Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

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Christel
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Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch? Wer in diesem Forum liest kann zu dieser Ansicht gelangen. Aber das Forum ist nicht repräsentativ, daher bleibt die Frage offen.

Fundamentalismus Definition aus Wikipedia:
Fundamentalismus (von lateinisch fundamentum ‚Unterbau‘, ‚Grund‘, ‚Fundament‘) ist eine Überzeugung oder soziale Bewegung, die ihre Interpretation einer inhaltlichen Grundlage (Fundament) als einzig wahr annimmt. Fundamentalismus wird durch eine stark polarisierte Auslegung einer Letztbegründung umgesetzt.
Im weiteren Sinne stellt sich der Fundamentalismus gegen die Moderne und fordert eine Rückbesinnung auf die Wurzeln einer bestimmten Religion oder Ideologie, welche notfalls mit radikalen und teilweise intoleranten Mitteln durchgesetzt werden soll. Der Vorwurf des Fundamentalismus wird auch auf soziale oder politische Gruppen bezogen, die - angeblich oder tatsächlich - ihre ideologische Orientierung absolut setzen und um die gesellschaftliche Vormacht kämpfen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Fundamentalismus

Schlussfolgerung:
Es gibt viele Spielarten des Fundamentalismus, daher ist er in vielfältiger weltanschaulicher Form zu finden. Die durch den Fundamentalismus transportierten Inhalte sind zwar unterschiedlich, die Mentalität, die stark polarisierende Art… (siehe Definition) ist jedoch überall gleichermaßen zu finden.
Ich glaube Menschen können leichter ihre Weltanschauung, also Inhalte austauschen, als dass sie ihre Art und Weise wie sie die Welt sehen verändern können. Ein Mensch, der von einer fundamentalistischen Gruppierung zu einer anderen Weltanschauung wechselt tauscht daher oft zwar die „Glaubensinhalte“ aus, bleibt aber bei derselben fundamentalistischen Grundhaltung stehen.
Zudem verstellt der Kampf gegen Intoleranz … leicht den Blick auf die eigene Intoleranz.

[/b]Fundamentalistischer Atheismus

Es gibt heutzutage einen merkwürdigen fundamentalistischen Atheismus. Das Hauptwerk dieser sektenartigen Bewegung ist der „Gotteswahn“ von Richard Dawkins. Wenn man jede Gegenposition ausschließlich als lächerlich, böswillig oder geistesgestört beschreibt, wenn man auf der eigenen Position wahnhaft starr beharrt und unfähig ist zu einem Perspektivwechsel, dann erinnert das formal an fundamentalistische Mentalitäten.

Mehr: http://www.was-sache-ist.de/?p=45more-45
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Liborius
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Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Liborius »

@Christel

Dawkins vertritt mit dem Buch "The God Delusion" auch in den eigenen Reihen der Atheisten eine Außenseiterposition. Er ist nicht nur völlig unwissenschaftlich, sondern hat sich obendrein disqualifiziert.

Auszüge seiner Stellungnahme, die Deike Sumann freundlicherweise übersetzt hat, gebe ich hier wieder:
Der Fehler, den Dawkins als Akademiker gemacht hat, war seine skandalöse und offensichtlich absichtliche Weigerung die Lehre darzulegen, die er glaubt unwiderruflich widerlegt zu haben. Wir finden zum Beispiel in seinem Stichwortverzeichnis vier Verweise auf Einstein. Sie kommen im Gewande Einsteins daher und befassen sich damit, was er über Moral, einen persönlichen Gott und die Situation der Menschheit denkt und über seine Ansicht, dass der Mensch für andere Menschen und vor allem für die da ist, von deren Wohlergehen unsere Lebensfreude abhängt. Aber (und es fällt mir schwer, moderat über diese verdunkelnde Weigerung Dawkins´zu schreiben) er erwähnt Einsteins wichtigste Folgerung überhaupt nicht: nämlich dass die integrale Komplexität der Welt der Physik ihn davon überzeugt hat, dass hinter den Dingen eine göttliche Intelligenz stehen muss. wenn dieses Argument auf die Welt der Physik angewendet werden kann, finde ich persönlich es offensichtlich, dass es noch viel bedeutsamer sein muss, wenn man es auf die unermesslich kompliziertere Welt der Biologie anwendet.

