Was die Welt Im Innersten zusammenhält

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Christel
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Christel »

Holuwir hat geschrieben: Donnerstag 1. Mai 2025, 09:29
Atheisius hat geschrieben: Dienstag 29. April 2025, 16:46 Es war eine geniale [...] Idee des Apostels Paulus den jüdischen Glauben an den unsichtbaren Gott mit der Figur des „sichtbaren“ Gottes, wenn auch in Gestalt seines Sohnes Jesus-Christus zu ergänzen.
Danke für die Erkenntnis, dass man nicht Christus sondern Paulus in die Phalanx der Religionsgründer aufnehmen muss
Interessant wie schnell Du Thesen übernimmst ohne nach einer Begründung zu fragen!

Aber wenn man, so wie Du, aus einer Religion kommt, wo Jesus eh nur eine Randfigur ist und wo stolz verkündet wurde, dass alle Kirchen nur Falschlehren verbreiten, was schert einem da der kirchliche Glaube und dass in allen Kirchen Jesus im Zentrum des Glaubens steht, als Alpha und Omega.

Der Wechsel zu einem missionarischen Antikirchlichen Atheismus verlangt von einem ehemaligen hundertprozentigen Zeugen Jehovas tatsächlich weit weniger Veränderung als in eine Kirche zu gehen. Denn als Atheist darf man weiter ungehemmt sein erlerntes Feindbild (Kirche) vertreten und weiterhin Christen missionieren, weil die ja entweder doof oder verlogen sind.
Atheisius hat geschrieben: Es gab den historischen Jesus von Nazareth. Danach gab es Paulus, der diese Figur zum Christus erhob. Es gab nur Paulus als Gründer / Erfinder des Christentums.
Der „historische Jesus“ ist eine Fiktion.
Bestenfalls hält man hier fest, was aufgrund historischer Forschung feststeht.
Man kann dann sagen, das ist Fakt.

Schlimmstenfalls behauptet man nur dieser Jesus habe existiert. Er ähnelt dann immer sehr demjenigen, der dieses Jesusbild gebastelt hat. Jedenfalls ist dann Jesus ein Europäer, wie Du und ich. Das sind dann „zeitgemäße“ Jesusbilder. Mit dem tatsächlichen orientalischen Jesus, der vor 2000 Jahren lebte, hat das dann wenig zu tun.
Atheisius hat geschrieben: Donnerstag 1. Mai 2025, 15:50 Der Wandel zur Völkermission und der Beginn der Geschichte der Kirche kam mit dem in der Apostelgeschichte geschilderten Apostelkonzil (etwa 48 n. Chr.).
Nicht ganz. Schon immer konnte man zum Judentum übertreten. In den Synagogen versammelten sich nicht nur Juden, sondern auch Heiden, die dem Judentum nahe standen, sogenannte „Gottesfürchtige“. Es ließen von Anfang an auch Heiden von Jesus begeistern.

Dies zeigt schon der Antiochenischer Zwischenfall im Sommer 48 von dem Paulus in Galater 2,11-21 berichtet. Den Zwischenfall gab es, weil da schon die Gemeinde in Antiochia aus Juden- und Heidenchristen bestand.

Das Apostelkonzil kam wohl auf Initiative von Paulus zustande. In Galater 2 schreibt er:
1 Vierzehn Jahre später ging ich wieder nach Jerusalem hinauf, zusammen mit Barnabas; ich nahm auch Titus mit.[1] 2 Ich ging hinauf aufgrund einer Offenbarung, legte der Gemeinde und im Besonderen den Angesehenen das Evangelium vor, das ich unter den Völkern verkünde; ich wollte sicher sein, dass ich nicht ins Leere laufe oder gelaufen bin. 3 Doch nicht einmal mein Begleiter Titus, der Grieche ist, wurde gezwungen, sich beschneiden zu lassen.
Es ging um die Frage, ob man zuerst Jude werden und sich beschneiden lassen muss, um Christ zu sein oder ob man gleich, das heißt, ohne Beschneidung Christ werden kann. Daran hängt außerdem die volle Gültigkeit der Thora. Folgt man der Thora oder Jesus, dem Geist Christi?
Atheisius hat geschrieben: Donnerstag 1. Mai 2025, 15:50 Mittelpunkt der Verkündigung unter den Heiden war der Apostel Paulus, der sich in 14 Briefen an die christlichen Gemeinden wandte.
Auch das stimmt nicht ganz.

Mittelpunkt paulinischer Verkündigung war Jesus Christus!
 3 Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, / gemäß der Schrift, 4 und ist begraben worden. / Er ist am dritten Tag auferweckt worden, / gemäß der Schrift, 5 und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. 6 Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. https://www.bibleserver.com/EU/1.Korinther15
Zum Corpus Paulinum gehören 14 Briefe.

Unbestritten und zweifelsfrei von Paulus verfasst sind aber nur sieben Briefe: Römer, 1.und 2. Korinther, Galater, Philipper, 1.Thessalonicher, Philemon.
Die anderen Briefe wurden in späterer Zeit von Paulusanhängern verfasst, so nach dem Motto „Was würde Paulus heute sagen“.

Ich teile die Ansicht, dass nur die genannten sieben Briefe von Paulus selbst stammen, denn ich habe die Briefe alle intensiv gelesen.
Atheisius hat geschrieben: Donnerstag 1. Mai 2025, 15:50 Hauptsächlich durch Paulus wurde Jesus zum Menschensohn des jüdischen Gottes, zum Wundertäter stilisiert , welcher (für uns?) hingerichtet und wieder auferstanden und in den Himmel gefahren ist.
„Menschensohn“ ist eine Selbstbezeichnung von Jesus, was an Daniel erinnert.

Meine Empfehlung, lest die sieben Briefe des Apostels Paulus. Hier erfahrt Ihr sowohl vom gemeinsamen Glauben der Apostel als auch von den Auseinandersetzungen innerhalb dieser ersten Christen.

