der nächste Messias?
Verfasst: Sonntag 4. April 2010, 11:20
Schaut man in die Historie der Menschheit wie ihrer Religionen, lässt sich der Eindruck - alles wiederhole sich stetig - nur schwer verdrängen, wobei am "Scheitelpunkt" der religiösen Kulturen quasi immer ein "Messias" oder "Prophet" - zumindest aber ein Lehrer einer "revolutionär" neuen Lehre steht, auf den die Menschheit (oder ein Teil dieser) bereits gewartet zu haben schien, die mit ihrer Lehre den Grundstein einer neuen Religion oder großen Glaubensbewegung legten.
Die Bibel der Christen - aber auch der Koran und das alte Testament - bieten da hochaktuelle Beispiele. Während Jesus am Tempelberg den Geldwechslern noch die Tische umstieß, ist die Christenkirche heute in ähnlich überholter Position, in der Machtausübung und materielle Interessen im Gegensatz zur ursprünglichen Lehre des "Messias" Jesus stehen, wie er mancherorts krasser nicht sein kann.
Während die Ideen und Konzepte Jesus zu seiner damaligen Zeit revolutionär und fortschrittlich für die Gesellschaft waren, bremste die späte Machtkirche vom Mittelalter bis ins letzte Jahrhundert jedwede kulturelle Fortentwicklung und Aufklärung der Menschheit - aber auch sich selbst als "Überbringer der Lehre".
Während man mit dem 2. vatikanischen Konzil versuchte, über knapp 1000 Jahre Liegengebliebenes aufzuarbeiten und die Kirche dem modernen Menschen anzunähren, war bereits mit der Wahl des neuen Papstes Ratzingers absehbar, das die Kirche - insbesondere die Machtkirche - noch lange nicht bereit für die vergleichweise geringen Reformen und Fortschritte aus dem Konzil war und ist. Ratzinger selbst spricht sich in seinen Büchern für die Rückkehr zu "alten Traditionen", sieht das Konzil als "Fehler", der in der Folge zum Weglaufen der Kirchemitglieder führte und würde gern zum vormaligen Status Quo zurück, in der die Kirche als "unfehlbar" galt und es kein Mea Culpa (schreibt man das so?) gab.
Was in Bayern (u.a. auch Wiege des Nationalsozialismus) - der Heimat Ratzingers - als "Tradition" hochgehalten wird, trifft bei immer weniger Menschen weltweit deren Bedürfnisse und Vorstellungen eines gelebten Christentums - einer glaubwürdigen Instanz Kirche, welche sich selbsterklärend an der Lehre Jesus orientieren will. Die Zeremonien wie der Kult - aber auch die Überheblichkeit - rund um Kirchenoberhäupter gleichen bis heute sehr denen römischer Imperatoren. Dabei stehen nicht nur Kleidung und Krone, Prunk und einschüchternde Größe der Glaubwürdigkeit im Weg - auch die seit Jahrtausenden hochgehaltene Unfehlbarkeit der allein von Menschen geführten Machtkirche, welche offensichtlich nicht da ist.
Spätestens mit Einsetzen des Informationszeitalters ist es keiner Institution mehr möglich, die Informationshoheit zu halten, die für das Bild der "Unfehlbarkeit" unabkömmlich ist. So ist es auch nicht verwunderlich, das die über Jahrhunderte erfolgreichen Taktiken der Kirchenführung, mit Desinformation, Beschwichtigung und immer neuen (oft gegensätzlichen) Ausreden die "Unfehlbarkeit" und damit unbedingte "Glaubwürdigkeit" um jeden Preis aufrecht zu erhalten, nun immer seltener funktionieren, sich dagegen immer häufiger zum Boomerang wandeln.
Immer neue Skandale um Mißbrauch von Kindern, Wegschauen bei schlimmsten Untaten jedweder Art bis hin zur Heiligsprechung von Tätern der verschiedensten Coleur - aber vor allem das fehlende Eingeständnis von Fehlern - lassen die Glaubwürdigkeit weiter stetig bröckeln - selbst bei denen die im Glauben eine Zuflucht suchen.
