Mediankampagne: "schützt endlich unsere Kinder!"

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niels
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Mediankampagne: "schützt endlich unsere Kinder!"

Ungelesener Beitrag von niels »

Hallo,

mit einigem Erstaunen - aber auch unangenehmer Verwunderung verfolge ich die seit Tagen in den Medien - speziell auf einigen TV-Sendern laufenden Spots und "Doku-Serie" mit dem Titel: "schützt endlich unsere Kinder!".

Mit aus meiner Sicht journalistisch zweifelhaften bis bedenklichen Methoden hat es sich eine Gruppe von "Journalistinnen" und "Psychologinnen" zur Aufgabe gesetzt, sog. "Kinderschänder" bzw. "Pädophile" aufzuspüren und "dem Gesetz zuzuführen", wenn "die Polizei das schon nicht schafft...". Offensichtlich soll der Eindruck entstehen, der Staat bzw. das Gesetz schütze Kinder nich oder nur sehr ungenügend und die Gesellschaft biete eine Art "freie Selbstbedienung für Pädophile".

Dazu geben sich u.a. erwachsene Psychologinnen in sozialen Netzen als 12 bis 15-Jährige Mädchen aus, die dann über Wochen und Monate erwachsene Männer um den Finger wickeln und mehr oder weniger sexuelle Kontakte bzw. "Liebesbeziehungen" in Aussicht stellen. Dann wird i.d.R. ein Treffen vereinbart, bei dem man die betr. Männer mit Kamera, Mikrofon und "psychologischer wie journalistischer Fachkompetenz" regelrecht überrumpelt.

In einem der Fälle hatte ein 19-Jähriger sich mit einer knapp (!) 14-Jährigen über Wochen / Monate auf einer Dating- bzw. Social-Plattform bekannt gemacht und wollte sich mit ihr in einem Cafetreffen. Die von einer Erwachsenen vorgespielte "13-Jährige" zeigte sich dem 19-Jährigen gegenüber erstaunlich "frühreif" und immerhin an sexuellen Erfahrungen "interessiert".

Im Anschluß führte man die Betreffenden der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft zu. Mit großer Entrüstung gab man dann im TV bekannt, das die Staatsanwaltschaft(en) die weitere Verfolgung der Sache einzustellen gedenken, da ja keine Straftat vorliege bzw. nachweisbar sei.

Nun bringen die selbsternannten "Kinderschützerinnen" eine Reihe von politischen wie juristischen Forderungen an die Öffentlichkeit. So müsse man z.B. Kinderporno-Konsumenten "wesentlich härter bestrafen als bisher" - z.B. sehen die Engagierten "um die 5 Jahre" für ein "angemessenes Strafmaß". Dabei spiele es auch keine Rolle, ob die abgebildeten Darsteller erwachsen seien, solange Derjenige "davon ausgehe, es sei ein Kind".

Von den Produzenten echter KiPos spricht man erstaunlicherweise kaum bis gar nicht. Aber mir fallen gleich eine Vielzahl Varianten ein, Unbescholtene Bürger ins Strafbare wie an den sozialen Rand zu bringen - mit nen paar untergeschobenen Fotos...

Eine weitere Forderung lautet, das man auch "den Versuch unbedingt" und "ebenso hart bestrafen müsse".

Aber dabei bleibt es nicht. Man fordert neue Gesetze zur "Überwachung des rechtsfreien Internets" aber auch "aktives Aufspüren von Kinderschändern" - z.B. wie in der Medienkampagne praktiziert. Aber auch eine - "idealerweise öffentliche" - Datenbank für "einschlägig Aufgefallene" zum Schutz der Bevölkerung sieht man als Muß. Wollen wir denen nicht gleich noch den blau-rosa Winkel als Hemd nähen?

--

Immerhin,
bei im psychologischen Sinne als "pädophil" einzustufenden Menschen (egal ob Mann oder Frau) handelt es sich um eine genetische Veranlagung oder auch eine medizinisch induzierte Verhaltensstörung. Bestrafung löst das Problem daher nicht - ebensowenig Wegsperren für immer - was viele fordern. Psychologische Betreuung / Behandlung wäre in vielen Fällen der einzig aussichtsreiche Weg. Wo bleiben die Forderungen nach Anlaufstellen für von derartigen Veranlagungen geprägten Menschen? Wer gibt diesen Menschen die Option ihre Triebe / Veranlagung in den Griff zu bekommen - soweit es das Zusammenleben nun mal erfordert?

--

In der Praxis bedeutet dies, das Beamte Psychologinnen o.ä. auf "Männerfang" in den sozialen Netzen etc. gehen sollen, um ältere Männer einzugarnen um sie dann der Justiz zur Bestrafung überstellen zu können, wenn die auf ein Treffangebot eines angeblichen Kindes eingehen.