Paulus konnte nichts erfinden. Er war kein einsamer Held, dem alle unwidersprochen folgten.
Wir verdanken es dem Widerspruch, dass er sich genötigt sah die Briefe zu verfassen und zu erklären.


Im Übrigen, von den Aposteln hatte nur Paulus eine theologische Ausbildung, er war Jude pharisäischer Richtung und Ausbildung.
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Holuwir »

Christel hat geschrieben: Mittwoch 30. April 2025, 19:00 Was Holuwir betrifft, ja er hat sich von den Zeugen Jehovas losgesagt, da er meint die Entscheidung "Schöpfung oder Evolution?" vor der die Zeugen Jehovas gestellt werden, zugunsten der Evolution beantworten zu können. Damit ist für ihn Gott widerlegt.
Nein Christel, so ist es nicht und du weißt das bzw. du solltest es wissen, denn ich habe das hier schon einige Male richtiggestellt. Die Evolutionstheorie widerlegt lediglich Behauptung, die Vielfalt des Lebens, die wir heute vorfinden, könne nur durch Schöpfung entstanden sein. Das ist aber nur für diejenigen ein Problem, die ihren Glauben an einen Gott davon abhängig machen, dass die Welt erschaffen worden sei. Für meine Überzeugung, dass es so etwas wie Geistwesen überhaupt nicht gibt, ja gar nicht geben kann, sind ganz andere Tatsachen von Bedeutung. Die habe ich bisher hier nur am Rande erwähnt. Ich komme aber noch darauf zurück. Höre also bitte auf, solche Falaschmeldungen zu verbreiten.
Christel hat geschrieben: Mittwoch 30. April 2025, 19:00 Damit zeigt er gleichzeitig, dass er noch immer ganz tief mit beiden Beinen in dieser Lehre der Zeugen Jehovas verwurzelt ist. Oder, weshalb ist „Schöpfung oder Evolution?“ für ihn eine alternativlose These?
Auch dies habe ich hier schon eingehend erläutert, aber du ignorierst es einfach.
Christel hat geschrieben: Mittwoch 30. April 2025, 19:00 Auch in Diskussionen über die Bibel und dem Gottesbild hat sich Holuwir bisher nicht einen Millimeter von den Lehren der Zeugen Jehovas wegbewegt.
Unter wegbewegen verstehst du ja wohl, dass ich deine Ansicht übernehmen solle, die Evolutionstheorie sei mit der Schöpfungsthese vereinbar. Aber dafür müsstest du mir schon Gründe nennen. Bisher kann ich nur einen persönlichen Grund erkennen, nämlich dass du suggerieren willst, dein Glaube sei mit den Forschungsergebnissen der Wissenschaft kompatibel. Um aber deine Meinung, ein Gott habe sich bei seinem Schöpfungswerk der Evolution bedient, übernehmen zu können, brauche ich sachliche Gründe. Welche wären das?
Alle Indizien sprechen für Selbstentstehung, keine für Schöpfung und es gibt keine Indizien contra Selbstentstehung, jedoch viele contra Schöpfung. Warum also sollte ich gegen alle Vernunft an Schöpfung glauben?
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Atheisius hat geschrieben:
Es gab den historischen Jesus von Nazareth. Danach gab es Paulus, der diese Figur zum Christus erhob. Es gab nur Paulus als Gründer / Erfinder des Christentums.
Christel schrieb dagegen:
Der „historische Jesus“ ist eine Fiktion. Bestenfalls hält man hier fest, was aufgrund historischer Forschung feststeht. Man kann dann sagen, das ist Fakt.
Schlimmstenfalls behauptet man nur dieser Jesus habe existiert. Er ähnelt dann immer sehr demjenigen, der dieses Jesusbild gebastelt hat. Jedenfalls ist dann Jesus ein Europäer, wie Du und ich. Das sind dann „zeitgemäße“ Jesusbilder. Mit dem tatsächlichen orientalischen Jesus, der vor 2000 Jahren lebte, hat das dann wenig zu tun.
Was sagt die Wissenschaft?
PAULUS DER ERFINDER DES CHRISTENTUMS
Ohne den selbst ernannten Apostel Paulus würde es das Christentum nicht geben. Er war theologisch und historisch der eigentliche Gründer.
………Paulus’ Interpretation des Wirkens Jesu war ganz entscheidend dafür, dass sich das Christentum zu einer eigenen Religion mit einem eigenen Profil, einer eigenen Ethik und eigenen Ritualen hat ausbilden können”, meint Jens Schröter. Doch der Institutsdirektor und Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der Universität Leipzig ist sicher, dass Paulus – ebenso wie Jesus – keine neue Religion etablieren wollte, sondern seine Mission als Reformation des jüdischen Glaubens betrachtete. Die geschichtliche Wirkung war allerdings eine andere.

https://www.wissenschaft.de/geschichte- ... stentums/
Christel schrieb:
Der „historische Jesus“ ist eine Fiktion.
So?
„Eine Fiktion bezeichnet in der Regel etwas Ausgedachtes, Erdachtes, was in der Realität nicht existiert. Es kann sich auf literarische Werke, Kunst, oder auch auf gesetzlich oder wissenschaftlich festgelegte Annahmen beziehen.“
Der historische Jesus ist die Person, die in der historischen Jesusforschung
untersucht wird, um ein möglichst genaues Bild von seinem Leben und seiner Lehre zu rekonstruieren, unabhängig von religiösen oder theologischen Interpretationen.
Die historische Jesusforschung versucht, die Geschichte Jesu ohne religiöse oder theologische Annahmen zu rekonstruieren.
Die Forschung stützt sich auf historische Quellen, wie z.B. die Evangelien, aber auch andere Quellen.
Das Ziel ist es, ein möglichst genaues Bild von Jesu Leben, Lehre und seiner Rolle in der damaligen Zeit zu erhalten.
Eine Fiktion ist der von Paulus zum Christus erhobene historische Jesus.

