christliche Schikanen beim Kirchenaustritt...

Diskussionen rund um Glaubensfragen

Moderatoren: niels, Kirche und Religionen

Forumsregeln
Glaube und Religion im Eichsfeld Wiki:
Religion im Eichsfeld
Kategorie: Religion im Eichsfeld
Kirchen im Eichsfeld
Benutzeravatar
niels
Site Admin
Beiträge: 2320
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

christliche Schikanen beim Kirchenaustritt...

Ungelesener Beitrag von niels »

hallo,

mit froßer Verwunderung hörte ich gestern, das der Austritt aus der Kirche - neuerdings wohl über die Standesämter abgewickelt - im Eichsfeld bzw. Thüringen mit 30,- EUR Gebühren verbunden ist.

Möchte also eine Familie aus der Kirche austreten, sind (für die Eltern) happige 60,- EUR fällig. Für einen solchen Betrag überlegen sich vor allem Wenigverdiener oder Bedürftige mehr als dreimal (die ja i.d.R. keinen Gegenwert-Vorteil über die Kirchensteuer haben) ob sie ihrer weltanschaulichen Gesinnung durch einen Kirchenaustritt Ausdruck verleihen und "offiziell" machen.

Immerhin handhabt die Gebührenerhebung jede Region oder Bundesland anders. Während manche z.B. "nur" 10,- EUR kassieren, gibt es einzelne Extremfälle bis 60,- EUR. Auch ist ungleich geregelt, ob z.B. Hartz IV Empfänger von der Gebühr befreit sind. Dabei ist der "Bearbeitungsaufwand" doch in allen Verwaltungen gleich?

Die Gebührenhandhabung dürfte erklären, warum die Kirche bis heute offiziell mit immer noch derart großen Mitgliederzahlen hausieren geht., zumal viele derer wohl nicht mal wissen, DAS sie Kirchenmitglieder sind.

Nun ist die Kirche leider kein Verein, der keine Gebühren für einen Austritt verlangen kann - schon gar nicht wenn der Eintritt nicht durch explizite Willensbekundung des Mitgliedes - sondern der seiner Eltern im Säuglingsalter erfolgte.

In einem bereits gelaufenen Verfahren vor dem Verfassungsgericht wurde die Gebühr für rechtens erklärt und man sah darin keine Behinderung der Gesinnunsgfreiheit - allerdings nur weil dem Kläger (ein Hatz IV Empfänger) die Gebühr von seiner zuständigen Behörde erlassen worden war. Demnach dürften einer zukünftigen Klage gegen die Gebührenerhebung bzw. das Verwaltungsverfahren noch nicht alle Türen zugeschlagen worden sein.

Das Gericht stelle - allerdings mehr am Rande - fest, das der Bearbeitungsaufwand für die Verwaltungen recht gering ist...

Wie sieht das hier in Thüringen / im Eichsfeld aus? Werden Hartz IV Empfängern die Gebühren für den Kirchenaustritt erlassen? Wer weiß mehr dazu?

Mein Eindruck ist schon, das hier Kirche bzw. Länder den möglicherweise massenhaft zu erwarteten Kirchenaustritten "entgegenwirken" möchten und deshalb Austritte mit derartigen Hürden belegen, als wolle man es für Austrittler "uninteressant" oder "unrentabel" für Steuersparer, aber auch "unmöglich" für Menschen ohne oder geringfügigem Einkommen machen.

Ich habe auch gehört, das der Aufwand für Austrittler mittlerweile höher sei, da man mittlerweile neben dem Personalausweis auch Geburtsurkunden vorlegen muß, wo früher wohl allein der PA reichte.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenaustritt
(hier zitiere ich sogar mal Wikipedia...)

...und Exkommunizierte?
Wie schon im Forum hier behandelt, gibt es wohl heute eine ganze Reihe durch die Kirche selbst "Exkommunizierte" Christen bzw. "ehemalige" Mitglieder - z.B. wegen "Fehlverhaltens" wie Scheidungen oder "inkompatiblen" Eheschließungen. Wie sieht es mit denen aus?

