Sharia in Deutschland und Europa?

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niels
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Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von niels »

In England diskutiert man inzwischen recht aktiv und offen über die Legitimation der Sharia in den UK und viele Muslime fordern einen eigenen Rechtsstand nach der Sharia innerhalb Englands - u.a. "um den Bedürfnissen der Einwanderer gerecht zu werden".

Dabei gibt es in England wie Deutschland auch Stimmen hoher muslimischer Gelehrter in England und Deutschland, die sich strikt gegen die Einführung der Sharia als paralleles Rechtssystem in europäischen Ländern aussprechen. Sie warnen eindringlich, das parallele Rechtssysteme im selben Staat nicht funktionieren können und sehen jede Bevorzugung als "Gefahr für die Demokratie".

Andere Muslime - auch einige hohe - sehen die Ausführung der Sharia als durch die Religionsfreiheit in Europa "legitimiert", "keine Reibungspunkte" und fordern dies offen. Von der Vielehe bis eigene Gerichtsbarkeiten möchte man seine eigene Religion "frei praktizieren".

Der englische Streit ist bei uns noch nicht angekommen - allerdings auch nicht (mehr) weit weg.

Wie sehen das die Menschen hier? Möchte man den Religionen ihren eigenen Rechtsstatus wie Rechtssystem erlauben? Den Einfluß auf demokratische Stukturen über das einfache Wahlrecht hinaus? Dürfen Muslime Minarette bauen, die ebenso hoch sind wie der Kirchturm im Ort, oder höher? Oder anderen Gruppen, die Türme bauen wollen?

In Franfurt argumentierte eine Richterin alen Ernstes im Urteil, das ein Mann, der seine Frau mißhandelt hatte, das Recht hierzu hätte, weil dies Teil des religiösen Glaubens bzw. Kultur sei - er ging so straffrei aus, obgleich ihn seine Frau bzw. Familienmitglieder angezeigt hatten. Ist das Religionsfreiheit? Wer kann integer behaupten, welche Ideologie Religion ist und welche nicht? Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Religion, Ideologie, Glaube? Wer oder was legitimiert sie wie weit, Einfluß auf Rechts-, Bildungs- wie Verwaltungsstrukturen zu nehmen?

Und was sind die Konsequenzen einer kulturell diversifizierenden Gesellschaft wie wir sie erleben, wenn sie demokratisch und rechtsstaatlich bleiben soll - bzw. wir diese behalten wollen?
Christel
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:Wie sehen das die Menschen hier? Möchte man den Religionen ihren eigenen Rechtsstatus wie Rechtssystem erlauben?
Das gibt es bereits. Jede Gemeinschaft, selbst jeder Verein hat eine Satzung und regelt somit seine inneren Angelegenheiten selbst.

Die katholische Kirche hat nicht nur ein eigenes Rechtssystem (Kirchenrecht), sondern in sich mehrere unterschiedliche Rechtssysteme. Die ihr angeschlossenen Kirchen haben eigene Rechtssysteme, die Orden, jede geistliche Gemeinschaft hat eigene Strukturen und ein daraus folgendes Rechtssystem. – Das ist möglich, weil seit Jesus das Gesetz erfüllt ist. Seither geht es um den Sinn, das Ziel des Gesetzes: Gerechtigkeit, Gemeinwohl…. Einzelne Vorschriften sind daher jederzeit änderbar.


Die Scharia ist jedoch etwas anderes: http://de.wikipedia.org/wiki/Schari%E2%80%99a

Hier bin ich nicht dafür, dass dies einfach erlaubt wird, denn das hebelt unser staatliches Rechtssystem aus.

Eine entweder/oder Lösung ist allerdings sicher weder praktikabel, noch notwendig.
Judentum (und darauf werden sich die Muslime berufen) und Islam sind so sehr mit einem Rechtssystem verwoben, dass das Verbot des Rechtssystems einem Religionsverbot gleichkommt.

Wir leben seit Jahrhunderten mit religiösen Juden gemeinsam…, da sollte sich auch eine Lösung für Muslime finden. – Eine gerechte Lösung, die die Freiheit der Religionen wahrt.


LG Christel
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niels
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von niels »

satzung
Nein,
Satzungen dürfen inhaltlich nicht geltendem Recht widersprechen bzw. geltendes Recht verändern / unterlaufen - schon gar nicht strafrechtliche Maßsstäbe setzen - sie dürfen sikch nur INNERHALB dem gesetzlichen Rahmen bewegen.

Darin liegt ein klarer Unterschied, wenn Muslime eine alternative (!) Rechtsinstanz in Form der Sharia wünschen/fordern. Z.B. beschwerte sich vor kurzem ein im Eichsfeld lebender Muslim auf einem Standesamt, das er keine weitere Frau neben der bestehenden Frau heiraten önne, schließlich sei er Muslim und damit wäre ihm das erlaubt.

Interessanterweise sind die Rahmenbedingungen für Vereinssatzungen in Deutschland juristisch weitaus straffer als für Religionen geregelt - ich erkenne darin keinen juristisch greifbaren Unterscheid. So gibt es für gemeinnützige Vereine oder gGmbHs klare Vorgaben zur Mitgliedschaft oder zum Arbeitsrecht wie zur Beendigung dessen - bei Religionsgemeinschaften, die afaik oft auch als gemeinnützig eingestuft sind, gelten diese Maßstäbe so nicht zwingend. So kann eine christliche Körperschaft als Arbeitgeber jemanden kündigen, weil er den christlichen Geboten (z.B. Eheliche Treue, Glaubensbeschränkung usw.) so nicht folgt, entlassen - dafür würde jeder andere Arbeitgeber vor'm Arbeitsgericht landen und unterliegen...

Gleichberechtigung bedeutet logischerweise, allen Menschen gleiche Rechte zuzubilligen. Alles andere ist Diskriminierujng (egal wie man es nennt) - im Kleinen wie im Großen. Wenn sich jemand freiwillig diskriminieren lässt (z,B. durch religiöses Körperschaftsrecht), ist das allerdings seine Sache - und damikt legitim gemäß Toleranzprinzip.

Allerdings halte ich dann - so meine persönliche Sicht - die Grundprinzipien der Gemeinnützigkeit nicht gegeben... Gemeinnützig ist m.E. nur, wer der gesamten Gesellschaft offen steht bzw. einen potentiellen (und damit bei Bedarf realisierbaren) Nutzen für den Bedürftigen bietet wie realisiert. Gemeinnützig kann nikcht bedeuten, das nur eine bestimmte Gruppe / Gruppierung bedient wird - dann wäre ja auch die Unterstützung meiner Famil.ie "gemeinnützig", was es juristisch nicht ist.

Andernfalls wären auch Nazis gemeinnützig, die alten Gesinnungsgenossen ein Altenheim bauen, welches nur/vornehmlich diesen offensteht und in welchem nur Gesinnungsgenossen angestellt werden. Immerhin unterliegt auch der Arbeitsplatz - nach dem Verständnis unseres Rechtssystems - dem Prinzip der öffentlichen, gemeinschaftlichen Rechte.

Was ist die Sharia?
Die selbe Frage könnte anders lauten: Was sind die christlichen Gebote (bzw. das Rechtsverständnis drumherum)? Was sind die Gebote des Kommunismus? Oder des Nazismus? Alle haben sich offiziell hegere Ziele gesetzt, in der Praxis aber menschenverachtendste Dinge in Gang gesetzt oder praktiziert? Theorie und Praxis sind demnach nicht vereinbar. Da gibt es viele Antworten, allerdings keine die sich als legitim bezeichnen könnte in einer Weise, die die anderen Meinungen illegitimiert oder herabsetzt. Denn Glaube ist letztendlich eine Frage eines jeden Einzelnen - ebenso wie Moral- bzw. Wertekonzepte.

