Zitat Christel:
Luther fehlte es vermutlich an Phantasie, was man alles aus der Schrift machen kann.
Tja, da hat der Luther wirklich Pech gehabt. Den Päpsten und dem ihnen unterstellten Klerus fehlte es hingegen nicht an Phantasie. Aus der Schrift kann man natürlich (mit viel Phantasie) noch viel mehr machen, vollkommen richtig. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Und mit Hilfe von viel Phantasie hat die Kirche seit Luther tatsächlich sehr viel erreicht:
1600:
Der Dominikanermönch, Theologe und Naturphilosoph Giordano Bruno wird als Häretiker verurteilt und in Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
1633:
Der Mathematiker und Astronom Galileo Galilei (1564- 1642) muss unter dem Druck der Folter und des Scheiterhaufens widerrufen, daß die Erde sich um die Sonne dreht.
Rupert Lay, wegen des Verdachts der Häresie seines Postens als Fundamentaltheologe an der Jesuitenhochschule in Frankfurt (Sankt Georgen) enthoben, formuliert: „Seit 1633 sind für viele Naturwissenschaftler Theologie und Kirche, Religion und Glaube eine Sache, über die es sich nicht mehr lohnt zu diskutieren.“
1831-1846:
Papst Gregor XVI. :
„Es ist leichter die Sonne zu zerstören als die Kirche und ihr Papsttum.” Er verdammte alle modernen Freiheiten, selbst die Freiheit des Gewissens erschien ihm als „ein ganz verderblicher Irrtum“, ja als „Wahnsinn“. Er verwarf die Trennung von Kirche und Staat, die uneingeschränkte Verbreitung von Büchern und besonders jegliche Auflehnung gegen die legitime Obrigkeit.
1846-1878:
Pius IX. exkommuniziert Theologen, die sich mit den Ideen der Aufklärung , speziell mit dem Problem, wie Glaube und Wissen vereinbart werden könnten, auseinandersetzen. (Georg Hermes, Anton Günther, Frohschammer, Louis Bautain)
1854:
Verkündigung der „Unbefleckten Empfängnis“ der Maria durch den Papst.
1866:
Papst Pius der IX. verbietet die entstandenen Bibelgesellschaften: „jede Pest dieser Art muss auf alle Fälle ausgerottet werden“.
1870:
II. Vatikanisches Konzil: Der Papst ist unfehlbar in allen Glaubensfragen, was der Papst als Tradition erklärt, ist Tradition. Jede kritische Rückfrage ist als unerlaubt niederzuschlagen.
Der Jesuitenpapst Leo XIII (1878 – 1903) erklärte: „Das Anathema über denjenigen, der sagt, der Heilige Geist möchte nicht, daß wir Häretiker töten!“ Häretiker sind: Juden und Andersgläubige.
1907:
Pius X. verurteilt in seiner Enzyklika „Pascendi dominici gregis“ jeglichen „Modernismus“ als das Sammelbecken aller Häresien.
1910:
Alle in der Seelsorge oder im Lehramt tätigen Geistlichen werden zur Ablegung eines „Antimodernisteneides verpflichtet:
„Ich umfasse und nehme alles und jedes einzelne an, was vom irrtumslosen Lehramt der Kirche bestimmt, aufgestellt und erklärt ist, besonders die Hauptstücke ihrer Lehre, die unmittelbar den Irrtümern der Gegenwart (....) Ich gelobe, dass ich das alles getreu , unversehrt und rein beobachten und unverletzt bewahren , dass ich in der Lehre oder in jeder Art von Wort und Schrift nie davon abweichen werde. So gelobe ich, schwöre ich, so helfe mir Gott und dieses heilige Evangelium Gottes“.
Jeder, der an irgendeiner Tradition oder kirchlichen Lehrmeinung, die infolge langer Gültigkeit quasi zum Tabu geworden ist, Kritik übt, wird in die Schar der Ungehorsamen, das heißt der Irrgläubigen eingereiht. Jeder, der an die Möglichkeit einer Synthese zwischen dem Wahrheitsgehalt seiner Religion und dem Wahrheitsgehalt der modernen Wissenschaft glaubt (was heute selbstverständlich ist), ist ein „Modernist“.