Müssen die auch "offiziell" und teuer austreten oder nimmt man deren Kirchensteuern auch weiterhin gern, obgleich man sie nicht mehr als Kirchenmitglied sieht?

Wenn mich die Kirche "rauswirft", komme ich dann vielleicht kostenlos aus der Mitgliedschaft?

Das deutsche Körperschaftsrecht in punkte Kirche zieht schon sonderbare Kreise...

Ich nehme mal an, das das Gesetz hier - wie die Kirche - mit zweierlei Maß misst: man ist zwar kein Mitglied der Glaubensgemeinschaft mehr - dafür aber weiterhin Mitglied der "Körperschaft". Seltsam...
Liborius
Senior- Mitglied
Beiträge: 211
Registriert: Sonntag 27. Dezember 2009, 18:01
PLZ: 68740
Wohnort: Rumersheim le Haut

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von Liborius »

Die Frage ist doch, wer kassiert denn die 30 Euro Kirchenaustrittsgebühr? Ganz sicher nicht die Kirchen.
Hier versuchen die klammen Gemeinden zu mehr Einnahmen zu kommen. Man kennt dies bereits bei anderen Gelegenheiten. In BW werden neue Gebühren bzw. Erhöhungen immer mit dem Finanzausgleich begründet.
30 Euro ist ja ein peanuts, denn bereits für einen neuen Pass muss ich 70 Euro Gebühren blechen und der hat nur eine Gültigkeitsdauer von 10 Jahren. Der Verwaltungsaufwand in beiden Fällen ist mit diesen Gebühren nicht gerechtfertigt.
Benutzeravatar
niels
Site Admin
Beiträge: 2320
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von niels »

Die Frage ist doch, wer kassiert denn die 30 Euro Kirchenaustrittsgebühr? Ganz sicher nicht die Kirchen.
nein,
DIE kassieren fromm und fröhlich die Kirchensteuer von jedem, der nicht ausgestreten ist - gleich ob der sich als Christ noch Katholik sieht / fühlt oder weiß. Zudem geht die Kirche mit den Mitgliederzahlen auch politisch hausieren, wenn es darum geht irgendwelche Sonderrechte / - befugnisse (Kirchenstaatsverträge etc.) durchzuspielen...
Hier versuchen die klammen Gemeinden zu mehr Einnahmen zu kommen. Man kennt dies bereits bei anderen Gelegenheiten. In BW werden neue Gebühren bzw. Erhöhungen immer mit dem Finanzausgleich begründet.
30 Euro ist ja ein peanuts, denn bereits für einen neuen Pass muss ich 70 Euro Gebühren blechen und der hat nur eine Gültigkeitsdauer von 10 Jahren. Der Verwaltungsaufwand in beiden Fällen ist mit diesen Gebühren nicht gerechtfertigt.
Das ist schon richtig,

allerdings ist mein Eindruck, das in Ländern / Regionen mit "traditionell christlichem" Background die Gebühren im Mittel höher sind als in denen, wo das nicht so ist. Wo die CDU herrscht spielen Austrittsgebühren keine wahlkampftaktische Rolle, da die Betreffenden dieser Maßnahme nur selten Wähler einer "christlichen Partei" sind (auch wenn die Realität sicher anders sein dürfte und es genug CDU-Wähöler auch unter Nicht-Christen gibt).

Das Eichsfeld ist wohl Paradebeispiel, wie "eng" selbst heute noch Politik und Kirche Hand in Hand gehen dürfen und können, obgleich der Verfassungsgesetzgeber hier klare Trennung fordert - dazu braucht man sich nur mal eines der Eichsfelder Amtsblätter zur Brust nehmen und ein bischen blättern...

Allerdings ist der Aufwand für einen Paß erheblich höher als für einen Kirchenaustritt (allein die Kosten für Spezialmaterial und Sicherheitsauflagen etc.).

