Senator Ernie Chambers verklagt Gott
Verfasst: Montag 12. Januar 2009, 14:32
Eine Nachricht aus der Zeitung
Krieg, Pest, Erdbeben – Senator Ernie Chambers aus dem US-Bundesstaat Nebraska hat viele Gründe, um den Allmächtigen zu verklagen. Ein Spinner ist er nicht, aber er hat eine besondere Art, Dinge in der Politik zu bewegen.
Doch während er bisher gegen irdische Missstände und Feinde kämpfte, hat er sich diesmal einen ganz besonderen Gegner gesucht: Vor dem Gericht seiner Heimatstadt hat er Gott verklagt.
Jetzt hat Gott per Brief geantwortet.
Senator in Jeans und T-Shirt
Ernie Chambers ist Senator in der gesetzgebenden Versammlung seines Bundesstaates. Anders als seine Kollegen trägt er beim Gesetzemachen nicht Anzug und Schlips, sondern Jeans und T-Shirt. Politisch steht er weit links. „Das hier ist Nebraska“, soll er mal gesagt haben, „ein entsetzlicher Ort, ein ultrakonservativer, ultrarassistischer Staat. Ich würde keinem Schwarzen empfehlen, hierherzuziehen.“
Warum lebt Ernie Chambers dann in Nebraska? Schließlich ist seine Hautfarbe Schwarz. Warum sitzt er jetzt schon seit 35 Jahren im Senat dieses Bundesstaates – als dessen ältestes Mitglied seit Menschengedenken? Ernie Chambers macht Spaß, was er tut. Er ist ja nicht nur berühmt, er ist vor allem berüchtigt. Als ordentliche Prophetengestalt verfügt er auch über rhetorisches Talent: Seine Reden dauern oft Stunden und legen den parlamentarischen Betrieb lahm – „filibustern“ nennt man diese Taktik in den USA. Und ein paar Steine hat er ebenfalls ins Rollen gebracht.
So hat Mr Chambers seine Mitsenatoren so lange gestriezt, bis sie Regelungen verabschiedeten, nach denen Prügelstrafe in Schulen verboten war und Frauen dieselben Pensionsansprüche hatten wie Männer. Und alle Jahre wieder bringt er eine Gesetzesvorlage gegen die Todesstrafe ein.
Chambers hat versucht, mit Gott zu reden
Nun hat Chambers also Gott verklagt. Hier sollte man einflechten, dass Naturkatastrophen im Englischen „Acts of God“ heißen, also „Taten Gottes“. Ungläubige benutzen diesen Ausdruck meist, ohne groß darüber nachzudenken, und Gläubige verwenden ihn, ohne bis ins Innerste zu erschauern.
Chambers hat den Ewigen und Einzigen mit unbeugsamem Willen zum Stabreim angeklagt wegen (man muss es im Original zitieren) „fearsome floods, egregious earthquakes, horrendous hurricanes, terrifying tornadoes, pestilentious plagues, ferocious famines, devastating droughts, genocidal wars, birth defects and the like“. Übersetzung: fürchterliche Überschwemmungen, ungeheuerliche Erdbeben, entsetzliche Orkane, grimmige Hungersnöte, verheerende Dürren, dazu Pest, Kriege, Geburtsschäden – das volle Register. In der Anklage heißt es auch, Gott habe in der Vergangenheit Terrordrohungen mit großem Schaden für viele Personen ausgestoßen und fahre fort, diese auszustoßen. „Unter den Geschädigten befinden sich Angehörige des Wahlkreises des Klägers, die zu vertreten Aufgabe des Klägers ist.“
Ernie Chambers sagt, er habe oft versucht, mit Gott zu reden. Jedoch: „Dem Kläger war es trotz vernünftiger Versuche, mit dem Angeklagten persönlichen Kontakt zu erzielen – nach dem Motto: Komm raus, komm raus, wo immer du sein magst – nicht möglich, dies zu tun.“
Der Hiob der Neuzeit
Senator Ernie Chambers hat bei alldem ein großes, ein biblisches Vorbild. Hiob, der fromme Mann aus dem Lande Uz, war ja keineswegs nur der große Dulder. Er lehnte sich auch auf gegen den göttlichen Ratsschluss; er beharrte darauf, dass das Unglück, das ihn vom Himmel hoch befallen hatte, den Falschen traf. Auch Hiob wollte – wie Senator Chambers – die Sache gern mal persönlich mit Gott bereden: „Ach, dass ich wüsste, wie ich ihn finden und zu seinem Thron kommen könnte! So würde ich ihm das Recht darlegen und meinen Mund mit Beweisen füllen.“
Chambers hat beantragt, Gott möge auf einen Anwalt verzichten, da er bekanntlich allwissend sei, einer Verteidigung also nicht bedürfe. Hiob war noch raffinierter: Er sagte, dass Gott selbst sein Anwalt und Richter sei, der ihn gegen das Unrecht in Schutz nehmen werde. Anders gesagt: Hiob rief Gott als Bundesgenossen gegen Gott auf – ein gewagtes juristisches Manöver.
