Der Begriff "Religion" wird heute wie selbstverständlich mit (irrational begründeten) Glaubensideen vs. -systemen wie deren "Ausübung" gleichgesetzt. Selbst in üblichen Volkslexika liest man, das "Religion" sich von "religare" ("Anbinden") ableite, womit natürlich die "Anbindung an Gott" oder ein höheres Wesen gemeint sei oder auch die "Furcht" bzw. "Scheu vor Gott".
Tatsächlich ist diese Interpretation weder sprachwissenschaftlich noch inhaltlich korrekt.
Bereits laut antiken Philosophen wie Gelehrten (zB Cicero) bedeutete "Religion" übersetzt bzw. für die damalige Kultur ungefähr soviel wie "etwas immer wieder überdenken / bedenken / nachforschen". Erst ein katholischer Kirchling requirierte den Begriff um 300 nach Christus in die Ableitung aus "religare" (Anbinden) um, weil der lateinischen Sprache ein geeigneter Begriff für die "Beziehung zu Gott" fehlte.
Angesichts der Wissens- wie wissenschaftsfeindlichkeit der Christenkirche diktierte diese bekanntlich weithin was Wissen und Realität sei und zerstörte einen Gutteil antiker Wissensgüter.
Aber auch später wurde der Begriff "Religion" immer noch vereinzelt (idR auf der Ebene Gebildeter) im "alten" Kontext verwendet, während die katholische "Interpretation" auch in andere vom Westen dominierte Kulturgruppen und Völker adaptiert wurde.
Demnach wäre fraglich, inwieweit die großen sog. "Religionen" überhaupt diesem Begriff auch nur annähernd gerecht werden können und ob dieser nicht für die, die sich denkend, analytisch und kritisch der Natur wie dem Sein nähern (wie zB die Wissenschaft) diesen Begriff weitaus zutreffender wäre.
Tatsache ist ja, das gerade das Überdenken bestehender Fragen zum Sein bzw. der Natur im weitesten wie konsequenten Sinne insbesondere in den institutionellen "Religionen" wie den Kirchen den Anängern sogar "aberzogen" wird. Denken wird nicht als Tugend, sondern als Gefahr für einen festen Glauben und nicht selten als eine "Prüfung von Gott" gesehen. Hinterfragen gilt nicht als Tugend und ist unerwünscht, soweit die Antwort nicht von vornherein dem Selbstzweck der Kirche - den institutionellen Machterhalt - dient.
Diese Frage halte ich für nicht irrelevant, da der Term "Religion" ja expliziter Teil umfassend wirksamer Grundrechte wie sogar exklusiver Privilegien bewirkt, obgleich sich Juristen mehr oder wenig einig scheinen, das "Religion" als Begriff nicht definierbar sei (terminus technicus).
Für ebenso fraglich halte ich, wie weit und lange wir uns auch weiterhin die inzwischen belegbar von der Kirche exklusiv und in höchster diktatorischer Intoleranz "aquirierten" Begrifflichkeiten, Traditionen und Kulturgüter (von ergaunerten Gemeingütern wie Grund und Boden gar nicht zu sprechen) wie selbstverständlich weggenommen lassen wollen?
Wir haben die Monarchie wie ihre Lehren und Ideologien überwunden, Nationalsozialismus wie kommunistische Diktatur - nur der umfassendsten Diktatur scheinen wir - selbst die lange nicht mehr an den Katechismus glauben - uns nicht entledigen zu "wollen", dabei ist deren Legitimation wohl kaum minder fraglich - ja selbst für viele Christen, denn die Kirche war/ist ungefähr so "christlich" wie das SED-Regime eine "Demokratie" war...
ist Katholizismus überhaupt "Religion"?!?
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Re: ist Katholizismus überhaupt "Religion"?!?
Wie verengt muss doch ein Blickwinkel sein, wenn alle Aggressionen sich auf die kath. Kirche fokussieren. Selbst der Religionsbegriff wird einzig mit der kath. Kirche verbunden. Gibt es in Ihrer Welt keine weiteren Religionen wie Islam, Judentum, Buddhismus, Hinduismus etc.?
Eine einzige Definition von Religion schafften weder Heidegger noch andere Philosophen.
Alle Theologen haben damit kein Problem, denn deren Ansprüche sind doch sehr spezifisch. Im Blick auf die normativen Ansprüche von Theologie würde ich daher feststellen und betonen, dass man einen spezifisch theologischen Religionsbegriff nicht formulieren kann.
http://www.glopent.net/Members/hschaefe ... us-wp6.pdf
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Alle Theologen haben damit kein Problem, denn deren Ansprüche sind doch sehr spezifisch. Im Blick auf die normativen Ansprüche von Theologie würde ich daher feststellen und betonen, dass man einen spezifisch theologischen Religionsbegriff nicht formulieren kann.