Warum allerdings darf ich als "Mitglied" der Körperschaft Kirche meinen Austritt nicht einfach dieser gegenüber bekunden um von meinen Mitgliedspflichten entbunden zu werden? Dafür gibt es afaik keine ehrliche, nachvollziehbare Erklärung. Der Verein hat mich ja auch zum Mitglied gemacht und kassiert meine Steuern usw....

Ich find es einfach frech und verfassungwidrig - allerdings halte icha uch die Kirchenstaatsverträge für verfassungswidrig und hoffe, das diese im Rahmen der europäischen Entwicklung irgendwann mal ihr Ende finden...

Dennoch bleibt die Frage offen:
Was passiert mit denen per Kirchengesetz Exkommunizierten?

Ich kann mir gut vorstellen bereits durch Kirchengesetz exkommuniziert zu sein, warum kassiert mich die Kirche dann aber immer noch ab bzw. geht mit meiner "Mitgliedschaft" hausieren? Mir ist bekannt, das manch Katholik eine (jedenfalls aus meiner Sicht) "sonderbar andere" Sicht auf Dinge wie Recht und Gerechtigkeit pflegt - verstehen tu ich das sicher nicht.

Fraglich ist weiterhin, ob Bedürftige / Hatz IV Empfänger im Eicvhsfeld kostenlos austreten dürfen.

Und noch eine Frage: Müssen auch Moslems auf's Amt und die 30 Euro löhnen, wenn sie sich von ihrer Religion verabschieden? Müssen das auch Scientologen?
Liborius
Senior- Mitglied
Beiträge: 211
Registriert: Sonntag 27. Dezember 2009, 18:01
PLZ: 68740
Wohnort: Rumersheim le Haut

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von Liborius »

Niels
der Staat hat die Hoheit über die Steuerlisten und wird für das Inkasso der Kirchensteuer für die beiden christlichen Konfessionen fürstlich bezahlt.
Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften sind in diesen Listen nicht aufgeführt, deshalb auch keine Verwaltungsgebühr.
Wenn ein Katholik per Exkommunikation aus der Religionsgescheinschaft ausgeschlossen wurde, so hat der Betroffenen selbst dafür zu sorgen das sein Name aus den Steuerlisten getilgt wird.
Vermutlich wird der Staat trotzdem eine Gebühr verlangen. Dies wäre dann aber einmal eine Frage für das BVerwG, denn der Betroffenen hat ja nicht selbst sein Austritt beantragt.
Benutzeravatar
niels
Site Admin
Beiträge: 2320
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von niels »

ja,
das Körperschaftsrecht in Kombination mit den Kirchenstaatsverträgen generieren eine "seltsame" Rechtskonstellation, die nur schwer mit grundrechtlichen Konzepten "abgleichbar" scheint.

M.E. fängt das Problem schon dort an, das der Staat für die Einnahmen der Kirche zuständig ist und so eine ganze Reihe verwaltungsrechtliche Verflechtungen entstanden sind, die die grundgesetzliche Trennung von Staat und Kirche erheblich "erschweren" - quasi sogar aushebelt.

Würde man den Faden auf ehrliche, gleichbehandelnde Weise weiterspinnen, müsste der Staat auch gleichrangige Regeln mit allen Glaubens- und Gesinnungsgruppierungen bzw - formen treffen, was ich für nicht realisierbar halte.

Wer kann sich z.B. vorstellen, das unsere Finanzämter die Steuern für Scientology, Muslime oder auch Humanisten oder Atheisten eintreiben? Das diese als "Körperschaften" ähnliche Vertragsbedingungen bekämen? Das deren "Bedürfnisse" (z.B. offizielle Feiertage, Beamten- und Amtsstatus, Religionsunterricht usw.) Ich nicht, zumindest nicht, das die Mehrheit der Deutschen dies akzeptieren oder gar befürworten würde (dabei würde ich dies sogar befürworten, solange man diese Dinge nicht generell abschafft, was ich präferiere)...

