nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

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niels
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nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von niels »

Das war dann doch selbst mir neu:

Quelle: „Statistisches Jahrbuch Thüringen 2010“

7 Dekanate mit 72 Pfarreien und 103 Filialgemeinden
Katholiken im Bistum Erfurt (2009): 156.021
Katholiken in Thüringen (2008):
(Diözesen Erfurt, Fulda und Dresden-Meissen): 177.842

Anteil der Katholiken an der Gesamtbevölkerung (2,27 Mio Einwohner): 7,8 %

Schrieb hier nicht neulich jemand, "knapp 70%" der Deutschen seien Christen? Demnach ist Thüringen entweder ein extrem (also um mehr als das 10-fache anderer Länder) atheistisches Bundesland oder um die 60% der Deutschen müssten Protestanten o.ä. sein.

Noch ein paar Jahre und die Muslime könnten in Thüringen zahlenmäßig mit den Katholiken aufschließen...

Das ich das noch mal erleben werde....

Apropos Deutschland:

Lt. Wikipedia sind angeblich immer noch 45% (lt.http://www.kirchenaustritt.de/statistik/ 2009 nur noch 30% ) aller Deutschen in der Summe "katholisch" (davon bezeichnen sich in Umfragen knapp 40% als "kirchlich distanziert" - sehen sich demnach von der Kirche nicht institutionell vertreten - weitere 35% sehen sich der Kirche "kritisch verbunden" - demnach trägt nur noch ein Teil von wenigen Prozent der Deutschen überhaupt die Kirche derart unkritisch, wie sie es wünscht). Würde man die Kirchenzugehörigkeit heute z.B. neu per offener Bürgerbefragung ermitteln - z.B. "welcher Religion / Kirche möchten Sie angehören" - käme man wahrscheinlich kaum noch auf 10% im Bundesschnitt für beide christlichen Kirchen (allerdings würde man derart auch weniger Muslime erfassen, dafür ev. mehr Buddhisten o.ä.).

Da die Zahlen dort nicht mehr ganz aktuell sind und allein in kirchlichen "Umfragen" entstanden sind, wird die Realität heute wohl nochmal anders aussehen. Immerhin treten jedes Jahr ca. 100.000 Katholiken (respektive 120.000 Protestanten) offiziell aus - trotz hoher Austritts-Gebühren: http://www.kirchenaustritt.de/statistik/

Schaut man sich die Deutschlandkarte an:
http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6mis ... _Statistik

erkennt man gut, woher diese erstaunlich hohen Bevölkerungsanteile kommen - aus nicht mal einer Hand voll Bundesländer / Bistümer. Aber selbst in Bayern ist ein weiterhin deutlicher zahlenmäßiger Abgang von der Kirche erkennbar (so war man dort noch 1989 zu 67% katholisch lt. Landesstatistik Bayern).

Allerdings würde ich mir als Hartz IV Empfänger oder jemand mit geringem Einkommen mehr als zweimal überlegen, ob ich mir einen offiziellen Austritt auch leisten kann - die "Preise" sind ja zuweilen ganz schön happich- vor allem für Verheiratete / Familien / Geschiedene:
http://www.kirchenaustritt.de/bayern/

Übrigens frage ich mich, wozu man z.B. in Bayern ganze 31 EUR pro Person kassiert (bei Verheirateten sogar 41 EUR), wobei die Austrittsbescheinungung selbst nur 6,- EUR kostet und man sich noch selbst ans Finanzamt wenden muß, um die Lohnsteuerlarte korrigieren zu lassen.

Was macht man da eigentlich für die 25 bzw 35 Euro? Immerhin ist selbst eine Gewerbeanmeldung oder neuer Personalausweis billiger (und der muß über die Bundesdruckerei "aufwendig" bestellt, gefertigt und geliefert werden). Im Prinzip klickt der Standesbeamte doch nur eine Drop-Down Box im Melderegister auf eine andere Einstellung (oder halt ein Textfeld zur freien Eingabe)...

Das unser VefG inzwischen implizit feststellte, das für Bürger mit geringem bis keinem Einkommen Wechsel oder Austritt aus einer Religionszugehörigkeit gebührenfrei sein muß, scheint bisher auch nirgendwo angekommen. Aber welcher Hartz IV Empfänger ginge schon das Risiko eines Verwaltungsverfahrens ein, das sich i.d.R. mindestens 5 Jahre hinzieht und 4-5 stellige Summen kostet.

