Freiheit gegen Kinderporno?

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niels
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Freiheit gegen Kinderporno?

Ungelesener Beitrag von niels »

...und die Krönung:
BKA-Sperrliste soll geheim bleiben
Während unser guter Herr Würfelspitz es 2006/2007 - damals mittels der Webseiten rotten.com und ein paar "Nazi-Seiten" nicht schaffte endlich einen "ordentlichen" Internetfilter für das deutsche Internet zu etablieren, holt nun unsere Justizministerin aus und haut auf die Kinderporno-Pauke. Das Internet ist schlimm und Schuld - das kann man doch nicht dulden, oder?

Gibt es aber erstmal solche Filter (und die heute noch verfassunswidrige Infrastruktrur aus "Gesetzen" dazu), "dann kann endlich gefiltert werden, was das Zeug hält" und Leute wie Wiefelspütz, Schäuble & Co. bekommen das Internet endlich so "sauber", wie man es immer wollte. Was dann als "sauber" zu verstehen ist, bestimmt das BKA (nicht mal der Bundestag oder gar das Justizministerium).

Dann haben wir endelich unser Deutschland-Net - war das Internet doch den meisten Deutschen "eh viel zu gefährlich" in seiner "ungestümen" Freiheit. Frau von der Leyen will ich ja nichts nachsagen, aber ein Problem packt man richtig bei der Wurzel an - die liegt bei den Anbietern von Kinderporno wie den Kreditkartenfirmen, die die Zahlungen abwickeln und sich dumm wie dämlich verdienen. Warum sperrt man nicht die oder macht Druck auf diese (schließlich auch in Deutschland tätigen) Unternehmen a la VISA, Mastercard & Co.? Oder ist unsere Regierung hier einfach zu feige? Am Internet - das allen und niemand gehört - lässt es sich einfacher vergreifen. Außerdem gibt es so manch andere unliebsame Seite, die einige der Damen und Herren ungern weiter am Netz sähen.

Anbei findet Ihr den momentanen internen Gesetzesentwurf zwischen BKA und deutschen Internet-Providern (als PDF).

Hier ein paar Zitate und Quellen.
Der hier vorliegende Versuch des Bundesinnenministers, eine
´freiwillige´ Vorzensur ohne gesetzliche Grundlage zu schaffen, ist
ungeheuerlich. Flankiert durch die Bundesfamilienministerin von der
Leyen wird hier das Thema Kinderpornographie instrumentalisiert, um
eine Zensurautomatik für Internetseiten einzuführen. Mit dem
vorliegenden Vertragsentwurf wird nicht nur deutlich, dass das
Bundesinnenministerium offenbar überhaupt kein Interesse an einer
Strafverfolgung gegen die Täter hat, sondern eine geheime
Infrastruktur für das Zensieren von Internetseiten plant",
sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn.

Der volle Artikel ist hier zu lesen:
* http://www.ccc.de/press/releases/2009/20090212/
Die ursprünglich von Familienministerin von der Leyen vorgeschlagene
Ausblendung bzw. Sperrung von Webseiten soll durch einen Vertrag
zwischen dem Bundeskriminalamt (BKA) und den Internet-Service-
Providern (ISPs) als Zugangsanbieter zum Internet durchgeführt
werden. Der dem CCC zugespielte Vertrag, der den ISPs bereits
unterschriftsreif zugestellt wurde, verpflichtet die ISPs, ihren
Kunden den Zugang zu einer geheimen und somit nicht
rechtsmittelfähigen Liste von Domains zu verwehren.

Der Vertragsentwurf verpflichtet die ISPs, die nur werktags vom BKA
übermittelten Zensurlisten geheimzuhalten. Somit sieht sich der CCC
in seinen Befürchtungen [2] bestätigt, dass Frau von der Leyen
zusammen mit Innenminister Schäuble und dem BKA eine Vorzensur ohne
gesetzliche Grundlage einzuführen versucht.
Die BKA-Sperrliste soll allerdings auch geheim bleiben.

Chaos Computer Club fordert Erhalt der Freiheit im Netz
* http://www.ccc.de/updates/2008/freiheit-im-netz
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pOng
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Re: Freiheit gegen Kinderporno?

Ungelesener Beitrag von pOng »

Nicht nur, das es wohl jedem besseren Script-Kiddie gelingen würde diese "Filter" auszutricksen - auch die Anbieter von Kinderpornografie wird es wohl kaum treffen. Selbst in China ist es der Staatsführung bisher nicht gelungen einen wirksamen Filter zu etablieren, den die Einheimischen nicht ausgetrickst bekommen - und die geben viel Geld dafür aus.