Es ist unwahrscheinlich, das die Kirche ihre Glaubwürdigkeit auf Dauer wiedergewinnen kann - schon gar nicht ohne radikalste Umbauten, die aber wohl für die meisten Oberhäupter eine Art "Verrat" an er eigenen Idee oder die Aufgabe der Kirche bedeuten dürften. Un vor allem - WER wollte die Kirche reformieren? Ist Kirche überhaupt reformierbar?
Dazu kommt:
Die Schrift(en) als Überlieferung der Lehre Jesus enthalten die für die religiösen Schriften der damaligen Zeit sagenhafte, historisch wie sachlich inkorrekte "Ausschmückungen" und "Beiwerk", welche damals die Glaubwürdigkeit der Person des Religionsstifters "untermalen" oder überhaupt erst initiieren sollten. Wer hätte damals einem "dahergelaufenen" armen Dorfjuden, dem Sohn eines Dorfschreiners, mehr geglaubt als dem Establishment der Tempelpriester?
Ein Prophet (Lehrer) "musste" unweigerlich von Gott abstammen - zumindest von ihm "belegbar" auserwählt worden sein. Das Konzept Gott diente daher in erster Linie der "unbedingten Glaubwürdigkeit" der Lehre und machte erst damit eine weitere Verbreitung und Überlieferung möglich - wie in jeder theistischen Religion.
Demnach spielt nicht mal eine Rolle, ob Jesus, ob Mohammed oder Mose tatsächlich jeder an einen Gott glaubten. Das Konstrukt "Gott" (als über den höchsten Machthabern stehende Machtinstanz) - in Kombination mit Riten und Kulten - ebnete die Wege zur Ausbreitung (ähnlich wie das Internet ["Übernetz"] heute die Verbreitung von immer neuem Wissen und Informationen für immer mehr Menschen möglich macht).
Während wohl eine ganze Reihe Konzepte und Inhalte der soziologischen Lehre Jesus sicher heute noch Bestand haben kann - wie wohl auch die Lehren anderer "Propheten", entziehen die sagenhaften Übersteigerungen der Person Jesus in den Überlieferungen heute immer mehr Glaubwürdigkeit.
Dem modernen Menschen tun sich in den Überlieferungen stetig neue Widersprüche auf, die die Lehre Jesus nach und nach "ertränken". Was für die Menschen vor 2000 Jahren noch "logisch" und "fassbar" klang (lesen und schreiben konnten ja nur die wenigsten und selbst die "Wissenschaft" sah Gott/Götter als "selbstverständlich"), tut es heute - mit wachsendem Wissen und immer schnellerem Informationsaustausch - immer weniger. Was der Lehre Jesu damals zu Welterfolg führte - steht ihr heute - mit fortführender Aufklärung - immer häufiger im Wege.
Zwar spreche ich hier im Text hauptsächlich vom Christentum, aber auch andere Weltreligionen haben ein ähnliches Dilemma - stehen m.E. an einem ähnlichen Scheideweg. Religionsgruppen und Machtinstitutionen hetzen mit Hilfe der Religion gegeneinander auf, immer neue Gruppierungen drängen darauf "die anderen" zu missionieren oder gar auszurotten. Die Institutionen / Kirchen in ihren (vor allem ihrer Führer) Interessen und Machtausübung stehen nicht selten im krassen Gegensatz zur "Ur-"Lehre des Stifters. Anschauliche Beispiele sind wohl die hirnrissigen Zustände und Grabenkämpfe der eng aufeinandertreffenden Religionsgruppen in der Grabeskirche Jesus oder den Tempelberg in Jerusalem.
Zur Zeit der Stifter diente die Glaubenslehre zur Sozialisierung bestimmter ethnischer wie sozialer Gruppen - zur Überwindung zu der Zeit "festgefahrener", aber meist schon überholter, (Macht- und Gesellschafts-)Strukturen.