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Re: ist Katholizismus überhaupt "Religion"?!?
@Liborius:
Natürlich gibt es auch andere Religionen, Religiotien wie Religioten - habe ich dem abgesprochen?
Meine Frage befasst sich hier insbesondere mit dem Katechismus, dem "ich glaube an die heilige katholische Kirche" im katholischen "Glaubensbekenntnis" (und ich streite nicht mal ab, obgleich gar nicht religiös, das es diese Kirche gibt - und "heilig" ist wohl ein eher subjektiver Begriff, der erst durch den Betrachter, im Betrachter entsteht.
Es gab und gibt auch Menschen, die an "Saddam Hussein" glaub(t)en und überzeugt waren, das gerade er ihr Leben am "besten zu führen" in der Lage sei - oder auch die, die an Stalin und Adolf Hitler geglaubt haben - beide bedienten sich ja exzellent der theologischen Praktiken zum Menschenfang - Stalin wollte/sollte ja sogar Kirchenpriester werden und lernte sein "Handwerkszeug" im Priesterseminar...
Es gibt prinzipiell zwei Auslegungen dessen, was der Mensch als "Religion" verstehen will - die klassische des "immer und immer wieder Überdenkens" und die des Gegenteiles, der "Demut vor Gott", bzw. des "irrationalen Überzeugungssystemes" - in der Praxis auch des Handelns aus mythischem Beweggrund", was so ziemlich das selbe ausdrücken dürfte. Den klassischen Begriff des (auf ehrliche Weise) immer wieder Überdenkens haben wir seit spätestens Augustinus ja überholt, denn Denken galt und gilt als schädlich, wenn bestimmte "Urwahrheiten" dabei angetastet werden, für die es keinen überdenkensresistenten Grund gibt auf diese einen Erkenntniswert zu bringen.
Es gibt aber gute Gründe, warum ich hier ausgerechnet über den Katechismus debattieren will, denn er ist die Ideologie, die zusammen mit der der DDR mich am meisten in meiner freien Entfaltung beschränkt hat, wobei ich ebensowenig behaupten würde, das der Islam oder der Nationalsozialismus weniger intrusiv, destruktiv auf Menschen wirkt - nur werde ich heute (die DDR habe ich überleben dürfen) vornehmlich von den Katechisten beeinträchtigt, was auf meine Lebenshistorie wie Geburtsort zurückzuführen ist, nicht mehr - aber auch nicht weniger.
Da bis dato Argumente Deinerseits fehlen, hätte ich davon auszugehen, das - zB mangels Fokusweite - diese nicht bestehen oder in Frage gestellt worden sind.
Natürlich gibt es auch andere Religionen, Religiotien wie Religioten - habe ich dem abgesprochen?
Meine Frage befasst sich hier insbesondere mit dem Katechismus, dem "ich glaube an die heilige katholische Kirche" im katholischen "Glaubensbekenntnis" (und ich streite nicht mal ab, obgleich gar nicht religiös, das es diese Kirche gibt - und "heilig" ist wohl ein eher subjektiver Begriff, der erst durch den Betrachter, im Betrachter entsteht.
Es gab und gibt auch Menschen, die an "Saddam Hussein" glaub(t)en und überzeugt waren, das gerade er ihr Leben am "besten zu führen" in der Lage sei - oder auch die, die an Stalin und Adolf Hitler geglaubt haben - beide bedienten sich ja exzellent der theologischen Praktiken zum Menschenfang - Stalin wollte/sollte ja sogar Kirchenpriester werden und lernte sein "Handwerkszeug" im Priesterseminar...
Es gibt prinzipiell zwei Auslegungen dessen, was der Mensch als "Religion" verstehen will - die klassische des "immer und immer wieder Überdenkens" und die des Gegenteiles, der "Demut vor Gott", bzw. des "irrationalen Überzeugungssystemes" - in der Praxis auch des Handelns aus mythischem Beweggrund", was so ziemlich das selbe ausdrücken dürfte. Den klassischen Begriff des (auf ehrliche Weise) immer wieder Überdenkens haben wir seit spätestens Augustinus ja überholt, denn Denken galt und gilt als schädlich, wenn bestimmte "Urwahrheiten" dabei angetastet werden, für die es keinen überdenkensresistenten Grund gibt auf diese einen Erkenntniswert zu bringen.