Das man als Christ automatisch einer Kirche angehört / anzugehören hat, scheint juristisch auch Usus in Deutschland (So wird z.B. ein Austritt aus der Körperschaft der katholischen Kirche juristisch nicht akzeptiert). Wer keiner Kirche angehört, ist auch kein Christ - jedenfalls nicht offiziell...
Liborius
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von Liborius »

Niels

Der Kirchenaustritt ist vor einem Standesamt oder Amtsgericht zu erklären. Die erhobenen Gebühren sind nicht den Kirchen geschuldet, sondern einzig dem Staat für den Verwaltungsaufwand zur Fortführung der Personenstandsdaten. Da sich nun die Kosten in den einzelnen Bundesländern exorbitant unterscheiden liegt die Vermutung nahe, dass sich der Staat auch hier am Bürger bereichert.
Zumindest deine Unterstellung, die Kirchen würden profitieren, ist falsch.
http://www.kirchenaustritt.de/info/
niels
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von niels »

Da sich nun die Kosten in den einzelnen Bundesländern exorbitant unterscheiden liegt die Vermutung nahe, dass sich der Staat auch hier am Bürger bereichert.
Diese Vermutung liegt nahe, zumal Leistung/Aufwand mit den erhobenen Gebühren in keinem erkennbaren verhältnis stehen...
Zumindest deine Unterstellung, die Kirchen würden profitieren, ist falsch.
Jaein,
sie profitieren ggf. nicht an den beim Austritt erhobenen Gebühren, jedoch über die damit nicht unwesentlich höheren offiziellen Mitgliederzahlen, mit denen wiederum politisch wie z.T. auch materiell argumentiert wird.

An zusätzlichen Steuern profitieren sie nur insofern als derjenige Besserverdiener zu bequem ist, sich aus der Kirche explizit abzumelden um dann auch keine Kirchensteuer mehr zu bezahlen (und deren gibt es gar nicht wenige).

Mir sind sogar (gerade im Eichsfeld) immer wieder Menschen bekannt geworden, die sich "nicht trauen" aus der Kirche auszutreten, aus Bedenken über berufliche wie gesellschaftliche Nachteile bis hin zur Diskriminierung (wobei ich diesen Standpunkt hier nichtmal werten möchte und auch nicht sagen kann, wie weit die Befürchtungen jeweils berechtigt sind).

Recht wahrscheinlich aber sähe die Situation (Mitgliederzahlen, Steuereinnahmen) für die Kirchen doch nochmal weitaus magerer aus, wenn erst ein explizitier Eintritt (ab einem entsprechend geschäftsfähigen Alter) in die Kirche zur Mitgliedschaft führen würde (das aber gibt es meines Wissens so bisher nicht) oder auch Kirchensteuern selbstständig zu zahlen wären (statt dem "bequemeren" Einzug übers FINA).
Christel
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von Christel »

Ich ging von ca. 60 % aus, wobei da nur die beiden großen Kirchen berücksichtigt sind.
Rechnet man die vielen kleinen christlichen Gruppierungen mit sind es mehr Christen.
Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Religionen_in_Deutschland


Verteilung Katholiken/ Protestanten/Andere in Deutschland
Wie diese Grafik zeigt sind Katholiken… in Deutschland nicht gleichmäßig verteilt.
Mit Ausnahme des Eichsfeldes gibt es in Thüringen dreimal so viele evangelische Christen wie Katholiken.

Auffällig ist außerdem, dass in den „Neuen Bundesländern“ der Anteil der Konfessionslosen deutlich höher ist als in den „Alten Bundesländern“. Die Erklärung ist einfach. Wer in der DDR in der Kirche war musste mit Nachteilen rechnen….

Übrigens, auch wer die Konfession wechselt, muss erst einmal aus der Kirche austreten. Immer kassiert der Staat.


Was vielleicht vielen nicht bewusst ist, man kann auch in die Kirche eintreten:
http://www.katholisch-werden.de/

Oder einfach mal schnuppern kommen. Die Gottesdienste sind offen für alle. Auch andere Angebote in den Gemeinden können genutzt werden, auch wenn man nie Kirchenmitglied war.

Oder man kann rein schauen bei kathweb.de

Unter
Termine stehen immer zahlreiche Angebote.

Einfach aussuchen, anmelden, mitmachen. :)


LG

Christel
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von niels »

...in der DDR... Musste mit Nachteilen rechnen...
Das mag sicher richtig sein - aber sicher nicht alleiniger Grund, denn bekanntlich liegt die DDR inzwischen über 20 Jahre hinter uns und bereits 1990 hätte niemand mehr Nachteile befürchten müssen - in speziellen Situationen sogar eher Vorteile (so ist z.B. einer der wichtigsten Ex-Stasis meines Geburtsortes pünktlich 1990 in die Kirche eingetreten und derart "gläübig" geworden, das selbst der damalige Dorfpfarrer bei seiner Familie daheim Weihnachten feierte...).

Ähnlich "nachteilig" - nur anderhersum sieht die Situation dagegen bis heute in z.B. manch bayrischem Ort aus - wer dort politisch oder wirtschaftlich "mitspielen" will oder auch nur nicht sozial diskriminiert werden möchte, überlegt sich mehrmals aus der Kirche auszutreten (oder als Zuzügler dieser nicht beizutreten). Manche Medienberichte erinnern da doch eher an den Barock als das 21. Jahrhundert.