Wir heute aber stehen vor ganz neuen Aufgaben, wie sie die damalige Welt hätte kaum erahnen können. Einige der wichtigsten Aufgaben (wachsende Weltbevölkerung, Umweltverschmutzung, Artenausrottung, Kernwaffengefahren, Klimawandel, Ressourcenverteilung) der Menschheit sind nur in der Weltgemeinschaft aller Kulturen, aller Menschen möglich und die Religionen haben keine brauchbaren wie schlüssigen Antworten.
Dabei erwächst momentan der Eindruck, das das ursprünglich erfolgreiche Konzept Gott immer mehr zum Hemmschuh der Menschheit wird. Gott ist volkommen und allmächtig - demnach sind auch die Lehren "vollkommen" und "unumstößlich" (wie auch die irdischen Oberhäupter ["Vertreter"] nicht anzweifelbar sind) - auch konstruktive Kritik ist nicht vorgesehen - halt so, wie das zur Zeit Jesus oder Mohammeds für die Oberhäupter der Macht (römische Imperatoren, Kaiser, Könige - natürlich auch weil "von Gott berufen") üblich war. Denen aber setzte wenigstens das durch die Natur zeitlich beschränkte Leben irgendwann ein sicheres Ende...
Ein immer wieder mal wachsender Teil der Energie, der Aufmerksamkeit der Menschen richtet sich auf den "Kampf" der Religionen und reibt sich zwischen den Kulturgruppen ab - dabei bräuchten wir diese Ressourcen eigentlich viel wichtiger für neue Konzepte der Gemeinschaft, die uns die Lösung der unvergleichlich großen Aufgaben, vor denen wir stehen, erst ermöglichen.
Wir können demnach nur auf den prophezeiten Weltuntergang - oder einen neuen Propheten - warten, der die Menschheit erneut an die Hand nimmt und durch die nächsten kommenden Aufgaben führt?
Das Wertekonzept einer Kultur vergleiche ich gern mit einem "Betriebssystem" einer Gesellschaft - es legt fest wie eine Gesellschaft "funktioniert" und "agiert" und welche Grenzen es gibt. Welches "Betriebssystem" werden wir zukünftig fahren?
Wer (oder was) wird dieses Konzept bringen?
Inwieweit spielt da wieder (ein) Gott eine Rolle (z.B. für Menschen, die einen Gott "brauchen")?
Wird es ein neuer Prophet sein (oder wieder ein von einem Gott gesandten Messias)?
Oder eine ganze Gruppe von "Lehrern"?
Wird es ein oder mehrere (friedvoll nebeneinander koexistierender) Gruppen geben?
Ich bin gespannt...
Meine persönliche Vorstellung ist, das zukünftig eine wachsende Zahl von Menschen sich in stets neuen Gruppen mit neuen Sozialkonzepten und Wertemodellen zusammenfindet, um gemeinsam die eigene Wertewelt zu leben und auszugestalten. Bereits das Internet ermöglicht den Menschen sich einfacher und umfassender über verschiedene Konzepte und Ideen zu informieren und sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen. Es ermöglicht aber auch auf Wissen und Informationen zuzugreifen, was früher wenigen zugänglich war und für die Entwicklung und stetige Revision von Weltanschauungen wichtigste Basis ist.
Der damit entstehende freie Wettbewerb zwischen den "Mikrokulturen" und Weltanschauungen wird eine vergleichsweise "rasante" Fortentwicklung in der Menschheit - vor allem in kulturellen und ethischen Fragen - bringen, von der wiederum die gesamte Menschheit profitiert. Natürlich wird es auch dann "negative" Beispiele geben (wer heute nur übernimmt statt zu hinterfragen wird es nicht unwahrscheinlich auch dann tun) - allerdings auch einen (bisher wohl ungewohnt) offenen Diskurs darüber.
Viele Ideen und Wettbewerber werden der beste Garant für eine effiziente wie effektive Fortentwicklung der Menschheit in Richtung Freiheit und Gleichberechtigung, die uns selbst die Welt-Religionen nicht oder nur marginal bringen konnten.