Wenn der eine behauptet, Sharia bedeute, das die Aussage z.B. eine Frau vor Gericht drei männliche Zeugen braujcht oder 4 Frauen die Aussage eines Mannes aufwerten, dann behauptet der andere, der Koran sehe das anders vor - nämlich die unbedingte Gleichbehandlung von Mann und Frau. In unseren christlichen Gefilden hatte die Frau bis vor ein paar Jmahrzehnten nicht wirklich mehr zu melden als eine muslimische...
regiliöse Juden
Naja,
Erstmal waren die Zeiten für mehr oder weniger religiöse Juden in Deutschland nicht erst in der Nazi-Zeit nicht ganz "sonnig" - Judenprogrome, Diskriminierung wie -verfolgung gab es auch schon früher - vor allem in den #traditionell christlichen" Regionen Deutschland. Familien wie die von Levi Strauss können da ganze Opern von singen...

"Wir" sind aber auch ebensowenig Christen, sondern eine moderne wie klassische Gesellschaft aus Menschen verschiedenster Weltbilder, Ideologien wie Religionen. Ein Gesellschaftskonzept kann nur funktionieren, wenn wir ein einheitliches öffentliches Rechtssystem auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners führen - und kein anderes auf gleicher oder höherer Stufe dulden. Schon das gegeneinander-aufrechnen von Religions- wie Ideologiezugehörigkeiten funktioniert nicht über die Wahlrechte der Demokratie hinaus.

Die m.E. "ideale" Gesellschaft (praktisch wohl unerreichbares Wunschbild) ist die, in der die Weltanschauungen, Ideologien und Religionen frei verteilt sind und von den Menschen selbst in eigener, freier Verantwortung entwickelt wie gebildet werden.
Christel
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Nun, ich sagte bereits, die Scharia, hebelt unser staatliches Rechtssystem aus, daher kann sie nicht einfach als paralleles Recht übernommen werden.
niels hat geschrieben:Darin liegt ein klarer Unterschied, wenn Muslime eine alternative (!) Rechtsinstanz in Form der Sharia wünschen/fordern. Z.B. beschwerte sich vor kurzem ein im Eichsfeld lebender Muslim auf einem Standesamt, das er keine weitere Frau neben der bestehenden Frau heiraten önne, schließlich sei er Muslim und damit wäre ihm das erlaubt.
In diesem Fall fordert der Muslim, der Staat müsse sich nach islamischem Recht richten. Damit wäre das islamische Recht ein höheres Recht. Das ist noch einmal etwas anderes als das Recht innerhalb einer Gemeinschaft.

Ansonsten, bin ich für so viel Staat wie nötig, aber nicht für so viel Staat wie möglich.
Es gab mal einen deutschen Staat, der hat alle Kranken und Behinderten umgebracht (Euthanasie).
Mein Vertrauen in das System „Staat“ ist begrenzt. Auch ein Staat braucht Kontrolle und eine Opposition.
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von niels »

ja,
allerdings gilt dies so wohl auch für die meisten anderen Religionen - soweit sich diese nicht irgendwie irgendwo "geeignet" mit dem Rechtssystem arrangiert haben (so gibt es ja auch rechtskonforme Muslime, Christen, Scientologen usw.). Aus gutem (eigenen) Grund haben z.B. Kirchen intern eigene Regeln, die - würde man sie auf die Allgemeinheit ausweiten wollen - nicht mehr rechtskonform sind, demnach wäre eine jede Forderung n diese Richtung bereits nicht mehr rechtskonform (und dennoch versuchen immer wieder Religiöse ihre eigenen Wertmaßstäbe zur rechtsbildenden Moral der gesamten Gesellschaft zu deklarieren).

Sowenig Staat wie möglich? Perfekt! Allerding sollte der Staat - so klein er auch wird - rechtlich wie gesetzlich unangefochten über allem stehen, was es sonst noch gibt - und damit das diskriminierungsfrei funktioniert sich daher davon auch sonst unabhängig halten (was aus der Sicht vieler nur ein säkularer Staat garantieren / bieten kann). Auf all diesen Gebieten gäbe und gibt es noch viel zu tun...
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von Liborius »

Der Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 III WRV gibt allen Religionsgemeinschaften das Recht die inneren Angelegenheit selbst zu regeln. besitzt die Religionsgemeinschaft den Status einer öffentlichrechtlichen Gemeinschaft, so ist dieses interne Gesetz ein öffentliches Recht.
Ein Kirchenrecht wie z.B. das kanonische Recht der kath. Kirche kann nun niemals über die inneren Bereiche hinaus Wirkung erzielen.
Die Sharia unterscheidet sich vom Kirchenrecht dadurch, dass sie nicht nur innere Bereiche des Islam behandelt, sondern auch viele Fragen des Alltagslebens. Dies ist aber von keiner Verfassung oder Grundgesetz geduldet. Daher ist jede Forderung nach Anerkennung der Sharia unsinnig und grundgesetzwidrig.
Z.B. ist in der Erbangelegenheit Mann und Frau in der Sharia nicht gleichgestellt, ein Unding was nicht nur gegen unser GG, sondern auch gegen Menschenrechte verstösst.
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von niels »

Der Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 III WRV gibt allen Religionsgemeinschaften das Recht die inneren Angelegenheit selbst zu regeln.
Das ist soweit OK, bis auf das der Term "Religion" selbst ungeeignet scheint / ist, weil bisher / inzwischen nicht entsprechend sauber definiert.
besitzt die Religionsgemeinschaft den Status einer öffentlichrechtlichen Gemeinschaft, so ist dieses interne Gesetz ein öffentliches Recht.
Genau das halte ich für grundgesetz- bzw. verfassungswidrig - d.h. da beißt sich das Grundgesetz in den eigenen Schwanz und man merkt, wer bei der Erstellung des GG mit am Tisch saß... Leider haben wir das nicht zu hinterfragen (auch wenn die Politik heute sonst keine Skrupel hat, am GG "herumzustricken" - vor allem bei den Bürgerrechten).

Um ein solches Recht (Privileg) beanspruchen zu können, sollte definiert sein, was Religion denn juristisch / kausal ist. Mein Vorschlag dazu wäre z.B: "Religion ist [die Menge] der Handlungsstrategien [von Menschen] aus mythischen Beweggründen". Darum aber drücken sich insbesondere die eigentlich zuständigen "Wissenschaftler" - die Theologen doch bis heute - wobei man nicht zulöetzt Befangenheit unterstellen könnte, da Theologen i.d.R. gläubig (und damit von den Privilegien Betroffene) sind. In keinem anderen Fall würde man derartige Formen der Rechtsbildungen akzeptieren, schon erstaunlich...

Ein Kirchenrecht wie z.B. das kanonische Recht der kath. Kirche kann nun niemals über die inneren Bereiche hinaus Wirkung erzielen.

weithin richtig (auch wenn es dies - in unserem Land - dennoch mittelbar tut, aber das wäre ein anderes Thema...).

Die Sharia unterscheidet sich vom Kirchenrecht dadurch, dass sie nicht nur innere Bereiche des Islam behandelt, sondern auch viele Fragen des Alltagslebens.

Wie oder wo bist Du denn auf das schmale Brett gekommen?

