der nächste Messias?

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niels
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der nächste Messias?

Ungelesener Beitrag von niels »

Schaut man in die Historie der Menschheit wie ihrer Religionen, lässt sich der Eindruck - alles wiederhole sich stetig - nur schwer verdrängen, wobei am "Scheitelpunkt" der religiösen Kulturen quasi immer ein "Messias" oder "Prophet" - zumindest aber ein Lehrer einer "revolutionär" neuen Lehre steht, auf den die Menschheit (oder ein Teil dieser) bereits gewartet zu haben schien, die mit ihrer Lehre den Grundstein einer neuen Religion oder großen Glaubensbewegung legten.

Die Bibel der Christen - aber auch der Koran und das alte Testament - bieten da hochaktuelle Beispiele. Während Jesus am Tempelberg den Geldwechslern noch die Tische umstieß, ist die Christenkirche heute in ähnlich überholter Position, in der Machtausübung und materielle Interessen im Gegensatz zur ursprünglichen Lehre des "Messias" Jesus stehen, wie er mancherorts krasser nicht sein kann.

Während die Ideen und Konzepte Jesus zu seiner damaligen Zeit revolutionär und fortschrittlich für die Gesellschaft waren, bremste die späte Machtkirche vom Mittelalter bis ins letzte Jahrhundert jedwede kulturelle Fortentwicklung und Aufklärung der Menschheit - aber auch sich selbst als "Überbringer der Lehre".

Während man mit dem 2. vatikanischen Konzil versuchte, über knapp 1000 Jahre Liegengebliebenes aufzuarbeiten und die Kirche dem modernen Menschen anzunähren, war bereits mit der Wahl des neuen Papstes Ratzingers absehbar, das die Kirche - insbesondere die Machtkirche - noch lange nicht bereit für die vergleichweise geringen Reformen und Fortschritte aus dem Konzil war und ist. Ratzinger selbst spricht sich in seinen Büchern für die Rückkehr zu "alten Traditionen", sieht das Konzil als "Fehler", der in der Folge zum Weglaufen der Kirchemitglieder führte und würde gern zum vormaligen Status Quo zurück, in der die Kirche als "unfehlbar" galt und es kein Mea Culpa (schreibt man das so?) gab.

Was in Bayern (u.a. auch Wiege des Nationalsozialismus) - der Heimat Ratzingers - als "Tradition" hochgehalten wird, trifft bei immer weniger Menschen weltweit deren Bedürfnisse und Vorstellungen eines gelebten Christentums - einer glaubwürdigen Instanz Kirche, welche sich selbsterklärend an der Lehre Jesus orientieren will. Die Zeremonien wie der Kult - aber auch die Überheblichkeit - rund um Kirchenoberhäupter gleichen bis heute sehr denen römischer Imperatoren. Dabei stehen nicht nur Kleidung und Krone, Prunk und einschüchternde Größe der Glaubwürdigkeit im Weg - auch die seit Jahrtausenden hochgehaltene Unfehlbarkeit der allein von Menschen geführten Machtkirche, welche offensichtlich nicht da ist.

Spätestens mit Einsetzen des Informationszeitalters ist es keiner Institution mehr möglich, die Informationshoheit zu halten, die für das Bild der "Unfehlbarkeit" unabkömmlich ist. So ist es auch nicht verwunderlich, das die über Jahrhunderte erfolgreichen Taktiken der Kirchenführung, mit Desinformation, Beschwichtigung und immer neuen (oft gegensätzlichen) Ausreden die "Unfehlbarkeit" und damit unbedingte "Glaubwürdigkeit" um jeden Preis aufrecht zu erhalten, nun immer seltener funktionieren, sich dagegen immer häufiger zum Boomerang wandeln.

