@Heinrich: Da gebe ich Christel allerdings insoweit Recht, das die Katholiken im Eichsfeld "verwöhnt" sind - sie genießen Privilegien, die sie als Mehrheit durch mangelnde Trennung von Staat und Kirche erhalten und für selbstverständlich halten. Das thüringer Feiertagsgesetz ist da nur ein einfaches, dafür aber offensichtliches Beispiel, sie genießen als Mehrheit auch demokratischen Einfluss auf das öffentliche Leben, was in Deutschland lange nicht überall so "komfortabel" ist, was ja interessanterweise sogar diverse Zugezogene gern und offen (z.B. gegenüber der Presse) als einen wesentlichen Grund für ihre persönliche Entscheidung bewerten dort hingezogen zu sein. Wo sonst - von ein paar Flecken in Bayern - findet man eine so breite Durchdringung öffentlicher Ämter, Einrichtungen wie der Bevölkerung mit katholischen "Glaubensgenossen"?
Das "Märtyrerprinzip" jedenfalls dürfte für die eichsfelder Katholiken in ihrer Situation nur schwer aufzuzwängen sein, was nicht heißt, das es doch welche gibt, die es dennoch tun...
Nunja, wenn erst die ersten Eichsfelder am Sonntagmorgen ins Auto steigen müssen um im Nachbarort eine eventuell überfüllte Kirche besuchen zu müssen, nach Parkplätzen suchen müssen u.a. Unbequemlichkeiten, wird den "verwöhnten" Eichsfeldern alsbald die Lust am Gottesdienst vergehen. Wenn erst die gegenseitige Kontrolle und Beobachtung in den Dörfern fehlt, wer nicht im sonntäglichen Gottesdienst war, werden die Kirchenbesucher auch weniger. Die Säkularisation schreitet auch im Eichsfeld voran.
Davon gehe ich allerdings auch aus, denn der soziale Druck bei regelmäßigen Betkulten ist - ob im islam oder im Christenkirchentum - doch erstaunlich stark von der Sozialisierung wie der sozialen Situation der betreffenden ab und ich war / bin immer wieder darüber erstaunt, wie schnell selbst "gottesdienstbeflissenen" Christen das Interesse an den Betauflagen vergeht, wenn nur keiner der "anderen" mehr "nachguckt" - demnach geht es weniger um einen "überall, alles sehenden Gott", sondern schon um die Nachbarschaft wie die soziale Gliederung.
Das allerdings ist auch in der "Diaspora" letztlich nicht wirklich anders denn auch dort spielt die religiöse Glauberei eine sozialisierende Rolle, aus der sie nicht herauszutrennen ist. Man gehört dazu oder ist ganz raus - aber nur wer dazugehört, gehört auch "dazu" - sei es bei Geschäften, bei "Freundschaften", bei Erwartungen bzgl. sozialem wie materiellem Status oder auch nur sich gegenseitig ein Sicherheitsgefühl vorzukaspern, die letztlich kaum mehr als Stallwärme und -geruch kultiviert.
Kirchgang ist heute wie schon lange: gesehen und gesehen werden (und damit meine ich nicht vordringlich: "von Gott gesehen" zu werden).
Man sollte den Leuten mal auferlegen vier Sonntage nacheinander daheim zu bleiben und dort alle Gebete der üblichen Messe zu beten - jeder für sich allein in einem eigenen Zimmer, so das der andere es nicht sehen kann, dann heimlich beobachten, wer sich tatsächlich soweit mit seiner religion identifiziert, das er tatsächlich allein betet - ich würde fast wetten, das es kaum mehr als ein paar prozent der Kirchgänger wären...
Christel schrieb: Weltweitgesehen gibt es vermutlich auch genügend Priesternachwuchs, daher ist der Vatikan keineswegs im Zugzwang.
Bisher noch nicht, denn obgleich Europa als inzwischen bei den Christen mehr als ausmissioniert gilt, hat man sich ja inzwischen Südamerika vorgenommen und hofft insgeheim auf eine Zukunft mit China - dort allein könnte man dann problemlos "Weltreligion" spielen, selbst wenn's im Westen gar keinen mehr interessiert...