Die ganze Angelegenheit lässt nur zu deutlich werden, dass Dawkins nicht an Wahrheitsfindung interessiert ist, sondern dass es ihm hauptsächlich darum geht, einen ideologischen Gegner mit allen Mitteln in Verruf zu bringen. Das alleine wäre schon Grund genug anzunehmen, dass die ganze Unternehmung The God Delusion nicht, wie sie zumindest vorgab, ein Versuch war, Wissen über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes aufzudecken und zu verbreiten, sondern eher ein – extrem erfolgreicher – Versuch, die Überzeugungen des Autors in diesem Gebiet zu verbreiten. Ein weniger wichtiger Punkt, der an dieser Stelle gemacht werden sollte, ist, dass obwohl das Verzeichnis von The God Delusion sechs Verweise auf den Deismus beinhaltet, es keine Definition des Wortes »deism« liefert. Dies ermöglicht es Dawkins, in seinen Verweisen auf den Deismus die Deisten als eine Ansammlung von Leuten darzustellen, die an alles Mögliche glauben. Tatsache ist, und das hätte Dawkins wissen müssen, bevor dieses Buch in den Druck ging, dass Deisten an die Existenz eines Gottes glauben, aber nicht an einen Gott, der sich in irgendeiner Form offenbart hätte.
Heinrich5

Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Bad Religion
Keine Kriege, keine Krüppel, im Zeichen des Glaubens: "Imagine no Religion" lautet der liebste Kampfspruch des britischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins. Der Prophet der "Neuen Atheisten" widersetzt sich dem religiösen Fundamentalismus - mit säkularem Fundamentalismus. Damit liegt er voll im Trend

VON ROBERT MISIK

Gerade lief es für den alten Knochen noch bestens: Der Präsident der einzigen verbliebenen Supermacht konsultierte ihn regelmäßig, und auch dessen fanatische Widersacher riefen ihn an, bevor sie ihre Selbstmordgürtel zündeten. Auch die Friedfertigen hielten sein Banner hoch. Und wer an ihm zweifelte, tat es nur im Stillen, denn schließlich will man ja niemandes Gefühle verletzen. So viel mitzureden in der Politik, und zwar weltweit, hatte der Kerl schon lange nicht mehr. Die Rede ist natürlich von Gott.

Doch, wie schon der Prophet Salomo sagte: "Ein Jegliches hat seine Zeit." Nichts ist von Dauer. Ein Mann vor allem will den Gottgläubigen das Handwerk legen: Richard Dawkins, 65, britischer Evolutionsbiologe von höchstem Renommee, hat nun den Kampf gegen die Religion aufgenommen. Mit seinem Buch "The God Delusion" ("Der Gotteswahn") tourt er durch die USA und Großbritannien. Vor allem im bigotten Amerika, wo der Einfluss der evangelikalen Hardliner auf die Politik in den vergangenen Jahren erstaunliche Ausmaße erreicht hat, wird Dawkins gefeiert wie ein Prophet. Auf der Bestsellerliste der New York Times behauptet Dawkins seit 11 Wochen seinen Platz unter den Top Ten.

Es ist, als hätten viele Menschen nur auf einen wie Dawkins gewartet, einen, der Verständnis und Respekt vor den Religionen beiseite lässt; einen, der sagt, man solle den Irrglauben an höhere Wesen nicht tolerieren; einen, der kühl feststellt, dass die Religionen für die meisten Schrecklichkeiten auf diesem Planeten verantwortlich sind. Zumal Dawkins nur der leidenschaftlichste und renommierteste Vertreter einer neuen Strömung ist. Gerade eben landete der Autor Sam Harris mit seinem bitterbösen "Letter to a Christian Nation" einen Bestseller, und auch der Philosoph Daniel Dennett, Anführer der "Brights"-Bewegung, die gegen den Glauben an übernatürliche Kräfte aller Art kämpft, verkaufte von seinem Buch "Breaking the Spell" zehntausende Exemplare.