Welchen historischen Kern haben die Geschichten rund um Jesus?
Jesus soll Kranke geheilt haben, Wasser in Wein verwandelt haben und übers Wasser gelaufen sein. Er, der Sohn Gottes, soll als Kind einer Jungfrau geboren worden und nach seinem Tod wieder auferstanden sein. Über Jesus steht in der Bibel vieles, das nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht nachvollziehbar ist.
„Es steht außer Frage, dass Jesus Dinge tat an Menschen, die außergewöhnlich waren“, sagt der Theologe Wolfgang Reinbold: „Die Menschen waren davon entsprechend schwer beeindruckt.“ Seine Zeitgenossen hatten keine andere Erklärung – und glaubten daher, Jesus habe Wunder vollbracht. Historisch belegt ist auch, dass viele Menschen schon früh an seine Auferstehung glaubten.
In der Antike sei von nicht wenigen Menschen berichtet worden, dass sie von Göttern abstammen, sagt Reinbold. „Und gelegentlich erzählt man dann auch, sie seien tatsächlich von Jungfrauen geboren worden. Die beiden Berühmtesten sind Alexander der Große und der Philosoph Platon.“
Die Erzählung der Jungfrauengeburt hatte eine bestimmte Funktion, erklärt der Theologe: So habe sich der römische Kaiser Augustus Sohn Gottes genannt, nachdem Caesar ihn adoptiert hatte und seinerseits vergöttlicht worden war. Jesus hingegen habe sich diesen Status nicht erst „erarbeiten“ müssen, so Reinbold. Statt nach einer Karriere von einer größeren Autorität zum Sohn Gottes erklärt zu werden, sei er dies durch die Jungfrauengeburt von Anfang an gewesen.
https://www.deutschlandfunk.de/jesus-hi ... t-100.html
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Christel »

Atheisius hat geschrieben: Freitag 2. Mai 2025, 19:37 Was sagt die Wissenschaft?
Geht es auch ein bisschen kleiner?
Du zitierst die Meinung irgendeines Theologen und dann sagt das gleich die Wissenschaft.

Man kann sich doch, Argumente ignorierend, nicht sein Weltbild zusammen zitieren.
Mit Zitaten kann man scheinbar alles belegen, doch in Wirklichkeit gar nichts.

Auch Wissenschaftlern stehen nur die biblischen Texte zur Verfügung. Was ihre Interpretation betrifft werden von ihnen unterschiedliche Meinungen vertreten.

Ich habe Dir meine Argumente genannt. Weshalb ignorierst Du sie?
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Der historische Jesus - geistesgeschichtlich missbraucht?
Textübernahme (in Auszügen) von Arthur Lechelt:
Quelle:
https://www.christentum-hinterfragt.de/kontakt.htm


Vorbemerkungen

Jesus – Jesus Christus – Christus: Drei Namen, die von den meisten Christen synonym, je nach eigenem Geschmack, für ihren (vermeintlichen) Religionsstifter benutzt werden. Eine etwas genauere Betrachtung führt allerdings zu einer deutlichen Unterscheidung. Der ursprüngliche jüdische Name Jesus bezeichnet den "historischen Jesus", d. h. einen Menschen, der – wahrscheinlich – vor rund 2000 Jahren im spätantiken Palästina geboren wurde und dort im Alter von ungefähr 30 Jahren einem politischen Mord zum Opfer fiel.

Jesus Christus und Christus sind die Bezeichnungen für eine "mythische Person" (Martin Dibelius) bzw. für den neuen "christlichen Gott", also für eine von den frühen Christen geformte "Kunstfigur" (Hubertus Halbfas) antik-hellenistischen Zuschnitts.
Der Umfang der über den Menschen Jesus verfügbaren historischen Fakten ist außerordentlich dürftig. Daher lässt sich m. E. mit Fug und Recht sagen: Jesus ist "der große Unbekannte des Christentums" (Uta Ranke-Heinemann). Andererseits kann kaum bezweifelt werden, dass in den überlieferten, zwar weitgehend der Fantasie der frühen Christen entsprungenen, mythischen Texten dennoch hier und da "die Spur eines wirklichen Menschen" (Peter de Rosa) zu finden oder zumindest zu erahnen ist.

Die Frage nach der Geschichtlichkeit Jesu – hat Jesus gelebt?

Es hat wohl während der ganzen Geschichte des Christentums immer einzelne eigenständig denkende Menschen gegeben, die daran zweifelten, dass die Texte des Neuen Testaments, insbesondere die vier Evangelien, historisch verlässliche Fakten enthielten. Seit der Frühaufklärung, um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, wuchs die Zahl der "aufgeklärten" Menschen, die sich kritisch äußerten. Es ist kaum überraschend, dass im Zuge dieser Kritik auch die Geschichtlichkeit Jesu, der Hauptperson dieser Schriften, in Zweifel gezogen wurde.

Es traten dann im 19. Jahrhundert und bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts namhafte Theologen und Gelehrte in Deutschland und Frankreich sowie in anderen Ländern Europas auf, die ihre begründeten Zweifel vortrugen oder die Geschichtlichkeit Jesu sogar radikal leugneten. Wer sich hierüber detaillierter informieren möchte, sei auf die ersten Seiten der "Kritischen Kirchengeschichte" des literatur- und kirchenkritischen Schriftstellers Karlheinz Deschner (1924-2014) oder auf entsprechende Abschnitte der Geschichte der Leben-Jesu-Forschung von Albert Schweitzer (1875-1965) verwiesen.

Gründe für die Zweifel an der Geschichtlichkeit Jesu

Die Gründe für die Zweifel an der historischen Existenz Jesu ergaben sich u. a. aus der Tatsache, dass Paulus, der Verfasser der ältesten Schriften im Neuen Testament, kaum etwas Nennenswertes über das Leben Jesu berichtet. Entweder gab es nichts Konkretes darüber zu berichten oder es hat ihn nicht interessiert.