--

Auf der anderen Seite tritt die Geschlechtsreife bei Mädchen heute im Schnitt um Jahre früher ein als noch vor 30-50 Jahren. In meiner Jugendzeit war es nicht sehr unüblich, wenn eine 13 oder 14 Jährige mit älteren "Jungens" mehr oder weniger "fest" befreundet war. An Gleichaltrigen hatten die wenigsten Interesse. Aufgeklärt waren die meisten eh - von Eltern wie in der Schule. Folgt man den Ideen der "Kinderschützer", wäre so manch einer heute wohl in der "Kinderschänderdatenbank" und die Straftat wäre mit der einer "schweren Vergewaltigung" vergleichbar.

Ich möchte hier sicher nicht erwachsene Pädophile, die ihre Neigung ausleben in Schutz nehmen - schon gar keine Vergewaltiger. Aber einen Trieb allein kann man nicht bestrafen - nur dessen womöglich unakzeptable Ausübung. Diese Trennlinie kann und darf ein Rechtsstaat nicht brechen.

Allerdings hat jeder Mensch - auch jeder Straftäter - immer noch Rechte.

--

In den USA wird diese "rechtsstaatliche Form" des Kampfes gegen die dort ja verbotene Prostitution bereits "erfolgreich praktiziert". Als "käufliches Mädchen" aufgetakelte Polizeibeamtinnen laufen abends / nachts auf den Straßen umher um alle möglichen Männer zu beschwatzen und um ihre "angeblichen Liebensdienste" an den Mann zu bringen - mit einiger Aufdringlichkeit, z.B. wenn die Männer die Frau mehrfach abweisen. Dabei werden Männer nicht selten regelrecht zum Deal "überredet" - willigt der ein, klicken sofort die Handschellen.

Ich erinnere mich an Strafurteile in Deutschland, die in einem Freispruch endeten, weil ein Polizeibeamter z.B. nen Schwarzgeldeal anbot, zu dem der Betroffene "nur schwer nein" sagen konnte. Scheint lange her...

Nicht zuletzt bekomme ich bei dem Wort "Kinderschänder" Gänsehaut - der Begriff "Schande" kommt aus einer m.E. überlebten mittelalterlichen Kultur oder heute als rückständig geltenden Kulturen. Ein "geschändetes" Mädchen oder Frau bezeichnete eine Frau, die der "Schande" ausgesetzt war und deshalb sozial minderwertig. Somit trifft der Begriff "Schande" im eigentlichen Sinne allein das Opfer - nicht den Täter. Afaik wurde der Begriff "Schande" aus unseren Strafgesetzen vor vielen Jarzehnten verbannt...

Vor nicht mal 100 Jahren waren auch Homosexuelle Straftäter und man war der Meinung, man müsse die Leute bestrafen um sie "zu heilen" - oder sie ewig wegsperren bzw. gar umbringen...

Während sich bisher vornehmlich Neo-Nazis und andere ewig-gestrige Konsorten mit Begriffen wie "Kinder-" oder "Frauenschänder" beschäftigten und damit die Trommel rührten, kommt die Thematik heute auch entfernt bayrischer Stammtische zur gesellschaftlichen Diskussion.

Leute, die selbst Grundkonzepte des Internets nicht annähernd verstehen, sehen in diesem eine Gefahr, die gebannt werden muß - eider werden das immer mehr (so mein Eindruck). Die Gluckenhormone manch einer Beteiligten "Kinderschützerin" scheinen der Realitätserfassung nicht gerade zuträglich. Und ich nahm an, Frau von der Leyen hätte schon weltfremde Ideen...

Ich warte regelrecht darauf, wann der erste Familienvater ab in den Knast geht oder man ihm "nur" die Kinder wegnimmt, weil er seine minderjährigen Kinder mit an einen FKK-Strand oder eine ordentliche Sauna genommen hat. In den USA macht man sich u.U. schon des Mißbrauchs verdächtig, wenn man mit seinem Kind im Bett liegt oder daheim auch mal nackt umherläuft...

Mein Eindruck ist, das sich die Gesellschaft sukzessive wieder mehr Prüderie, Starrsinn und Kleinbürgertum wieder zu eigen macht, nachdem wir über Jahrzehnte das Gefühl hatten die Menschen hätten das Mittelalter und Nationalsozialismus zwischenzeitlich überwunden. In der Folge werden wir Bürgerrecht um Bürgerrecht aufgeben und extremen "Aufräumern" das Feld übergeben/-lassen, weil wir DIE "Sicherheit" für wichtiger halten, die es nun mal nicht gibt...


Cheers,


Niels.
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