"Zwischen 20 und 30 Millionen Atheisten gibt es in den USA", schätzt Dawkins. Im öffentlichen Leben jedoch seien sie an den Rand gedrängt. "Wir sind in derselben Situation wie die Schwulenbewegung vor ein paar Jahrzehnten. Ein Coming-out ist nötig."

Die Bewegung der "New Atheists" ist derzeit der letzte Schrei in Amerika. Magazine wie Newsweek widmeten ihnen große Storys, das Technologiejournal Wired feierte den neuen Atheismus gar mit einer knalligen Covergeschichte. Überall in den USA entstehen Aktivistengruppen, und in der Blogosphäre, den Weblog-Netzwerken im Internet, gilt der Kampf gegen die Religion schon als "The Next Big Thing".

Reflex auf religiöse Rechte

Eine Überraschung - und wiederum auch nicht. Nirgendwo hatten bigotte Christenaktivisten das Feld in den vergangenen Jahren so gut bestellt wie in den USA. Sie nehmen nicht nur Einfluss auf die Regierungspolitik von George W. Bush, sie wirken bis in die politische Mitte hinein - weil viele liberale Politiker eine Scheu davor haben, sich mit den aggressiven Kampagnenprofis der christlichen Rechten anzulegen. Die religiöse Rechte kämpft dagegen, Darwins Evolutionstheorie in Schulen zu unterrichten, und will stattdessen "Intelligent Design" - also die Lehre, dass der Schöpfergott auch noch die Evolution vorausgeplant hat - in die Lehrpläne aufnehmen oder gleich den Kreationismus unterrichten, also den Glauben, dass Gott die Erde genau so, wie sie ist, vor wenigen tausend Jahren erschaffen hat. Seien es die Auseinandersetzungen um die Homo-Ehe oder der Streit um die Stammzellenforschung, überall versuchen die christlichen Gemeinden Einfluss auf die Politik zu nehmen. Und auch in die Außenpolitik mischen sie sich lautstark ein - schließlich kommt die Vorstellung eines "Kampfs der Kulturen" den Ideen einer Auseinandersetzung zwischen "christlichem Westen" und "dem Islam" entgegen. "Gegen diese Vermischung von Politik und Religion gibt es eine Gegenreaktion, die Leute haben das satt", sagt Keith Porteous Wood, ein Mitstreiter Dawkins' von der britischen "National Secular Society".

Unerwartet viele Tore öffnen sich den "New Atheists" dieser Tage. So predigte Dawkins unlängst in der First Parish Church am Harvard Square in Cambridge, Massachusetts. 3 Dollar Eintritt muss hinlegen, wer Dawkins' Brandreden hören will, die Säle und Kirchen sind meist bis auf den letzten Platz gefüllt. Schließlich tut Dawkins auch etwas für sein Geld. In elegantem Oxford English, das immer auch ein bisschen arrogant klingt, sagt Dawkins einen provokativen Satz nach dem anderen. "Solange wir daran festhalten, dass man religiösen Glauben respektieren muss, alleine deshalb, weil er religiöser Glaube sei, wird man Schwierigkeiten haben, Ussama Bin Laden oder Selbstmordattentätern diesen Respekt zu versagen."

Glaube ist Nonsens

Gottglaube sei irrational, aber aufgrund falsch verstandener Toleranz handele es sich dabei um die einzige Art Nonsens, von dem es als anstößig gilt, ihn als solchen zu bezeichnen. Dass Eltern ihren Kindern ihren Glauben vermitteln, nennt er gerne "Kindesmisshandlung". Wenn er von der Ausbreitung der Religion spricht, redet er von "mentalen Viren". Wenn man ihm vorhält, er propagiere Intoleranz, dann interpretiert er das als Symptom des "privilegierten Status der Religionen, die gewohnt sind, sich durchzumogeln, und erwarten, dass sie sich Kritik nicht stellen müssen". Besonders viel Spott hat Dawkins aber für jene Leute übrig, die er für atheistische Warmduscher hält - Leute, die sagen, "ich bin ein Atheist, aber die Leute brauchen den Glauben". Dawkins: Diese Atheisten "glauben an den Glauben" und halten die einfachen Leute für dumm.