Was die Zweifel aber wohl noch eher förderte, war der Umstand, dass es, über die neutestamentlichen Schriften hinaus, keine beweiskräftigen Zeugnisse zeitgenössischer Historiker gab. Besonders erstaunlich ist dabei, dass sich nicht nur bei den römischen, sondern insbesondere auch bei den jüdischen Historikern nichts über Jesus findet. Die Schriften des bekannten jüdischen Historikers Flavius Josephus (37/38-nach 100), der Johannes den Täufer, Pilatus und Herodes erwähnt, enthalten zwar auch eine Passage über Jesus, in der seine Wundertaten und seine Auferstehung bezeugt sind. Diese wurde jedoch längst als christliche Fälschung entlarvt. Wahrscheinlich ist sie erst im 3. Jahrhundert eingefügt worden.

Schon den antiken Christen erschien Jesu historische Bezeugung derart dürftig, dass sie ein Schreiben von ihm an den König Abgar Ukhama von Edessa (4 v.- 50 n. Chr.), einen Brief des Pilatus an Kaiser Tiberius und andere ähnliche Produktionen fälschten."

Christliche Theologie interessiert sich nicht für den historischen Jesus


Bei keinem der Verfasser der im NT gesammelten Schriften lässt sich ein Interesse an historisch korrekten Informationen über den Menschen Jesus erkennen. Berücksichtigt man entsprechende Tendenzen in der damaligen Gesellschaft, so erscheint es als nicht sonderlich ungewöhnlich, dass sich die unterschiedlichen Schreiber stattdessen einem Mythos, dem Mythos vom Gottmenschen Christus, verschrieben.

Die Transformation des Menschen Jesus zur Kunstfigur Christus beginnt bei Paulus. Sie setzt sich fort über die drei synoptischen Evangelien und erreicht ihren Höhepunkt im Johannesevangelium, in dem Christus schließlich gleichgesetzt wird mit dem präexistenten »Logos« (s. auch hier). Dieser Prozess der Vergottung des Menschen Jesu war eine Folge der Konkurrenz zwischen den diversen antik-hellenistischen Religionen bzw. Mysterienkulten, in denen die Auffassung vorherrschte, dass nur «Götter» den Menschen die »Erlösung« bzw. das »Heil« bringen konnten. Das frühe Christentum war nichts anderes als ein Mysterienkult unter anderen.

Nicht Jesus, sondern Christus – die Hierarchie setzt auf den Placeboeffekt


Erich Fromm (1900-1980) reflektierte in seinem Essay Das Christusdogma sozialpsychologische Aspekte der Entwicklung des frühen Christentums. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Rolle, die Jesus bzw. Christus dabei spielte, bzw. auf der Rolle, die dieser zentralen Gestalt von den führenden Köpfen der neuen Religion zugewiesen wurde. Fromm machte deutlich, dass der Gallionsfigur des Christentums im Rahmen der Überlieferung eine entscheidende Wandlung widerfuhr: "Aus dem zum Gott gewordenen Menschen wird der Mensch gewordene Gott." Parallel dazu verlief eine ebenso bedeutende Wandlung der Religion in enger Wechselbeziehung mit der Gesellschaft: Aus der Religion "der untersten unterdrückten Schichten" wurde eine Religion "der Führer und Geführten zugleich" und zwar "unter der Führung der herrschenden Klasse" .

Für die beiden, sich gegenseitig bedingenden, Wandlungen war die hier diskutierte Frage nach der Geschichtlichkeit Jesu ohne Belang.
Erich Fromm bestätigt dies vom Standpunkt der Sozialpsychologie lapidar:
"Das Problem der Historizität Jesu braucht uns in diesem Zusammenhang nicht zu beschäftigen. Selbst wenn die urchristliche Verkündigung das Werk einer einzelnen Persönlichkeit gewesen wäre, so ist die Tatsache ihrer gesellschaftlichen Wirkung nur aus der Klasse, an die diese Verkündigung gerichtet war und von der sie aufgenommen wurde, zu verstehen, und nur das Verständnis von deren psychischer Situation ist für uns hier wichtig. Es ist dabei gleichgültig, ob sie sich eine reale Persönlichkeit, die ihren Wünschen entspricht, zum Führer wählt, oder das Bild eines Führers, wie sie ihn sich wünscht, fantasiert."
Am Beispiel des Christentums stellt Fromm also fest, dass es für die jeweiligen Gläubigen einer Religion gleichgültig ist, ob der Gegenstand ihres Glaubens eine reale Persönlichkeit oder ein entsprechendes, nur in ihrer Fantasie existierendes, Bild ist. Die Wirkung auf die "psychische Situation" der Gläubigen ist dieselbe. Nach dieser Erkenntnis kann ebenso lapidar gesagt werden: In der Medizin bezeichnet man das analoge Phänomen schlicht als Placeboeffekt.

Albert Schweitzer stellt eine "religionsphilosophische Frage"

Ein namhafter Theologe, dem "intellektuelle Redlichkeit", zumindest in seinen wissenschaftlichen Studien, m. E. nicht abgesprochen werden kann, war Albert Schweitzer (1875-1965). Dies ist in seiner 1906 erschienenen umfangreichen Geschichte der Leben-Jesu-Forschung spürbar. Er äußert darin erstaunliche Gedanken und bürstet dabei gegen den gewohnten theologischen "Strich". Im Abschnitt, in dem er sich mit den radikalen Leugnern, u. a. mit dem Philosophen Arthur Drews (1865-1935), und mit den theologischen Verteidigern der Geschichtlichkeit Jesu befasst, kann man Folgendes lesen (s. S. 512/513):
"Darum geht etwas wie ein Misston durch all dieses zuversichtliche Widerlegen hindurch. Es wirkt niederdrückend, dass die Theologie ihre geschichtliche Behauptung auf Leben und Tod verteidigen muss, weil davon ihre Religion abhängt.

