positionen.
Das viele Vertreter - historisch bedingt - besonders präsenter Religionen keinen freien Wettbewerb wollen, hat daher klar erkennbare Hintergründe. So wirkt unser Erbe der Zentrumspartei bis heute selbst über unser Grundgesetz nach... Laizismus ist eine Notbremse, wenn der Zug bereits nicht mehr anders zu stoppen ist.
Laizismus ist der einzige Ausweg für Demokratien, bei denen das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und einzelne große Glaubensgruppe den Staat derart über Gebühr diktiert und die Demokratie somit nicht mehr funktionieren kann.
Demokratien sind nun mal leider nicht die vollkommene Lösung - bisweilen aber immer noch beste, weil freiheitlich-toleranteste Staatssystem was wir haben - die Verprlfichtung zur Neutralität sollte daher nur logische Folge und selbstverständlich sein. Schulen wie öffentliche Einrichtungen, die Justiz wie auch unsere öffentliche Verwaltung sind die Grundpfeiler unseres Staatswesens, deren religiöse wie ideologische Neutralität gegenüber jedem Einzelnen sollte uns eigentlich selbstverständlich sein. Da gibt es noch einiges zu tun - im Kleinen wie im Großen.
Unsere heutigen Bürgerrechte und Freiheitswerte haben - wenn überhaupt und entgegen vielerlei Behauptungen - nur marginalen Ursprung im Christentum. Noch während der Zeit der christlich-dominierten Diktaturen waren es die Aufklärer, die ein neues Gesellschaftsbild forderten und dabei zuweilen auch die Kirchen an ihre Christenlehre "erinnerten", dafür nicht selten starben oder Ausgrenzung erfuhren. Das Prinzip der Aufklärung wie auch demokratischer Mitbestimmung ist zudem weitaus älter und findet seine Ursprünge u.a. im alten Griechenland.
Einen Großteil unseres heutigen Wissens haben wir ebenso griechischen wie islamischen Vorfahren zu verdanken, während im christlichen Europa über viele Jahrhunderte wissenschaftliche Dunkelheit herrschte, die Kirchen den Wissenstransfer im eigenen Machtinteresse fast uneingeschränkt dominierten und kanalisierten. So hat auch das hohe Gut der Bildung seinen Stellenwert in Europa erst durch Aufklärer (wieder-)finden können.
In manchen Regionen der USA drehen die Religiösen die Uhren sogar rückwärts und versuchen mit wachsendem Einfluß die wissenschaftliche Ausbildung ihrer Kinder zu verhindern - wohl aus Angst das ihnen die Argumente für den ihnen auferlegten bzw. aufdoktrinierten Glauben ausgehen könnten. Da tritt der Religionserhalt über die Rechte des Einzelnen wie gar anderer hinweg - im höchsteigenen Interesse der Religion.
Die christliche(n) Religionskirche(n) sozusagen als "zweites Sicherungsseil" einer modernen, toleranten, demokratischen Gesellschaft zu verstehen- wie das auch mancher Politiker tut - halte ich für höchstgefährlich, denn immerhin folgen diese nicht eigendynamischen, sondern diktatorischen Führungsprinzipien und Machtstrukturen. Was in einer konkreten Situation der gesamten Gesellschaft einen Vorteil bietet, wird mit der Zeit zum stetig wachsenden Nachteil immer mehr Menschen, denn die theologischen Religionen folgen irreversiblen wie nicht revisierbaren Prinzipien absolutistischer Natur, die zwar vom Menschen erfunden, dem Verstand anderer Menschen aber selbsterklärt verschlossen bleiben müssen. Das aber hat auf Dauer nie funktioniert - in der Menschheit wie jeder anderen irdischen Art.