Katholizismus ist erbbar?

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niels
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Katholizismus ist erbbar?

Ungelesener Beitrag von niels »

Nach den Berichten einer Bekannten und erneuter Mutter, die Ihr zweites Kind nun im Krankenhaus Duderstadt zur Welt brachte, kostete es ihr einigen Aufwand und Protest, in den Geburtsunterlagen des Kindes die Konfession "nicht religiös" einzutragen. Mit energischem Engagement der Krankenhausangestellten wurde ihr dargelegt, man "könne" doch soetwas nicht in die Geburtsunterlagen eintragen lassen.

Finanzämter behandeln die Steuererklärungen von nichtkonfessionellen, die "offiziell" Kirchlinge sind, und daher in ihren Steuererklärungen - für deren Richtigkeit der Steuerpflichtige ja haftet - keine Angabe zur Konfession machen bzw "religionsfrei", eine andere Konfession o.ä. eintragen, derart, das man diese Angabe nach Rücksprache auf zB "römisch katholisch" ändert zzgl. eines internen Vermerkes, das diese Angabe aus den Personenstandsdaten oä stamme.

Die Differenz zwischen "offiziellen", amtlichen Zahlen zu Konfessionsanhängern dürften demnach alles andere als ein Abbild der konfessionellen Überzeugungen in der Gesellschaft abbilden.

Zwar wird seitens den Kirchen gern anhand eines VerfG Urteils argumentiert, das die hohen Aufwendungen für einen Kirchenaustritt nicht im Widerspruch zur grundgesetzlich verankerten Religionsfreiheit stünden, die genauere Betrachtung des Urteils legt aber auch dar, das zumindest für Menschen mit geringem bis gar keinem Einkommen (zB Hartz IV Empfänger oder viele Rentner) ein Austtritt nicht mit Kosten für den Austretenden verbunden sein darf, der Antragsteller also auf Kostenerlaß für seinen Kirchenaustritt drängen kann und sollte - nur kommunizierte dies bis dato weder die Kirche noch andere Interessengruppen oder gar Behörden. Kaum ein Betroffener weiß um sein Recht.
Liborius
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Re: Katholizismus ist erbbar?

Ungelesener Beitrag von Liborius »

Ein Eintrag "nicht religiös" in das Personenstandsregister ist unzulässig. Siehe dazu den Art. 21 (1) 4 PStG der lautet:
die Vornamen und die Familiennamen der Eltern sowie auf Wunsch eines Elternteils seine rechtliche Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.

Du solltest einmal deine Bekannte nochmals hinterfragen, denn ein Eintrag erfolgt nur auf Wunsch der Eltern und es ist nur die Angabe einer Religionsgemeinschaft des öR zulässig, ansonsten bleibt die Spalte im PStR leer. Auch bei einem muslemischen Kind gibt es keinen Eintrag.

Ich kann mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Standesbeamter dies nicht wissen sollte, denn auf diesen Rechtstitel beruht seine Tätigkeit.
niels
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Re: Katholizismus ist erbbar?

Ungelesener Beitrag von niels »

Der Artikel war auch eher als Scherz gedacht.

Bedenklich finde ich allerdings, das Eltern über Glauben und Weltanschauung ihrer Kinder bestimmen können/tun, ohne das hierzu das Kind selbst befragt wird.

Natürlich kann man widersprechen, Kinder könnten für sich selbst nicht darüber befinden, welche Weltanschauung sie hätten/verfolgten, dann aber wäre auch jedwede Verfügung der Eltern hierüber fragwürdig (zumal diese Eintragung ja nicht einfach mit dem 18 Lebensjahr verfällt - ja es kostet sogar Geld). Während sich vor allem Christen besonders laut und öffentlich gegen die Indoktrination / den Mißbrauch von Kindern in "Sekten" oder auch Kirchen wie Scientology auflehnen / demonstrieren, scheint ebendies bei den großen Religionen mehr als legitim.