Spätestens hier ist jedoch anzumerken, dass Mr Chambers – Prophetenmähne hin oder her – nicht an Theologie dachte, als er sein Verfahren anstrengte. Er wollte lediglich die amerikanische Rechtspraxis vorführen, dass jeder jederzeit jeden auch aus absurden Gründen vor den Kadi schleppen kann.
Weder verrückt noch exzentrisch
Am Telefon wirkt er weder verrückt noch exzentrisch, sondern sachkundig, freundlich und ernsthaft: „Hier stehen zwei Dinge gegeneinander“, sagt er. „Auf der einen Seite steht das Recht, dass jeder Klage führen darf – auf der anderen Seite die juristische Praxis, dass Klagen häufig aus unseriösen Gründen erhoben werden.“
Ihn habe ein Vergewaltigungsprozess dazu gebracht, seine Klage gegen Gott anzustrengen; ein Vergewaltigungsprozess, in dem der Richter der Klägerin verbot, das Wort „Vergewaltigung“ in den Mund zu nehmen. „Das Wort Vergewaltigung (rape) existiert im Gesetzbuch von Nebraska nicht“, erklärt Ernie Chambers. „Stattdessen ist dort von sexuellem Angriff (sexual assault) in verschiedenen Stufen die Rede. Der Richter befand, die Zeugin präjudiziere die Geschworenen, wenn sie von Vergewaltigung spreche.“ Chambers hofft, dass durch seinen Vorstoß juristische Absurditäten es künftig schwerer haben könnten.
Schade, dass er seine Klage nicht ernst meint. Schließlich fällt sie zwischen die jüdischen Feiertage Rosch Haschana und Jom Kippur, also zwischen Neujahrs- und Versöhnungstag (das sei Zufall, versichert er, vom jüdischen Kalender habe er keine Ahnung). Doch was gedenkt Chambers zu tun, sollte Gott dieser Tage doch antworten, womöglich aus einer Gewitterwolke? „Entweder Gott gibt sich rational“, sagt er, „dann werden wir uns wie zwei gesittete Gentlemen unterhalten. Oder er antwortet so, wie er es einst nach seiner Wette mit Luzifer mit Hiob getan hat. Dann wird von mir nicht mehr genug übrig sein, dass man mich mit einem Kaffeelöffel aufklauben kann.“
Offenbar hat sich Gott für die erste Variante entschieden.
Denn am Donnerstag fand ein Justizangestellter des Gerichts in Ohama einen mit „Gott“ unterzeichneten Brief auf seinem Schreibtisch. Darin macht „Gott“ seine Immunität vor irdischen Gerichten geltend und bestreitet, für das Leid der Welt verantwortlich zu sein:
„Ich habe Mann und Frau mit freiem Willen geschaffen, und neben dem Versprechen eines unsterblichen Lebens ist der freie Wille mein größtes Geschenk für euch.“
Das könne auch Erzengel Michael vor Gericht bezeugen.