Immer neue Skandale um Mißbrauch von Kindern, Wegschauen bei schlimmsten Untaten jedweder Art bis hin zur Heiligsprechung von Tätern der verschiedensten Coleur - aber vor allem das fehlende Eingeständnis von Fehlern - lassen die Glaubwürdigkeit weiter stetig bröckeln - selbst bei denen die im Glauben eine Zuflucht suchen.

Es ist unwahrscheinlich, das die Kirche ihre Glaubwürdigkeit auf Dauer wiedergewinnen kann - schon gar nicht ohne radikalste Umbauten, die aber wohl für die meisten Oberhäupter eine Art "Verrat" an er eigenen Idee oder die Aufgabe der Kirche bedeuten dürften. Un vor allem - WER wollte die Kirche reformieren? Ist Kirche überhaupt reformierbar?

Dazu kommt:
Die Schrift(en) als Überlieferung der Lehre Jesus enthalten die für die religiösen Schriften der damaligen Zeit sagenhafte, historisch wie sachlich inkorrekte "Ausschmückungen" und "Beiwerk", welche damals die Glaubwürdigkeit der Person des Religionsstifters "untermalen" oder überhaupt erst initiieren sollten. Wer hätte damals einem "dahergelaufenen" armen Dorfjuden, dem Sohn eines Dorfschreiners, mehr geglaubt als dem Establishment der Tempelpriester?

Ein Prophet (Lehrer) "musste" unweigerlich von Gott abstammen - zumindest von ihm "belegbar" auserwählt worden sein. Das Konzept Gott diente daher in erster Linie der "unbedingten Glaubwürdigkeit" der Lehre und machte erst damit eine weitere Verbreitung und Überlieferung möglich - wie in jeder theistischen Religion.

Demnach spielt nicht mal eine Rolle, ob Jesus, ob Mohammed oder Mose tatsächlich jeder an einen Gott glaubten. Das Konstrukt "Gott" (als über den höchsten Machthabern stehende Machtinstanz) - in Kombination mit Riten und Kulten - ebnete die Wege zur Ausbreitung (ähnlich wie das Internet ["Übernetz"] heute die Verbreitung von immer neuem Wissen und Informationen für immer mehr Menschen möglich macht).

Während wohl eine ganze Reihe Konzepte und Inhalte der soziologischen Lehre Jesus sicher heute noch Bestand haben kann - wie wohl auch die Lehren anderer "Propheten", entziehen die sagenhaften Übersteigerungen der Person Jesus in den Überlieferungen heute immer mehr Glaubwürdigkeit.

Dem modernen Menschen tun sich in den Überlieferungen stetig neue Widersprüche auf, die die Lehre Jesus nach und nach "ertränken". Was für die Menschen vor 2000 Jahren noch "logisch" und "fassbar" klang (lesen und schreiben konnten ja nur die wenigsten und selbst die "Wissenschaft" sah Gott/Götter als "selbstverständlich"), tut es heute - mit wachsendem Wissen und immer schnellerem Informationsaustausch - immer weniger. Was der Lehre Jesu damals zu Welterfolg führte - steht ihr heute - mit fortführender Aufklärung - immer häufiger im Wege.

Zwar spreche ich hier im Text hauptsächlich vom Christentum, aber auch andere Weltreligionen haben ein ähnliches Dilemma - stehen m.E. an einem ähnlichen Scheideweg. Religionsgruppen und Machtinstitutionen hetzen mit Hilfe der Religion gegeneinander auf, immer neue Gruppierungen drängen darauf "die anderen" zu missionieren oder gar auszurotten. Die Institutionen / Kirchen in ihren (vor allem ihrer Führer) Interessen und Machtausübung stehen nicht selten im krassen Gegensatz zur "Ur-"Lehre des Stifters. Anschauliche Beispiele sind wohl die hirnrissigen Zustände und Grabenkämpfe der eng aufeinandertreffenden Religionsgruppen in der Grabeskirche Jesus oder den Tempelberg in Jerusalem.

