deutsche Aerzteverbände entsetzt -Beschneidungsgesetz

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niels
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deutsche Aerzteverbände entsetzt -Beschneidungsgesetz

Ungelesener Beitrag von niels »

Nachdem das Justizministerium nun den geforderten Entwurf zur Legalisierung von Beschneidungen als Teil des BGB vorgelegt haben, zeigen sich deutsche Arzteverbände entsetzt, während die Religionsverbände applaudieren, der Entwurf ihnen aber doch in Details nicht weit genug ginge.

Unverständnis gibt es auch unter deutschen Medizinern, warum man als medizinisch "wissenschaftliche" Grundlage ein US-amerikanisches "Gutachten" einer Gruppe von Medizinern, die selbst Beschneidungen durchführt und von denen nicht wenige bis heute Masturbation als eine Art Krankheit betrachten, benutzte, welche nicht nur von deutschen Arzteverbänden als "nicht fundamentiert" bewertet, von über 30 internationalen Aerzteorganisationen abgelehnt wird.

So kritisieren deutsche Aerzte, das eine uneingewilligte Beschneidung eines Kindes ohne medizinische Indikation nicht "lege artis" sein könne, aber auch die Formulierung, das derartige Manipulationen an Kleinstkindern sogar Vertretern religiöser Gruppierungen erlaubt werden sollen, die kein Arzt sind, was schon die Gabe einer Narkose unmöglich macht.

Hier hat man offensichtlich einer bestimmten Religion einen Bärendienst erweisen wollen, die auf diese Form der Mißhandlung an Kleinstkindern besteht und für die bereits der Schockschmerz des brutalen Rituals wesentlicher Teil ihrer religiösen Indoktrination
maßnahmen darstellt.

Die explizite Beschränkung des Gesetzes auf Jungen ist weder ethisch noch medizinisch nachvollziehbar, hängen die lebenslangen Beeinträchtigungen einer Beschneidung ja nicht vom Geschlecht sondern Art und Umfang der Beschneidung ab. Aber schon jetzt debattieren diverse muslimische wie christliche Gruppen in DE, die in ihrer Religion noch "übliche" Mädchenbeschneidung wieder einzuführen - wohlgemerkt die "schwache" Form, der man ja ebenfalls nachsagt, "gesund" zu sein.

Ich kann mir nicht im Ansatz vorstellen, das ein solches Gesetz vor dem BVerfG Bestand haben kann, zumal sich ja bereits ehemalige Verfassungsrichter in der Oeffentlichkeit dazu äußerten und darlegten, das und warum eine solche Legalisierung grundgesetzwidrig sei.

http://www.aerztezeitung.de/politik_ges ... unkte.html
Heinrich5

Re: deutsche Aerzteverbände entsetzt -Beschneidungsgesetz

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Zitat Niels:
Ich kann mir nicht im Ansatz vorstellen, dass ein solches Gesetz vor dem BVerfG Bestand haben kann, zumal sich ja bereits ehemalige Verfassungsrichter in der Oeffentlichkeit dazu äußerten und darlegten, dass und warum eine solche Legalisierung grundgesetzwidrig sei.
Das sagt einem der gesunde Menschenverstand, dass das BVerfG einem solchen Gesetz nicht zustimmen kann. Aber letztendlich wird wieder mal die Politik obsiegen. Notfalls wird das Recht so lange verbogen und hingebogen bis es den Politikern in den Kram passt.