Dazu kommt, dass vom Standpunkt des strengen wissenschaftlichen Denkens aus sowohl die positive wie die negative Ansicht überhaupt nicht auf zwingende Art zu beweisen sind. Im letzten Grunde bleibt jede geschichtliche Behauptung, die sich auf vergangene, von uns nicht mehr direkt nachzuprüfende Zeugnisse stützen muss, eine Hypothese. […]

Darum ist die religionsphilosophische Frage viel wichtiger als alles geschichtliche Beweisen und Widerlegen. Das moderne Christentum muss von vornherein und immer mit der Möglichkeit einer eventuellen Preisgabe der Geschichtlichkeit Jesu rechnen. Es darf also seine Bedeutung nicht künstlich dahin steigern, dass es alle Erkenntnis auf ihn zurückführt und die Religion »christozentrisch« ausbaut. Der Herr kann immer nur ein Element der Religion sein; nie aber darf er als Fundament ausgegeben werden.

Anders ausgedrückt: Die Religion muss über eine Metaphysik, das heißt eine Grundanschauung über das Wesen und die Bedeutung des Seins, verfügen, die von Geschichte und überlieferten Erkenntnissen vollständig unabhängig ist und in jedem Augenblick und in jedem religiösen Subjekt neu geschaffen werden kann. Besitzt sie dieses Unmittelbare und Unverlierbare nicht, so ist sie Sklave der Geschichte und muss sich in knechtischem Geiste fortwährend gefährdet und bedroht sehen."
Im Kapitel 25 Schlussbetrachtung formuliert Schweitzer folgendes Fazit seiner umfangreichen Forschungen:
"Der Jesus von Nazareth, der als Messias auftrat, die Sittlichkeit des Gottesreiches verkündete, das Himmelreich auf Erden gründete und starb, um seinem Werk die Weihe zu geben, hat nie existiert. Er ist eine Gestalt, die vom Rationalismus entworfen, vom Liberalismus belebt und von der modernen Theologie in ein geschichtliches Gewand gekleidet wurde." (S. 620)
Annahme der Existenz des "historischen Jesu"

Wie aus den bisherigen Überlegungen deutlich wurde, ist die Geschichtlichkeit Jesu für die Glaubenspraxis des organisierten Christentums ohne jede Bedeutung. Dennoch halte ich es für sinnvoll und notwendig, eine Antwort auf die Frage nach der realen Existenz des Menschen Jesu zu suchen, zumal dann, wenn es der Anspruch an intellektuelle Redlichkeit unmöglich macht, einer Kunstfigur auch nur den geringsten Einfluss auf das eigene Bewusstsein zuzugestehen.

Da – bis auf weiteres – wohl keine der gegensätzlichen Positionen in der Lage sein wird, überzeugende Beweise vorzulegen, neige ich dem pragmatischen Ansatz zu, der Position mit der etwas größeren Wahrscheinlichkeit den Vorzug zu geben. Der Grad der angenommenen Wahrscheinlichkeit stützt sich insbesondere auf die Ergebnisse der Analyse von Jesus-Worten und -taten in den überlieferten Texten des NT. Theologen haben Prüfkriterien entwickelt, mit deren Hilfe es möglich wurde, eher "echte" von eher "unechten" Jesus-Worten und -taten zu unterscheiden. Nach Auffassung des Theologen Gerd Lüdemann (*1946) lässt sich insbesondere daraus die Wahrscheinlichkeit der historischen Existenz Jesu herleiten:
"Der entscheidende Grund dafür, die historische Existenz Jesu anzunehmen, ergibt sich aus der Einzelanalyse der vorhandenen Jesus-Texte selbst. Sie hat nicht nur die meisten von ihnen als unecht, sondern auch einen überschaubaren Kern als echt erwiesen. Im Zug der Analyse schälten sich Methoden heraus, authentische und nichtauthentische Texte voneinander zu trennen."
Echt oder unecht – für die frühen Christen ohne Bedeutung

Anhand Jesu »Gebot der Feindesliebe« (s. Mt 5,44) zeigt Herbert Braun beispielhaft auf, welches Kriterium für dessen Echtheits- oder Unechtheits-Nachweis in Frage kommt: Ein Jesuswort ist wahrscheinlich echt, wenn es "jüdischem Denken widerspricht". Er führt weiter aus:
"Hier ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Annahme gerechtfertigt, dass wir in solch einem Spruch der Tradition ein Wort aus dem Munde Jesu, ein echtes Jesuswort vor uns haben. Ich sagte: »mit großer Wahrscheinlichkeit«. Denn ausgeschlossen ist es auch in diesem Falle nicht, dass ein judenchristlicher Überlieferer die Art Jesu gut begriffen, aber den Spruch gleichwohl selber formuliert hat; dass solch ein Wort zwar typisch für Jesus, aber trotzdem – was die Formulierung anlangt – unecht ist. Ich hoffe die Situation der Forschung ist aus alledem dem Leser grundsätzlich klar geworden: eine absolute Sicherheit gibt es nicht; aber bei entsprechender Vorsicht kann das Urteil einen mehr oder minder hohen Grad der Wahrscheinlichkeit erreichen."
Es spricht für die intellektuelle Redlichkeit Herbert Brauns, dass er ganz unmissverständlich klarstellt: "Eine absolute Sicherheit gibt es nicht". Daraus leitet sich m. E. die große Verantwortung für alle Theologen ab, die sich mit der Interpretation von Jesus-Worten und -Taten befassen.

Nach meiner Erfahrung sind sich insbesondere die Theologen auf den Kanzeln dieser Verantwortung kaum bewusst. Sie gehen in ihren Predigten sehr unbekümmert, um nicht zu sagen: leichtfertig, mit den einschlägigen Textpassagen aus dem Neuen Testament um.