Die regionalen, sozialen Gegebenheiten - da gebe ich Dir Recht - bedingen auch eine entsprechend verschiedene Verteilung der Konfessionellen. Würde man die Karte höher auflösen, würde man ebenso feststellen, das es in Städten wie Ballungsgebieten vergleichsweise wenige Katholiken / Protestanten gibt - auf dem Land umso mehr. Ich denke auch da erzähle ich nichts Neues...

Ebensowenig neu dürfte sein, das Alterspyramide in den Konfessionen bei einem immer dickeren Kopf immer dünnere Beine bekommt. Immer weniger junge / jüngere Menschen sehen sich als Mitglied einer Konfession / Kirche - zumindest bei den Christen.

Na klar kann man in die Kirche eintreten (siehe oben), nur sind das afaik seit Jahrzehnten fast von Jahr zu Jahr weniger...
Christel
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:… bereits 1990 hätte niemand mehr Nachteile befürchten müssen - in speziellen Situationen sogar eher Vorteile (so ist z.B. einer der wichtigsten Ex-Stasis meines Geburtsortes pünktlich 1990 in die Kirche eingetreten und derart "gläübig" geworden, das selbst der damalige Dorfpfarrer bei seiner Familie daheim Weihnachten feierte...).
Vorteile…, höchstens im Eichsfeld.

Auch woanders kamen Leute zurück, weil‘s nicht mehr schadete. Und vielleicht, weil sie alt geworden sich wieder neu orientierten…

Bei einer goldenen Konfirmation war ich erstaunt wie ein Pfarrer stundenlang über Segnung predigen konnte. Die Predigt war gemessenen an ihrer Länge und dem einzigen Inhalt „Segnung“ völlig inhaltslos. Auf meine Nachfrage erklärte mir jemand „Was hätte der Pfarrer denn sagen sollen, die Mehrzahl der Teilnehmer war seit ihrer ersten Konfirmation nicht mehr in der Kirche.

Ich denke, es waren nicht nur die Nachteile zu DDR-Zeiten. Viele orientieren sich einfach daran, was „man“ macht. Das trifft auch für heutige Jugendliche zu. Ich kann mir vorstellen, dass manch Jugendlicher im Eichsfeld nicht zur Kirche geht, um nicht von anderen Jugendlichen belächelt zu werden. – Wenn „man“ nicht zur Kirche geht, dann geht „man“ auch nicht, es sei denn man hat Rückgrat.

Ab 1990 brachte es andere Nachteile zur Kirche zu gehören. Nun mussten plötzlich auch die Kirchenmitglieder zahlen, die zu DDR-Zeiten zwar in der Kirche waren, aber nichts zahlten. Daher traten gerade in dieser Zeit viele aus.

niels hat geschrieben:Na klar kann man in die Kirche eintreten (siehe oben), nur sind das afaik seit Jahrzehnten fast von Jahr zu Jahr weniger...
Hast Du Zahlen?

So vom Gefühl her, würde ich sagen, die Kindertaufen nehmen ab, die Erwachsenentaufen nehmen zu.
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von niels »

Zahlen?
Ja,
auch ich nehme an, das die Zahl heutiger Erwachsenentaufen gegenüber den Kindstaufen zunimmt. Allerdings kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, das die Kirchen wohl (s.o.) jährlich ca. hunderttausend(e) Mitglieder verliert und somit die Zahl der Kirchenmitglieder auch ganz offiziell schrumpft (seit nunmehr wohl einigen Jahrzehnten...).
Eichsfeld...
.
Oh,
Dann warst Du womöglich noch nicht in diversen Gegenden vor allem des südlichen Bayerns wie Baden Würtembergs.

Allerdings glaube ich nicht, das tatsächlich eine signifikante Zahl an bekennenden Christen aus der Kirche austritt um Geld zu sparen - deshalb womöglich nicht mal mehr in die Kirche geht oder auch trotzdem. Immerhin wissen afaik i.d.R. die Pfarrer, wer in der Gemeinde Mitglied ist und wer nicht (mehr). Würde mich jedenfalls sehr wundern.
Jugendliche
Ich meinte eigentlich nicht nur Jugendliche, sondern "junge" bzw. "jüngere" Leute bis z.B. um die 40 und älter.

Gerade in der Anonymität der Städte würde kaum einer mitbekommen (und es interessiert i.d.R. auch keinen so sehr) ob der andere nun in Kirchen geht, gläubig ist oder was immer - i.d.R. erlebe ich vor allem in den Städten eine merklich höhere Toleranz gegenüber Andersdenkenden/-gläubigen als z.B. auf dem Land - und dennoch sind die Religiösen vor allem in der Landbevölkerung am dichtesten vertreten.
Rückgrat
Nun,
mein Großvater pflegte gelegentlich zu sagen: "ein Stock im Ar*** ist noch lange kein Rückgrat".
viele ... was man macht
Das mag sein, denn auf diese Weise wurde immerhin fast ganz Europa christianisiert - gerfagt wurde selten und selten ehrlich. Man war Christ, weil der Besitzer Christ war, später eh alle Vorfahren und anderen am Ort - ähnlich so wie man Jungpionier in der DDR war, wenn man in die Schule ging (was ja wiederum Gesetz war)...