Innen- und Außenverhältnis werden durch das Gesetz definiert - nicht durch die Interpretation von Theologen oder wem auch immer. Ich nehme an Du verwechselt da etwas grundlegend.

Das die Sharia-Befürworter angeblich alle eine Sharia für alle Deutschen wollen, ist eine bis dato nicht belegte Behauptung.

Sprich: was (gem. BGB) Leute untereinander vereinbaren ist rechtens, solange dem kein drittes, höherstehendes Gesetz entgegensteht. Die Leute können untereinander machen, was sie wollen, solange davon keine Unbeteiligten in ihren Rechten beeinträchtigt werden.
Dies ist aber von keiner Verfassung oder Grundgesetz geduldet. Daher ist jede Forderung nach Anerkennung der Sharia unsinnig und grundgesetzwidrig.
Die Anerkennung des Katechismus als öffentliches Recht wäre demnach ebenso grundgesetzwirdig - denn auch diese befasst bzw. wesentliche Bereiche des "Alltagslebens" (von Eherecht, Arbeitsrecht... usw.).

Allerdings sind die konträren Punkte für uns wesentlich weniger offensichtlich, zum einen da unser GG vornehmlich bis ausschließlich "christlich Befangenen" gestrickt - zum anderen das GG wie ihm nahestehende Gesetze nicht unwesentlich auf die "christlichen Bedürfnisse" bzw. "Vorstellungen" abgeglichen wurde. Wir sind es sschlicht "gewohnt" - so wie manch Bewohner des mittleren Ostens "gewohnt" ist, das die Sharia Einfluß auf sein Leben hat, selbst wenn er kein Muslime ist.

Das wird offensichtlicher, wenn man z.B. das Rechtssystem der damaligen DDR wie der damaligen Bundesrepublik vergleicht - z.B. in Bezug auf gleichgeschlechtliche Beziehungen, Abtreibungen, Sterbehilfe, Verhütung usw., auch wenn sich der "demokratische Verstand" inzwischen zumindest (sehr) langsam / sukzessive und mit immer neuen Rückschritten durchsetzt.

Beispiel:
In einem Großteil der Länder weltweit hängt ein Bild des aktuellen Präsidenten in öffentlichen Einrichtungen oder über der Schultafel in Schulen - oder halt das Konterfei namhafter Wissenschaftler der betr. Fachrichtung (was ich persönlich präferieren würde). In Deutschland gibt es diese Sitte nicht, dafür gar nicht selten explizit (und meist ausschließlich) christliche Glaubenssymbole wie das Kreuz. Würde man stattdessen (und allein) das Zeichen Allahs, einen Buddha oder auch ein Bild Stalins oder des Scientology-Gründers dort hinhängen - z.B. weil es auch Anhänger dieser Glaubensgruppen unter den Schülern gäbe, gäbe dies wohl recht kräftigen Rumor in der Bevölkerung.

Religionsgruppen - und auch nur bestimmte - dürfen explizit mehr in unserem land als andere Menschen wie Gruppierungen (andernfalls bräuchte es dazu keiner expliziten Gesetze). Indem die Privilegierten letztendlich selbst darüber entscheiden, wen oder was das Gesetz als anzuerkennende Religionsgemeinschaft zu sehen hat und was nicht, bestimmen Sie über andere Formen des Glaubens bzw. Religion nach eigenem Ermessen. Da wir Deutschen das nicht anders kennen wollen, fällt uns das auch nicht wirklich auf. Deine aktuelle Herleitung zeigt das nur einmal mehr...

Ich verstehe nicht, wozu eine freie Gruppierung Privilegien benötigt, ohne die andere auch problemlos auskommen müssen und tun.
Christel
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Liborius hat geschrieben:Der Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 III WRV gibt allen Religionsgemeinschaften das Recht die inneren Angelegenheit selbst zu regeln.
Das sollte selbstverständlich sein. Dennoch, nicht alle Staaten halten das so, auch heute nicht.

Ich hatte Demokratie bisher so verstanden, dass alle Macht vom Volk ausgeht. Das heißt, die Mehrheit bestimmt, wie sie leben möchte und nicht eine Minderheit.
Daher sitzen in den Parlamenten auch nicht alle existierenden Parteien gleichberechtigt, sondern nur die, die genügend Stimmen bekamen, entsprechend ihrem Anteil.
So gesehen sind, die Parteien, die die meisten Stimmen erhalten, privilegiert. Aber so funktioniert nun mal Demokratie. Käme man auf die Idee, keine Partei dürfe benachteiligt werden, alle müssten das gleiche Mitspracherecht haben, denselben Anteil an Entscheidungen, wäre dies das Ende der Demokratie. Die Mehrheit müsste sich Minderheiten unterordnen.

Außer den Parteien spielen in der Demokratie Bürgerbewegungen, Interessenverbände u.v. m. eine Rolle. Organisationen vertreten die Interessen ihrer Mitglieder. D.h. Organisationen müssten entsprechend der Zahl ihrer Mitglieder einen Einfluss auf das öffentliche Leben haben und in der Öffentlichkeit präsent sein dürfen.
Wenn 60% der Deutschen in den christlichen Kirchen organisiert sind, wenn ein Gebiet wie das Eichsfeld mehrheitlich katholisch ist, dann ist es logisch, dass diese eine Gesellschaft sowie das öffentliche Leben entsprechend mitprägen.
Dürfen sie in der Öffentlichkeit mit ihren Symbolen nicht präsent sein, müssen sie sich dem Willen von Minderheiten unterordnen, ist zu fragen, wie steht es mit unserer Demokratie?
niels hat geschrieben:Um ein solches Recht (Privileg) beanspruchen zu können, sollte definiert sein, was Religion denn juristisch / kausal ist. Mein Vorschlag dazu wäre z.B: "Religion ist [die Menge] der Handlungsstrategien [von Menschen] aus mythischen Beweggründen". Darum aber drücken sich insbesondere die eigentlich zuständigen "Wissenschaftler" - die Theologen doch bis heute - wobei man nicht zulöetzt Befangenheit unterstellen könnte, da Theologen i.d.R. gläubig (und damit von den Privilegien Betroffene) sind. In keinem anderen Fall würde man derartige Formen der Rechtsbildungen akzeptieren, schon erstaunlich...
Und was ist mythisch?

Das Christentum beruht nicht auf Mythen, sondern auf Erfahrungen/ Offenbarungen. Demnach wäre das Christentum keine Religion. Anderes, was nicht zu den Religionen gerechnet wird, schon.
Man kann dem Phänomen „Religion“ nicht gerecht werden, indem man den Begriff neu definiert. Denn "Religion“ ist nun mal historisch gewachsen und umfasst daher Unterschiedliches.


Das Eigentliche, worum es geht ist die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ (KdöR) http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6rpe ... hen_Rechts. Der Staat muss wissen, wem er diese Körperschaftsrechte verleiht und wem nicht. Die Kriterien dafür sind rein formaler Natur. Eine Gruppe muss lange genug bestehen, eine genügende Anzahl an Mitgliedern haben, Rechtstreue - Gibt es noch ein Kriterium? Hier müsste neu definiert werden.

Man kann es auch ganz lassen. Ich kann mir die großen Kirchen auch als Freikirchen organisiert vorstellen. Der Staat muss auch nicht die Kirchensteuer einziehen. Dann kann er dabei auch nicht mehr mitkassieren. Er reicht nämlich nicht die gesamte Kirchensteuer an die Kirche weiter, er kassiert für seine Dienstleistung.