Dabei ist die Beschneidung, auch aus religiösen Gründen, nicht notwendig. Was sagt der Jude Wolffsohn dazu?
In der Beschneidungsdebatte erweckten viele jüdische Wortführer den Eindruck, (männlich) jüdische Identität hinge von der Beschneidung ab. Darauf reduziert, wäre jüdische Identität armselig. Wir sind das „Volk des Buches“.
„Landesrecht gilt“, verkündeten schon die talmudischen Weisen. Dennoch mischten sich Israels Oberrabbiner Metzger und der orthodoxe Innenminister Ishai direkt in die deutsche Debatte ein. Das dokumentiert einmal mehr die Politisierung (auch) der jüdischen Religion. Die Intervention war zudem unnötig, denn parteiübergreifend wird ein deutsches Gesetz vorbereitet, das die verschiedensten Interessen und Sorgen berücksichtigt. Danke, Deutschland.
Eigentlich verdanken wir Juden der vermeintlich deutschen Debatte die Möglichkeit, über unsere Identität nachzudenken. Noch haben wir diese Möglichkeit nicht genutzt. Was nicht ist, kann noch werden. Wir hätten es „den“ Deutschen zu verdanken.
Der (jüdische )Autor war von 1981 bis 2012 Professor an der Bundeswehruniversität München.
http://www.tagesspiegel.de/meinung/ande ... 872-2.html
Wolffsohn zufolge symbolisiert der Brauch die vollständige Hingabe an Gott, wie sie im Menschenopfer sichtbar wird, das Jahwe von Abraham in Genesis 22 erst fordert und dann im letzten Moment doch von sich weist. In einer "Verfeinerung" dieses Opfers gaben Juden bei der Beschneidung etwas her, das ihnen sehr wertvoll war – ein Stück ihres "Schmocks". Doch auch das hält der an der Forschungsstelle für deutsch-jüdische Zeitgeschichte tätige Geschichtswissenschaftler lediglich für eine "Krücke auf dem Weg zu Gott oder […] auf dem Weg zur Erfüllung ethischer Prinzipien".
Diese Sichtweise untermauert er sowohl mit Bibelstellen wie Deuteronomium 10, 16 ("Ihr sollt die Vorhaut eures Herzens beschneiden und nicht länger halsstarrig sein") und Jeremias 4, 4 ("Beschneidet euch für den Herrn und entfernt die Vorhaut eures Herzens"), als auch mit der Feststellung, dass die Halacha klar regelt, dass auch ein unbeschnittener Sohn einer Jüdin dem Religionsgesetz nach Jude ist. Selbst Konvertiten wurden, wie er anmerkt, bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert nicht durch eine Vorhautentfernung, sondern wahrscheinlich durch eine Taufe in die Religionsgemeinschaft aufgenommen.
Unter anderem aus diesen Gründen sind für ihn die Bemerkungen von Religionsfunktionären wie die, dass nach dem Kölner Urteil kein jüdisches Leben mehr in Deutschland möglich sei, "substanz- und taktlos". Und als "jüdischer Deutscher" fragt er sich, warum sich Deutsche nicht an einer Debatte über Beschneidung beteiligen sollen. Auch wegen solcher Äußerungen sieht er in der Debatte eine vertane Chance, "jüdische Inhalte zu überdenken und, mit neuer innerer Kraft, beizubehalten – oder zu ändern".
http://www.heise.de/tp/blogs/6/152681
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niels
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Re: deutsche Aerzteverbände entsetzt -Beschneidungsgesetz

Ungelesener Beitrag von niels »

Apropos: In Niedersachsen belästigt mich die katholische Kirche seit letzter Woche mit der "Ortkirchensteuer", zu der sie mir einen offiziellen "Bescheid" zukommen ließ.

Nach Vorlage vor einem Steuerexperten runzelte der nur die Stirn - es ist nicht ersichtlich, ob diese Steuer "nach dem neuen niedersächsischen Ortskirchensteuergesetz" eine Rechtspflicht darstellt (wohlgemerkt, ich rede nicht vom "Kirchgeld" - die Kirche auch nicht, die stolz angibt den Bescheid nach Kirchengesetz sowieso erlassen zu haben). Der hat mir nur empfohlen die Körperschaft zu verlassen, schon weil so die Vertrauensgrundlage fehle (ich kopier das gen mal her..).

Damit lohnt es sich endlich kommende Woche offiziell auszutreten, dazu alle erfoderlichen Dokumente und 60 EUR Gebühren zusammenzubringen.