Ich weiß nicht was Leute im Alter von der Kirche erwarten, nachdem sie vielleicht über Jahrzehnte nur mal - der "Tradition wegen" - zu Weihnachten da waren. Angst vor dem Tod und dem eigenen Gewissen? K.A. aber das ist auch deren Sache...

Ich sehe nur die verschiedenen Gründe, warum immer mehr Leute meiner Generation, etwas ältere wie jüngere Leute sich immer seltener von der Kirche vertreten sehen und auch immer weniger überhaupt als religiös. Das Interesse an Kirche schwindet gegen Null, an Religionen orientiert es sich mehr und mehr nur noch historisch. Wenn Kirche oder Religion dem betr. Menschen nichts mehr zu bieten hat, dann wird der dies für sich als Zeitverschwendung einstufen - und wer wollte ihm das verübeln?

Nach Jahrtausenden der Unterdrückung, Sklaverei und Gängelei durch autoritäre Machtprinzipien, an denen vor allem Kirchen sich einflußreich beteiligten beginnt der Mensch erst seit knapp 100 Jahren langsam aber sukzessive ein freies, selbstbestimmtes und tolerantes Leben aufzubauen / zu entwickeln und es scheint, als habe die Kirche darin für immer weniger Menschen einen geeigneten oder gar legitimen Platz.

Man erfährt und spürt nach und nach - um in Gemeinschaftsgeist, Mitgefühl, Loyalität und Gerechtigkeit zu leben, braucht man keine Kirche und womöglich bis wahrscheinlich auch keine Religion - selbst wenn es immer noch Menschen gibt, die sich darin von den Kirchen / Religionen abhängig sehen bzw. diese Institutionen aus eigener Sicht brauchen. Gerade das beginnende Informationszeitalter erlaubt immer mehr Menschen Zugang zu immer mehr Information wie Kommunikation - ebenso auch neue Antworten auf Fragen, in denen die Religionsinstitutionen sich bisher als exklusiv hoheitlich sahen - z.B. Wertefragen, Moral usw..

Der Albdruck an Angst, der Jahrtausende auf den einfachen Menschen lastete und mit Hilfe deren Kirchen trefflich Machtpolitik betrieben, ist immer weniger zum Tragen. Nur noch wenige haben Angst vor "Teufel" und "Hölle" oder einem befleckten Gewissen, für dessen Reinigung nur die Kirche die Formel hütet.

Die Menschen entdecken, das der Mensch eben kein geborener destrukiver "Sünder" ist, sondern vornehmlich das Umfeld ihn prägt.

Wenn Kirche den betr. Menschen nichts mehr zu bieten hat, als diese schon ohne Kirche haben, dann werden diese nicht mehr zu den Kirchen kommen - so einfach ist das wohl. In den USA gehen die Kirchen deshalb schon recht obskure Wege und versprechen in einer Art Ausverkaufsmanier den Schnellzug zum Glück wie in den Himmel usw.

.
Christel
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:Oh,
Dann warst Du womöglich noch nicht in diversen Gegenden vor allem des südlichen Bayerns wie Baden Würtembergs.
Doch!
Ein Bayer erzählte, er wollte in den Stadtrat. Da bekam er einen heißen Tipp: „Wenn du in den Stadtrat willst, musst Du auch für den Pfarrgemeinderat kandidieren.“ Er antwortete: „Was soll ich im Pfarrgemeinderat? Ich habe doch nichts mit der Kirche zu tun!“
Dann überlegte er, „in den Pfarrgemeinderat komme ich sowieso nicht, ich gehe nicht in die Kirche…, aber es kann nicht schaden sich dafür aufstellen zu lassen.“ Am Ende war er im Stadtrat und im Pfarrgemeinderat. - Dabei muss ihm wohl was aufgegangen sein. Als ich ihn traf, war er in der Kirche sehr aktiv und nun nicht mehr, weil er in irgendeinen Stadtrat wollte.
niels hat geschrieben:Allerdings glaube ich nicht, das tatsächlich eine signifikante Zahl an bekennenden Christen aus der Kirche austritt um Geld zu sparen
Das glaube ich auch nicht. Es waren wohl eher die, die ihre Kirchenzugehörigkeit vergessen hatten.

Ansonsten, man kann es nie wissen. Es gibt Menschen, die besuchen kaum einen Gottesdienst, die würden aber nie aus der Kirche austreten. Im Gegenteil, da ist mitunter eine erstaunliche Verbundenheit, die man nicht vermutet.

niels hat geschrieben: Gerade in der Anonymität der Städte würde kaum einer mitbekommen?
Ich sagte doch, fehlendes Rückgrat. Wer nur geht, weil „man“ geht, der geht „nicht“, wenn "man" nicht geht. – Mit Freiheit und Selbstbestimmung hat „man macht“ nichts zu tun.
Oder vielleicht besser ausgedrückt, wer unter Christsein Tradition, Religion, Pflichterfüllung, Moral, Werte… versteht, hat vom Christsein nichts verstanden.
Nach Jahrtausenden
so alt ist die Kirche auch wiederum nicht.
tolerantes Leben aufzubauen
Auch wenn Du’s nicht glauben solltest, es gibt keine tolerante Weltanschauung. Toleranz ist die zugelassene Abweichung vom eigenen Standpunkt, sei er christlich, sei er atheistisch oder sonst wie.
Toleranz erwirbt man nur durch Arbeit an sich selbst, nicht durch den Wechsel der Weltanschauung.