Bis dorthin wird es sicher kein leichter Weg werden und bisherige / heutige Generationen werden sich wohl ziemlich schwer tun - schon weil Freiheit und Verantwortung auch gelernt sein wollen.
Ich hoffe nicht, das uns erst ein dritter Weltkrieg zu Verstand kommen lassen wird bzw die, die den überhaupt überleben werden / würden...
Cheers,
Niels.
Die Bibel der Christen - aber auch der Koran und das alte Testament - bieten da hochaktuelle Beispiele. Während Jesus am Tempelberg den Geldwechslern noch die Tische umstieß, ist die Christenkirche heute in ähnlich überholter Position, in der Machtausübung und materielle Interessen im Gegensatz zur ursprünglichen Lehre des "Messias" Jesus stehen, wie er mancherorts krasser nicht sein kann.
Während die Ideen und Konzepte Jesus zu seiner damaligen Zeit revolutionär und fortschrittlich für die Gesellschaft waren, bremste die späte Machtkirche vom Mittelalter bis ins letzte Jahrhundert jedwede kulturelle Fortentwicklung und Aufklärung der Menschheit - aber auch sich selbst als "Überbringer der Lehre".
Während man mit dem 2. vatikanischen Konzil versuchte, über knapp 1000 Jahre Liegengebliebenes aufzuarbeiten und die Kirche dem modernen Menschen anzunähren, war bereits mit der Wahl des neuen Papstes Ratzingers absehbar, das die Kirche - insbesondere die Machtkirche - noch lange nicht bereit für die vergleichweise geringen Reformen und Fortschritte aus dem Konzil war und ist. Ratzinger selbst spricht sich in seinen Büchern für die Rückkehr zu "alten Traditionen", sieht das Konzil als "Fehler", der in der Folge zum Weglaufen der Kirchemitglieder führte und würde gern zum vormaligen Status Quo zurück, in der die Kirche als "unfehlbar" galt und es kein Mea Culpa (schreibt man das so?) gab.
Was in Bayern (u.a. auch Wiege des Nationalsozialismus) - der Heimat Ratzingers - als "Tradition" hochgehalten wird, trifft bei immer weniger Menschen weltweit deren Bedürfnisse und Vorstellungen eines gelebten Christentums - einer glaubwürdigen Instanz Kirche, welche sich selbsterklärend an der Lehre Jesus orientieren will. Die Zeremonien wie der Kult - aber auch die Überheblichkeit - rund um Kirchenoberhäupter gleichen bis heute sehr denen römischer Imperatoren. Dabei stehen nicht nur Kleidung und Krone, Prunk und einschüchternde Größe der Glaubwürdigkeit im Weg - auch die seit Jahrtausenden hochgehaltene Unfehlbarkeit der allein von Menschen geführten Machtkirche, welche offensichtlich nicht da ist.
Spätestens mit Einsetzen des Informationszeitalters ist es keiner Institution mehr möglich, die Informationshoheit zu halten, die für das Bild der "Unfehlbarkeit" unabkömmlich ist. So ist es auch nicht verwunderlich, das die über Jahrhunderte erfolgreichen Taktiken der Kirchenführung, mit Desinformation, Beschwichtigung und immer neuen (oft gegensätzlichen) Ausreden die "Unfehlbarkeit" und damit unbedingte "Glaubwürdigkeit" um jeden Preis aufrecht zu erhalten, nun immer seltener funktionieren, sich dagegen immer häufiger zum Boomerang wandeln.
Immer neue Skandale um Mißbrauch von Kindern, Wegschauen bei schlimmsten Untaten jedweder Art bis hin zur Heiligsprechung von Tätern der verschiedensten Coleur - aber vor allem das fehlende Eingeständnis von Fehlern - lassen die Glaubwürdigkeit weiter stetig bröckeln - selbst bei denen die im Glauben eine Zuflucht suchen.
Es ist unwahrscheinlich, das die Kirche ihre Glaubwürdigkeit auf Dauer wiedergewinnen kann - schon gar nicht ohne radikalste Umbauten, die aber wohl für die meisten Oberhäupter eine Art "Verrat" an er eigenen Idee oder die Aufgabe der Kirche bedeuten dürften. Un vor allem - WER wollte die Kirche reformieren? Ist Kirche überhaupt reformierbar?