Es gab z.B. den Fall, das ein Christ zwar aus der Körperschaft austreten wollte - ohne die Glaubensgemeinde der Christen zu verlassen (aber u.a. auch keine Steuern mehr zahlen zu müssen), da er sich weiterhin als Christ sah. Es gibt also auch Fälle, die entgegengesetzt gelagert sind. Ermöglicht wurde ihm dies nicht...

Das Mittelalter - so mein Eindruck - ist noch gar nicht so lange her...
Liborius
Senior- Mitglied
Beiträge: 211
Registriert: Sonntag 27. Dezember 2009, 18:01
PLZ: 68740
Wohnort: Rumersheim le Haut

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von Liborius »

niels

Jede Religionsgemeinschaft, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert ist, hat in Deutschland das Recht entsprechend Art. 140 GG und Art. 137 der Weimarer Verfassung das Recht von ihren Mitglieder eine Kirchensteuer zu erheben und dafür die Dienste des Fiskus zu benutzen. Dieses Inkasso ist kostenplichtig.
Von diesen Recht auf Kirchensteuer und staatlichem Inkasso machen Gebrauch:
- die EKD
- die röm. kath. Kirche
- Altkatholiken
- ev. Freireligionen
- Unitarische Kirche
- jüdische Gemeinden in Deutschland

Daneben gibt es Religionsgemeinschaften, die ihre Kirchensteuer auf der Basis der Steuerlisten des Fiskus selbst einziehen. Hier wäre die dänische Kirche in SH als Beispiel zu nennen.
Dann gibt es Religionsgemeinschaften die auf ihre Recht auf Kirchensteuer verzichten, Mormonen wären hier zu nennen.

Andere Religionsgemeinschaften wie z.B. die Muslime fehlt es am Status einer öffentlich rechtlichen Vereinigung. Bei den Muslimen ist parktisch jede Moschee selbständig.
Benutzeravatar
niels
Site Admin
Beiträge: 2320
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von niels »

Das war mir neu...

Allerdings bleibe ich bei meiner Meinung, das derart Verflechtungen von Weltanschauung und Staat nicht mehr zeitgemäß sind und in der Praxis auch keine Gleichberechtigung von Gesinnungen realisiert.

Alleredings sehe ich "Gesinnungs-Steuern" und Beamtentum in Gesinnungsgemeinschaften nicht als die einzigen Knackpunkte, sondern (und vor allem) Religionsunterricht in staatlichen Schulen wie auch weltanschauliche Feiertage, die - wie wir wissen - nur zwei bis maximal drei relativ großen Gesinnungsgruppen (Christen [Katholiken/Protestanten], Muslime) ausgerichtet sind.

Meinetwegen sollen die Deutschen "Ihr Weihnachten" gern behalten, wenn die abosulte Mehrheit der Deutschen dese "Feiertag" als solchen haben will. Ähnlich sollte man dies m.E. auch mit anderen Feiertagen halten - sie sollten von allen Bürgern gleichberechtigt mitbestimmt werden - unabhängig von weltanschaulichen "Bedürfnissen" weniger... Feiertage dürfen gern auch bundeseinheitlich sein, wobei man z.B. jedem Land einen "eigenen" frei bestimmbaren zugestehen könnte.

Religionsunterricht hat m.E. in keiner staatlichen Schule einer modernen, offenen Gesellschaft mit grundgesetzlicher Trennung von Staat und Religion/Weltanschauung zu suchen - wir würden ja auch keine "Staatsbürgerkunde" im Sinne der DDR-Anhänger wollen oder auch scientologische Unterweisungen (na gut, ich jedenfalls nicht...).

Ich sehe allerdings auch keinen Unterschied zwischen den sog. "materiellen" wie "metaphysischen" bzw. "theistischen" Gesinnungen und Weltanschauungen. Das sollte jedem selbst überlassen bleiben und dazu gebietet die Toleranz, keine der Gesinnungen in irgend einer Form zu bevorzugen (auch nicht mit der Begründung, das die eine Gesinnung ja mehr Anhänger hätte als andere o.ä....).