Ich weiß nicht was Leute im Alter von der Kirche erwarten,

Das gibt es viele Möglichkeiten, z.B. Befreiung!
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von niels »

Bayer im Stadtrat
Nun,
da hat der betr. Bayer nochmal "Glück" gehabt könnte man sagen. Natürlich hat es mit Religionsfreiheit und Toleranz wenig zu tun, wenn jemand einer Religion angehören muß um politisch oder persönlich Akzeptanz im Ort zu finden. Demnach sind dort offensichtlich immer noch oder wieder viele Bürger deshalb katholisch, weil man soziale Ausgrenzung vermeiden möchte. Und das macht mir weitaus mehr Kopfschmerzen...
fehlendes Rückgrat
Wie kann man die geringeren Mitgliedeerzahlen (relativ zum Land) mit "fehlendem Rückgrat" begründen,- wenn der soziale Druck dort bekanntermaßen geringer ist als z.B. auf dem Land - es vergleichweise wenige bis niemanden interessiert, ob der Nachbar oder Bekannte nun einer Religion nachgeht oder nicht?

Derart argumentiert haben vor allem die bekennenden Anhänger kleiner bis kleinster Glaubensgruppen oder gar Individualisten vor allem in ländlichen Gebieten im Glauben doch das stärkste "Rückgrat"?

Das sehe ich nicht so einfach, denn man kann das - vor allem für die großen Religionsgruppen - ebenso entgegengesetzt argumentieren - siehe z.B. Deine eigene Beispielgeschichte.

Wenn jemand nicht aus Überzeugung und Glaube in die Kirche eintritt / geht, hat das mit Rückgrat m.E. Erstmal sehr wenig zu tun. (Ach: btw. selbst Bodo Ramelow hat inzwischen (wieder) seine enge Verbindung zur Kirche entdeckt, berichtet man...). Wie gesagt: gerade in den Städten ist der soziale Druck - aus und in welche Richtung auch immer - vergleichsweise gering und es gehört weder Rückgrat zum in die Kirche gehen wie zum austreten. Dennoch sind die Mitgliederzahlen (oder präziser: Anteil an Kirchgängern in der Bevölkerung) im Schnitt in den meisten Städten wohl je am geringsten...
vergessen hatten...
Hmm,
verstehe nicht ganz - wie soll jemand aktiv aus etwas austreten, von dem er vergessen hat das er drin ist? Mein Eindruck ist eher, das unter denen, die bisher immer noch als Mitglieder geführt werden, ein nicht geringer Teil quasi vergessen hat Mitglied einer Kirche zu sein (zumindest kenne ich eine ganze Reihe solcher Bürger).
man macht
Richtig, allerdings ist das Konzept "macht man" seit Jahrhunderten die Basis der Kirchen in Europa - wobei vor allem auch die Kirche formal vorgab, was "man macht" bzw. "man nicht macht". Erstmals wesentlich umgekehrt wurde dies in der DDR, wobei diese auch nicht alle Regionen erreichte. Selbsbestimmtes, freies Denken und eigenverantwortliches Handeln stand jedenfalls nicht auf der Tagesordnung der Kirchen - "Freiheit" und Selbstbestimmung war nur insofern ein Thema, als sie der Kirche nutzte (z.B. in der DDR).

Es ist logisches Prinzip das der Einzelne / Alleinstehende mehr Eigenverantwortung für seine Ideale und Lebensprinzipien oder auch Glaubenskonzepte aufbringen muß als der, der in einer Gruppe "organisiert" ist wie Unterstützung findet. Auch das ist ja Kirche...
...Tradition, Pflichterfüllung, Moral & Werte versteht...
Das sehe ich wohl ähnlich, aber (leider) sehen das augenscheinlich nicht wenige Kirchgänger doch anders - hört man sich z.B. die Reden und Argumente diverser Politiker an oder dem, was so manche "einfache" Kirchgänger (insbesondere auf dem Eichsfeld) verargumentieren.

Dieser Auslegung nach dürfte die Zahl der "echten" Christen wohl - vor allem in den "traditionell christlichen Regionen"- erheblich geringer sein und hat nicht unbedingt viel mit der Zahl der Kirchenmitglieder zu tun.