Würde man aber den Anbietern von Kinderporno ans Geld gehen - d.h. an Kreditkartenfirmen, PayPal (eBay) & Co. - und z.B. von denen eine (gern auch kräftig strafbewährte) "Sebstverpflichtung" fordern, würde wohl kaum ein Anbieter derart hohe Umsätze per Kreditkarten fahren können. Wo das Geld landet, da findet man auch den Schuldigen. Bei Intersetseiten (oder gar Inhalten allgemein) ist das aber überhaupt nicht machbar. Viele der Abrufer / Käufer solcher Inhalte sind krank (was sie nicht zwangsweise entschuldigt, aber bei der Problemlösung zu berücksichtigen ist). Will man das Problem lösen, muß man die Anbieter kriegen - das geht aber nicht - so nett und einfach es klingt - mit "Internetfiltern".

Gerade vielen in der Regierung ist ein "freies Internet" eine echt suspekte Sache und keiner möchte verstehen, warum "da jeder machen kann, was er will" (obgleich es so gar nicht ist). "Da muß man doch nen Riegel vorschieben" - Ja genau! Wie so oft - Augen zu und durch... das nun gerade die Leute mit der geringsten Medienkompetenz ein "Internet-Gesetz" nach dem anderen machen wollen gleicht dem, als wolle man einer Katze eine Maus zur Pflege überlassen.

Aber: Schon heute wird ein Großteil auch dieser Fotos / Videos über Peer2Peer Netze wie eDonkey, Kazaa, eMule, Napster, BitTorret, gnutella & Co. getauscht. Vielleicht möchte man ja auch gerade diese Netze dicht machen ("kontrollierbar" sind diese - bis auf Kazaa und Napster "dezentral-autonomen" - keinesfalls) - schließlich beschwert sich unsere Musik- wie internationale Filmindustrie schon lange und mit lauter Stimme, das die Umsätze eingebrochen wären, alle die teure Musik und Filme einfach kostenlos getauscht werden (übrigens lt. neuen Urteilen für private Zwecke nicht mal mehr strafbar / verboten in Deutschland) und die "ach so armen Künstler" bald nur noch drei statt fünf Villen und Ferraris pro Jahr kaufen könnten?

pOng...
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niels
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Re: Freiheit gegen Kinderporno?

Ungelesener Beitrag von niels »

Lt. einer aktuellen Erhebung stehen über 70% der Server, auf denen kinderpornograpfische Seiten vermutet bzw. betrieben werden in Europa, knapp 8% in den USA - danach kommt Australien.

Schon die heutige Rechtslage macht es einfach, einen Provider in Europa oder den USA zur Sperrung von bei ihnen gehosteten Seiten auf rechtsstaatliche Weise aufzufordern - d.h. per Gerichtsbeschluß. Den aber sieht das aktuell diskutierte Konzept gar nicht vor. Versuche in der Praxis belegen, wie gut und schnell das funktioniert.

Ein Internetfilter aber funktioniert nur für die, die sich Kinderpornos eh nie ansehen würden. Derartige Filter sind nicht nur einfach zu umgehen - die meisten Bilder / Videos werden heute eh schon auf alternativen Wegen getauscht. Selbst der momentan beschuldigte Tess aus dem Bundestag hat "seine" Videos / Bildchen lt. Staatsanwaltschaft ausschließlich per MMS auf dem Handy bekommen.

Videoportale. archivdienste usw.kann man so sowieso nicht filtern - auch die muß man anschreiben.

Naiv ist zu glauben, das ein erst mal angeschaffter Internetfilter bei den Providern zukünftig nicht für alle möglichen weiteren Zwecke Einsatz findet - alles, was irgendwie nicht passt wird "gefiltert".

Das kommt eohl dabei raus, wenn überalterte Politiker "Lobbyarbeit" für die nächste Wahl machen wollen - ebenso wie der neueste Clou der CDU: "Kinderschutz-Handys" sollen "mit Software" ausgestattet werden, "die den Tausch von Gewalt- oder Pornovideos/-Bildern unmöglich machen soll". Offenbar kommt derart Quark bei einer oft ebenso gealterten Zielgruppe an - nur Fachleute hatte man offensichtlich mal wieder nicht am Werk.

Wer sich solchen Unsinn ausdenkt, der macht sich doch die Hose mit der Kneifzange zu...

Niels.
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Re: Freiheit gegen Kinderporno?

Ungelesener Beitrag von pOng »

Frau von der Leyen möchte "die Internetanbieter" dazu verpflichten "Kinderporno-Seiten abzuschalten".

Unserer Familienministerin geht wie wie offenbar vielen Politikern - sie reden über Dinge, deren Grundlagen sie nicht mal kennen und basteln so an Gesetzen, die jeder fachlicher Qualität entbehren.

Der Ansatz ist ja nicht falsch - allerdings "sperrt" man rechtswidrige Websites schon heute per Verfügung direkt beim Hosting-Anbieter. Sie aber möchte keine Sperre, sondern einen "Filter" - das aber wird nicht gesagt.

Eine der aktuellen Studien dazu zeigt, das über 80% solcher Anbieter wie deren Hosting-Anbieter in der EU und den USA sitzen. Per Versuch konnte man innerhalb eines Tages knapp 20 von knapp 30 solcher Websites per Verfügung gegen den jeweiligen Hosting-Provider sperren. Einige weitere legten eine eidesstattliche Versicherung vor, das alle Darsteller volljährig seien, so das keine Sperre möglich sei.