Von den Überlieferern, den Schreibern, Abschreibern, Nacherzählern oder Dichtern der frühchristlichen Schriften wurden Jesus Worte über das baldige Weltende, über das Kommen des Reiches Gottes bzw. über die bevorstehende eigene Wiederkunft in den Mund gelegt. Dieser Jesus weissagte zudem, dass die angekündigten "letzten Dinge" noch zu Lebzeiten mancher seiner Zuhörer geschehen würden.
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Christel »

Von Atheisius:
"Textübernahme (in Auszügen) von Arthur Lechelt:
Quelle:"

Man kann auch mit Zitaten ein Forum zu müllen! Insbesondere über Jesus...findet man die widersprüchlichsten Aussagen/Deutungen.
Wer immer nur zitiert, sich bestenfalls die Zitate aussucht, die ihm in den Kram passen, der bedient sich wohl kaum seines eigenen Verstandes.

Wie ist es nun mit der Aufklärung, dem Aufbruch aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit? Solange man einfach nur plappert, was einem "Vordenker" eintrichtern, bedient man sich wohl kaum des eigenen Verstandes.

Ateisius, wie wärs denn Mal mit Selberdenken?

Dich scheinen ja nicht Mal die Inhalte Deiner Zitate zu interessieren, so dass man mit Dir über diese Inhalte wirklich diskutieren könnte.. Ich hatte schon Mal darauf hingewiesen, Du zitierst seit Jahren Dinge, die sich widersprechen, Hauptsache sie sind gegen das Christentum.

Dies zeigt, dass Du an der Wahrheit nicht interessiert bist!
Es geht Dir nur um Dein eigenen Ego, andere abwerten, um selbst als der Großartige dazustehen.
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Christel schrieb:
Wie ist es nun mit der Aufklärung, dem Aufbruch aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit? Solange man einfach nur plappert, was einem "Vordenker" eintrichtern, bedient man sich wohl kaum des eigenen Verstandes.
Du beziehst dich hier auf Immanuel Kant
Was plappert denn Kant hierzu?


Als Professor für Metaphysik und Logik hatte er - mit Vorlesungen und einer Unzahl kleiner Schriften, nicht zuletzt mit seiner drei Jahre zuvor veröffentlichten "Kritik der reinen Vernunft", gewaltiges Aufsehen gemacht, und überall galt er als unbestechlich freier Geist, niemanden und nichts als seinem Denken untertan.

Selbst schuld!

Die Schrift "Was ist Aufklärung?" begann denn auch ohne Umschweif mit einer endgültigen Definition:
"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit". Und Kant erläuterte: "Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung." Als Ursachen der Unmündigkeit hielt er dem Volk "Faulheit und Feigheit" vor und verlangte von jedem - ob Untertan, ob Fürst: "Freiheit, und zwar die unschädlichste unter allen, nämlich die, von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen."
Bleiben wir doch mal bei Kant

Kant wendet sich ausdrücklich gegen jede „statutarische“ Religion, also gegen jede Religion, deren Gebote durch bloße Autorität (z. B. durch Gott, durch die Bibel, durch einen absoluten Herrscher usw.) gelten. Wirklich moralisch können für Kant nur diejenigen moralischen Pflichten sein, die sich durch reine Vernunft erkennen lassen. Gegen eine dogmatisch verstandene Religion hatte Kant sich bereits in seiner berühmten Schrift Was ist Aufklärung? gewendet. In diesem Sinne fordert Kant eine „Vernunftreligion“, die jeden blinden Glauben – etwa den Glauben an Offenbarungsweisheiten, den Kant als „Afterdienst“ bezeichnet – überwindet und allein auf dem Fundament der Vernunft ruht. Über die „wahre Religion“, die Vernunftreligion, sagt Kant daher:
„Die wahre, alleinige Religion enthält nichts als Gesetze, d. i. solche praktische Principien, deren unbedingter Nothwendigkeit wir uns bewußt werden können, die wir also als durch reine Vernunft (nicht empirisch) offenbart anerkennen. Nur zum Behuf einer Kirche, deren es verschiedene gleich gute Formen geben kann, kann es Statuten, d. i. für göttlich gehaltene Verordnungen, geben, die für unsere reine moralische Beurtheilung willkürlich und zufällig sind. Diesen statutarischen Glauben nun (der allenfalls auf ein Volk eingeschränkt ist und nicht die allgemeine Weltreligion enthalten kann) für wesentlich zum Dienste Gottes überhaupt zu halten und ihn zur obersten Bedingung des göttlichen Wohlgefallens am Menschen zu machen, ist ein Religionswahn, dessen Befolgung ein Afterdienst, d. i. eine solche vermeintliche Verehrung Gottes ist, wodurch dem wahren, von ihm selbst geforderten Dienste gerade entgegen gehandelt wird.“
Für Kant ist also nur das „wahre Religion“, was durch jeden einzelnen Menschen selbst aus reiner Vernunft heraus nachvollzogen werden kann. Die Offenbarung würdigt Kant zwar in ihrer Bedeutung für den geistigen Fortschritt der Menschheit, betrachtet sie aber als eine zu überwindende Stufe der menschlichen Entwicklung.
Der Mensch bedurfte des Offenbarungsglaubens nur so lange, wie er für den vernünftigen („reinen“) Glauben noch nicht mündig genug war.

„Himmlische Einflüsse in sich wahrnehmen zu wollen, ist eine Art Wahnsinn, in welchem wohl gar auch Methode sein kann (weil sich jene vermeinte innere Offenbarungen doch immer an moralische, mithin an Vernunftideen anschließen müssen), der aber immer doch eine der Religion nachtheilige Selbsttäuschung bleibt.“
Die organisierte Religion (In Kirchen) erfüllte Kant mit Zorn. Jedem, der Kant persönlich kannte, war klar, daß ihm der Glaube an einen persönlichen Gott fremd war. Gott und Unsterblichkeit hatte er zwar postuliert, glaubte aber selbst an keines von beiden. Seine feste Überzeugung war, daß derartige Glaubensvorstellungen lediglich eine Sache des „individuellen Bedürfnisses“ seien. Er selbst empfand kein derartiges Bedürfnis.