In meinem Leben im Umfeld von Christen bin ich lediglich über Einzelne "gestolpert", von denen ich den Eindruck hatte, das sie ernsthaft bestrebt waren die christliche Glaubensidee als solche aktiv wie intensiv zu leben - wo zwiwschen Wort und Tat ein roter Faden stand (wobei von diesen meist mehr getan als geredet wurde). Leider waren es dann i.d.R. auch die, denen es im Kirchenumfeld (durch Kirchenobrigkeit wie Mitkatholiken) besonders schwer gemacht wurde - bis hin zur Diskriminierung. Aber womöglich habe ich Christentum auch nur falsch verstanden - wie diese Leute auch...

besuchen nie einen Gottesdienst
.
Das mag sein, allerdings stellen sich mir da gleich zwei Fragen:
- fühlt derjenige sich der Kirche oder der Christenlehre verbunden? Immerhin soll es ja nicht wenige Christen geben, die sich in den Kirchen nicht repräsentiert sehen...
und
- würde derjenige, der sich der Kirche verbunden sieht, tatsächlich aus der Kirche austreten? Ich denke das wird - wenn überhaupt - nur Ausnahmen treffen...


Wenn argumentiert wird, das Jesus oder einer seiner Weggefährten auch bereits Begründer der Kirche gewesen sei, dann haben wir knapp 2 Jahrtausenden das Prinzip der christlichen "Kirche" - wenn sicher auch in den Anfängen einem dynamischen Wandel unterlegen...
tolerante Weltanschauung
Zum einen sprach ich von tolerantem Leben, zum anderen gibt es - vor allem in den aus den Weltbildern entwachsenden Handlungsstrategien / -prinzipien - also dem Leben in einer Gesellschaft - wesentliche Unterschiede in Toleranz wie Toleranzprinzip zwischen den verschiedensten Weltanschauungen. Es gibt demnach - in ihrer Wirkung - (wesentlich) tolerantere wie intolerantere Weltanschauungen und Formen "zu leben"...


Aber Weltanschauungen unterscheiden sich auch in der Toleranz gegenüber anderen Weltanschauungen. Z.B. sieht Gautamas Lehre (er sah sie allerdings auch selbst wahrscheinlich nicht als "Religion") vor, das es andere Glaubensformen wie Götter geben kann und diese sich nicht gegenseitig ausscchließen, sondern eher ergänzen... Der Agnostiker z.B. sagt, das es ihm sogar egal ist und es für ihn keine Rolle spielt, ob es nun Götter gibt oder nicht usw. und jeder das glauben soll, was ihm beliebt.

Ein tolerantes Leben wie Zusammenleben in einer Gesellschaft ist möglich, wenn man hierzu die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen schafft - z.B. in Form von jeden Bürger gleichberechtigenden wie -behandelnden Gesetzen usw. (wie es die Verfassung eines modernen, demokratischen Rechtsstaates auch typischerweise vorsieht)

"Toleranz" im modernen, gesellschaftlichen Kontext bedeutet nicht, das jeder eines jeden Meinung oder Weltsicht teilt, sondern diese derart als gleichberechtigt akzeptiert, als das hieraus gleiche Rechte und Pflichten für alle erwachsen und gelebt werden (was Du womöglich mit "Arbeit" meintest).
Befreiung
Hmm,
was bitteschön ist denn "Befreiung" in dem Kontext bzw. worin soll diese liegen, wenn jemand in eine Kirche eintritt? In der Form von "Erlösung" oder was?

Ich möchte diese Idee sicher nicht werten (das muß jeder für sich selbst wissen), denke aber, das ich persönlich für meinen Teil Freiheit wie Befreiung nie in der Kirche bzw. der Bindung an eine religiöse Institution suchen würde und dort sicher auch nicht finden könnte.

Nachvollziehbarer dagegen ist für mich persönlich z.B. der Umgang mit Glaube und Spiritualität in manchen Regionen Asiens - wo z.B. Menschen "nach Bedarf" Geistliche aufsuchen, um sich von diesen in spirituellen wie lebenspraktischen Fragen "beraten" zu lassen. Diese "Geistlichen" führen traditionell ein materiell einfaches wie recht naturbezogenes Leben, konzentrieren sich i.d.R. fast ausschließlich auf spirituelle Fragen und erwerben so eine spirituelle Kompetenz, die den meisten anderen Menschen so meist nicht zugänglich ist. Dabei spielt es auch keine Rolle, welchen Religionen der Beratene angehört und die "Beratung" erfolgt individuell und üblicherweise frei von missionarischen Sekundärzielen, passt sich nicht zuletzt den Verständnisebenen des Beratenen an.... Die "Seelsorger" stehen sozial wie spirituell nicht "über" denen der Beratenen, sondern werden wohl i.d.R. in einer Position außerhalb der "materiellen" Gesellschaft begriffen und sind doch zugleich Teil der Gemeinschaft.

Die Menschen selbst "beten" für materiellen Wohlstand, Gesundheit, Kinderglück o.v.a. Dinge und bauen wie nutzen dazu oft selbstgebaute Schreine - sozusagen zur "Visualisierung" von spirituellen "Fixpunkten" im eigenen Leben, als Hilfsmittel bei der Visualisierung und Fokussierung auf Ziele, Wünsche usw. Die einen sehen einen Gott oder Götter hinter den Schreinen oder Figuren, die anderen machen sich darum keine Gedanken.

