Zitat Christel:
Heinrich, in weltanschaulich Andersdenkenden sehe ich keine Teufel. Ich bitte Dich, zukünftig solche Unterstellungen zu lassen!
Auf Deine Aussage:
„Ob Du Schmidt-Salomon zitierst, die Giordano-Bruno-Stiftung oder IBKA, dahinter stehen dieselben Leute, dieselbe anti-kirchliche Ausrichtung.“,
hätte ich wohl besser antworten sollen, dass Du in allen diesen Leuten ein rotes Tuch siehst. Im Grunde genommen kommt es auf das Gleiche heraus.
Dabei sind alle diese Leute zwar anti-kirchlich aber weniger anti-religiös ausgerichtet als Du sie hier immer wieder hinstellst.
Warum ist das so?
Obwohl etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung keiner der beiden Großkirchen und 27% überhaupt keiner Religion, Kirche oder Sekte angehören, tritt diese zahlenmäßig ansehnliche Bevölkerungsgruppe im politischen Leben kaum in Erscheinung.
Folge: Die Rechte und Interessen von Konfessionslosen werden ständig übergangen, obwohl der Staat eigentlich zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet ist.
Die unbestreitbare Tatsache, dass die Glaubensfestigkeit der Kirchenmitglieder ständig schwindet, (zu ersehen an der ständig steigenden Zahl der Kirchenaustritte und leerer Kirchenbänke auch an den Sonntagen) ändert hieran nichts. Es kann im Gegenteil beobachtet werden, dass gerade der Glaubensschwund bei ihren Mitgliedern die Kirchen veranlasst, ihre Machtposition im weltlichen Bereich immer mehr auszubauen.
Das persönliche Leben kirchenferner Menschen wird durch die Machtfülle der christlichen Großkirchen beeinträchtigt. Die ständig größer werdende Bevölkerungsgruppe der Konfessionslosen - in Ermangelung einer politischen Interessenvertretung – hat bisher kaum etwas dagegen unternommen.
Die Giordano Bruno Stiftung wurde erst vor fünf Jahren als Stiftung anerkannt. Offensichtlich war die Zeit reif für eine solche Organisation. Der Erfolg der Stiftung belegt, dass viele Menschen heute das Bedürfnis haben, eine zeitgemäße Alternative zu den bestehenden Religionen zu entwickeln.
Ging es in den letzten Jahrhunderten der freigeistigen Bewegung hauptsächlich um eine Entzauberung religiöser Mythen sowie um den politischen Kampf gegen religiös gestützte Repression, sehen sich die Konfessionslosen der Gegenwart mit einer in dieser Dimension neuen Aufgabe konfrontiert, nämlich der Entwicklung und gesellschaftlichen Verankerung von säkularen Alternativen, die sich in Konkurrenz zu den bestehenden religiös geprägten Angeboten bewähren müssen.
Bei uns in Ost-Deutschland hat sich die Notwendigkeit dieser Kurskorrektur seit der Wiedervereinigung verschärft.
Es hat einige Zeit gedauert, bis sich die ostdeutschen Konfessionslosen an den neuen Status gewöhnt hatten, plötzlich zu den drei großen „Konfessionen“ (katholisch, evangelisch, konfessionslos) im Lande zu gehören. Langsam aber scheinen die Konfessionslosenverbände die damit verbundene gesellschaftliche Verantwortung in konsequenterer Weise annehmen zu wollen, was angesichts der Prognose, dass es in absehbarer Zeit wohl mehr „nominelle Konfessionslose“ als „nominelle Christen“ geben wird, auch zwingend erforderlich ist.
Es ist also notwendig neue Organisations-Formen zu finden, mit deren Hilfe freigeistige Positionen besser in der Gesellschaft verankert werden kann.
Als sehr zweckmäßig würde ich es ansehen, einen „Zentralrat der Konfessionslosen in Deutschland“ zu gründen, in dem die verschiedenen Verbandsinteressen der Konfessionslosen-Verbände konsequent zurückgestellt werden, um auf diese Weise mit gebündelter Kraft und Kompetenz darauf hinwirken zu können, dass freigeistige Positionen in der Politik auch die Rolle spielen, die sie verdienen.
Die Konfessionslosen sollten die noch bestehende Ungleichverteilung von Macht nicht länger hinnehmen. Es ist an der Zeit, endlich jene politischen Strukturen zu schaffen, die den tatsächlichen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen entsprechen.
Wir brauchen ein neues, ein starkes, säkulares Selbstbewusstsein. So etwas entwickelt sich nicht im Selbstlauf. Es geht darum, unsere Freiheitspotentiale sinnvoll zu nutzen und die Grundsteine für eine wahrhaft säkulare, offene Gesellschaft zu legen, die diesen Namen auch wirklich verdient. Von einer wirklichen Trennung von Staat und Kirche kann noch keine Rede sein.
Zitat Christel:
Dennoch wird der Anspruch erhoben Leitkultur zu sein und „dritte Konfession“:
Schmidt-Salomon warb für eine Form der Leitkultur, die „Leitkultur Humanismus und Aufklärung“, die der „europäischen Leitkultur“ Tibis verwandt, jedoch „inhaltlich schärfer akzentuiert“ sei.
Während konservative Politiker eine christlich-patriotische Leitkultur („Werte des christlichen Abendlandes“) einklagen und mitunter gar zum Kulturkampf gegen „gott- und vaterlandslose Gesellen“ aufrufen, träumen andere von der „multikulturellen Gesellschaft“ und einer „Einbürgerung des Islam“ inklusive eines „flächendeckenden Angebots von Islamunterricht an deutschen Schulen“.
Schmidt-Salomon und die Giordano Bruno Stiftung halten beide Strategien für verfehlt: Weder die konservative Wiederbelebung der Idee einer „christlichen Festung Europa“ noch die postmoderne Beschwichtigungspolitik gegenüber dem Islam oder anderen religiösen bzw. esoterischen Strömungen werden das Projekt einer „offenen Gesellschaft“ voran bringen.
Deshalb setzen diese konsequenter als je zuvor auf jene Leitkultur, mit der der gesellschaftliche Fortschritt in der europäischen Geschichte tatsächlich verknüpft war, nämlich dem Zusammenspiel von diesseitigem Humanismus und wissenschaftlicher Aufklärung. Die Giordano Bruno Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, die Idee einer solchen „progressiven Leitkultur“, die sich auf die besten Traditionen von Wissenschaft, Philosophie und Kunst stützt, öffentlichkeitswirksam in die gesellschaftspolitische Debatte einzubringen.