Ein Schweineverein (nein, das wäre eine Beleidigung für diese intelligenten Tiere).
Heinrich5

Re: deutsche Aerzteverbände entsetzt -Beschneidungsgesetz

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Wenn das Geld im Kasten klingt – die Seele aus dem Fegefeuer springt

Besonderes Kirchgeld – Ortskirchgeld als zusätzliche Einnahmequelle

Die „glaubensverschiedene“ Ehe

Der Begriff „glaubensverschiedene Ehe“ beschreibt Ehen, in denen der Ehepartner eines Kirchenmitglieds keiner Glaubensgemeinschaft angehört u.a. durch Kirchenaustritt oder aber einer anderen Glaubensgemeinschaft, die keine Kirchensteuer über die staatliche Finanzverwaltung erhebt.
„Konfessionsverschiedene Ehen“ (katholisch-evangelisch) sind also von der Einführung des Besonderen Kirchgeldes nicht betroffen, denn jeder Ehepartner gehört ja einer anderen steuererhebenden Kirche an. In diesen Fällen wird die von beiden Partnern gemeinsam gezahlte Kirchensteuer weiterhin jeweils hälftig auf die beiden Kirchen aufgeteilt.

Das allgemeine und das Besondere Kirchgeld

Bereits seit Jahren erheben manche Gemeinden ein allgemeines Kirchgeld, ein Ortskirchgeld, das für unmittelbare Belange der Kirchengemeinde verwendet wird. Das Ortskirchgeld wird z.Zt. als freiwillige Abgabe erbeten. Es kann zwischen 3 und 60 Euro jährlich betragen. Das Ortskirchgeld ist nicht identisch mit dem Besonderen Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe. Bislang haben in einer glaubensverschiedenen Ehe katholische Ehepartner, die entweder ein geringes oder gar kein eigenes Einkommen hatten, keine oder nur sehr wenig Kirchensteuer bezahlt. Das Kirchensteuerrecht sieht
jedoch vor, dass die katholische Kirche in diesen Fällen das Besondere Kirchgeld erheben kann.
Das Besondere Kirchgeld ist eine besondere Art der Kirchensteuer. Wie die Kirchensteuer wird es im Zuge der Einkommensteuer durch den Staat für die Kirche eingezogen. Für Paare, die in glaubensverschiedener Ehe leben, kann das bedeuten, dass sie in Zukunft in der Form des Besonderen Kirchgeldes einen Beitrag zur Kirchensteuer leisten müssen.

Konfessionsverschiedene Ehen sind nicht betroffen.

http://www.kirchgeld-niedersachsen.de/d ... vechta.pdf
Heinrich5

Re: deutsche Aerzteverbände entsetzt -Beschneidungsgesetz

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Noch einmal zurück zum Thema:

Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, sagt im Interview: Auch die jüdische Gemeinde muss über das Ritual der Beschneidung diskutieren.
Kramer: Die Situation ist nicht so schwarz-weiß wie viele glauben. Die Beschneidung ist objektiv eine Körperverletzung, wie übrigens jede Blutabnahme oder Impfung beim Arzt auch. Es ist auch idiotisch, Kritik daran mit dem Argument abzutun, es täte nicht weh. Es tut weh. Es ist auch dummes Zeug, die Sache damit zu bagatellisieren, dass Mann diese paar Zentimeter Haut doch nicht braucht.

Wir müssen auch begründen wie wir rechtfertigen, dass die körperliche Züchtigung eines Kindes – zu Recht – verboten ist, aber ihm ein Stück von der Vorhaut abzuschneiden soll in Ordnung sein.

……Ich habe mehrere Rabbiner gefragt: Wir haben so vieles abgeschafft, was in der Thora steht, warum nicht auch das? Die meisten Argumente überzeugen mich nicht wirklich: Es sei identitätsstiftend, und man hat es seit 5.000 Jahren so gemacht. Das allein kann noch keine Begründung sein, die mich zufrieden stellt. Natürlich heißt es, ein Jude, der nicht beschnitten ist, kann nicht heiraten, nicht aus der Thora lesen und auch nicht an einem Seder-Abend teilnehmen. Aber ich habe noch nie erlebt, dass am Eingang der Synagoge das Geschlechtsteil kontrolliert wird.
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... etzentwurf
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niels
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Re: deutsche Aerzteverbände entsetzt -Beschneidungsgesetz

Ungelesener Beitrag von niels »

Kramer: Die Situation ist nicht so schwarz-weiß wie viele glauben.
Das ist richtig und mir bekannt - umso bedenklicher finde ich, das man ausgerechnet die Lautesten, die Fundamentalisten zum "Aushängeschild" dieser Gruppen macht und sich von denen die Gesetze diktieren lässt - jedwede sachliche Kritik mehr oder weniger geschickt unter den Teppich kehrt oder verhindert.