.
Heinrich5

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

In der DDR und auch seit dem Beitritt der DDR zur BRD konnte vor jedem Amtsgericht in Thüringen der Kirchenaustritt erklärt werden. Kosten entstanden hierbei nicht.

Seit März 2009 sind in Thüringen die Standesämter und nicht mehr die Amtsgerichte für Kirchenaustritte zuständig.

Für einen Kirchenaustritt muss der Ausweis vorgelegt, eine Erklärung abgegeben und ein Obolus von 30 Euro pro Person gezahlt werden. Das Standesamt benachrichtigt dann u.a. das Finanzamt, die Meldebehörden und die Kirchen.

Jahrzehntelang ging es also auch in Ostdeutschland ohne eine Kostenerhebung für den Kirchenaustritt

Jede Religionsgemeinschaft, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert ist, hat in Deutschland das Recht entsprechend Art. 140 GG und Art. 137 der Weimarer Verfassung das Recht von ihren Mitglieder eine Kirchensteuer zu erheben und dafür die Dienste des Fiskus zu benutzen. Dieses Inkasso ist kostenplichtig.
Das stimmt. In der Lohnsteuerkarte steht es, wer Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Die kann nämlich Beiträge - bei den Christen die Kirchensteuer - bei den Juden heißt es Kultussteuer und ist der gleiche Prozentsatz, einziehen lassen per Finanzamt.
Von diesen Recht auf Kirchensteuer und staatlichem Inkasso machen Gebrauch:
......... unter anderem....
- ev. Freireligionen
- jüdische Gemeinden in Deutschland
Bei den jüdischen Gemeinden ist es aber unterschiedlich, ob sie diesen Einzug vom Finanzamt machen lassen oder nicht. Wenn ja, dann steht es in der Lohnsteuerkarte. Es ist schlicht und einfach eine Rechenaufgabe, ob sich das für die verschiedenen Gemeinden rechnerisch rentiert oder nicht. Denn für den Einzug per Finanzamt sind Kosten verbunden. Es gibt auch jüdische Gemeinden welche den „freiwilligen“ Zehnten erheben.

Mit den ev. Freikirchen hatte ich mich mal eingehend beschäftigt, als ich aus der kath. Kirche ausgetreten war. Dass die evangelischen Freikirchen Kirchensteuern erheben stimmt nicht. Freikirchen lehnen eine Privilegierung durch den Staat ab. Sie ziehen keine Kirchensteuer ein. Die Mitglieder geben ebenfalls „freiwillig“ den Zehnten (also ein Zehntel des Brutto-Einkommens). Die Kirchen kommen mit dieser Regelung natürlich viel besser weg. Finanzschwache Mitglieder sind meist nicht in der Lage den „Zehnten“ zu geben, sie spenden das was sie verkraften können.

Deutschland ist der einzige Staat der diese Form der Einziehung der Kirchensteuer anwendet. In anderen Staaten haben es die Kirchen nicht so leicht an das Geld der Gläubigen heranzukommen.

Von einer „fürstlichen“ Entlohnung des Staates für diese Dienstleistung kann allerdings keine Rede sein.
Liborius
Senior- Mitglied
Beiträge: 211
Registriert: Sonntag 27. Dezember 2009, 18:01
PLZ: 68740
Wohnort: Rumersheim le Haut

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von Liborius »

....Von einer „fürstlichen“ Entlohnung des Staates für diese Dienstleistung kann allerdings keine Rede sein.....

Heinrich
Also 3% des Steueraufkommen als Inkassogebühr halte ich schon für beachtlich. Wenn der Staat wenigstens davon dem Arbeitgeber für seine Zusatzleistungen der Kirchensteuer Berechnung und Abführung etwas abgegeben würde. Dem ist aber nicht so, vom Arbeitgeber werden hier unentgeltlche Buchhaltungsleistungen erwartet.
Benutzeravatar
niels
Site Admin
Beiträge: 2320
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von niels »

hmmm,
als Unternehmer halte ich 3% von den Einnahmen (die ja selbst nicht nochmal besteuert sind - z.B. mit den sonst üblichen Umsatz-/"Mehrwertsteuern" von derzeit immerhin 19%!) - für gar nicht so hoch. Da kostet mancher gewerblicher Inkassodienstleister erheblich mehr...