Dawkins und seine Mitverschwörer, formulierte Wired treffend, kämpfen "nicht nur gegen den Glauben an Gott, sie kämpfen auch gegen den Respekt vor dem Glauben an Gott". Sie wollen nicht die Gläubigen zum Unglauben verführen, sondern die Agnostiker und Liberalen zum Kampf gegen die Religiösen. "Imagine no Religion" lautet Dawkins liebster Kampfspruch - "stellt euch vor, es gäbe keine Religion", dann gäbe es auch keinen Kampf der Kulturen, die Wissenschaft müsste sich nicht mit bigottem Nonsens herumschlagen, Kinder würden zu vernünftigem Denken erzogen, und die Türme des World Trade Center würden auch noch stehen. "Imagine no 9/11, keinen Bürgerkrieg in Nordirland, keine Massaker, keine Ehrenmorde." Die Gläubigen lasse er erst in Ruhe, "wenn sie uns in Ruhe lassen, wenn sie die Kinder in Ruhe lassen, wenn sie aufhören, sich gegenseitig zu bekämpfen und den Rest der Welt in Gefahr zu bringen".

Die Rhetorik der neuen Atheisten ist kaum zu verstehen ohne die harten Bandagen, mit denen die religiöse Gegenseite bisher agierte - die hatte mit Provokationen und aggressiver Polarisierung Erfolg, und diese Strategie greifen ihre Gegenspieler einfach auf. Mal eher polemisch, mal eher wissenschaftlich, versuchen sie sogar zu beweisen, dass Gott gar nicht existieren kann. Zu einiger Berühmtheit brachte es in diesem Zusammenhang schon die Website http://www.whydoesgodhateamputees.com. Die entwaffnende Frage: Wenn Gott existiert und die Gebete der Menschen erhört, warum wachsen dann Amputierten nicht ihre Gliedmaßen nach? Die Antwort: Entweder die Gebete nützen nichts, weil Gott gar nicht existiert. Oder Gott existiert - und hasst die Amputierten. Mit ähnlich bissiger Logik argumentiert Bestsellerautor Sam Harris gegen religiöse Abtreibungsgegner: "20 Prozent aller Schwangerschaften enden mit Fehlgeburten. Wenn Gott existiert, dann ist er der fleißigste Abtreibungsdoktor von allen."

Schon warnt etwa Nicholas Kristof, Kolumnist der New York Times, vor der aggressiven Militanz der "Atheistenbrigade" - die schramme selbst haarscharf an fundamentalistischem Dogmatismus vorbei. John Green vom Pew Forum on Religion and Public Life, einem New Yorker Think Tank, assistiert: "Man kann von einem säkularen Fundamentalismus sprechen, der den religiösen Fundamentalismus attackiert."

Die Atheistenbrigade

Nicht unwahrscheinlich, dass trotz anderer Debattenlage die "New Atheist"-Bewegung auch auf Europa übergreift - schon alleine, weil alles, was in Amerika in Mode kommt, irgendwann auf Europa abstrahlt. "Brights"-Aktivsten gibt es schon in Großbritannien, Frankreich und Deutschland (http://www.the- brights.net). Außerdem gibt es auch in hiesigen Breiten Versuche christlicher Würdenträger, wieder mehr Einfluss auf das politische und kulturelle Leben zu nehmen, etwa in der Debatte, ob die Türkei zu den "christlichen Werten" Europa passe, oder im Europäischen Verfassungskonvent. So fragen mittlerweile führende Intellektuelle wie etwa der Hamburger Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma: "Muss man Religiosität respektieren?" Reemtsma: "Nicht jeder Unfug, nur weil einer ihn für wichtig hält, kann Achtung verlangen, wenn man unter Achtung mehr versteht, als ihn einfach machen zu lassen, sofern er keinen Schaden anrichtet."