Kirche muss auch nicht Aufgaben für den Staat übernehmen wie z.B. Militärseelsorge. Soll der Staat doch Psychologen bezahlen. Eine Kirche muss auch nicht für das Gemeinwohl sorgen. Da kann sich der Staat kümmern. (Historisch geprägt durch das Christentum, sieht der Staat darin heute noch seine Aufgabe. Ob das immer so sein wird?) Auch die kostspieligen, nicht beheizbaren Gebäude wie große Kirchen, die irgendwelche Könige bauten… , kann der Staat haben. Neue Zweckbauten sind kostengünstiger. Auch für kulturelle Veranstaltungen, Orgelkonzerte.. , muss die Kirche nicht sorgen.
Wenn Kirche im öffentlichen Leben keine Rolle spielen soll, wenn Christen, ihr Christsein nur ganz privat leben sollen/dürfen… - Ja dann ist es so. Wenn eine Mehrheit das so will…

Setzt das aber eine Minderheit durch…, dann stellt sich für mich die Frage, wie demokratisch ist unser Staat? Wenn eine Mehrheit hinten ansitzen muss, damit sie angeblich nicht privilegiert ist, das finde ich merkwürdig für ein Land, das sich demokratisch nennt.
Aber hinten ansitzen, das sind wir als Christen ja aus DDR-Zeiten gewohnt!
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von niels »

[quote]....hintansitzen...[quote]
Nun wirst Du aber bockig.

Niemand hier erwartet, das Christen irgendwo irgendwie "hintansitzen" oder sonst irgendwie benachteiligt werden - eher im Gegenteil - ich möchte die selben Rechte für alle Menschen - unabhängig von ihrer Glaubensform.

Würde man z.B. o.g. Paragraphen aus dem GG komplett streichen, würde man keine Religion benachteiligen noch Religiöse gegenüber Nicht-Religiösen benachteiligen, denn dazu müsste es enstprechende Gesetze geben. Wie Du sagst, spielen ja auch andere Verbände, Gruppierungen, Interessenverbände usw. eine wichtige Rolle - aber nur im säkularen Staat auch gleichberechtigt zu Religionsgruppen.

Demokratie ist nun mal nicht optimal - wir haben bisher aber nichts besseres. Institutionelle Religionen sehe ich kritisch im Kontext Demokratie - siehe z.B. aktuell Irak, Ägypten u.a. Die säkulare Staatsform sehe ich als einzige Möglichkeit, Diskriminierungsminimierung gegenüber Minderheiten zu betreiben. Nur sie garantiert b.) - die Glaubensfreiheit für alle und b.) die Gleichberechtigung aller.

Zudem bezweifele ich, das mehr als 60% der Deutschen in einer Kirche "organisiert" sind UND sich zudem noch von der Kirche in allen politischen Fragen vertreten fühlen. Während es klare Regeln für anerkannte Verbände, Vereine usw. gibt, sind Kirchen nun sicher nicht demokratisch - die Behauptung, sie vertrete die Interessen aller, deren Religionszugehörigkeit im Melderegister mit "röm. katholisch" oder "protestantisch" gekennzeichnet ist, ist daher mehr als weit hergeholt.

Würde man eine Volksbefragung machen, wer sich alles als christlich religiös sähe und auch fragen würde, von welcher Kirche er sich vertreten sähe, kämen wohl interessante, weitaus niedrigere Zahlen heraus als heute kommuniziert. Allerdings bezweifele ich auch, das heute noch 60% der Deutschen (kirchliche) Christen sind - damit wäre es selbst schon im Eichsfeld knapp...

Christentum als Religion ist mythisch. Was Du mit "Erfahrungen" meinst, weiß ich nicht genau, aber ich nehme an das Du Dich auf religionshistorische Entwicklungen bis heute beziehst. Auch diese basieren am Anfang der Kausalkette immer auf Mythos - jedenfalls von außen betrachtet. Alles das, was (auch die christliche) Religion als solche ausmacht, hat seinen Ursprung in mythischen Beweggründen.

Mythisch ist != kausal.

Jeder aufgrund nicht kausal getroffener Behauptungen / Annahmen geschlossene Folgerung (Induktion, Deduktion usw.) ist nicht kausal - auch wenn in spätere Folgerungen / Schlüsse kausale Behauptungen eingeflossen sind / einfließen.

Die Folgerungen bleiben prinzipbedingt mythisch - egal wie lang man die Schlußkette entlanggeht. Jede fortführende "Erfahrung" erlaubt womöglich auch Erkenntnisse, die im Ergebnis allerdings nicht kausal sind, auch wenn der Schlußschritt kausal erfolgte, denn die Annahmen sind nicht kausal usw. Man kann sich das z.B. auch aufmalen um es besser zu verstehen - z.B. für konkrete, komplexere Zusammenhänge.

Beispiel:
Wir nehmen eine mythische Annahme "a=3" und die kausal greifbare Aussage b=2.

Nun bestimmen wir - in diesem Schritt mit allein kausalen Prinzipien "a+b" - also 3+2 = 5. Wir haben zwar eine eindeutige Aussage 5, aber nur, insoweit wir a=3 als gegeben hinnehmen.

Da a=3 mythisch ist (also eine unbelegbare/unbelegte Aussage/Behauptung/Annahme -> a=n), müsste der Kausale durchweg bei n+2 bleiben, da an für ihn nicht kausal greifbar ist.

Das Ergebnis ist damit dann nicht mehr 5, sondern n+2 . Damit ist der "mythische" in der Lage eine konkrete Aussage (5) zu treffen, der "kausale" dagegen nicht (a+2=n+2). Daran ändert sich auch nichts, wenn nun weitere Folgerungen - z.B. a+b+7*5+2 usw. fortführend gezogen werden.

Das Ergebnis wird aus kausaler Sicht nicht richtiger dadurch, das immer neue, in sich korrekte Schlüsse (z.B. a+b+c+d...) gezogen werden (n+x...)- aus mythischer Sicht dagegen stellt sich diese Frage nicht, denn man nimmt alle Faktoren als gegeben an. Der mythische kann demnach Schlüsse ziehen, die dem Kausalen nicht möglich sind. Ob und wie weit die "Erkenntnis" den Mythischen weiterbringt, ist nicht bewertbar - aus der Sicht des Kausalen liegt darin kein Erkenntnisgewinn. Nur für den Fall, das die mythische = kausale Annahme ist, hat der mythische Recht - er verlässt sich einfach darauf, das seine Annahme stimmt (-> Gläubiger).

Behauptet jemand das Gegenteil, obliegt es ihm die betr. Kausalkette zu Ende zu führen, was je einziger Gegenbeweis wäre.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die mythisch getroffene Annahme womöglich doch richtig ist - meine Definition von Religion klammert demnach aus, ob es z.B. tatsächlich Götter gibt usw. Das spielt für das Verständnis des Sachverhaltes "Religion" auch keinerlei Rolle.

Würde man z.B. das Christentum allein historisch, soziophänomenologisch betrachten, dann wäre das wiederum Wissenschaft bzw. kausal und somit nicht Religion, da hier dann das Kausalitätsprinzip zugrundeliegt (sollte es jedenfalls).

Was hat Religion mit KdöR zu tun? Doch erstmal gar nichts. Sind z.B. tibetanische Buddhisten nicht religiös, weil ihnen das Gesetz im eigenen Land keinen Status des KdöR zugesteht? Das Argument der KdöR wird vornehmlich in Deutschland immer dann gern verwendet, wenn es um Abgrenzung gegenüber Andersgläubigen geht - nach dem Motto: Deine Religion ist keine "richtige", weil es keine konstituiert und anerkannte Religionsgemeinschaft gibt, schon ga keine juristisch anerkannte Körperschaft.