Zur Zeit der Stifter diente die Glaubenslehre zur Sozialisierung bestimmter ethnischer wie sozialer Gruppen - zur Überwindung zu der Zeit "festgefahrener", aber meist schon überholter, (Macht- und Gesellschafts-)Strukturen.

Wir heute aber stehen vor ganz neuen Aufgaben, wie sie die damalige Welt hätte kaum erahnen können. Einige der wichtigsten Aufgaben (wachsende Weltbevölkerung, Umweltverschmutzung, Artenausrottung, Kernwaffengefahren, Klimawandel, Ressourcenverteilung) der Menschheit sind nur in der Weltgemeinschaft aller Kulturen, aller Menschen möglich und die Religionen haben keine brauchbaren wie schlüssigen Antworten.

Dabei erwächst momentan der Eindruck, das das ursprünglich erfolgreiche Konzept Gott immer mehr zum Hemmschuh der Menschheit wird. Gott ist volkommen und allmächtig - demnach sind auch die Lehren "vollkommen" und "unumstößlich" (wie auch die irdischen Oberhäupter ["Vertreter"] nicht anzweifelbar sind) - auch konstruktive Kritik ist nicht vorgesehen - halt so, wie das zur Zeit Jesus oder Mohammeds für die Oberhäupter der Macht (römische Imperatoren, Kaiser, Könige - natürlich auch weil "von Gott berufen") üblich war. Denen aber setzte wenigstens das durch die Natur zeitlich beschränkte Leben irgendwann ein sicheres Ende...

Ein immer wieder mal wachsender Teil der Energie, der Aufmerksamkeit der Menschen richtet sich auf den "Kampf" der Religionen und reibt sich zwischen den Kulturgruppen ab - dabei bräuchten wir diese Ressourcen eigentlich viel wichtiger für neue Konzepte der Gemeinschaft, die uns die Lösung der unvergleichlich großen Aufgaben, vor denen wir stehen, erst ermöglichen.

Wir können demnach nur auf den prophezeiten Weltuntergang - oder einen neuen Propheten - warten, der die Menschheit erneut an die Hand nimmt und durch die nächsten kommenden Aufgaben führt?

Das Wertekonzept einer Kultur vergleiche ich gern mit einem "Betriebssystem" einer Gesellschaft - es legt fest wie eine Gesellschaft "funktioniert" und "agiert" und welche Grenzen es gibt. Welches "Betriebssystem" werden wir zukünftig fahren?

Wer (oder was) wird dieses Konzept bringen?
Inwieweit spielt da wieder (ein) Gott eine Rolle (z.B. für Menschen, die einen Gott "brauchen")?
Wird es ein neuer Prophet sein (oder wieder ein von einem Gott gesandten Messias)?
Oder eine ganze Gruppe von "Lehrern"?
Wird es ein oder mehrere (friedvoll nebeneinander koexistierender) Gruppen geben?

Ich bin gespannt...

Meine persönliche Vorstellung ist, das zukünftig eine wachsende Zahl von Menschen sich in stets neuen Gruppen mit neuen Sozialkonzepten und Wertemodellen zusammenfindet, um gemeinsam die eigene Wertewelt zu leben und auszugestalten. Bereits das Internet ermöglicht den Menschen sich einfacher und umfassender über verschiedene Konzepte und Ideen zu informieren und sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen. Es ermöglicht aber auch auf Wissen und Informationen zuzugreifen, was früher wenigen zugänglich war und für die Entwicklung und stetige Revision von Weltanschauungen wichtigste Basis ist.

Der damit entstehende freie Wettbewerb zwischen den "Mikrokulturen" und Weltanschauungen wird eine vergleichsweise "rasante" Fortentwicklung in der Menschheit - vor allem in kulturellen und ethischen Fragen - bringen, von der wiederum die gesamte Menschheit profitiert. Natürlich wird es auch dann "negative" Beispiele geben (wer heute nur übernimmt statt zu hinterfragen wird es nicht unwahrscheinlich auch dann tun) - allerdings auch einen (bisher wohl ungewohnt) offenen Diskurs darüber.