Soweit allerdings Kosten für Inkassoaufwände bei Dritten hängenblieben, hielte ich das für unfair. Ob dies so ist, weiß ich nicht da ich die Strukturen nicht im Detail kenne - kann mir aber vorstellen, das z.B. der Arbeitgeber für seinen zusätzlichen Aufwand zur Berechnung von Kirchen- bzw. Körperschaftssteuern seiner Arbeitnehmer Ausgleich erhalten müsste, aber nicht erhält.

An Unternehmern und Arbeitgebern bleibt ja traditionell so einiges an Verantwortlichkeiten hängen...

Auch deshalb halte ich das Einziehen von quasi "Mitgliedsbeiträgen" einer Körperschaft wie denen eines Vereines für deren eigene Aufgabe - und nicht für das Finanzamt.

So betreibt die Kirche ja auch das parallele Inkasso für's Kirchgeld - warum also sollte sie nicht selbst auch ihre "Steuern" (obligatorischen Mitgliedsbeiträge) einholen können?
Benutzeravatar
niels
Site Admin
Beiträge: 2320
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von niels »

@Heinrich,

ich möchte Dich nur kurz ergänzen:
Zumindest das Standesamt in Heiligenstadt fordert wohl auch die Geburtsurkunde der betr. Personen. Ob das thüringenweit so ist, weiß ich allerdings nicht.

Interpretiert man übrigens das BVerfG in seiner Klageabweisung aus, kann man zugrundelegen das es für Hartz IV Empfänger / Bedürftige eine Befreiung von den Gebühren geben muß, da die Austrittsregelung sonst die freie Gesinnung / freies Bekenntnis behindert. Mich würde daher mal interessieren, wie das hier gehandhabt wird.
Benutzeravatar
niels
Site Admin
Beiträge: 2320
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von niels »

Bei der gestrigen Podiumsdiskussion am Rande des Kirchentages erklärte unser Bundesinnenminister, er sähe sich in seiner politischen Aufgabe und Verantwortung den christlichen Kirchen sehr verbunden, da ja "...immerhin 2/3 der Deutschen Mitglieder der christlichen Kirchen seien...".

In Umfragen erklärt sich dagegen wohl nur noch jeder 5. oder gar 10. Deutsche als Kirchenmitglied, was wohl auch den Kirchbesucherzahlen näher kommen dürfte.

Wie schon gesagt bezweifele ich aber ernsthaft, das sich tatsächlich 2/3 der Deutschen als Kirchenmitglieder sehen - vor allem aber sich von den Kirchen in ihren Interessen und Meinungen vertreten sehen.

Einem Gutteil der Deutschen dürfte nicht mal bekannt - oder wenigstens bewusst - sein, das sie Kirchenmitglied sind.

Einem anderen Gutteil dürfte die Entscheidung, ihre persönliche Distanz zur Christenkirche über einen Kirchenaustritt "offiziell" zu machen, enorm schwer fallen, da die damit verbundenen Gebühren (immerhin ca. 60,- EUR für eine Familie) gerade für Einkommensschwache alles andere als einfach aufzubringen sind. Nicht wenige Familien ernähren mit diesem Betrag ihre Familie eine ganze Woche...

Warum legt man nicht besser die Zahl der "aktiven" Mitglieder zugrunde - also denen, die mindestens einmal im Jahr in die Kirche gehen bzw. Kirchgeld zahlen usw.? Wenn jemand über z.B. über Jahrzehnte in keiner Kirche mehr war, halte ich es schlicht für anmaßend anzunehmen der Betr. stehe als Mensch hinter der Kirche wie der von dieser vermittelten Religion und gewollten Politik.