Besonders perfide ist und bleibt die immer noch bestehende Unterscheidung von Religion und Religion über die Existenz einer KödR in Deutschland, zumal einerseits immer noch viele Religionsgemeinschaften nach Anerkennung als KödR ringen, zum anderen aber auch das Religionen als solche nur legitimiert sind, wenn diese von einer Mindestzahl an offiziellen bzw. organisierten Mitgliedern mitgetragen und juristisch geführt wird. Dies widerspricht dem Bild einer modernen, offenen, pluralistischen Gesellschaft, in der ein jeder das Recht hat sein eigenes religiöses bzw. mythisches bzw. irrationales Weltbild zu schaffen bzw. zu haben, sich auch hierzu zu bekennen. Ja selbst große Gruppen mit weitgehend überschneidenden Weltbildern stehen außen vor.

M.E. sollte Kindern keine Religionszugehörigkeit durch die Eltern auferteilt werden können/dürfen. Es ist auch lange nicht mehr zeitgemäß religiöse Bekenntnisse an KdöRs zu binden. Wer Mitglied einer KödR ist - welcher Art auch immer - kann dies eigenständig kund tun wo erforderlich.

Letztlich kommt man immer wieder an den Punkt wo wir neu überlegen müssen, was Religion bzw. Glaube im weitesten, gleichbehandelnden Kontext bedeutet wie bedeuten kann und welche Konsequenzen dies für unsere Rechtssprechung bedeutet. Die Grundlagen unserer juristischen "Behelfsdefinitionen" des Begriffes "Religion" (eine juristische Definition als solche wird bis dato verweigert) sind bis heute Produkt einzelner christlicher Theologen (die Rechtssprechung schreibt ausgerechnet diesen die Kompetenz zur Abgrenzung der Begrifflichkeit zu, mit der sie augenscheinlich überfordert ist), denen man zumindest eine Tendenz zur Befangenheit zuschreiben kann. Angesichts der Tatsache, das Religion maßgebliche grundgesetzliche Privilegien genießt, kann es nicht sein das befangene, da mit Eigeninteressen behaftete, Gruppenvertreter die Abgrenzung stetig in aller Sinne umzudeuten in der Lage sein sollen.

Das Grundgesetz wurde zu Zeiten verfasst, in denen über 90% der Deutschen offiziell kirchliche Christen waren (die Verfasser selbst waren allesamt Christen) darüberhinaus nur wenige andere Glaubenskonzepte praktiziert wurden.
Christel
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Re: Katholizismus ist erbbar?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Niels, Deine Bekannte versuchte ein weltanschauliches Bekenntnis und zwar "nicht religiös" einzutragen zu lassen, an eine Stelle, wo im Unterschied dazu, die Zugehörigkeit zu einer Körperschaft eingetragen wird.
niels hat geschrieben:Bedenklich finde ich allerdings, das Eltern über Glauben und Weltanschauung ihrer Kinder bestimmen können/tun, ohne das hierzu das Kind selbst befragt wird.
Genau das tut Deine Bekannte. Sie wollte es sogar „amtlich machen“.
Den Eintrag „r.k.“ wird man los, indem man aus der Kirche austritt. Aber wie will man den Eintrag "nicht religiös", was immer das überhaupt bedeuten soll, loswerden?

Übrigens, so wie kein Mensch ohne Sprache aufwachsen kann, so kann kein Mensch ohne Weltanschauung aufwachsen. Wenn Eltern hierüber nicht bestimmen sollen, muss man die Kinder dem elterlichen Einfluss entziehen. - Dann bestimmen Fremde über die Weltanschuung der Kinder.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Heinrich5

Re: Katholizismus ist erbbar?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Natürlich ist Katholizismus erbbar und zwar seit der Einführung der Säuglingstaufe. Kommt dieser Säugling dann ins Schulalter erlebt er eine kindliche Indoktrination durch den Religionsunterricht als Ergänzung zu seiner indoktrinären Erziehung im Elternhaus.
Auch der Protestantismus unterscheidet sich hier nicht vom Katholizismus.
Dagegen steht die Praxis der evangelikalen Christen. Hier gibt es nur die Erwachsenentaufe. Aber auch deren Kinder unterliegen der indoktrinären Erziehung ihrer Eltern. Aber als Erwachsene haben sie zumindest die Wahl sich taufen zu lassen oder auch nicht.
Wer einmal als Kind mit dieser indoktrinären christlichen Erziehung groß geworden ist, hat es ungemein schwer sich als Erwachsener von diesem christlichen Glauben, von einem Glauben an einen Gott als Schöpfer des Himmels und der Erden zu verabschieden.