Viele Ideen und Wettbewerber werden der beste Garant für eine effiziente wie effektive Fortentwicklung der Menschheit in Richtung Freiheit und Gleichberechtigung, die uns selbst die Welt-Religionen nicht oder nur marginal bringen konnten.

Bis dorthin wird es sicher kein leichter Weg werden und bisherige / heutige Generationen werden sich wohl ziemlich schwer tun - schon weil Freiheit und Verantwortung auch gelernt sein wollen.

Ich hoffe nicht, das uns erst ein dritter Weltkrieg zu Verstand kommen lassen wird bzw die, die den überhaupt überleben werden / würden...


Cheers,


Niels.
Josef
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Re: der nächste Messias?

Ungelesener Beitrag von Josef »

Das klingt ja so richtig nach einem Schlußwort Nils !
Mir jedenfalls hat damals Heinrich die Augen geöffnet. Er hat die Weltweitwebseiten - " Kirche und Geld : Der Reichtum der Kirche ist Blutgeld " und "Kirchengeld" hier kurz publik gemacht.
> Das dürfte wohl für einen normaldenkenden Mitteleuropäer des nachdenkens wert sein ...
Josef
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niels
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Re: der nächste Messias?

Ungelesener Beitrag von niels »

...Schlußwort...
Ja und nein,
eigentlich war mein Ziel eine neue Debatte anzuregen, wobei ich hier einige mir aufgefallene Äußerungen und angeschnittene Themen aus dem Threads mal zusammengefasst und (aus meiner Sicht) kommentiert habe.

Demnach ist mein Posting möglicherweise ebenso Ende wie Anfang.

Nun, nicht wenige Menschen (auch Christen oder gar Katholiken) sind der Meinung, hinter dem Milliardenvermögen der Kirche stehen Leid und Verbrechen. Findige Theologen argumentieren aber, das "die Zeit damals halt so war" und man lediglich das tat, was viele taten... Fragt man, warum die Kirche ihren Reichtum in Immobilien, Prunk oder Beteiligungen (oder wenigstens einen nennenswerten Teil davon) verkauft um damit den Armen oder Bedürftigen zu helfen, bekommt man zu hören, die Kirche sei ja gar nicht Eigentümer der Schätze oder der Immobilien, sondern lediglich der "Verwalter". Als Unternehmer verstehe ich derart Argumente nicht, da ich weiß das ein Eigentümer auch frei über sein Vermögen verfügen darf.

Stattdessen geht - nicht nur - jeden Sonntag der Klingelbeutel rum , in den vor allem die Ärmsten - wie die Rentner usw. - einen Teil ihres kleinen Vermögens werfen (wohl nicht selten in der Hoffnung damit "gottgefällig" zu handeln).

Ich persönlich hielte z.B. Papst oder Bischof für wesentlich glaubwürdiger, wenn sie in ähnlich einfachen Verhältnissen wie die Ärmeren oder gar die Ärmsten leben würden - so wie Jesus wohl selbst (vor-)lebte. Ich nehme aber mal an, das die Kollegen nur ungern Komfort, Bequemlichkeit und Machtausdruck in Prunk und Besitz abgeben würden.

Immerhin kenne ich einzelne "Fälle" - d.h. einzelne IN der Kirche angesiedelte Christen - die es auch persönlich sehr ernst mit der Lehre Jesus meinen/meinten und deren Ziel die bedingungslose Nächstenliebe war/ist. Mir ist auch bekannt, das es diesen Menschen oft besonders schwer gemacht wurde - mit Intrigen, Versetzungen oder dem unausgesprochenen Ausschluß (also z.B. indem niemand mehr mit dem Menschen sprach) aus einem Orden. Dennoch scheinen diese Menschen zum unausgesprochenen Vorbild selbst vieler Christen geworden zu sein.