Kant zählt auf die Vernunft

Kant geht davon aus, dass der Mensch autonom ist, sich selbst bestimmt. Er muss sich von Gott in Sachen Moral nichts vorschreiben lassen. Kant ist nämlich überzeugt, dass jeder Mensch selbst entscheiden kann, was gut und was böse ist. Und dass alle Menschen, wenn sie ihre Vernunft einsetzen, dieselben moralischen Werte ins Zentrum ihres Handelns stellen. Gott braucht es dafür nicht.
Mit religiösem Fanatismus hätte der Aufklärer nichts anfangen können. Denn fanatische Gläubige lassen sich von ihrer Religion vorschreiben, was richtig und was falsch ist.

Gläubige sind nicht zu überzeugen

„Echte“ (also halsstarrige) Gläubige, lassen sich durch rationale Argumente nicht von ihren Vorstellungen abbringen. Ohnehin ist es schwierig, jemanden mittels Argumenten von der Unhaltbarkeit einer Annahme zu überzeugen, zu der er nicht durch Argumente gefunden hat.
Auch wenn viele Indizien gegen die Richtigkeit ihres Glaubens sprechen, so können sie sich in der Not doch noch hinter einem letzten Einwand verschanzen, nämlich dem Argument, dass der Kritiker die Nichtexistenz des von ihnen geglaubten Gottes stringent beweisen kann.
Wie könnte es auch anders sein?
Es ist prinzipiell so, das Nichtexistenzen nicht bewiesen werden können. Niemand kann die Nichtexistenz dieses imaginären Wesens beweisen.
Allerdings: Ein solcher Beweis wäre auch gar nicht notwendig. Warum? Weil nicht derjenige, der die Existenz des christlichen (oder eines anderen) Gottes bestreitet, Beweise erbringen muss, sondern derjenige der solche gewagten Thesen vertritt.
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)
Christel
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Christel »

Von Ateisius:
Mit religiösem Fanatismus hätte der Aufklärer nichts anfangen können. Denn fanatische Gläubige lassen sich von ihrer Religion vorschreiben, was richtig und was falsch ist.
Atheisius, ist denn Dein Fanatismus besser?

Handelst Du schon im Sinne der Aufklärung, nur weil Du Dich nicht als religiös verstehst?

Du sagst es gibt keinen Gott! Gut, das ist Deine Meinung.

Ansonsten konnte ich bei Dir, trotz jahrelanger Diskussion, noch keine eigene Meinung feststellen. Gerade was Jesus und Paulus betrifft zitierst Du die widersprüchlichen Meinungen. Offensichtlich hast Du keine eigene Meinung dazu.

Ist man schon tolerant, wenn man keine eigene Meinung hat? Bedient man sich seines eigenen Verstandes, wenn man nicht in der Lage ist, sich eine eigene Meinung zu bilden? Zeugt es wirklich von Toleranz, wenn man gnadenlos, die Menschen bekämpft, die eine Meinung zu diesen Fragen haben?

Was Deinen Fanatismus betrifft, da muss man hier lange nach einem Christen suchen, der da mithalten kann. - Ich kenne keinen.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Holuwir »

Hallo Christel,
diese Frage ist noch offen:
Holuwir hat geschrieben: Freitag 2. Mai 2025, 17:00
Christel hat geschrieben: Mittwoch 30. April 2025, 19:00 Damit zeigt er gleichzeitig, dass er noch immer ganz tief mit beiden Beinen in dieser Lehre der Zeugen Jehovas verwurzelt ist. Oder, weshalb ist „Schöpfung oder Evolution?“ für ihn eine alternativlose These?
[...]
Auch in Diskussionen über die Bibel und dem Gottesbild hat sich Holuwir bisher nicht einen Millimeter von den Lehren der Zeugen Jehovas wegbewegt.
Unter "wegbewegen" verstehst du ja wohl, dass ich deine Ansicht übernehmen solle, die Evolutionstheorie sei mit der Schöpfungsthese vereinbar. Aber dafür müsstest du mir schon Gründe nennen. Bisher kann ich nur einen persönlichen Grund erkennen, nämlich dass du suggerieren willst, dein Glaube sei mit den Forschungsergebnissen der Wissenschaft kompatibel. Um aber deine Meinung, ein Gott habe sich bei seinem Schöpfungswerk der Evolution bedient, übernehmen zu können, brauche ich sachliche Gründe. Welche wären das?
Also wie begründest du deine These? Wie kommst du überhaupt darauf? Welche eigene Meinung hast du dazu?
Alle Indizien sprechen für Selbstentstehung, keine für Schöpfung und es gibt keine Indizien contra Selbstentstehung, jedoch viele contra Schöpfung. Warum also sollte ich gegen alle Vernunft an Schöpfung glauben?
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Christel »

Ich musste nicht erst darauf kommen.

Du begehst einen Denkfehler, wenn Du von Dir und Deinen Erfahrungen ausgehst. Deine Erfahrungen sind nicht deckungsgleich mit den meinen.

Ich habe die fundamentalistische Bibelinterpretation, wie sie u.a. die Zeugen Jehovas vertreten erst später gelernt durch deren Mission. Noch viel später in Eurem Aussteigerforum war ich irritiert von den ellenlangen Diskussionen "Schöpfung oder Evolution?", den Sinn darin habe ich bis heute nicht verstanden.

Das Alte Testament wurde mir zunächst als biblische Geschichten vermittelt. Für mich waren das zunächst nur Geschichten.

Die Schöpfungstexte wurden mir dann später so erklärt, wie ich Dir das bereits geschrieben haben. - Das bedeutet, ich bin nie den Weg über Bibelfundmentalismus gegangen.

Rückblickend hat mich als Jugendliche ein Kaplan wohl am meisten geprägt, der Mitverfasser von Das Wort an die Geminde war.
Darin wurde jeweils ein Bibeltext historisch-kritisch analysiert, gefolgt von einer Meditation und zwei Predigtvorschlägen.

