niels hat geschrieben:die den "einfachen Christen" traditionell aus den Lehren wie liturgischen Inhalte ausschloß.
Nein! Diese Behauptung findet sich zwar immer wieder, aber das stimmt so nicht. Verkündet wurde der Glaube immer, das geht gar nicht anders. Sicher in unterschiedlicher Weise und in unterschiedlicher Qualität. – Was ausschießt, auch heute ist mangelnde Bildung (damals wie heute).
Damals konnte man nicht studieren, wenn man nicht fließend Latein sprach, heute ist es vielfach Englisch. Zudem war Theologie um 1500 eine „brotlose Kunst“. Es gab keine Stelle für studierte Theologen. Das studierten meistens Mönche.
Und heute? Wie jede Wissenschaft hat die Theologie natürlich auch eine Fachsprache. Oder kennst Du den Unterschied zwischen ökonomischer Trinität und immanenter Trinität oder zwischen Person und persona? Solche grundlegenden Dinge müssen aber klar sein, um manch theologische Diskussionen nachvollziehen zu können. -> Nun, was Ratzinger schreibt, versteht man auch so.
Nicht jeder Theologe schreibt so verständlich. Es ist oft eine Gradwanderung zwischen Genauigkeit und Verständlichkeit. Bei Ratzinger ist beides ausgegliechen.
niels hat geschrieben:stellt Jesus Christus in seiner Bedeutung für das Christsein heraus
Ist das erforderlich? Allein schon der Begriff "Christentum" impliziert dies doch - oder haben sich Kirche wie Christentum inzwischen doch soweit von Jesus wie seiner damaligen Lehre entfernt, als das man darauf hinweisen müsste?
Allgemein lässt sich das schwer sagen. Die Kirche, das Christentum hat eine so reiche Tradition, da wird das Wesentliche, der um den es geht, leicht übersehen.
niels hat geschrieben:Ich würde mich freuen, wenn man weitaus mehr Konzentration darauf legen würde, WAS Jesus damals gesagt hat bzw. haben könnte, statt immer wieder darüber herumzubrüten, wie er es - und das in Bezug auf eine ferne spätere Zeit und dabei losgelöst von seiner sozialen Situation und Umfeld - "gemeint" haben könnte.
Da kann ich Dir die Jesusbücher von Ratzinger empfehlen.
Was Jesus damals sagte, ist die Grundlage jeder Suche danach, was das für uns heute bedeutet.
niels hat geschrieben:Wer der eigentlichen Lehre von Jesus näherkommen möchte, muß unweigerlich alle verfügbaren Schriften betrachten wie deren "Glaubwürdigkeit" in punkto Unabhängigkeit der jeweiligen Verfassers betrachten - auch aus dem Gesichtspunkt historischer Erkenntnisse usw.
Nein, das ist vom Aufwand her gar nicht zu leisten. Und was heißt „Glaubwürdigkeit“ und Unabhängigkeit? Ist das nicht letztlich ein subjektiver Maßstab?
Die grundlegende Information über Jesus findet sich in jedem christlichen Haushalt in Form der Bibel. Auf viel mehr Informationen über Jesus kann auch kein Theologe, keine Kirche… zurückgreifen.
Es geht also nicht um ein Mehr an Informationen, sondern um ein besseres Verständnis dieser Informationen.
Dabei kann uns als unabhängige „Institution“ das heutige Judentum helfen. – Ohne grundlegendes Wissen über das Judentum ist das Neue Testament nicht zu verstehen, schon gar nicht als Alte Testament. – Ich habe in Zweifelsfällen schon zweimal bei Rabbinern nachgefragt und immer eine tiefschürfende Antwort bekommen. Übrigens, jedes Mal stützten die Aussagen der Rabbiner, die kirchliche Position und nicht die der „Unabhängigen“.
Selbstverständlich muss man selbst die Bibel lesen und zwar im jeweiligen Kontext. Da jede Übersetzung eine Interpretation ist, müsste man das Neue Testament eigentlich in Altgriechisch lesen und verstehen können. Das packe ich auch nicht. Aber ich habe ein altgriechisches Wörterbuch, zwei Interlinearübersetzungen (also Wort für Wort) und verschiedene andere Übersetzungen zum Vergleich.
Und wie gesagt, immer den Kontext… beachten, nicht jede möglich Übersetzung ist eine treffende Übersetzung. Z.B. sehr beliebt ist heute zu übersetzen Lk 17,21 „das Reich Gottes ist in Euch“. Ich habe immer „Bauchschmerzen“ gekriegt, wenn ich das las. Aus meiner Sicht ist es eine verkürzte Interpretation. Du kannst Dir sicher vorstellen, dass ich hoch erfreut war, als ich dieses „ungute Baugefühl“ bei Ratzinger in seiner Richtigkeit bestätigt fand. In seinem Buch „Eschatologie : Tod und ewiges Leben“ schreibt er auf S. 40, dass dies rein sprachlich richtig sein kann. Gleichzeitig begründet er anhand der NT-Texte, dass dies dennoch das Wesen des „Reiches Gottes“ nicht erfasst.
niels hat geschrieben:Das "Schicksal" aber traf neben Jesus ebenso auch die anderen Glaubenslehrer bzw. -stifter. ...
Kurt Hutten erläutert in seiner Schrift, dass er das so nicht meint. Bezüglich der anderen Glaubenslehrer schreibt Hutten u.a.:
Sie alle also wollten ausgestreckte Finger, Wegweiser hin zu Gott sein.
Der Anspruch Christi aber ist ein anderer und höherer: Er sagt nicht: Ich zeige euch den Weg, sondern: Ich bin der Weg.“ Nicht: Ich sage euch die Wahrheit, sondern „Ich bin die Wahrheit.“ Nicht: Ich führe euch dorthin, wo ihr das Leben findet; sondern: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“
Er weißt also nicht von sich weg auf eine Richtung, in der die Menschen zu gehen haben. Er ist nicht nur ein ausgestreckter Finger hin zu Gott. Sondern er weist auf sich selbst: Ich bin es! Ich bin das Brot des Lebens! Ich bin das Licht! „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“
Dieser Anspruch hinge in der Luft, wäre er nicht noch durch ein letztes Selbstzeugnis Jesu begründet: „Ich und der Vater sind eins.“ (Joh. 10,30)
„Brauchen wir noch Christus? / Kurt Hutten“ S. 7
niels hat geschrieben:Allein die Vorstellung, das einen dann auch über den Tod hinaus Menschen "ganz offiziell" anbeten dürfen (und hoffentlich werden), dürfte ihn in einige Verzückung versetzen - so jedenfalls mein Eindruck...
Ich schätze Ratzinger ganz anders ein. Und was das „Anbeten“ betrifft, dies wird populär zwar oft so formuliert, aber Ratzinger dürfte zu sehr Theologe sein, um nicht zu wissen, dass dies unzutreffend ist. Anbetung gebührt allein Gott. Heilige sind Fürsprecher, sie kann man bitten (hier wird oft beten) formuliert, aber man kann sich nicht anbeten. Eben weil es theologisch falsch ist. Auch Nichttheologen tun gut daran zu unterscheiden und zu differenzieren.
Habt keine Angst! Öffnet die Tore für Christus!
Aus der Ansprache des Seligen Johannes Paul II., Papst, am Beginn des Pontifikats
(22. Oktober 1978: AAS 70 [1978], 945-947)
http://www.vatican.va/roman_curia/congr ... re_ge.html