Während Jesus für die bedingungslose Nächstenliebe steht oder stand, steht die Kirche wohl für das ABER - für die theologische Begründung, wo und warum Nächstenliebe ihre Grenzen hat...

ABER ist aber eine Bedingung - demnach macht die Kirche bedingungslose Nächstenliebe unmöglich - ist auf jeden Fall kein geeignetes Vorbild für ein solches Leben und Handeln.

M.E. sind die großen Kirchen oder aequivalente islamische Institutionen Einrichtungen zur Ausbildung und Ausübung irdischer Macht, die mit der eigentlichen Lehre nicht mehr als den Namen gemein haben und die Religionen als Mittel zum Zweck - zur Machterlangung und -ausübung einsetzen. Demnach sind sie etwas wie Trittbrettfahrer der Lehren ihrer Stifter und Propheten.

Eine "moderne" Kirche könnte man ggf. als Stiftung (nach Stiftungsrecht) eines Stifters kreieren, wobei der Stifter in den Verträgen / Satzungen klare wie juristisch verbindliche Anweisungen an seine Nachkommen / Nachfolger auferlegt - dabei sind die Anweisungen auf das Stiftungsvermögen begrenzt. Scientology funktioniert in etwa so - wie auch eine Reihe anderer Kirchen jeder Coleur.

Ob und wie gut das funktioniert, bleibt mal dahingestellt - es wäre aber eine immer noch ehrlichere weil transparentere Lösung für alle Beteiligten. Zu Jesus Zeiten gab es weder Stiftungen noch juristische Mittel und Wege einen persönlichen Willen, eine Idee in die Zukunft zu transportieren - da blieb nur der universelle, allmächtige, ewige Gott...

Ich ziehe vor jedem Christen, der das Christentum - darunter verstehe ich die christliche Lehre - aus eigener Verantwortung - auf eigenes Gewissen hin lebt (ohne sich dabei auf eine Kirche oder eine Gemeinschaft zu berufen) den Hut. Ebensowenig kann mich mit Christen anfangen, die sich in oder gar hinter der Machtkirche, deren Entscheidungen und Versprechungen verstecken oder sich in deren "Schutz" sicher und gut aufgehoben fühlen - ganz in der Hoffnung sein Leben lang den "nicht den falschen Baum angebellt" zu haben. Noch erbärmlicher finde ich Menschen, die zwar nicht an einen Gott glauben, aber - quasi als eine Art "Lebensversicherung" - vorsichtshalber doch gelegentlich ein bischen bis regelmäßig fleißig Kirche oder Christentum mitnehmen - ganz nach dem Motto: "man weiß ja nie..". Und das sind gar nicht so wenige...

Verantwortung für das eigene Tun ist etwas, das man an niemanden abgeben kann - welcher man nicht entfliehen kann - weder durch ein "Urbi et Orbi" oder eine "heilige" Beichte. Hat man sich wie ein Schwein benommen, kann und muß man das mit sich selbst aufarbeiten.

Kirche klassifiziert Menschen zu notorisch-chronischen Sündern und gibt gleichzeitig vor, Türsteher zum einzigen Ausgang aus der Sünde zu sein. Dieses simpele, effektive und vergleichweise ressourcensparende (die "Entlohnung erfolgt ja auch hier nur virtuell") Mittel zur Generierung von Abhängigkeit erinnert nicht umsonst an die Wirkweise so mancher Droge oder auch die Versprechen früherer Armeen an ihre Soldaten (in Orden aus billigstem Blech...). Die Dealer oder Generäle halten die Zügel ihrer "Schäfchen" in der Hand und bestimmen weitgehendst frei (wie weit hängt nur davon ab, wie vollkommen die Macht des repräsentierten Gottes ist) was und wie mit diesen Menschen. Das nennt man klassischerweise Machtausübung.

Wenn jemand sagt, Kirche gebe ihm Hoffnung, so erinnert dies auch an Drogenkonsumenten, die nicht selten in der Droge ihre Hoffnung wiederfinden, die ihnen vom Leben sonst verwehrt zu bleiben scheint.