Richard Dawkins jedenfalls will seinen Kampf mit Elan weiterführen. Denn obwohl der Evolutionsbiologe Gläubige aller Art für ziemliche Idioten hält, will er nicht darauf vertrauen, dass sie gemäß dem darwinschen Prinzip "Survival of the Fittest" einfach aussterben: "Die Ignoranz stirbt nicht aus." Vielleicht aber, ätzt die New York Times, gelinge es dem streitbaren Naturwissenschaftler ja doch, manch Gottgläubige in ihren Gewissheiten zu erschüttern: Schließlich stelle sich die Frage, warum Gott, wenn er denn allmächtig sei, "nicht einen Blitz vom Himmel schickt, um Richard Dawkins zu zerschmettern?"
http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/12/27/a0156
Christel
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Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Liborius hat geschrieben:@Christel

Dawkins vertritt mit dem Buch "The God Delusion" auch in den eigenen Reihen der Atheisten eine Außenseiterposition.
Das ist mir bekannt! Ganz bewusst lautet daher die Themenüberschrift nicht etwa „Atheismus auf dem Vormarsch?" sondern "Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?“ Die Betonung liegt auf Fundamentalismus.

Mir ist diese Unterscheidung sehr wichtig. Daher möchte ich gleich zu Beginn des Themas einen Vertreter des „alten Atheismus“, Joachim Kahl, zu Wort kommen lassen.
Drei Zitate als Kostproben aus seinem Text:
Richard Dawkins’ Buch „Der Gotteswahn“ (Berlin, 2. Auflage, 2007), das ich hier – mit einer vertretbaren Vereinfachung – als Hauptbeispiel des „neuen Atheismus“ heranziehe, Richard Dawkins’ „Gotteswahn“ ist ein charakteristisches Dokument intellektuellen Cäsarenwahns. Cäsarenwahn hat – nach dem Historiker Ludwig Quidde, der den Begriff 1894 geprägt hat – zwei sich ergänzende Merkmale: triumphalistische Selbstüberschätzung und abgründige Realitätsblindheit.
Dawkins’ nassforsche Haltung des „Hoppla, jetzt komm ich“ verrät auf Schritt und Tritt eine bodenlose Unkenntnis in Sachen Religion und Religionskritik und enthüllt ein fatales Nichtverstehen ihrer geschichtlichen Entwicklungen und ihrer inhaltlichen Komplexität.
Aber im Sinne Dawkins’ jeglichen Gottesglauben als Gotteswahn zu verteufeln, ist plumper Krawallatheismus.
Mehr: http://www.kahl-marburg.privat.t-online ... kritik.pdf

Das Buch von Richard Dawkins "The God Delusion" habe ich mir in Deutsch, da heißt es „Der Gotteswahn“ gekauft, nachdem ich beobachtete, dass gerade Aussteiger aus fundamentalistischen christlichen Gruppen, das Buch von Dawkins voller Ehrfurcht zitierten, so wie früher die Bibel.
-> Von einem Fundamentalismus in den nächsten, da braucht sich der Mensch in seinem Wesen nicht zu verändern. – Ich weiß nicht, wie sie’s machen, manche Menschen sind immer die Größten.

Fundamentalismus wurde in einem Buch auch als Flucht in die Sicherheit / Gewissheit definiert. Ein Weltbild, das durch seine Klarheit und einfache Struktur verlockt.
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Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von niels »

@Christel: Na Spitze! Weil jemand "voll Ehrfurcht" aus einem "Buch zitiert", ist er bereits "Fundamentalist"?

Wie fundamentalistisch sind denn dann Kirchenmitglieder oder gar Muslime, die das oft gar mehrmals täglich tun, ja sogar behaupten diese Schriften enthielten "unumstößliche" oder "absolute Wahrheiten"?

Ich persönlich finde Dawkins TV-Dokumentationen recht informativ wie zuweilen immer noch aufschlußreich, auch wenn mir vieles bereits zuvor selbst bekannt war. Gerade im bis heute fast durchweg religiösen angloamerikanischen Raum hat Dawkins Arbeit einiges an Aufsehen generiert, da er Fragen gestellt hat, die bis dato so kaum jemand gefragt hat. Seine Position ist seine Postion - "den Atheismus" gibt es als solchen nicht (wenn auch gern behauptet) Nur weil jemand an irgend eine willkürliche Behauptung nicht glaubt, ist das noch lange kein "Glaube".