Was formaljuristisch so stimmen mag, ist rechtsstaatlich doch recht zweifelhaft, denn nicht jeder Gläubige kann z.B. einfach / unbedingt eine KödR für seinen Glauben aufziehen usw.. Zudem wurden ganze Teile des deutschen Körperschaftsrechts quasi den Christenkirchen auf den Leib geschneidert - wohl z.T. auch, weil man damals noch annahm, das es eh kaum andere treffen könnte. Darin erwarten manche einen möglichen Boomerang, z.B. wenn die Zahl der Muslime in Deutschland weiter wächst oder die anderer Glaubensgruppen und diese auf die selben Privilegien pochen.

Dem Grundprinzip der Glaubensfreiheit steht dieses Denken aus heutiger Sicht entgegen, denn man kann nicht sagen, ein Glaube des Einen wird damit legitim(er), wenn es eine entsprechend große (und organisierte) Gruppe gleichgläubiger gibt. Es diskriminiert damit den freien Glauben des Einzelnen bzw. schreibt ihm vor, welchen Glaubensgruppen (bzw. Auswahl solcher) er sich anzuschließen hätte um religiöse Privilegien genießen zu können. Sicher bedeutet Demokratie, das die größeren Gruppen prinzipbedingt mehr politischen Einfluß (über die Wählerstimme des Einzelnen) haben - konstituiert man diesen jedoch zusätzlich, führt dies das Demokratieprinzip ad absurdum, denn sie wichtet den Willen des Einzelnen in Gruppierungen mehr als den ungruppierter Einzelner.

In der DDR bediente sich die "Volkspartei" SED ebensolcher Prinzipien zur Konstituierung der eigenen Macht - wenn auch in anderen (und noch strafferen) Strukturen. Sie gab dem einzelnen SED Mitglied vor, welche Dinge er für "richtig" und welche für "falsch" zu halten hatte - demokratische Mitbestimmung oder gar Basis hatte dies (auch) nicht. Recht ähnlich bestimmen religiöse Körperschaften undemokratisch, was der (politische) Wille des Anhängers ist und verargumentieren diesen gegenüber außen wie im Namen ihrer Anhänger.

Das der Wille / die Meinung nicht weniger Kirchenfußvölkler heute/inzwischen davon nicht unwesentlich abweicht oder diesen sogar entgegen steht, bringen die aktuellen innerkirchlichen Debatten wie die öffentlichen Aufbegehren von immer mehr Kirchenanhängern erst an die Oberfläche - es gab sie auch schon früher. Aus Angst vor einer "Zersplitterung" oder "Aufspaltung" der Machtkirche oder die Abspaltung unzufriedener Kirchenkunden / -anhänger in autonome Gebilde raufen sich derweil die Kirchenoberen die Haare und suchen nach "Auswegen" - betonen dabei, dass - egal was komme - "die Einheit der Kirchen unbedingt erhalten werden" müsse. Ohne "Einheit" droht immenser Machtverlust etablierter Instanzen - das immer mehr Gläubige oder Mitglieder sich von diesen heute nicht mehr vertreten fühlen, wird der Debatte untergeordnet.

Der Gläubige wird so Mittel zum Zweck von Machtinteressen - um seine Belange geht es (wenn überhaupt) nur insoweit, das er nicht wegrennt. Das implizite Argument, "man brauche die Macht, um seine (des Gläubigen) Belange/Interessen durchzusetzen", erinnert doch ein Stück weit an den Untergang der SED...

"alle Tiere sind gleich - und manche sind gleicher als gleich..." (George Orwell, "Farm der Tiere")

Ich halte die traditionell enge Verbandelung von Kirche und Staat in Deutschland für nicht mehr statthaft.

Ob nun Kirchensteuereinzug oder Militärseelsorge - es handelt sich um gegenseitige Dienstleistungen für die beide gut kassieren - in der heutigen Form entstehen prinzipbedingt Interessenskonflikte, die es in einem Staat eigentlich nicht geben dürfte / sollte... Das fängt damit an, das nicht jede Glaubensgruppierung oder gar jeder Verband das FiNa / Steuerrecht zum Beitragseinzug heranziehen kann - aber auch, das Militärseelsorger bis dato afaik christliche, aber eben nicht konfessionsübergreifende/-neutrale Seelsorger sind. Freie Ausschreibungen für diese Dienstleistungen gibt es i.d.R. nicht.

Was ev. vor 50 Jahren noch akzeptabel war, ist für die heutige oder gar zukünftige Demokratie unseres Landes nicht mehr geeignet - nicht zuletzt weil das Bild wie die Vielfalt der Glaubensformen im Land (ebenso wie agnostische oder atheistische Weltbilder) immer weiter diversifiziert und "bunter" wird und ein Staat auch diesem Umstand im Sinne aller gerecht werden muß.

Interessant übrigens finde ich die Situation wie den Umgang der Religionen / Glaubensformen miteinander auf dem traditionellen, jahrhundertealten großen Basar in Istanbul, wo eine vergleichsweise erstaunlich große Vielfalt an Religionen und Glaubensformen agiert. Die Marktleitung selbst erfolgt säkular und unabhängig von einer Religion, dabei leben die verschiedenen Glaubensgruppen oder -anhänger (manche Glaubensanhänger sind nur noch allein oder zu zweit) miteinander, akzeptieren wie respektieren einander. Jeder macht seine eigenen religiösen Feiertage und andere gratulieren ihnen sogar dazu usw. Im Miteinander unter den Händlern bleibt Religion außen vor und jeder respektiert die Eigenheiten des Anderen, wenn er dessen Geschäftsräume betritt usw. Man könnte fast feststellen, das jeder Händler mit seinem eigenen Laden einer Art KdöR gleichkommt.

Keiner erwartet, das z.B. die Marktleitung besonderen Fokus auf eine der Religionen legt, da z.B. die Gruppierung der Händler die größte Gruppe darstellt, denn dies würde das Gleichgewicht im Miteinander der Religionen zu lasten/gunsten einzelner verschieben. Die Vertreter ("das Board") werden jeweils reihum gewählt/bestimmt, so das jeder mal drankommt usw..

Warum sollte dies auch nicht in einem Staat funktionieren?
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von niels »

ach - fälltt mir noch ein:
Gemeinwohl
Die Kirche kümmert sich nicht mehr um das Gemeinwohl wie jeder andere Verein oder Unternehmen. Während im Lande eine Vielzahl ehrenamtliche Bürger am Gemeinwohl sogar unentgeltlich wirken / Zeit und Arbeit abgeben, feiert sich die Kirche gern und mit am lautesten in diesem Kontext.

Dort, wo sich die Kirche "im Dienst der Gemeinschaft engagiert" sieht, agiert sie mit/über z.B. Unternehmen und generiert auch Profite bzw. kofinanziert eigene Strukturen - wenn (bedingt durch die Privilegierungen im Rahmen z.B. des Körperschaftsrechts, Kirchenstaatsverträge u.a.) auch in anderen Strukturen als z.B. ein "freies" Unternehmen. Auch die Kirche verschenkt nichts, verkauft sich geschickt und steht im Wettbewerb nicht selten sogar privilegiert da - z.B. über Finanzierungsstrukturen, die anderen verschlossen bleiben.

Das der Staat allerdings diverse Basisaufgaben delegiert - z.B. an Kirchen bzw. diese bevorzugt - sehe ich eher kritisch.