1925:
Dogma: Die leibliche Gegenwart der Jungfrau Maria im Himmel
1929:
Der Vatikan wird als Staat anerkannt, Mussolini überlässt dem Papst den Vatikanstaat (Lateranvertrag)
1933:
Der Papst fordert einen Heiligen Kreuzzug zur vollständigen Wiederherstellung der kirchlichen Rechte.
Konkordat zwischen Nazideutschland (von Papen) und dem Vatikan
1935:
der Papst erklärt die Gerechtigkeit eines Verteidigungskrieges zum Zwecke der Expansion einer ständig wachsenden Bevölkerung, danach erfolgte unmittelbar der Krieg Mussolinis gegen Äthiopien, Segnung der ins Feld rückenden Truppen, Segnung des Duce.
Deutsche Kardinäle und Bischöfe bekräftigen ihre volle Bereitschaft zur Unterstützung des Nationalsozialismus und bedauern ihre Ausschaltung.
1936:
Hirtenbriefe deutscher Bischöfe zur Unterstützung des Führers
1937:
Hirtenbriefe deutscher Bischöfe zur Unterstützung der Politik des Führers gegen den Bolschewismus.
1938:
Kardinal Innitzer (Wien) lässt beim Einmarsch Hitlers die Glocken läuten, Dankgottesdienste, Aufrufe der österr. Bischöfe enden mit dem Gruß „Heil Hitler“.
1942:
Pius XII. weiht die „Ganze Welt“ dem unbefleckten Herzens Marias
1950:
Dogma Papst Pius der XII. : Maria ist mit Leib und Seele in den Himmel aufgefahren
1953
Pius XII. setzt dem in Frankreich und Belgien begonnenen Experiment der Arbeiterpriester aus Angst vor einer zu starken Annäherung an die „profane Welt“ ein Ende.
Über das Kirchenmodell Pius XII. sagt der Dominikaner Congar:
„Ein kohärentes System festgeprägter theologischer Normen, in den Enzykliken und päpstlichen Ansprachen niedergelegt, von Autoritätsstrukturen und Sanktionen untermauert, letztlich sehr traditioneller Ausprägung.
1963:
Angefangen von Johannes XXIII. 1962; unter Paul VI. weitergeführt: II. Vatikanisches Konzil:
Verpflichtung aller Bischöfe (unterschriftlich) zur Lehre
• Von der heiligen Messe als einem Sühneopfer
• Vom Fegefeuer, damit die Armen Seelen durch die Gebete der Gläubigen Hilfe erlangen können
• Von der Fürbitte für die Heiligen
• Von der röm.-kathol. Kirche als der Mutter und Lehrerin aller Kirchen
• Vom Papst als dem Nachfolger Petri und dem Stellvertreter Christi auf Erden
„Desgleichen verdamme, verwerfe und verfluche ich, was dazu im Wiederspruch steht, alle falschen Lehren, welche die Kirche verdammt, verworfen und für verdammt erklärt hat. Diesen wahren katholischen Glauben, ohne den niemand errettet werden kann, bekenne ich hiermit öffentlich und halte daran fest bis zu meinem letzten Atemzug“.
Der Jesuit Botero (+1617) schrieb: Unter allen Religionen, gibt es keine, die für die Fürsten vorteilhafter ist als die christliche; denn diese unterwirft ihnen nicht nur Leib und Vermögen der Untertanen, sondern auch den Sinn und das Gewissen; sie bindet nicht nur die Hand, sondern auch die Affekte und die Gedanken“
Solches Denken nennt man religiös-spirituelle Diktatur. Dieser Theologie entspricht das Verständnis der Päpste zur Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes. Das Charisma der Unfehlbarkeit wirkt nicht nur in feierlichen Verlautbarungen des Papstes und in Dekreten eines ökumenischen Konzils, sondern auch im normalen universalen Lehramt, das wahrhaft als der gewöhnliche Ausdruck der kirchlichen Unfehlbarkeit angesehen werden kann.