Ich persönlich sah (wie so manch andere) auch ohne Dawkins eine ganze Reihe der Formen von religiösem Glauben als "Wahn" - man "wähnt" sich ja etwas - zB einer Wahrheit - sicher zu sein. Eigentlich sollten Religiöse damit - so mE - kein Problem haben.
Oder gibt es etwa andere Belege / ja wenigstens Indizien dafür, das religiöser Glaube in den betr. Formen nicht Wahn als Ursprung hat?

Ebenso sah / sehe ich einige Formen der Religiösität vergleichbar mir einem "Virus" - ein Konstrukt aus Informationen mit Selbsterhaltungs- und Verbreitungsmechanismen, dessen Hauptfunktion die Verbreitung seiner selbst willen ist zum Hauptzweck des Selbsterhaltes, wie bei biologischen oder auch computerisierten Viren. Die "Funktionsweise" von vielen Religionen wird damit recht anschaulich dargelegt - das Viren nicht immer / nur "negative" Folgen haben, bleibt dabei sowieso unbetrachtet. Und warum sollen Menschen zB nicht verstehen dürfen, welche Verbreitungsmechanismen die Religionen einsetzen? Was ist daran grundsätzlich falsch - ungeachtet der Person Dawkins? Ich kenne auch nicht wenige andere, die dies ebenso oder recht ähnlich darlegen - es geht doch um die These / Argumente...

Dawkins ist für mich weniger Wissenschaftler, sondern eher ein Dokumentator und ich erlebe häufiger, wie sich Menschen, die sich selbst - weil typischerweise in fast durchweg religiösen Umfeldern aufgewachsen, später kritischer gegenüber ihrer Erziehung und ihrem Glauben, erstaunend selbst - mehr oder weniger - "wiedererkennen". Religionskritik wie gesellschaftliche Kritik an Religionspraxis ist ja gerade in den USA öffentlich immer noch ein Tabuthema, an das sich kaum jemand herantraut und selbst in Deutschland findet man derartige Themen - wenn überhaupt - nur in der Nacht auf "Nischensendern" a la Arte, während per Gesetz mindestens 5% bzw. 15% "religiöse Inhalte" gesendet werden müssen..
Erstaunlich aber finde ich die Reaktionen aus religiösen Kreisen - obgleich sie eigentlich doch dem üblichen "Reaktionsmanöver" entsprechen. Statt sachliche, rationale wie fundierte Argumente GEGEN Dawkins Ausführungen / Darlegungen entgegenzubringen findet man vornehmlich "Kritik" an seiner Person, die üblichen Versuche derer, die selbst keine Argumente finden eben.

Statt mit Argumenten gegen die These greift man zur Herabsetzung der Person - statt rationale Reaktionen findet man An.griffe auf die Person, sucht diese als solche herabzusetzen, statt die Thesen / Argumente als solche zu entkräften - typisch für das Gläubigenprinzip, wo der Zweck die Mittel heiligt, der "Glaube" an die In.tegrität einer Person darüber bestimmt, WAS dieser Mensch zu sagen hat.

Ähnlich passiert es ja auch hier derzeit immer wieder - statt auf inhaltliche Argumente einzugehen, versteift Ihr Euch leider immer häufiger auf persönliche Angriffe wie auf die "Beweggründe", zB "warum" wir etwas behaupten, statt die Behauptung als solche anzugehen. Auch das erinnert sehr an die "Argumentationsgrenzen" derer, die uns in der DDR "erklären" wollten, warum unsere "Kritik" denn "unberechtigt" sei - folgt ebendiesem Schema, nachdem der "Beweggrund" für eine Frage, Aussage oder These "wichtiger" sei als diese selbst - und (natürlich) in der Person selbst zu "suchen" sei.

Eine "praktische" Vorgehensweise zwecks Ablenkung von der eigentlichen Thematik. Gehen einem die Argumente aus, sucht man halt die Person als solche "unglaubwürdig" zu machen, was - zumindest im Kontext "Glauben" - recht gut funktionieren dürfte, denn wer "glaubt", der hinterfragt bekanntlich nicht selbst die Inhalte, muss sich auf andere Dinge "stützen".

