Shariah und deutsches Arbeitsrecht?...

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niels
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Shariah und deutsches Arbeitsrecht?...

Ungelesener Beitrag von niels »

Aktuell verhandelte das Bundesarbeitsgericht einen Fall, bei dem ein türkischer muslimischer Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber - eine Einzelhandelskette - verweigerte, in den Getränkeabteilung des Unternehmens zu arbeiten, da er dort auch alkoholische Getränke in Regale räumen müsste, was dieser mit seiner Religion für nicht vereinbar sah.

Das Bundesgericht entschied nun nicht, verwies das Verfahren mit dem Hinweis, das Arbeitgeber nach eigenem billigem Ermessen und ggf. unter Beachtung religiöser Beschränkungen Arbeiten zu vergeben hätten. Juristisch müsse erst einmal festgestellt werden, welche Arbeiten einem Muslim zuzumuten seien usw.. Wie will man das anstellen? Die Sharia als Sub-Gesetz anerkennen / deklarieren? Denn ohne Gesetz kein Recht...

Nun gut, dann mal los:

Beispiel 1:
folgt man dieser Interpretation der Religionsfreiheit, dann wäre ebenso denkbar, das z.B. ein Hinduist oder indischer Buddhist auf die Idee käme, er wolle sich traditionsgemäß zum "hausfreien" erklären und sich damit dem dann vorgesehenen "geistigen" Leben als Einzelgänger verschreiben. Diese "Malangs" leben allein von Spenden aus der Gesellschaft und die Gesellschaft ist quasi verpflichtet, an diese Geistlichen zu spenden. usw. Demnach würde er zwar kein "Wohngeld" benötigen, jedoch Anspruch auf seine täglichen Essensrationen usw. Könnte er damit sozusagen auf Wohngeld verzichten - im Gegenzug verzichtet das Amt auf Wiedervermittlung in einen Beruf...?

Demnach könnte ein GSA / Sozialamt den Betreffenden schon wegen seiner religiösen Gesinnung / Situation nicht zu einer Arbeit zwingen - wäre aber zur weiteren Unterhaltsleistung verpflichtet usw.


Beispiel 2:
Ein Arbeitnehmer in einer Reinigungsfirma käme auf die Idee, er könne seiner Glaubensgesinnung nach fortan nicht mehr mit Fäkalien / Exkrementen anderer hantieren und könnte demnach auch keine Toilettenreinigung mehr übernehmen, was damit anderen Mitarbeitern obliegt. Oder er lehnt das Arbeitsangebot einer Reinigungsfirma des Amtes ab, pocht aber auf Weiterzahlung seiner Hartz IV Bezüge, da seine Entscheidung ja "religiös gebunden sei".

Beispiel 3:
Ein Koch in z.B. einem Steakhaus tritt zu einer strikt veganen Religion (z.B. einige hinduistische Strömungen) über und weigert sich nunmehr forthin, Fleisch anzufassen noch Fleischgerichte zuzubereiten - geschweige denn abzuschmecken.

Beispiel 4:
Ein Koch möchte keine Tiere töten und verweigert daher die Zubereitung von lebendem Hummer oder Fisch.

Beispiel 5:
In einer Religion darf z.B. die Frau für z.B. 1 Jahr nach der Heirat nicht das Haus verlassen, geschweige denn einer beruflichen Beschäftigung nachgehen. Hat sie in dieser Zeit Anspruch auf ALG/Sozialhilfe?

beispiel6:
Ein Mensch kommt auf die Idee, seine Religion verbiete jede Form körperlicher Arbeit für seine Person.


Ein jeder Bürger kann in einem freiheitlichen Rechtsstaat leben und arbeiten wo und wie er möchte (und dies so u.U. auch mit seinem Arbeitgeber vertraglich vereinbaren) - sind aber darüberhinaus religiös oder weltanschaulich begründete / begründbare Ansprüche im Arbeitnehmer-Verhältnis oder gar im Sozialrecht ableitbar?

Auf welche Weise kann ein Arbeitnehmer seine Position begründen/stützen - z.B. der Betrachtung des Korans als "offizielles Gesetzbuch" seiner Religion (demnach müsste hierzu dem Koran juristische Bedeutung zukommen)?

Wo ziehen wir da welche Grenzen? Ein womöglich noch hochinteressantes Thema...
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