Quellenangabe:
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... _Gott.html
und
http://www.sueddeutsche.de/panorama/899/418664/text/
Gruß,
Heinrich5
Krieg, Pest, Erdbeben – Senator Ernie Chambers aus dem US-Bundesstaat Nebraska hat viele Gründe, um den Allmächtigen zu verklagen. Ein Spinner ist er nicht, aber er hat eine besondere Art, Dinge in der Politik zu bewegen.
Doch während er bisher gegen irdische Missstände und Feinde kämpfte, hat er sich diesmal einen ganz besonderen Gegner gesucht: Vor dem Gericht seiner Heimatstadt hat er Gott verklagt.
Jetzt hat Gott per Brief geantwortet.
Senator in Jeans und T-Shirt
Ernie Chambers ist Senator in der gesetzgebenden Versammlung seines Bundesstaates. Anders als seine Kollegen trägt er beim Gesetzemachen nicht Anzug und Schlips, sondern Jeans und T-Shirt. Politisch steht er weit links. „Das hier ist Nebraska“, soll er mal gesagt haben, „ein entsetzlicher Ort, ein ultrakonservativer, ultrarassistischer Staat. Ich würde keinem Schwarzen empfehlen, hierherzuziehen.“
Warum lebt Ernie Chambers dann in Nebraska? Schließlich ist seine Hautfarbe Schwarz. Warum sitzt er jetzt schon seit 35 Jahren im Senat dieses Bundesstaates – als dessen ältestes Mitglied seit Menschengedenken? Ernie Chambers macht Spaß, was er tut. Er ist ja nicht nur berühmt, er ist vor allem berüchtigt. Als ordentliche Prophetengestalt verfügt er auch über rhetorisches Talent: Seine Reden dauern oft Stunden und legen den parlamentarischen Betrieb lahm – „filibustern“ nennt man diese Taktik in den USA. Und ein paar Steine hat er ebenfalls ins Rollen gebracht.
So hat Mr Chambers seine Mitsenatoren so lange gestriezt, bis sie Regelungen verabschiedeten, nach denen Prügelstrafe in Schulen verboten war und Frauen dieselben Pensionsansprüche hatten wie Männer. Und alle Jahre wieder bringt er eine Gesetzesvorlage gegen die Todesstrafe ein.
Chambers hat versucht, mit Gott zu reden
Nun hat Chambers also Gott verklagt. Hier sollte man einflechten, dass Naturkatastrophen im Englischen „Acts of God“ heißen, also „Taten Gottes“. Ungläubige benutzen diesen Ausdruck meist, ohne groß darüber nachzudenken, und Gläubige verwenden ihn, ohne bis ins Innerste zu erschauern.
Chambers hat den Ewigen und Einzigen mit unbeugsamem Willen zum Stabreim angeklagt wegen (man muss es im Original zitieren) „fearsome floods, egregious earthquakes, horrendous hurricanes, terrifying tornadoes, pestilentious plagues, ferocious famines, devastating droughts, genocidal wars, birth defects and the like“. Übersetzung: fürchterliche Überschwemmungen, ungeheuerliche Erdbeben, entsetzliche Orkane, grimmige Hungersnöte, verheerende Dürren, dazu Pest, Kriege, Geburtsschäden – das volle Register. In der Anklage heißt es auch, Gott habe in der Vergangenheit Terrordrohungen mit großem Schaden für viele Personen ausgestoßen und fahre fort, diese auszustoßen. „Unter den Geschädigten befinden sich Angehörige des Wahlkreises des Klägers, die zu vertreten Aufgabe des Klägers ist.“
Ernie Chambers sagt, er habe oft versucht, mit Gott zu reden. Jedoch: „Dem Kläger war es trotz vernünftiger Versuche, mit dem Angeklagten persönlichen Kontakt zu erzielen – nach dem Motto: Komm raus, komm raus, wo immer du sein magst – nicht möglich, dies zu tun.“
Der Hiob der Neuzeit
Senator Ernie Chambers hat bei alldem ein großes, ein biblisches Vorbild. Hiob, der fromme Mann aus dem Lande Uz, war ja keineswegs nur der große Dulder. Er lehnte sich auch auf gegen den göttlichen Ratsschluss; er beharrte darauf, dass das Unglück, das ihn vom Himmel hoch befallen hatte, den Falschen traf. Auch Hiob wollte – wie Senator Chambers – die Sache gern mal persönlich mit Gott bereden: „Ach, dass ich wüsste, wie ich ihn finden und zu seinem Thron kommen könnte! So würde ich ihm das Recht darlegen und meinen Mund mit Beweisen füllen.“
Chambers hat beantragt, Gott möge auf einen Anwalt verzichten, da er bekanntlich allwissend sei, einer Verteidigung also nicht bedürfe. Hiob war noch raffinierter: Er sagte, dass Gott selbst sein Anwalt und Richter sei, der ihn gegen das Unrecht in Schutz nehmen werde. Anders gesagt: Hiob rief Gott als Bundesgenossen gegen Gott auf – ein gewagtes juristisches Manöver.