"Religion" wird in dem Kontext zu einem "Werkzeug" des Menschen selbst, sich z.B. auf bestimmte Ziele zu fokussieren, sich immer wieder selbst zu besinnen und um so aktiv zu lernen mit Lebensfragen aller Art umzugehen. Diese Form der "Seelsorge" halte ich für recht pragmatisch, tolerant, individuell wie damit vergleichsweise fortschrittlich.

Wer z.B. nicht an Christus oder Gott glaubt, wird mit den typischen Worten eines kirchlichen Seelsorgers wenig anfangen können und sie werden ihm nur unwahrscheinlich praktikable Hilfe bieten können.

Der Bedarf nach Spiritualität ist sicher auch heute noch bei vielen Menschen gegeben (wobei der Gottbezug inzwischen immer seltener dazugehört/-hören muss), allerdings suchen sich die Menschen inzwischen mehr andere Wege und Lösungen - nicht selten weil sie mit den kirchlichen Angeboten immer weniger anzufangen wissen, sich dort weder verstanden noch gut und ehrlich beraten fühlen.

Natürlich kann man aus Sicht der Kirche sich über diese Menschen quasi verächtlich äußern oder diese für "spirituell inkompetent", "rückgratlos" oder was auch immer darstellen / verstehen wie auch die Alternativen mit "Esotherischen Quark" oder "Sektiererei" abtun oder auch individuelle Spiritualitätsformen lächerlich darstellen - diese von den Menschen als Intoleranz erlebte Überheblichkeit aber führte und führt langfristig lediglich noch mehr Menschen aus als in die Kirchen.

Natürlich sind viele Europäer quasi noch recht "inkompetent" beim Umgang mit der eigenen Spiritualität - sie haben es ja nicht lernen können und es war den meisten über viele Jahrhunderte verboten, etwas anderes als katholischer bzw. protestantischer "Christ" zu sein, wie ihn die jeweilige Machtkirche für ihn definierte.

Das Spiritualität auch nicht zwangsweise Religion sein muß, wissen viele erst seit dem 20. Jahrhundert...

Die traditionell totalitäre "Unfehlbarkeit" im Selbstverständnis der Kirche ist Ursache für den Fortgang der meisten ehem. Anhänger und wird sich selbst - aus der Sicht immer mehr Menschen - sukzessive selbst ad absurdum führen. Klar kann man da alles mögliche gegenargumentieren - das aber wird die Position der Kirche (zumal wir am Anfang einer Informationsgesellschaft leben) auf Dauer sicher nicht retten.

Dabei dürfte letztendlich auch die Historie der Kirche wie ihr Umgang mit dieser eine nicht unwesentliche Rolle spielen.
Christel
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von Christel »

Ich denke, würde man große Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher Weltanschauung miteinander vergleichen, dann wäre die Toleranzverteilung innerhalb der Gruppen vermutlich ziemlich genau gleich.

Außerdem ist der Toleranzgrad einer Person nicht in allen Bereichen gleich.

Wer in einem Bereich gleichgültig ist, keine Unterschiede macht, sie möglicherweise gar nicht sieht, wird sich an dieser Stelle nicht aufregen.
Erhebt man dies jedoch zur Norm, verhält man sich intolerant! Denn dann dürfen keine Unterschiede mehr gesehen bzw. genannt werden. Es wird Blindheit verordnet und sozialer Druck ausgeübt. - Wer sich selbst für tolerant hält, wird leicht blind für die eigene Intoleranz.

niels hat geschrieben: Natürlich hat es mit Religionsfreiheit und Toleranz wenig zu tun, wenn jemand einer Religion angehören muß um politisch oder persönlich Akzeptanz im Ort zu finden.
So sind Wahlen! Bei Wahlen geht es nicht um Gleichheit und Toleranz, sondern um Bevorzugung. – Meinst Du Menschen, die sich für eine „humanistische Leitkultur“ einsetzten und für den Kirchenaustritt werben, würden einen bekennenden Katholiken wählen?

Bodo Ramelow kann ich nicht einschätzen. Ich selbst kenne Linke, die durchaus für kirchliche Angebote ansprechbar nicht. Außerdem gibt es auch in dieser Partei Christen.

Rückgrat
Ich hatte mein „Rückgrat-Argument" bereits dahingehend korrigiert, dass das Christsein nicht verstanden wurde. Also, dass der Sprung vom „wir glauben“ zum „ich glaube“ mit der entsprechenden Tiefe fehlt. Das stelle ich mir in einer fast rein katholischen Umgebung weit schwieriger vor als in der Diaspora.
niels hat geschrieben: In meinem Leben im Umfeld von Christen bin ich lediglich über Einzelne "gestolpert", von denen ich den Eindruck hatte, das sie ernsthaft bestrebt waren die christliche Glaubensidee als solche aktiv wie intensiv zu leben - wo zwiwschen Wort und Tat ein roter Faden stand (wobei von diesen meist mehr getan als geredet wurde).
Das höre ich immer wieder aus katholischen Gegenden. – Aber ich habe da selbst nie gelebt. Ich kann es nicht beurteilen.