Dazu kommt:
Die Schrift(en) als Überlieferung der Lehre Jesus enthalten die für die religiösen Schriften der damaligen Zeit sagenhafte, historisch wie sachlich inkorrekte "Ausschmückungen" und "Beiwerk", welche damals die Glaubwürdigkeit der Person des Religionsstifters "untermalen" oder überhaupt erst initiieren sollten. Wer hätte damals einem "dahergelaufenen" armen Dorfjuden, dem Sohn eines Dorfschreiners, mehr geglaubt als dem Establishment der Tempelpriester?
Ein Prophet (Lehrer) "musste" unweigerlich von Gott abstammen - zumindest von ihm "belegbar" auserwählt worden sein. Das Konzept Gott diente daher in erster Linie der "unbedingten Glaubwürdigkeit" der Lehre und machte erst damit eine weitere Verbreitung und Überlieferung möglich - wie in jeder theistischen Religion.
Demnach spielt nicht mal eine Rolle, ob Jesus, ob Mohammed oder Mose tatsächlich jeder an einen Gott glaubten. Das Konstrukt "Gott" (als über den höchsten Machthabern stehende Machtinstanz) - in Kombination mit Riten und Kulten - ebnete die Wege zur Ausbreitung (ähnlich wie das Internet ["Übernetz"] heute die Verbreitung von immer neuem Wissen und Informationen für immer mehr Menschen möglich macht).
Während wohl eine ganze Reihe Konzepte und Inhalte der soziologischen Lehre Jesus sicher heute noch Bestand haben kann - wie wohl auch die Lehren anderer "Propheten", entziehen die sagenhaften Übersteigerungen der Person Jesus in den Überlieferungen heute immer mehr Glaubwürdigkeit.
Dem modernen Menschen tun sich in den Überlieferungen stetig neue Widersprüche auf, die die Lehre Jesus nach und nach "ertränken". Was für die Menschen vor 2000 Jahren noch "logisch" und "fassbar" klang (lesen und schreiben konnten ja nur die wenigsten und selbst die "Wissenschaft" sah Gott/Götter als "selbstverständlich"), tut es heute - mit wachsendem Wissen und immer schnellerem Informationsaustausch - immer weniger. Was der Lehre Jesu damals zu Welterfolg führte - steht ihr heute - mit fortführender Aufklärung - immer häufiger im Wege.
Zwar spreche ich hier im Text hauptsächlich vom Christentum, aber auch andere Weltreligionen haben ein ähnliches Dilemma - stehen m.E. an einem ähnlichen Scheideweg. Religionsgruppen und Machtinstitutionen hetzen mit Hilfe der Religion gegeneinander auf, immer neue Gruppierungen drängen darauf "die anderen" zu missionieren oder gar auszurotten. Die Institutionen / Kirchen in ihren (vor allem ihrer Führer) Interessen und Machtausübung stehen nicht selten im krassen Gegensatz zur "Ur-"Lehre des Stifters. Anschauliche Beispiele sind wohl die hirnrissigen Zustände und Grabenkämpfe der eng aufeinandertreffenden Religionsgruppen in der Grabeskirche Jesus oder den Tempelberg in Jerusalem.
Zur Zeit der Stifter diente die Glaubenslehre zur Sozialisierung bestimmter ethnischer wie sozialer Gruppen - zur Überwindung zu der Zeit "festgefahrener", aber meist schon überholter, (Macht- und Gesellschafts-)Strukturen.
Wir heute aber stehen vor ganz neuen Aufgaben, wie sie die damalige Welt hätte kaum erahnen können. Einige der wichtigsten Aufgaben (wachsende Weltbevölkerung, Umweltverschmutzung, Artenausrottung, Kernwaffengefahren, Klimawandel, Ressourcenverteilung) der Menschheit sind nur in der Weltgemeinschaft aller Kulturen, aller Menschen möglich und die Religionen haben keine brauchbaren wie schlüssigen Antworten.