Spätestens hier ist jedoch anzumerken, dass Mr Chambers – Prophetenmähne hin oder her – nicht an Theologie dachte, als er sein Verfahren anstrengte. Er wollte lediglich die amerikanische Rechtspraxis vorführen, dass jeder jederzeit jeden auch aus absurden Gründen vor den Kadi schleppen kann.
Weder verrückt noch exzentrisch
Am Telefon wirkt er weder verrückt noch exzentrisch, sondern sachkundig, freundlich und ernsthaft: „Hier stehen zwei Dinge gegeneinander“, sagt er. „Auf der einen Seite steht das Recht, dass jeder Klage führen darf – auf der anderen Seite die juristische Praxis, dass Klagen häufig aus unseriösen Gründen erhoben werden.“
Ihn habe ein Vergewaltigungsprozess dazu gebracht, seine Klage gegen Gott anzustrengen; ein Vergewaltigungsprozess, in dem der Richter der Klägerin verbot, das Wort „Vergewaltigung“ in den Mund zu nehmen. „Das Wort Vergewaltigung (rape) existiert im Gesetzbuch von Nebraska nicht“, erklärt Ernie Chambers. „Stattdessen ist dort von sexuellem Angriff (sexual assault) in verschiedenen Stufen die Rede. Der Richter befand, die Zeugin präjudiziere die Geschworenen, wenn sie von Vergewaltigung spreche.“ Chambers hofft, dass durch seinen Vorstoß juristische Absurditäten es künftig schwerer haben könnten.
Schade, dass er seine Klage nicht ernst meint. Schließlich fällt sie zwischen die jüdischen Feiertage Rosch Haschana und Jom Kippur, also zwischen Neujahrs- und Versöhnungstag (das sei Zufall, versichert er, vom jüdischen Kalender habe er keine Ahnung). Doch was gedenkt Chambers zu tun, sollte Gott dieser Tage doch antworten, womöglich aus einer Gewitterwolke? „Entweder Gott gibt sich rational“, sagt er, „dann werden wir uns wie zwei gesittete Gentlemen unterhalten. Oder er antwortet so, wie er es einst nach seiner Wette mit Luzifer mit Hiob getan hat. Dann wird von mir nicht mehr genug übrig sein, dass man mich mit einem Kaffeelöffel aufklauben kann.“
Offenbar hat sich Gott für die erste Variante entschieden.
Denn am Donnerstag fand ein Justizangestellter des Gerichts in Ohama einen mit „Gott“ unterzeichneten Brief auf seinem Schreibtisch. Darin macht „Gott“ seine Immunität vor irdischen Gerichten geltend und bestreitet, für das Leid der Welt verantwortlich zu sein:
„Ich habe Mann und Frau mit freiem Willen geschaffen, und neben dem Versprechen eines unsterblichen Lebens ist der freie Wille mein größtes Geschenk für euch.“
Das könne auch Erzengel Michael vor Gericht bezeugen.
Quellenangabe:
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... _Gott.html
und
http://www.sueddeutsche.de/panorama/899/418664/text/
Gruß,
Heinrich5