Menschen sind sozial sehr sensibel. Es braucht keinen besonderen Druck, um sich nach dem „man“ zu richten. „Man“ ist einfach und praktisch, schafft schnell Orientierung, erspart das Denken und läuft wahrscheinlich größtenteils unbewusst ab.

niels hat geschrieben:Hmm,
verstehe nicht ganz - wie soll jemand aktiv aus etwas austreten, von dem er vergessen hat das er drin ist?
Ich meinte die Menschen, die ca. 1990 durch den staatlichen Einzug der Kirchensteuer daran erinnert wurden.

niels hat geschrieben:Derart argumentiert haben vor allem die bekennenden Anhänger kleiner bis kleinster Glaubensgruppen oder gar Individualisten vor allem in ländlichen Gebieten im Glauben doch das stärkste "Rückgrat"?
JANEIN!
Zum Rückgrat gehört Individualismus! „Wir haben Rückgrat“ geht nicht, nur „ich habe Rückgrat“. Es ist aber sicher zu wenig, wenn man Rückgrat nur als gegen den Strom schwimmen begreift. Rückgrat hat auch der, der etwas aufbaut, der zu anderen steht oder der, der den Mut hat seine Meinung zu ändern.

Was „bekennenden Anhänger kleiner bis kleinster Glaubensgruppen“ betrifft, so lässt sich das nicht so pauschal sagen. Sicher müssen sie gegen den Strom schwimmen, so gesehen wird Rückgrat geübt. Das wird jedoch zumindest gestützt, mitunter auch "erzwungen", durch eine starke Sozialgemeinschaft.


Ich stimme mit Dir überein, dass Menschen, die sich mit der Kirche verbunden fühlen, nie aus der Kirche austreten würden. – Nur, kann man das nicht unbedingt am Gottesdienstbesuch fest machen.

niels hat geschrieben:Hmm,
was bitteschön ist denn "Befreiung" in dem Kontext bzw. worin soll diese liegen, wenn jemand in eine Kirche eintritt? In der Form von "Erlösung" oder was?
Das habe ich nicht deutlich ausgedrückt. Wenn jemand in die Kirche eintritt, dann hat er nachgedacht. Auch wenn jemand sich im Alter der Kirche zuwendet, so unser Ausgangspunkt.

Menschen tun das nicht ohne Grund, sie erwarten sich einen „Mehrwert“ oder haben einen Mehrwert in dem Glauben, den die Kirche verkündet gefunden.

Daher schrieb ich:
Christel hat geschrieben:Das gibt es viele Möglichkeiten, z.B. Befreiung!
Als Befreiung kann vieles erfahren werden.
Ganz simpel angefangen, Befreiung aus den Ideologien, also ein gewisser Abstand zu Ideen, Strömungen…
Die Erfahrung von Gott angesehen und geliebt zu sein, ohne ein „Übermensch“ sein zu müssen, sondern so wie man wirklich ist.
Das Vertrauen nicht tiefer zu fallen als in Gottes Hand.
Die Erkenntnis der Liebe Christi und der damit verbundene Weg der Nachfolge, der befreit.

Es ist nicht die Nachfolge „irgendjemandes Jesu“, sondern in der Nachfolge des Christus der Evangelien. Das ist der Christus, der das „Reich Gottes“ verkündet und der von Anfang an Nachfolger um sich versammelt hat. Wer Christus folgen will, hat Brüder und Schwestern.

Eine Kirche der "besseren Menschen", der "Übermenschen"... wäre ganz sicher nicht die Kirche Jesu Christi.


LG Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: nur 7,8 % der Thüringer sind Katholiken...

Ungelesener Beitrag von niels »

große Gruppen vergleichen
Ja, das mag sein.

Problem in unserem Land ist, das vor allem kleinere GruPeen oder Einzelne benachteiligtn werden - vor allem gegenüber den Großen.

Natürlich hat jeder Mensch ein eigenes "Toleranzprofil", das aber kann nicht Basis einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung sein, sondern maximal ein kleinster gemeinsamer Nenner.
Rückgrat-Argument
Ja
Individualismus
Hmmm - ich bleibe hier beim Ja,,
im Schnitt lebt doch derjenige in seiner Umwelt individualistischer, der mit seinem Lebenskonzept oder Religion kleinen oder gar gar keinen Gruppen angehört und zu seinem sozialen Umfeld ein besonders abweichendes Lebenskonzept lebt (das eine Gruppenzugehörigkeit wie ein Gruppenverhalten nicht zur Individualität gehört, ist mir klar - ich verstehe hier Individualisierung eher als Grad der persönlichen Diversifizierung zum [sozialen] Umfeld).
Gottesdienstbesuch
Ja,
allerdings zählt die Statistik afaik in den Melderegistern, nicht an der Tür zur Sonntagsmesse...

Mehr später...
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