Dem Argument "Gemeinwohl" kann ich daher sachlich wie unternehmerisch nicht folgen - jedenfalls nicht mehr als dies die meisten anderen Unternehmen wie Vereine betrifft (Vereine sogar wohl häufig noch mehr).
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von Liborius »

Will man über die Sharia in Deutschland oder Europa diskutieren, dann sollte man nicht andere religionen als Vergleich beiziehen.
Die Sharia hat im Gegensatz zu jedem anderen Kirchenrecht den Anspruch aus dem Koran und aus der Sunna, der in keinster Weise verändert werden könnte. Die Saharia behandelt nicht nur religiöse und damit interne Fragen des Islams, sondern auch das soziale Leben im Geltungsbereich und damit nicht nur der eigenen Religionsangehörigen.

Nehmen wir nur einmal die Religionsfreiheit, bei uns durch Art. 4.1 GG ganz besonders geschützt und auch als Menschenrecht definiert.
Die Sharia stellt die Apostasie, also den Religionswechsel, unter Todesstrafe.
http://www.igfm.de/Wenn-Muslime-Christe ... 466.0.html

Das ist so ein markantes Widerspruch zum Menschenrecht und zu unserem GG, dass sich jede Diskussion über die Einführung der Sharia für bei uns lebende Muslime verbietet.
Christel
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:Niemand hier erwartet, das Christen irgendwo irgendwie "hintansitzen" oder sonst irgendwie benachteiligt werden - eher im Gegenteil - ich möchte die selben Rechte für alle Menschen - unabhängig von ihrer Glaubensform.
Sicher Du möchtest, dass alle Religionen gleichermaßen „hintansitzen“.
Werden alle religiösen Symbole… aus dem öffentlichen Raum verband werden, wenn Religion nicht öffentlich gelebt und bekannt werden darf, dann wird all das nicht geduldet, dann haben wir es mit einer intoleranten Haltung zu tun (logisch!). Toleranz heißt Duldung! Geht Toleranz mit Respekt einher, umso besser. Toleranz verpflichtet nicht eine bestimmte Auffassung zu teilen.
Bevorzugt wird so unter dem Deckmantel der Neutralität eine atheistische Weltanschauung. – Aber die wollen ja neuerdings auch Religion sein. Atheisten sind so die eigentlich Privilegierten.
niels hat geschrieben:Zudem bezweifele ich, das mehr als 60% der Deutschen in einer Kirche "organisiert" sind
Ich auch! Es dürften ca. 60 % sein.
Ich schrieb:
Christel hat geschrieben:Wenn 60% der Deutschen in den christlichen Kirchen organisiert sind, wenn ein Gebiet wie das Eichsfeld mehrheitlich katholisch ist, dann ist es logisch, dass diese eine Gesellschaft sowie das öffentliche Leben entsprechend mitprägen.
Dabei spielt es, wie bei allen anderen Organisationen keine Rolle, inwieweit sich die Mitglieder tatsächlich und immer …, wie die Strukturen sind… - Sondern einzig und allein, dass über die Hälfte der Bevölkerung ein Schwergewicht darstellt, kein kleiner privater Klub ist und daher einen Anspruch hat in der Öffentlichkeit präsent zu sein und mitzumischen.
niels hat geschrieben:Christentum als Religion ist mythisch.
Nein! Das halte ich für absolut falsch! Wenn das Dein Ansatz einer Kausalkette ist, dann ist der Ausgangspunkt Deiner Kette falsch. – Womöglich, verwechselst Du Mythen mit Mystik. Aber auch Mystik ist nicht der Ausgangspunkt der christlichen Religion, sondern eine Person, eine historische Person Jesus von Nazareth. Das ist kein Mythos.
Ist der Ausgangspunkt einer Berechnung falsch, kommt auch das Ergebnis nicht hin und sein es noch so richtig logisch und kausal abgeleitet.
niels hat geschrieben: Was hat Religion mit KdöR zu tun? Doch erstmal gar nichts. Sind z.B. tibetanische Buddhisten nicht religiös, weil ihnen das Gesetz im eigenen Land keinen Status des KdöR zugesteht?
Richtig! In Tibet gibt es keine KdöR!

Das ist eine Erfindung des deutschen Staates. (Ich weiß nicht, ob es das auch woanders gibt.)
Der Staat gibt den Kirchen mit der KdÖR Rechte, aber er verteilt auch Aufgaben.
Wie ich sagte, dass muss aus meiner Sicht nicht sein. Kirchen können sich auch Freikirchlich organisieren, das heißt frei vom Staat. Sie müssen nicht Erfüllungsgehilfen des Staates sein. Und Zahlmeister der Nation müssen Christen auch nicht sein. – Soll der Staat seine Aufgaben selbst erledigen.

PS: Gemeinwohl ist nicht nur ehrenamtlicher Dienst. Die Kirche besteht nicht nur aus Pfarrern, die in der Regel keine 40 Stunden Woche haben. Auch Christen sind Kirche und die engagieren sich ehrenamtlich. – Angesichts der vielen Arbeitslosen, sehe ich Ehrenamt skeptisch. Das Ehrenamt vernichtet Arbeitsplätze.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von niels »

...hintansitzen...
So ein Quark - wo holst Du diese Behauptungen her? Du verwechselst wieder / immer noch öffentlicher Raum mit öffentlich-rechtlichen Einrichtungen und dazu behauptest Du, das ich ein Verbot von Religion in der Öffentlichkeit fordern würde. Das ist falsch, weil nicht meine Aussage.

Deine Behauptung wird auch nicht damit richtiger, indem Du sie stur wiederholst.

Deiner Behauptung zufolge fordere ich z.B. ein Verbot von z.B. öffentlichen Prozessionen oder das Tragen von Kreuzen durch Christen - das hat mit öffentlichen (d.h. verwaltungsrechtlichen) Einrichtungen nichts am Hut (bis auf das eine Prozession dort ggf. angemeldet werden muß...). Das ist - nun zum Dritten Mal - NICHT der Fall. Es gibt ein VersG wie auch den Privatbereich des Menschen, zu dem auch sein Körper wie seine Kleidung usw. gehört - ebenso auch seine Räumlichkeiten uswusf..

Wo bitte schränken meine Forderungen Religionen im öffentlichen Leben ein - insbesondere in der Religionsausübung?
...Kette ist falsch...
Diese Aussage stimmt nur bei Beschränkung auf einen mythischen Standpunkt - und ist damit unvollständig (siehe oben). Zwar steht "am Anfang" der Kette (was auch nicht stimmt, denn das alte Testament ist ja auch Teil der christlichen Religion) eine Person, dessen kommunizierte Lehre (Aussagen / Behauptungen / Annahmen - und auf denen basiert der religiöse Teil der christlichen Lehre) aber diese SIND wiederum mythisch begründet, denn es gibt keine reproduzierbare Aussage am Anfang. Die Behauptung es gäbe einen Gott, er wäre sein direkter (zudem exklusiver) Sohn und der wiederum wolle das und das sind typische mythisch begründete Behauptungen, da sie weder überprüfbar noch reproduzierbar sind (ja die Lehre selbst legt Wert darauf, das man diese Aussagen / Behauptungen nicht kausal rückprüft). Nicht? Dann erklär mir bitte mal kausal, wie und wo ich Gott finde und wie ich wissen kann, das der genau das will und zu Jesus gesagt hat, was der wiederum darüber behauptete. Eben - damit sind wir am mythischen Anfang der Kausalkette angekommen.

Es ist reine Glaubensfrage ob man sich auf die Angaben von Jesus verlässt oder halt nicht. Damit sind alle aus den Aussagen gezogenen Schlüsse nur dann wahr, soweit man diese Aussagen als gegeben (wahr) hinnimmt usw.