Warum zB hat man die Frage dem "Ethikrat" zugeschoben - ohne zumindest vorher Fachgremien aus betroffenen wioe tangierten wissenschaftlichen wie juristischen Fachbereichen dranzusetzen? Dort wäre recht schnell herausgekommen, welche erheblichen Nachteile in Form von gesundheitlichen wie entwicklungspsychologischen Konsequenzen die medizinisch nicht induzierte Beschneidung verursacht (abgesehen von den nicht unerheblichen gesundheitlichen Risiken darüberhinaus) aber auch, das man betroffenen Kindern nicht das Recht absprechen kann gegen ihre Eltern auf Schadenersatz und Schmerzensgeld zu klagen, wenn man sich der schmerzhaften wie nicht billigen Prozedur der "Reparatur" der Vorhat unterziehen will, weil man zB andere Ziele oder Werte im Leben hat als die Eltern bei Geburt für einen "vorsahen".

Die volle Vorhautbeschneidung ist übrigens bewiesenerweise NICHT von Gott "erfunden" oder "gewollt", sondern wurde erst in der Antike eingeführt, als Rabbis sich über die Glaubensmitglieder erhoben und ihnen Verleugnung ihrer Religion vorwarfen, wenn diese versuchten ihre Vorhaut durch Strecken wieder zu verlängern, zB um von den körperlich recht freizügig lebenden Griechen nicht ausgelacht zu werden (bis dahin war nur die Enmtfernung des kleinen, überstehenden Stückes Vorhaut "Sitte" - nicht aber die gewaltsame Abschälung von der Eichen wie volle Entfernung).

Die volle Entfernung verhinderte wirsam eine spätere "Reparatur" und wurde von Rabbis erfunden - nicht von "Gott" - was historisch belegt ist. Schon deshalb kann dieses Argument nicht ziehen...
Heinrich5

Re: deutsche Aerzteverbände entsetzt -Beschneidungsgesetz

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Eigentlich ist es eine Ironie der Geschichte
Die Grundrechte lt. GG und dass Deutsche es mit ihnen ganz genau nehmen, ist doch Folge des Traumas der Unvorstellbarkeiten des 3. Reiches.
Das nun die jüdische Religion mit ihrer Vorhautbeschneidung mit diesen Grundrechten in Konflikt kommt, mag manche derer Anhänger empören.
Es sollte aber nicht als Angriff auf deren Glauben gesehen werden, sondern als Beispiel des Schutzes, den jeder in Deutschland genießt.
In der Torah stehen viele Gebote, die im heutigen Deutschland nicht mehr angewandt werden (und in Israel auch nicht). Ich hoffe, dass die deutschen Anhänger der jüdischen Religion irgendwann zu dem Schluss kommen, dass die Nichtanwendung oder zeitliche Verschiebung (evtl. bis zum 14. Lebensjahres) eines weiteren Gebotes ein kleiner Preis für den Schutz sind, den unser Staat allen seinen (jüdischen und islamischen) Bürgern gewährt. Die wenigsten haben etwas gegen jüdisches Leben, aber über Riten, die gegen unsere Gesetze verstoßen darf man schon reden und das dürfen die Rabbis schon ertragen. Und es scheint ja so zu sein, dass man auch unbeschnitten Jude sein kann.
Übrigens gilt das auch für das Schächten von Tieren für den menschlichen Verzehr. Hier liegt ein eindeutiger Verstoß gegen unser Tierschutzgesetz vor. Wieso man aus religiösen Gründen Tieren ohne vorherige Betäubung die Kehle durchschneiden darf, kann ich nicht nachvollziehen.
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