Abgesehen davon:
Wo bitteschön sind heute "fundamentalistische Atheisten" (was auch immer das sein soll) eine "Gefahr" für die Menschen, den Staat oder wen sonst? Und wie? Wo hört / liest / spricht / berichtet man von "atheistisch motivierten" Verbrechen, wenn nicht gerade mal wieder Religiöse einen Kritiker oderUngläubigen wegen "Gotteslästerung" tot machen wollen, mißhandeln oder kaputtspielen?

Ach - passend zu unserer früheren Debatte: Breivk stellte in seiner Verhandlung neulich nochmal klar, das er kein "Atheist" sei, sondern ein "Kulturchrist" und als solcher auch gehandelt habe. Zumindest "athheistische" Motive kann man ihm damit wohl kaum unterschieben, was ja inzwischen auch einige versuchten. Das empörte ihn wohl auch sehr...
Christel
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Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:@Christel: Na Spitze! Weil jemand "voll Ehrfurcht" aus einem "Buch zitiert", ist er bereits "Fundamentalist"?
Das habe ich nicht gesagt!
Tipp für Dich Niels, erst lesen, dann schreiben!

Dawkins ist ein atheistischer Fundamentalist.
Seine Anhänger sind folglich ebenfalls Fundamentalisten.
Einige von ihnen waren zuvor fundamentalistische Christen. Diese Aussage traf ich aufgrund, der mir bekannten Biografie dieser Menschen.
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Heinrich5

Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Zitat Chrtistel:
Diese Aussage traf ich aufgrund, der mir bekannten Biografie dieser Menschen.
Wieder mal eine Behauptung, weche nicht bewiesen wurde.
Christel
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Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Ich schrieb:
Christel hat geschrieben:Das Buch von Richard Dawkins "The God Delusion" habe ich mir in Deutsch, da heißt es „Der Gotteswahn“ gekauft, nachdem ich beobachtete, dass gerade Aussteiger aus fundamentalistischen christlichen Gruppen, das Buch von Dawkins voller Ehrfurcht zitierten, so wie früher die Bibel.
Das muss ich nicht beweisen, Heinrich. Das kannst Du mir glauben oder Du kannst es lassen.
Aber da Du Dich gerade zu Wort meldest, Du selbst bist der beste Beweis.
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Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Dieses Buch steht auch in meinem Regal, "Und das ist auch gut so", Dawkin widersetzt sich, wie oben schon einmal zitiert, dem religiösen Fundamentalismus - mit säkularem Fundamentalismus. Damit liegt er voll im Trend. Ich kann darauf verzichten, dass Du Beweise für Deine Behauptungen erbringst. Wer ständig die Bibel zitiert steht bei mir auch in Verdacht ein Fundamentalist zu sein.
Christel
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Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Bei der Bibelauslegung gibt es die fundamentalistische Variante bei der die Bibel quasi vom Himmel gefallen ist und andere Interpretationsformen. Ich halte eine fundamentalistische Form für falsch und habe nie damit sympathisiert.

Heinrich an Deinen Bibelinterpretationen merke ich, dass Du die fundamentalistische Form der Bibelinterpretation nie wirklich überwunden hast. Dazu gehört eben auch Bildung. Deine Sekte war eine äußerst ungeeignete Quelle. Die Atheisten, die kämpferisch die Bibel zitieren, können Dir auch nicht weiterhelfen.