Dennoch kaufe ich Menschen wie Ratzinger & Co. Sogar ab, das sie persönlich davon überzeugt sind im Sinne des Guten - im Interesse der Menscheit zu handeln. Aber wollen und können ist und bleibt nun mal nicht das selbe.

Ich wundere mich nur über die Ablehnung der Deutschen gegenüber Kirchen wie Scientology - ja sogar deren Kriminalisierung. Sie haben die Konzepte der klassischen Kirchen lediglich übernommen und nach materiellen Gesichtspunkten etwas optimiert. Über die verbrecherische Machtkirche des Mittelalters regen sich nur die wenigsten auf. Aber vielleicht ist den Kritikern unter den Christen ja unterbewusst präsent, welches Einflußpotential eine Kirche erlangen kann, welches über das tatsächlich tolerante Maß der gegenseitigen Glaubensfreiheit hinaus geht?

Statt die unbeschränkte (irdische) Macht zu erlangen möchte man vordringlich Geld "für die Kirche" und ihre Mitarbeiter verdienen. Was ist daran denn negativer? Immerhin gehen Geld und Macht fast immer Hand in Hand. Natürlich behauptet jede Kirche, ihr ganzes Tun FÜR die Menschen einzusetzen. Aber vielleicht ist das Spiegelbild einfach das unangenehmste?...

Ich denke, der erste Schritt in Richtung echte gleichberechtigende Glaubensfreiheit und Toleranz wäre alle bisherigen Sonderbeandlungen auf juristischer wie politischer Ebene abzuschaffen. Jeder kann seinen Glauben gern und soweit frei leben, wie er dem Andersgläubigen die selbe Freiheit für dessen Glaubeneinräumen mag. Was Glauben ist und was nicht, bestimmen nicht religiöse Institutionen oder Glaubensführer - sondern ein jeder für sich selbst.

Warum sollte das Weltbild des Einzelnen juristisch unter dem einer Gruppe stehen? Das würde man mit Diskriminierung bezeichnen.

Wir brauchen weder religiöse Feiertage (oder gar die religiös motivierten Gesetze zu den "stillen Tagen"), wir brauchen keinen Religions oder Glaubensunterricht (wie auch Ethik eine Frage eines jeden Einzelnen ist) - auch den Weltanschauungsunterricht Staatsbürgerkunde haben wir erfolgreich abgeschafft. Zwar braucht eine Gesellschaft m.E. auch Feiertage - die aber kann man - wie in vielen anderen Ländern - genauso gut auf staatliche beschränken / verlegen oder alle paar Jahre durch das Volk wählen / bestimmen lassen.

Wir brauchen weder "runde Tische" zwischen Regierung und Lobbyistenführern der großen Machtkirchen / -Religionen usf.

Während manche Deutsche Dörfler wochen- oder gar monatelanger "Mahnwachen" vor den Häusern wegen sexuellen Mißbrauchs verurteilter und bereits bestrafter Täter abhalten und diese Menschen - gegen geltendes Gesetz und christliche Gebote - selbst auf kriminelle Weise verfolgen, bedrängen oder gar öffentlich deren Tod fordern findet man erstaunlich wenige "Demonstranten" vor den Pfarreien, kirchlichen Einrichtungen oder den Wohnhäusern der kirchlichen Täter. Oder wer würde - wie in Uder an die Schule - an eine Kirche schreiben: "Todesstrafe für Kinderschänder"?

Während man von "normalen" Tätern von "Kinderschändern" spricht, fällt dieser - sonst ja so oft und gern benutzte - Begriff im Zusammenhang mit pädophilen Priestern / Kirchenangehörigen überhaupt nicht, was mich schon verwundert. Da spricht man nur von "Mißbrauchsopfern" - über die Täter hört man erstaunlich wenig - auch wenig derart derbe Bezeichnungen.