Ich frage ich, woher denn die vielen Kirchenmitglieder auf dem Gebiet der ehem. DDR kommen sollen / gekommen sind oder waren / sind automatisch alle Altbundesbürger Kirchenchristen?

Die hamburger Innensenatorin erklärt, das in dem Stadtstaat bereits 50% der Menschen aus einem Migrationshintergrund kämen, die zum Großteil anderen Religionen (Muslime, Juden uva.) und Weltanschauungen anhingen und ein Zusammenleben nur mögkich ist, wenn Gleichbehandlung sichergestellt wird.
Liborius
Senior- Mitglied
Beiträge: 211
Registriert: Sonntag 27. Dezember 2009, 18:01
PLZ: 68740
Wohnort: Rumersheim le Haut

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von Liborius »

Niels

hier ein Link der offiziellen Meinung des Vatikan an die amerikanische Bischofskonferenz gerichtet. Im Anhang eine Stellungnahme der deutschen Bischofskonferenz zu diesem Thema.
http://www.phil.uni-sb.de/projekte/impr ... 60411.html

Ich kenne weiterhin eine juristische Beurteilung allerdings als Dissertation der juristischen Fakultät der Universität Freiburg vorgelegt, die die Forderung einer Exkommunikation der DBK nach kanonischen Recht für rechtswidrig hält.

Aber grundsätzlich ist festzuhalten, weder das kanonische Recht noch die verschiedenen Konkordate sehen eine kostenpflichtige Willenserklärung für den Kirchenaustritt vor einem kommunalen Beamten vor. Es genügt eine schriftliche Erklärung mit einer Bestätigung für die freie Willensbekundung des Betroffenen.
Hier liegt eine einseitige und rechtswidrige Handlung der Kommunen vor, wenn sie für eine Dienstleistung, Bestätigung einer persönlich geleisteten Unterschrift, mehr als 5 Euro Bearbeitungsgebühr verlangt. Alle weiteren Tätigkeiten, wie Korrektur des Verzeichnis der Kirchensteuermitglieder sind Verwaltungskosten, die dem Betroffenen nicht angelastet werden können.
Benutzeravatar
niels
Site Admin
Beiträge: 2320
Registriert: Freitag 22. März 2002, 16:15
PLZ: 37075
voller Name: Niels Dettenbach
Wohnort: Göttingen
Kontaktdaten:

Re: 1x Kirchenaustritt kostet 30,- EUR im Eichsfeld

Ungelesener Beitrag von niels »

"Kirchenaustrittler mal richtig zur Kasse bitten" und "den Austrittlern eine besondere Hemmschwelle setzen", das sind - mehr oder weniger offiziell - die Hintergründe vieler insbesondere christlich geprägter Kommunen in Bezug auf abtrünnige Schäfchen, wo Gemeinderat und Kirche noch besonders dicke unter einer Decke stecken (soll's ja bekanntlich geben...).

Hierzu ein hochinteressanter PANORAMA Bericht über die Tricksereien von Kirchen, Gemeinderäten wie Ämtern wie die Position von Gläubigen gegenüber Austrittlern und den "richtigen" Umgang mit solchen Nestbeschmutzern: OTon: "Die Gebühren müssten noch viel höher sein" oder "aus der Kirche tritt man eben nicht aus.".

http://m.youtube.com/watch?desktop_uri= ... qlNc&gl=DE

Als "Zuschlag" findet man auch so manche Kirchensteuertrickserei und die "Erklärung" ranghoher Kirchler für solche Einkommenstricksereien seitens der Kirchen - natürlich ganz legal über das Finanzamt...
Heinrich5

Re: christliche Schikanen beim Kirchenaustritt...

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Der Link zu YouTube hat bei mir am PC nicht funktioniert.
Mit diesem Link bin aber auch dahin gekommen:

http://www.youtube.com/watch?v=kja-UEPqlNc

Das Video hätte genau so gut auch bei uns im Eichsfeld gedreht sein können.

"Man tritt doch nicht aus der Kirche aus - steinigt sie (ihn)"
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 28 Gäste