Der bürokratische Umgang mit Eintragungen in der Geburtsurkunde ist dann wieder eine andere Sache.

Gruß,
Heinrich
Christel
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Re: Katholizismus ist erbbar?

Ungelesener Beitrag von Christel »

Indoktrination (von lateinisch: doctrina, „Belehrung“) ist eine besonders vehemente, keinen Widerspruch und keine Diskussion zulassende Belehrung. Dies geschieht durch gezielte Manipulation von Menschen durch gesteuerte Auswahl von Informationen, um ideologische Absichten durchzusetzen oder Kritik auszuschalten. http://de.wikipedia.org/wiki/Indoktrination
Lieber Heinrich, Du trittst sehr vehement auf!
Nach obiger Definition ist dies ein Bestandteil der Indoktrination!

Indoktrination
wird in der Definition nicht eingeschränkt auf Christentum. Das ist richtig!

Im Rückblick stelle ich fest, ich habe so was wie Indoktrination erlebt und zwar in Form einer atheistischen staatlichen Erziehung. – Es hat nicht geklappt, da mein Elternhaus gegensteuerte. Das heißt, ich bekam zusätzliche andere Informationen durch Erzählungen der Eltern, Westfernsehen und Kirchenbesuch. (Die Rolle der Kirche solltest Du dabei nicht überwerten. Ihr Einfluss war nicht so stark, dass sich andere nicht von ihr gelöst hätten. Meine damalige Gemeinde gibt es schon lange nicht mehr. Nach dem sonntäglichen Kirchenbesuch schimpfte mein Vater regelmäßig über den Pfarrer. Mein Religionsunterricht war minimal. Mein Pfarrer war unpolitisch.)
Heinrich5 hat geschrieben:Wer einmal als Kind mit dieser indoktrinären christlichen Erziehung groß geworden ist, hat es ungemein schwer sich als Erwachsener von diesem christlichen Glauben, von einem Glauben an einen Gott als Schöpfer des Himmels und der Erden zu verabschieden.
Wie gesagt, ich habe es schon im Kindesalter beobachtet, wie sich Christen reihenweise von Christus verabschiedet haben. Anscheinend fiel es ihnen, dank staatlicher atheistischer Indoktrination, nicht allzu schwer. - Ich habe mich nicht verabschiedet. – Das lag nicht am äußeren Rahmen!
Heinrich5 hat geschrieben:Dagegen steht die Praxis der evangelikalen Christen. Hier gibt es nur die Erwachsenentaufe. Aber auch deren Kinder unterliegen der indoktrinären Erziehung ihrer Eltern. Aber als Erwachsene haben sie zumindest die Wahl sich taufen zu lassen oder auch nicht.
Wer einmal als Kind mit dieser indoktrinären christlichen Erziehung groß geworden ist, hat es ungemein schwer sich als Erwachsener von diesem christlichen Glauben, von einem Glauben an einen Gott als Schöpfer des
Evangelikale beschränkte ich nicht auf solche Gemeinschaften.
Ich denke, alle Gemeinschaften, die behaupten bei ihnen gibt es nur die Erwachsenentaufe, lügen. Mitunter taufen sie ab 7 Jahre, spätestens aber ab 14 Jahre. Das sind keine Erwachsen! Die freie Wahl ist in diesem Alter nur bedingt vorhanden.

Es stimmt, wer als Säugling getauft wurde, hat nicht die Wahl sich taufen zu lassen. Aber jeder dem dies geschah, steht vor der Wahl, die Taufe anzunehmen und zu leben oder es zu lassen.
Allein wer nie getauft und frühzeitig atheistisch indoktriniert wurde, steht vor keiner Wahl!

Freundliche Grüße!

Christel
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Heinrich5

Re: Katholizismus ist erbbar?

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Es stimmt, wer als Säugling getauft wurde, hat nicht die Wahl sich taufen zu lassen. Aber jeder dem dies geschah, steht vor der Wahl, die Taufe anzunehmen und zu leben oder es zu lassen.
Das stimmt. Immer mehr Menschen machen davon Gebrauch und werfen diese Last ab.
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