Es gibt aber gute Gründe, warum ich hier ausgerechnet über den Katechismus debattieren will, denn er ist die Ideologie, die zusammen mit der der DDR mich am meisten in meiner freien Entfaltung beschränkt hat, wobei ich ebensowenig behaupten würde, das der Islam oder der Nationalsozialismus weniger intrusiv, destruktiv auf Menschen wirkt - nur werde ich heute (die DDR habe ich überleben dürfen) vornehmlich von den Katechisten beeinträchtigt, was auf meine Lebenshistorie wie Geburtsort zurückzuführen ist, nicht mehr - aber auch nicht weniger.
Da bis dato Argumente Deinerseits fehlen, hätte ich davon auszugehen, das - zB mangels Fokusweite - diese nicht bestehen oder in Frage gestellt worden sind.
Re: ist Katholizismus überhaupt "Religion"?!?
@ Liborius
Religionskritik: Definition
http://de.wikibooks.org/wiki/Religionsk ... Definition
Meinen Ansprüchen reicht diese Definition vollkommen aus:Im Blick auf die normativen Ansprüche von Theologie würde ich daher feststellen und betonen, dass man einen spezifisch theologischen Religionsbegriff nicht formulieren kann.
Religionskritik: Definition
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Re: ist Katholizismus überhaupt "Religion"?!?
...wenn man die diversen Punkte wie: "einige haben dies, einige haben das" herausnimmt, weil es offensichtlich nicht für eine Definition geeignet ist und die mit der Aufklärung begonnene Abstrahierung des Religionsbegriffes fortführte, dann kommt man m.E. auf wenige Kernpunkte.
Während "Religiösität" als "irrationales Überzeugungssystem" definiert werden kann, kann man unter Religion schon die Handlungsstrategien aus mythischem Beweggrund verstehen. Ich erkenne jedenfalls kein Hindernis, welches einer solchen Definition im Wege stehen sollte - alle Religionen werden durch diese Begrifflichkeit erfasst wie ebenso alles, was dieser Definition entspricht oder -spräche, nicht ohne die Herbeiführung willkürlicher Zusatzbedingungen nicht zu Religionen zählbar wäre. Wem "Mythos" dabei noch zu unscharf ist, der kann auch gern weitergreifen und den Term durch "irrational fundierte Überzeugung" ersetzen...
Allerdings sind bis heute noch Mehrheiten von irrationalen Apekten der alten, widersprüchlichen Auslegungen geprägt und es scheint vielen schwerzufallen, sich von diesen zu lösen, obgleich die Irrationalität offensichtlich ist. So lassen selbst aktuelle (theologische) Gutachten über den Religionsstatus einer Gruppe oder Ideologie "Blüten" gucken wie, das eine Gruppe ja aktive Jugendarbeit betreibe, was sie als "Religion qualifiziere" (Hamburg), demnach wäre jeder Feuerwehrverein eine Art Kirche...
Ein auch nur halbwegs einheitlich abgrenzbarer Religionsbegriff ist aber solange vonnöten, wie dieser zur Herleitung von Rechten oder zur Ausgestaltung der Gesetzgebungen der FDGO verwendet werden soll und wird.
Während "Religiösität" als "irrationales Überzeugungssystem" definiert werden kann, kann man unter Religion schon die Handlungsstrategien aus mythischem Beweggrund verstehen. Ich erkenne jedenfalls kein Hindernis, welches einer solchen Definition im Wege stehen sollte - alle Religionen werden durch diese Begrifflichkeit erfasst wie ebenso alles, was dieser Definition entspricht oder -spräche, nicht ohne die Herbeiführung willkürlicher Zusatzbedingungen nicht zu Religionen zählbar wäre. Wem "Mythos" dabei noch zu unscharf ist, der kann auch gern weitergreifen und den Term durch "irrational fundierte Überzeugung" ersetzen...
Allerdings sind bis heute noch Mehrheiten von irrationalen Apekten der alten, widersprüchlichen Auslegungen geprägt und es scheint vielen schwerzufallen, sich von diesen zu lösen, obgleich die Irrationalität offensichtlich ist. So lassen selbst aktuelle (theologische) Gutachten über den Religionsstatus einer Gruppe oder Ideologie "Blüten" gucken wie, das eine Gruppe ja aktive Jugendarbeit betreibe, was sie als "Religion qualifiziere" (Hamburg), demnach wäre jeder Feuerwehrverein eine Art Kirche...
Ein auch nur halbwegs einheitlich abgrenzbarer Religionsbegriff ist aber solange vonnöten, wie dieser zur Herleitung von Rechten oder zur Ausgestaltung der Gesetzgebungen der FDGO verwendet werden soll und wird.
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