Die Gesetze dafür gibt es schon - fragt sich nur, warum sie niemand anwendet? Das es so einfach funktioniert, zeigt doch das es geht. Eine weitere Option wäre die Geldflüsse (z.B. De

Mehrere weitere in den letzten Wochen für den Ausschuß gefertige Gutachten widerlegen klar die Wirksamkeit der Maßnahme und verweisen zudem auf verfassungsrechtliche Probleme. Dennoch beharrt die Familienministerin auf inrer Position.
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Re: Providerliste: Wer filtert mit?

Ungelesener Beitrag von pOng »

Aus gegebenem Anlaß hier eine informative Übersicht, welche deutschen Provider filtern, welche das planen und welche Manipulationen am IP strikt ablehnen:
http://zensurprovider.de/liste.php

Interessant ist auch die Stellungnahme des Providers "Manitu" auf deren Website:
http://www.manitu.de/zensur-freies-internet/

"manitu" wird im Falle eines Gesetzbeschlusses gerichtlich gegen die Filterverträge vorgehen - bis zum Bundesverfassungsgericht. Weiterhin wird man seinen Nutzern keine modifizierten Nameserver aufzwingen.

Ein weiteres Verfahren ist nun auch zum Thema "Kinderporno-Filter" zu erwarten.

Die Aussichten für (beide) Klagen stehen gut, da die neuen Gesetze auch aus Juristenkreisen weithin als verfassungswidrig eingestuft werden.

Artikel: "Anruf genügt" (Süddeutsche)
http://www.sueddeutsche.de/computer/536/465128/text/

wer's nicht glaub't - ein Kollege hat mal eine geografische Statistik der "zu filternden" Webseiten gefertigt, die für sich selbst spricht:
http://scusiblog.org/?p=463

Auch die bereits in Kraft getretene Vorratsdatenspeicherung tragen nicht alle Provider mit - hier hat "manitu" zusammen mit diversen Bürgerrechtsbewegungen eine Sammelklage gegen das Telekommunikationsgesetz (TKG) initiiert.
http://www.manitu.de/vds.php

Einige Provider gehen die Staatsverträge vorerst nicht mit, würden die Filterung erst auf gesetzlicher Basis gezwungenermaßen realisieren.

Kabel BW und E-Plus äußerten sich bisher nicht öffentlich zur Sache (möglicherweise befürchtet man Imageverluste).

Übrigens:
http://www.gulli.com/news/wikileaks-ste ... 009-03-30/
"Australien und Deutschland sind die einzigen liberalen demokratischen Laender in denen ein vorgeschriebenes Zensursystem eingerichtet werden soll. Alle Systeme funktionieren ueber ein millionenschwere nationale Netzwerke von Zensurtechnik. Die Technik ueberwacht jeden Versuch eines Buergers etwas im Internet zu lesen, und vergleicht die Anfragen mit einer geheimen Zensurliste der Regierung, einer sogenannten "Blacklist". Wenn die aufgerufene Seite auf der Zensurliste steht, wird der Buerger am Betrachten der Internetseite durch ein Abfangen und eine Weiterleitung seiner Internetverbindung gehindert. Die Weiterleitung erfolgt auf eine durch die Regierung kontrollierte Infrastruktur. Diese Infrastruktur protokolliert in der Regel die Identitaet der Person, die den Zugriff auf eine verbotene Seite versucht hat. Ist sie Seite nicht auf der Zensurliste, wird dem Besucher durch die Regierung das Besuchen der Seite gestattet,"
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pOng
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Schäuble erhält "Big Brother Award 2009" für sein Lebenswerk

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Wolfgang Schäuble erhält für seine Arbeit als Innenminister den Negativ-Preis "Big Brother Award" des Jahres 2009. Endlich!

Eine interessante Zusammenfassung wie die Laudatio gibt es hier:
http://www.bigbrotherawards.de/2009/.life

Hoffen wir nun, das die neue Regierung (duch den Druck der FDP) wie das Verfassungsgericht die an unserem sozialen Rechtsstaat angerichteten Schäden reparieren und bereinigen wird.

Gegen die Vorratsdatenspeicherung liegt bereits die größte Verfassungsbeschwerde in der deutschen Geschichte an. Mehrere zehntausend Deutsche klagen gegen die flächendeckende Überwachung aller Bürger, die bereits Gesetz ist und technisch praktiziert wird.

Herr Schäuble sieht darin seltsame Parallelen zur Nazi-Zeit: ...früher hatten wir den "größten Feldherrn aller Zeiten", den GRÖFAZ. Heute haben wir dafür die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten. immerhin hält der die Verfassung für "eine Kette, die jede freie politische Arbeit fesselt" - Worte, wie sie ähnlich auch von Hitlers Juristen hätten stammen können. Seltsam für einen heutigen, demokratisch gewählten Politiker...
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