Es scheint so, als würde auch hier wieder - wie ja "selbstverständlich" - mit zweierlei Maß gemessen. Warum aber sollte ein in Kirchenamt stehender Serientäter - sei es als Mißbrauchstäter oder Verschleierungstäter - eine "bessere Sozialprognose" haben als jeder andere Mensch in der selben Tatsituation?

Um keine Mißverständnisse zu generieren - ich dulde derartige Selbstjustiz überhaupt nicht.

Die Äußerung eines hohen Kirchenmannes, die derzeitige "Medienkampagne gegen die Kirche" (damit meinte er die Fälle sexuellen Mißbrauchs) wären vergleichbar mit dem Antisemitismus der Nazi-Zeit, hauen dem Faß schlichtweg den Boden aus (und den z.B. schon am ersten Tag der neu eröffneten "Mißbrauchs-Hotline" der Kirche über ca. 4000 anrufenden Opfern ins Gesicht). Derartige herablassende Arroganz und Weltfremdheit scheinen selbst für das "einfache Schaf" der Herde Christi unüberbietbar. Immerhin zog Ratzinger tags drauf schnell die Notbremse, nachdem die Äußerung Wellen der Unverständlichkeit und Empörung weltweit generierten.

Würde sich z.B. herausstellen, das ein deutscher Bischof oder gar der Papst Ratzinger selbst in min. einen Mißbrauchsfall verwickelt ist, würden die Menschen dann ebenso nach "Todesstrafe" oder "Kinderschänder" gröhlen - oder auf dem Petersplatz Mahnwachen abhalten? Dabei sollte man doch den selbsternannten (immerhin sogar "vollkommenen") Moralaposteln besondere Vorbildwirkung zusprechen können?

Sie tun das ja nicht mal bei "einfachen" Pfarrern oder Mönchen. Das die Kirche bis heute physische wie psychische Gewalt wie Schläge, Prügel oder psychische Unterdrückung von Kindern nicht mal als Mißbrauch sieht, ist auch mir hinlänglich bekannt (die Kirche hat Gewalt in der Erziehung über Jahrhunderte praktiziert und kommuniziert - dies aber nie öffentlich zurückgenommen) - ich habe ja auch mal einen von Nonnen geführten katholischen Kindergarten besucht.

"Wer seinen Sohn liebt, der züchtigt ihn....".

Gibt man Menschen - gewollt oder ungewollt - Macht in die Hand, nachdem sie selbst eine unterdrückende Erziehung genossen haben, werden sie diese recht wahrscheinlich wiederum mißbrauchen. Täter sind fast immer auch Opfer und vice versa... Demnach ist es keine gute Idee, Menschen (gottgleich) für unfehlbar zu halten. Man sollte Führungspersonen nach Qualifikation, Erfahrung und Können erwählen und dennoch laufend kontrollieren können - wie z.B. die Demokratie dies in ihren heutigen Ansätzen beginnt zu tun.
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pOng
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Re: der nächste Messias?

Ungelesener Beitrag von pOng »

Die Kirchenobrigkeit schießt sich momentan selbst immer mehr in's Aus - dafür sorgt sie selber. Die Diskrepanzen zwischen schein und sein fallen nun auch den vormals treueren Christen auf, vor allem aber den jungen und jüngeren Christen. Reform ist in der Kirche aber nicht vorgesehen. Als moralische Instanz hat die Kirche jetzt vollends versagt. Die Moral ist der Kirche um einiges voraus, wie nach dem 2. Weltkrieg. Man kann also annehmen, das die Menschen heute ihre eigene Moral, ganz ohne Kirche zu finden wissen.
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Re: der nächste Messias?