Kein vernünftiger kausaler Denker würde sich darauf einlassen zu behaupten, er könne darlegen, warum es einen Gott gibt, wie dieser Gott ist und was der will - obgleich er dennoch gläubig sein kann.
freikirchlich
Ja,
da stimme ich Dir sogar zu.

Allerdings sind Christen nicht "Zahlmeister der Nation" sondern "Zahlmeister der Kirche". Die Behauptung, das Kirchensteuern von der Kirche zur Finanzierung des Gemeinwohls aller verwendet werden, ist zwar häufig zu hören - bisher allerdings nicht erbracht worden (jedenfalls nicht rechnerisch - und darauf kommt es ja letztendlich an).

Wenn ich z.B. als Unternehmer ein Krankenhaus baue und mir den Bau vom Staat kofinanzieren lasse und für die Behandlung der Patienten entsprechende Entlohnung bekomme / verlange, wie jeder andere auch, dann bin ich zwar "am" Gemeinwohl tätig - aber nicht "für das" Gemeinwohl...

Wo die Kirche "Aufgaben" vom Staat "übernimmt", lässt sie sich dies i.d.R. voll bezahlen - die "Eigeninvestitionen" beschränken sich, wenn es denn überhaupt welche gibt, auf die Zuarbeit ehrenamtlicher Kirchenmitglieder (und das lässt man sich nicht selten - wie schon gesagt - auch noch bezahlen). Demnach sind die "einfachen" Christen doppelt in der Pflicht - gegenüber ihrer Kirche. Das Gemeinwohl trifft dies nur sekundär und marginal.

ehrenamtlich
Natürlich gibt es auch in der Kirche ehrenamtlich engagierte - auch am Gemeinwohl.

Allerdings lässt sich die Kirche dies in den meisten Fällen gut bezahlen. Demnach liegt die Wertschöpfung dort bei der Kirche selbst - d.h. die ehrenamtlichen arbeiten dann für die Kirche, nur indirekt für's "Gemeinwohl"...

Dies findet man im Vereinswesen dagegen so nicht bzw. nur in wenigen Fällen.
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Lieber Niels,
bitte unterstell mir nicht Dinge, die ich weder schrieb, noch meinte!

Wenn Du selbst Deine Beiträge nicht als Quark bezeichnet haben möchtest, dann verzichte bitte darauf es bei anderen zu tun. Ansonsten würdest Du nämlich für Dich selbst mehr Rechte fordern, als Du anderen zugestehst.

Bist Du schon mal auf die Idee gekommen, dass Du selbst der Irrende sein könntest?

Ich schrieb sehr allgemein, etwas von öffentlichem Raum! Daraufhin hast Du behauptet:
niels hat geschrieben:Du verwechselst wieder / immer noch öffentlicher Raum mit öffentlich-rechtlichen Einrichtungen und dazu behauptest Du, das ich ein Verbot von Religion in der Öffentlichkeit fordern würde. Das ist falsch, weil nicht meine Aussage.
Wenn Du meinst, ich verwechsle da was, dann erkläre mir bitte den Unterschied zwischen „öffentlicher Raum und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen“ und schreibe, weshalb beides unterschieden werden muss. Ist der Raum in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen kein öffentlicher Raum? Werden christliche Symbole aus öffentlich-rechtlichen Einrichtungen verdrängt, werden sie dann nicht gleichzeitig aus dem öffentlichen Raum verdrängt? - Übrigens KdÖR, sind öffentlich-rechtliche Einrichtungen.


Und wenn Du einmal dabei bist, erkläre bitte auch gleich, was Johannes Rau falsch macht.
Denn auch hier hast Du behauptet:
niels hat geschrieben:Auch Herr Raun verwechselt in seiner Rede "öffentliches Leben" mit "öffentlichem Recht" - absichtlich oder auch nicht.
von niels » Sa 26 Feb, 2011 10:49 viewtopic.php?f=10&t=1467&hilit=Bundesp ... t&start=30


Es bezog sich auf dieses Zitat:

viewtopic.php?f=10&t=1467&p=6549&hilit= ... dent#p6549
Christel hat geschrieben:In seiner Rede vom 22.1.2004 „Religionsfreiheit heute - zum Verhältnis von Staat und Religion in Deutschland“, sagt der damalige von Bundespräsident Johannes Rau beim Festakt zum 275. Geburtstag von Gotthold Ephraim Lessing in der Herzog-August-Bibliothek zu Wolfenbüttel:
Unser Staat ist kein religionsfeindlicher und auch kein religionsfreier Staat. Im Gegenteil: Unser Staat schützt die Religionsfreiheit aller.
VI.
Die Neutralität des freiheitlichen Staates gegenüber Religionen und Weltanschauungen darf aber nicht verwechselt werden mit einer Neutralität der Gesellschaft in diesen Fragen.
Im Gegenteil: Der weltanschaulich neutrale Staat ist auf Überzeugungen angewiesen, die in verschiedenen und unterscheidbaren Gemeinschaften gelebt werden, die Werte haben und die Orientierung geben wollen. Dazu gehören in besonderer Weise Kirchen und Religionsgemeinschaften, die ihre Vorstellungen in die Gesellschaft einbringen.
Unsere Gesellschaft ist kein religionsfreier Raum, und Religion ist nicht bloße Privatsache. Der öffentliche Charakter von Religionen wird bei uns anerkannt. Kirchen und Glaubensgemeinschaften können und sollen öffentlich wirken, und ihre Einmischung in öffentliche Angelegenheiten ist ausdrücklich erwünscht.
http://www.bundespraesident.de/-,2.9404 ... rintview=2
Sowie:
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht ein Symbol einer Religion - und das ist das Kopftuch jedenfalls auch - verbieten und dennoch glauben können, wir könnten alles andere beim Alten lassen. Das ist mit der Religionsfreiheit, die unser Grundgesetz allen Menschen garantiert, nicht vereinbar und würde deshalb das Tor zu einer Entwicklung öffnen, die doch die meisten Befürworter eines Kopftuchverbots gar nicht wollen.
Ich fürchte nämlich, dass ein Kopftuchverbot der erste Schritt auf dem Weg in einen laizistischen Staat ist, der religiöse Zeichen und Symbole aus dem öffentlichen Leben verbannt. Ich will das nicht. Das ist nicht meine Vorstellung von unserem seit vielen Jahrhunderten christlich geprägten Land.
http://www.bundespraesident.de/-,2.9404 ... rintview=2
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Sharia in Deutschland und Europa?

Ungelesener Beitrag von niels »

...bitte, jetzt dreht sich's aber arg im Kreis...

Du behauptest, ich fordere das Religion aus dem "öffentlichen Raum" verbannt wird. Diese Behauptung IST falsch, denn a.) habe ich das nie behauptet und b.) beziehst Du Dich bei Deiner Kritik z.B. der GBS-Aktionen auf öffentlichen Raum, der aber von diesen gar nicht berührt wird.

Meine Frage, wo denn meine Forderungen / Vorstellungen die öffentliche Ausübung von Religion verbieten oder auch nur beschränken würden, blieb bis dato unbeantwortet.

Zum Xten mal - öffentlicher Raum ist nicht gleich öffentlich-rechtliche Einrichtung bzw. öffentlich-rechtlich! In einem öffentlich-rechtlichen Amtsgebäude hat m.E. kein religiöses Symbol etwas zu suchen (soweit dies nicht den Privatbereich des Beamten am Arbeitsplatz oder der Besucher / Kunden trifft).