Dabei erwächst momentan der Eindruck, das das ursprünglich erfolgreiche Konzept Gott immer mehr zum Hemmschuh der Menschheit wird. Gott ist volkommen und allmächtig - demnach sind auch die Lehren "vollkommen" und "unumstößlich" (wie auch die irdischen Oberhäupter ["Vertreter"] nicht anzweifelbar sind) - auch konstruktive Kritik ist nicht vorgesehen - halt so, wie das zur Zeit Jesus oder Mohammeds für die Oberhäupter der Macht (römische Imperatoren, Kaiser, Könige - natürlich auch weil "von Gott berufen") üblich war. Denen aber setzte wenigstens das durch die Natur zeitlich beschränkte Leben irgendwann ein sicheres Ende...
Ein immer wieder mal wachsender Teil der Energie, der Aufmerksamkeit der Menschen richtet sich auf den "Kampf" der Religionen und reibt sich zwischen den Kulturgruppen ab - dabei bräuchten wir diese Ressourcen eigentlich viel wichtiger für neue Konzepte der Gemeinschaft, die uns die Lösung der unvergleichlich großen Aufgaben, vor denen wir stehen, erst ermöglichen.
Wir können demnach nur auf den prophezeiten Weltuntergang - oder einen neuen Propheten - warten, der die Menschheit erneut an die Hand nimmt und durch die nächsten kommenden Aufgaben führt?
Das Wertekonzept einer Kultur vergleiche ich gern mit einem "Betriebssystem" einer Gesellschaft - es legt fest wie eine Gesellschaft "funktioniert" und "agiert" und welche Grenzen es gibt. Welches "Betriebssystem" werden wir zukünftig fahren?
Wer (oder was) wird dieses Konzept bringen?
Inwieweit spielt da wieder (ein) Gott eine Rolle (z.B. für Menschen, die einen Gott "brauchen")?
Wird es ein neuer Prophet sein (oder wieder ein von einem Gott gesandten Messias)?
Oder eine ganze Gruppe von "Lehrern"?
Wird es ein oder mehrere (friedvoll nebeneinander koexistierender) Gruppen geben?
Ich bin gespannt...
Meine persönliche Vorstellung ist, das zukünftig eine wachsende Zahl von Menschen sich in stets neuen Gruppen mit neuen Sozialkonzepten und Wertemodellen zusammenfindet, um gemeinsam die eigene Wertewelt zu leben und auszugestalten. Bereits das Internet ermöglicht den Menschen sich einfacher und umfassender über verschiedene Konzepte und Ideen zu informieren und sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen. Es ermöglicht aber auch auf Wissen und Informationen zuzugreifen, was früher wenigen zugänglich war und für die Entwicklung und stetige Revision von Weltanschauungen wichtigste Basis ist.
Der damit entstehende freie Wettbewerb zwischen den "Mikrokulturen" und Weltanschauungen wird eine vergleichsweise "rasante" Fortentwicklung in der Menschheit - vor allem in kulturellen und ethischen Fragen - bringen, von der wiederum die gesamte Menschheit profitiert. Natürlich wird es auch dann "negative" Beispiele geben (wer heute nur übernimmt statt zu hinterfragen wird es nicht unwahrscheinlich auch dann tun) - allerdings auch einen (bisher wohl ungewohnt) offenen Diskurs darüber.
Viele Ideen und Wettbewerber werden der beste Garant für eine effiziente wie effektive Fortentwicklung der Menschheit in Richtung Freiheit und Gleichberechtigung, die uns selbst die Welt-Religionen nicht oder nur marginal bringen konnten.
Bis dorthin wird es sicher kein leichter Weg werden und bisherige / heutige Generationen werden sich wohl ziemlich schwer tun - schon weil Freiheit und Verantwortung auch gelernt sein wollen.
Ich hoffe nicht, das uns erst ein dritter Weltkrieg zu Verstand kommen lassen wird bzw die, die den überhaupt überleben werden / würden...
Cheers,
Niels.