Wenn Du meine Definition von Fundamentalismus liest, wirst Du feststellen, dass eine fundamentalistische Bibelauslegung nur eine von vielen möglichen Formen ist. Zudem muss ein gewisser Fanatismus hinzukommen. – Ich diskutiere auch mit sog. „fundamentalistischen Bibelchristen“, nicht selten fehlt dort jedoch der kämpferische Fanatismus, der den Fundamentalismus ausmacht.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Christel
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Re: Fundamentalistischer Atheismus auf dem Vormarsch?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Fundamentalismus (von lateinisch fundamentum ‚Unterbau‘, ‚Grund‘, ‚Fundament‘) ist eine Überzeugung oder soziale Bewegung, die ihre Interpretation einer inhaltlichen Grundlage (Fundament) als einzig wahr annimmt. Fundamentalismus wird durch eine stark polarisierte Auslegung einer Letztbegründung umgesetzt. http://de.wikipedia.org/wiki/Fundamentalismus
Ich hatte diese Definition aus wikipedia bereits durch „Flucht in die Sicherheit / Gewissheit“ ergänzt, dennoch habe ich das Gefühl, dass hier etwas Entscheidendes fehlt.
Nach meiner Erfahrung kann ein Fundamentalist durchaus und mitunter sehr schnell sein „Fundament“ austauschen. Auch sind bei näherer Betrachtung die Kenntnisse auf dem Gebiet des „Fundamentes“ oft gar nicht so tiefgehend, wie man annehmen möchte.

Die von Wikipedia genannte Definition von Fundamentalismus im weiteren Sinne als Kampf gegen die Moderne und Forderung einer Rückbesinnung auf die Wurzeln einer bestimmten Religion oder Ideologie, möchte ich in diesem Zusammenhang ganz außen vor lassen. Das ist eine Halbwahrheit, die den Blick mehr verstellt als erhellt. Denn a) gelingt solchen Gruppen die Rückkehr zu den Wurzeln nie. In Timbuktu zerstören gerade islamistische Fundamentalisten ein uraltes Zentrum des Islam. http://www.welt.de/kultur/history/artic ... isten.html
b) Es verstellt den Blick für den Fundamentalismus im progressiven Gewand, wie wir ihn in Form des fundamentalistischen Atheismus vor uns haben.

Die Forderung nach Rückbesinnung zu den Wurzeln eine bestimmten Religion oder Ideologie scheint daher nur eine mögliche Form unter anderen zu sein.

Entscheidender ist vielmehr gerade das Fehlen eines eignen tragfähigen Fundamentes. Dies erklärt, die geringe Fachkompetenz auf dem jeweiligen Gebiet sowie den mitunter verblüffend schnellen Wechsel von einem Fundamentalismus zum anderen. Daher scheint mir der eigentliche Kern des Fundamentalismus die starke Außenorientierung zu sein. Der eigene Standpunkt, Grund, Fundament wird als Gegensatz zu etwas anderen gebildet. Das Mittel ist die Abwertung. Je düsterer die andere Position dargestellt wird, umso größer erscheint das eigene ICH, umso edler die eigene Position… - Diese Form des Fundamentalismus kann sich sowohl gegen die eigene Gruppe richten, die dann nie gut genug ist als auch gegen andere Gruppen.

Wie auch immer, solche Leute schaden immer der eigenen Gruppe, Gemeinschaft…
So wird die scharfe Reaktion von Joachim Kahl verständlich „Weder Gotteswahn noch Atheismuswahn Eine Kritik des „neuen Atheismus“ aus der Sicht eines Vertreters des „alten Atheismus“ http://www.kahl-marburg.privat.t-online ... kritik.pdf

Solch radikale Formen schwächen die liberaleren Formen nicht nur indem sie ihre Leute aus diesem Kreis rekrutieren, sie blamieren diese auch und erschweren ihnen den Dialog mit anderen Glaubensrichtungen/Weltanschauungen.

Beispiel: Ich erlebte vor einigen Jahren wie in Leipzig ein Mann mit Megafon gegen den katholischen Glauben hetzte. Mich erschreckte nicht so sehr, was er sagte, sondern der Hass mit dem er es tat. Gleichzeitig wurden Flugblätter verteilt. Ich nahm mir eins und bekam heraus, dass es sich um Adventisten handelt. Damit ging ich zu einem Prediger der STA (Siebenten Tags Adventisten). Der Prediger stöhnte: „Die machen uns das Leben schwer. Wo die aufgetaucht sind brauchen wir nicht mehr zu erscheinen.“ Weiter erklärte er mir, dass es sich hier um eine Berliner Abspaltung von den Adventisten handelt.
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