Ungelesener Beitrag von Christel »

pOng hat geschrieben:Christen. Reform ist in der Kirche aber nicht vorgesehen.
Zweites Vatikanisches Konzil - "Unitatis redintegratio": Dekret über den Ökumenismus
6. Jede Erneuerung der Kirche (23)besteht wesentlich im Wachstum der Treue gegenüber ihrer eigenen Berufung, und so ist ohne Zweifel hierin der Sinn der Bewegung in Richtung auf die Einheit zu sehen. Die Kirche wird auf dem Wege ihrer Pilgerschaft von Christus zu dieser dauernden Reform gerufen, deren sie allzeit bedarf,
http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/251.html
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: der nächste Messias?

Ungelesener Beitrag von niels »

Das erinnert mich doch sehr an die "Reformen" der deutschen Politik, über die zwar jeder groß redet, von denen am Ende - also bei der Realisierung - oft nicht mal mehr ein "Reförmchen" übrigbleibt.

Dabei ist das bereits vor vielen Jahrzehnten stattgefundene Konzil bis heute nicht mal bei allen Kirchenleuten wie auch Kirchenchristen angekommen und selbst der aktuelle deutsche Papst Ratzinger äußert hie und da seinen Unmut über die seiner Meinung nach wohl "zu großen" Veränderungen, die das Konzil im Ergebnis vorsah. Immerhin muß man zugeben, das ihm das "leidige" Konzil selbst besonders schwer macht, eine strikte Rückkehr (wohl die Idee "seiner" Wunschreform) zu befehligen, wie es zuvor ja noch einfach für Papste war. Bin ich nur froh das es in der EU-Verfassung keinen Gottesbezug festgeschrieben gibt...

Nun, der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf. Man kann den abschneiden - vielleicht sogar einen frischen dransetzen - der Fisch ist und bleibt faul und wird es nicht minder.

Aber mal ehrlich:
Wer - selbst unter en Christen - glaubt heute tatsächlich noch an die Unfehlbarkeit des Papstes wie das der direkt von Gott auf seinen Thron berufen wurde? Die Institution ist ein Relikt der Zeit des alten Roms und der unterdrückten Menschheit und verliert steig an Sinn und Legitimität in der Menschheit.

Dennoch, bereits das Konzil war zu seiner Zeit schon lange überfällig. Spätestens zu Luthers Zeit hätte eine Instanz, die sich dem Christentum wie der christlichen Lehre verpflichtet sieht und als "höchstmoralische" Instanz begreift, selbst reformieren müssen um überhaupt weithin glaubwürdig bleiben zu können.

Schafft es Ratzinger, die Zeit der Kirche gemäß einen Wünschen zurückzudrehen, auch wenn er es als "Reform" begreift, werden ihm noch mehr Menschen weglaufen - dafür wird der immer kleinere Kern immer härter.

Ich denke, die eigentliche Reform der Christenheit wird man außerhalb der Kirche finden - vor allem der katholischen wie orthodoxen - immer mehr Christen werden individuell oder in kleineren Gruppen neue Konzepte suchen ihr Christentum zu leben.

Dabei spielt es eine immer geringere Rolle ob die Gruppe vom Vatikan anerkannt wird oder sich selbst noch als Christen bezeichnet - auch deshalb bin ich gegen die Privilegisierung der Kirchen oder Glaubensgruppen - sie wirkt der Glaubensfreiheit entgegen. Die Lehre, die Ideen sind ja das eigentlich tragende eines Glaubens und die Menschen erden sich - wenn sie die Idee wie die Lehre für gut und richtig befinden -neue Wege suchen diese Idee zu leben..

Bayern war noch nie und wird die "Vorbild" des Landes, schon gar nicht Europas oder der Welt - schon gar nicht gesellschaftlich - auch wenn das so mancher Urbayer bis heute gern anders träumt - ob nun als Kirchler oder Staatsmann...

Dennoch denke ich, das eine vielfältige Welt mythischer wie kausaler Konzepte mehr "Wettbewerb" und mehr Freiheit für den Einzelnen schafft. Etwas festzuschreiben, weil's schon "lange da war" war selten einge gute noch hilfreiche Idee.
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