Ebenso halte ich es für mehr als grenzwertig und inakzeptabel, das typische eichsfelder Amtsblätter oft voll mit religiösen Belangen, Gebeten, Symbolen usw. sind - und das in manchen allein christliche - als gäbe es nur Christen im Eichsfeld (was ja nicht stimmt).

Inwieweit ein Amtsblatt seiner eigentlichen Aufgabe, den Bürger über verwaltungsrechtliche Sachverhalte zu informieren, indem man ellenlange Gebete abdruckt, verstehe ich nicht. Es obliegt m.E. den Kirchen eine eigene Zeitung o.ä. herauszubringen - so wie jeder andere Verein dies auch tun kann (und manche machen dies ja auch). Und ganz nebenbei: Würde man darin z.B. auch eine Koransure abdrucken? Oder einen Passus aus "Dianetik"? Das gäbe sicher nen Spaß...

Dagegen kann z.B. ein großes Kreuz auch in der Öffentlichkeit sichtbar sein, soweit es auf privatrechtlichem (oder halt körperschaftlichem) Grund steht bzw. angebracht ist - so wie z.B. jedes andere Schild oder Zeichen irgendwelcher Privatinteressen. Ebenso kann eine Prozession stattfinden, wenn diese gem. VersG geregelt ist usw. Wo bitte wird da jemand in der Religionsausübung gehindert?

Auch der Laizismus "verbannt" nicht Religion wie dessen Symbole im "öffentlichen Leben", wie Herr Bundespräsident es da schildert / behauptet, jedenfalls nicht nach unserer deutschen Begrifflichkeit von "öffentlichem Leben" (und ich gehe davon aus, er meint diese...), wenn er dort auch Einschnitte realisiert.

Ich persönlich halte den säkularen Staat für Deutschland für fordernswert und akzeptabel - Laizismus ist erst dann nötig, wenn die soziale Situation bereits derart verfahren ist, das ein säkularer Staat die Gleichberechtigung der Glaubens- und Lebensformen wie deren gleichberechtigte Ausübung nicht mehr realisieren kann.

Ein wesentlicher Schritt in Richtung säkularer Staat Deutschland wäre eine Einebnung / Angleichung / Öffnung des Körperschaftsrechtes in eine Form, die nicht mehr über die Zahl irgendwelcher Mitglieder unterscheidet und jede Glaubensform eines jeden Menschen gleichberechtigt einbezieht.

Ein weiterer wäre eine moderne, greifendere Definition des Begriffes "Religion", soweit dieser in unseren Gesetzen Anwendung findet - oder stattdessen Ersatz durch eine andere Begrifflichkeit (z.B. "Lebensmodell" o.ä. - denn darum geht es ja letztendlich - das allein Gedanken frei sind, wird ja bereits per GG abgedeckt - genauso auch das Recht auf "freie Entfaltung"). Nach einer Religion zu leben ist ebenso ein "Lebensmodell" wie z.B. nach anderen Beweggründen. Warum sollten gerade explizit mythisch / mystisch begründete Entfaltungsräume juristisch größer sein müssen als jede andere?

Niemand käme z.B. auf die Idee, ein deutscher Unternehmer könne seinem Gewerbe nicht frei nachgehen bzw. wählen oder ein Bürger könne seinen Beruf nicht frei ausüben, obgleich er selbst kein öffentliches Recht in Außenwirkung definieren kann. Ich verstehe auch nicht, worin eine Beschränkung der Religionsausübung liegen sollte, indem eine religiöse Einrichtung sich nicht an das sonst für alle geltende Arbeitsrecht halten braucht usw..

Das man überhaupt KdöRs braucht, bezweifele ich ebenfalls, denn eine freie Religionsausübung ist m.E. auch ohne realisierbar/realisiert - z.B. per BGB, Vereinsrecht / Gewerberecht usw.. Immerhin ist unser Körperschaftsrecht heute derart komplex, das sich nur noch wenige Juristen damit eingehend auskennen - und das ist eigentlich nicht Sinn eines Gesetzes. Ähnlich wie das hochkomplexe Steuerrecht verursacht die Komplexität mehr Ungleichberechtigung / Diskriminierung als das es Gerechtigkeit herstellt.

Letztendlich sieht das Versammlungsgesetz einige Ausnahmen für religiöse Gruppen vor, die man m.E. auch nicht braucht, weil sie mehr diskriminieren als gleichstellen (z.B. Vermummungsparagraph).

Wenn ich richtig verstehe, sind z.B. Freikirchen nicht als KödR organisiert. Behindert dies die freie Religionsausübung der Mitglieder solcher Kirchen? Wo und wie?

Nochmal zu Rau:
Seine Feststellung zur Neutralität des Staates selbst ist soweit begrüßenswert, als das wir keinen solchen neutralen Staat haben - jedenfalls nicht in der Realität.

Seiner Sichtweise, wir bräuchten Religionen damit wir Werte hätten (die ein Staat als Basis bräuchte osä.), teile ich dagegen nicht.

Es ist NICHT Aufgabe des Staates, Werte zu definieren oder vorzugeben - diese sind zum einen im GG bzw. Verfassung definiert und werden in einer Demokratie vom Volk gebildet - der Staat gießt diese lediglich in Gesetze. Jeder Mensch ist in der Lage selbst Werte zu finden wie zu haben - ich sehe da keine Hoheit bei den Religionen oder gar deren Institutionen, auch wenn diese unbestritten das Wertebild ihrer Mitglieder beeinflussen.

Werte kann man auf vielfältige Weise bilden / entwickeln, auf mythische, mystische wie auch kausale oder agnostische bis atheistische / areligiöse Weise - und erst das miteinander all dieser macht eine moderne, freie Gesellschaft aus.

Ich bin in der DDR aufgewachsen und später in der Bundesrepublik - kenne daher zwei recht gegensätzliche Wertesysteme und Wertgrundlagen recht intensiv. Verfolgt und vergleicht man die Entwicklung der Werte der "einfachen Bevölkerung" zwischen beiden Landeshälften über die 40 Jahre, wird man auf beiden Seiten Werte bei den Menschen finden - je mit Vor- wie Nachteilen.

Viele unserer heutigen freiheitlichen Errungenschaften wie z.B. sexuelle Gleichberechtigung / Rechte der Frauen, Eherechte, sexuelle Selbstbestimmung, selbstbestimmte Lebensplanung, Persönlichkeitsrechte, eine freie Wissenschaft, ein offener Umgang mit dem eigenen Körper (z.B. FKK) wie so manch andere Bürgerrechte, Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Freiheit im Glauben uswusf. haben z.B. Ihre Basis NICHT in den Religionen, die bekanntlich oft bis heute noch Feind dieser Rechte sind (und über das Körperschaftsrecht nach innen wie außen beschränken) - demnach müsste er Aufklärer wie Humanisten mindestens ebenso mit einbeziehen wie Bürgerrechtler und Einzelkämpfer (gleich ob nun theistisch / atheistisch oder agnostisch - ob religiös oder nicht).

Das sollte Herr Rau m.E. ebenso erkennen, wenn ihm Realitätsbezug und Ehrlichkeit am Herzen liegt. Allerdings scheint es inzwischen Usus, das Bundespräsidenten u.a. Politiker in ihren Reden meist denen nach dem Bart reden, vor denen sie gerade stehen und so nicht selten sogar widersprüchliches von sich geben - daher nehm ich das nicht so eng - bekanntlich haben deutsche Bundespräsidenten politisch eh kaum was zu melden...
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