Dieser Kaplan war nicht nur ein hervorragender Theologe, sondern auch ein toller Mensch. Leider ist er früh gestorben. Ich habe ihm viel zu danken, er hat mein Verhältnis zur Katholischen Kirche entscheidend mitgeprägt.

Ich kann Dir nichts erklären als das, was ich schon getan habe. Nur Du selbst kannst akzeptieren, dass auch andere Sichtweisen möglich sind oder es auch lassen.
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Holuwir »

Christel hat geschrieben: Samstag 3. Mai 2025, 14:43 Ich musste nicht erst darauf kommen.
Aber sicher doch! Wir müssen alle "erst drauf kommen". Unsere Meinung sind Gedanken in unserem Gehirn, die sich irgendwann, i. d. R. durch äußere Einflüsse, gebildet haben.

Also wenn ich dich richtig verstehe, hast du die Schöpfungsidee von einem Kaplan vermittelt bekommen, der dir sehr viel bedeutet. Er hat dir erklärt, dass das Leben auf der Erde in seiner ganzen Vielfalt dadurch zustandegekommen ist, dass ein Gott die Evolution gesteuert hat. Das hast du für dich so übernommen, ohne dir eigene Gedanken darüber zu machen? Sei's drum, dann ist eben die Frage, wie dieser Kaplan drauf kommt. Hat er es auch nur von jemand anderem übernommen? Aber irgendjemand muss sich das ja einmal ausgedacht haben. Wie kam der- oder diejenige darauf? Es muss doch einen Grund dafür geben. Hast du dir noch nie darüber Gedanken gemacht? Immer alles einfach so hingenommen?
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Christel »

Nein!
Weder ich noch er sind von Deinem Bibelverständnis ausgegangen. Erst dieser "naturwissenschaftliche" Ansatz macht es nötig Schöpfung und Evolution in Einklang zu bringen. Das ist natürlich gerade mit Genesis 1- 2,4a möglich, wo vom Stammbaum, der Geschlechterfolge der Entstehungen gesprochen wird. (Das habe ich erst viel später gelernt.)

Geht man jedoch von den Forderungen des 2. Vatikanischen Konzis aus wie es im Konzilstext Dei Verbum gefordert wurde, dann kann man es so nicht machen. Letztlich ging es bei der Entstehung der Predigthilfen darum die Forderungen des Konzils umzusetzen, dass heißt, man muss davon ausgehen, was die Verfasser der biblischen Texte aussagen wollten.

Diese hatten ganz andere Probleme zu lösen als "Schöpfung oder Evolution". Dieser fundamentalistische Ansatz ist keineswegs bibeltreu, wie er sich gern ausgibt, denn er liest die Fragestellungen unserer Zeit oder genauer des 19. Jahrhunderts in die Texte hinein. Erst dadurch entstehen heutige Problemstellungen, die meilenweit von denen der Verfasser der Texte entfernt sind.

Zudem stehen in der Genesis zwei unterschiedliche bezüglich des Ablaufs des Schöpfungshergangs sich widersprechende Bibeltexte nebeneinander. Dies zeigt deutlich, dass es den späteren Redakteuren, die die Texte nebeneinander stellten, nicht um den Ablauf des Schöpfungshergans ging.

Nicht die Bibelschreiber, aber sämtliche heutige Bibel Fundamentalisten sehen sich genötigt diese Texte so umzudeuten, dass sie harmonisch zusammen passen. - Um dem zu folgen, müßte ich meinen Verstand abschalten.
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Holuwir »

Christel hat geschrieben: Samstag 3. Mai 2025, 22:33 Nein!
Weder ich noch er sind von Deinem Bibelverständnis ausgegangen. Erst dieser "naturwissenschaftliche" Ansatz macht es nötig Schöpfung und Evolution in Einklang zu bringen.
Wer von welchem Bibelverständnis ausgegangen ist, steht hier doch überhaupt nicht zur Debatte. Du propagierst Schöpfung durch Evolution und ich frage dich, wie du darauf kommst. Dafür müssen doch du oder deine Vordenker irgendwelche Anhaltspunkte haben. Das hat nichts mit meinem oder deinem oder sonstwessen Bibelverständnis oder irgendwelchen Konzilsbeschlüssen zu tun. Du behauptest die Schöpfung-durch-Evolution-These. Mir ist völlig egal, wie du darauf kommst. Ich will es nur von dir erfahren, fordere dich auf, diese These zu begründen. Das ist alles.
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Christel »

"Du propagierst Schöpfung durch Evolution und ich frage dich, wie du darauf kommst. Dafür müssen doch du oder deine Vordenker irgendwelche Anhaltspunkte haben."

Ich propagieren hier überhaupt nichts!
Du bedrängst mich zu erklären WIE Schöpfung abgelaufen sein könnte.Du bist es, der auf Antworten besteht.

Wenn die Naturwissenschaft herausgefunden hat, dass sich unsere Welt entwickelt hat, dann gibt es für mich keinen Grund dies in Frage zu stellen, auch keinen biblischen Grund.
Gott ist zwar unabhängig von der Schöpfung, er ist der Grund allen Seins, jedoch durch seinen Schöpfergeist beständig in ihr gegenwärtig.

Und wenn Du nach Vordenkenrn fragst, die kannst Du selbst und findest Du auch im Internet.
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Re: Was die Welt Im Innersten zusammenhält

Ungelesener Beitrag von Holuwir »

Mit anderen Worten: Die Schöpfungsidee ist rein erfunden. Nichts daran ist wahr. Sie dient lediglich der Menschenführung.
Alle Indizien sprechen für Selbstentstehung, keine für Schöpfung und es gibt keine Indizien contra Selbstentstehung, jedoch viele contra Schöpfung. Warum also sollte ich gegen alle Vernunft an Schöpfung glauben?
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