14. MÄRZ 1937
Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobachten Wir seit geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche, die wachsende Bedrängnis der ihr in Gesinnung und Tat treubleibenden Bekenner und Bekennerinnen inmitten des Landes und des Volkes, dem St. Bonifatius einst die Licht- und Frohbotschaft von Christus und dem Reiche Gottes gebracht hat.
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an die katholischen Gläubigen Deutschlands, die – wie alle leidenden und bedrängten Kinder – dem Herzen des gemeinsamen Vaters besonders nahe stehen. In dieser Stunde, wo ihr Glaube im Feuer der Trübsal und der versteckten und offenen Verfolgung als echtes Gold erprobt wird, wo sie von tausend Formen organisierter religiöser Unfreiheit umgeben sind, wo der Mangel an wahrheitsgetreuer Unterrichtung und normaler Verteidigungsmöglichkeit schwer auf ihnen lastet, haben sie ein doppeltes Recht auf ein Wort der Wahrheit und der seelischen Stärkung von dem, an dessen ersten Vorgänger das inhaltsschwere Heilandswort gerichtet war: „Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht wanke, und du hinwiederum stärke deine Brüder“.[4]
Reiner Gottesglaube
9. Habet acht, Ehrwürdige Brüder, daß vor allem der Gottesglaube, die erste und unersetzbare Grundlage jeder Religion, in deutschen Landen rein und unverfälscht erhalten bleibe. Gottgläubig ist nicht, wer das Wort Gottes rednerisch gebraucht, sondern nur, wer mit diesem hehren Wort den wahren und würdigen Gottesbegriff verbindet.
10. Wer in pantheistischer Verschwommenheit Gott mit dem WeltalI gleich setzt, Gott in der Welt verweltlicht und die Welt in Gott vergöttlicht, gehört nicht zu den Gottgläubigen.
11. Wer nach angeblich altgermanisch-vorchristlicher Vorstellung das düstere unpersönliche Schicksal an die Stelle des persönlichen Gottes rückt, leugnet Gottes Weisheit und Vorsehung, die „kraftvoll und gütig von einem Ende der Welt zum anderen waltet“[5] und alles zum guten Ende leitet. Ein solcher kann nicht beanspruchen, zu den Gottgläubigen gerechnet zu werden.
12. Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung – die innerhalb der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten – aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von wahrem Gottesglauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt.
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15. Nur oberflächliche Geister können der Irrlehre verfallen, von einem nationalen Gott, von einer nationalen Religion zu sprechen, können den Wahnversuch unternehmen, Gott, den Schöpfer aller Welt, den König und Gesetzgeber aller Völker, vor dessen Größe die Nationen klein sind wie Tropfen am Wassereimer[6], in die Grenze eines einzelnen Volkes, in die blutmäßige Enge einer einzelnen Rasse einkerkern zu wollen.
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24. In Euren Gegenden, Ehrwürdige Brüder, werden in immer stärkerem Chor Stimmen laut, die zum Austritt aus der Kirche aufrufen. Unter den Wortführern sind vielfach solche, die durch ihre amtliche Stellung den Eindruck zu erwecken suchen, als ob dieser Kirchenaustritt und die damit verbundene Treulosigkeit gegen Christus den König eine besonders überzeugende und verdienstvolle Form des Treubekenntnisses zu dem gegenwärtigen Staate darstelle. Mit verhüllten und sichtbaren Zwangsmaßnahmen, Einschüchterungen, Inaussichtstellung wirtschaftlicher, beruflicher, bürgerlicher und sonstiger Nachteile wird die Glaubenstreue der Katholiken und insbesondere gewisser Klassen katholischer Beamten unter einen Druck gesetzt, der ebenso rechtswidrig wie menschlich unwürdig ist. Unser ganzes väterliches Mitgefühl und tiefstes Mitleid begleitet diejenigen, die ihre Treue zu Christus und Kirche um so hohen Preis bezahlen müssen.
Mehr:
http://www.vatican.va/holy_father/pius_ ... ge_ge.html…
Folgen
Die Nationalsozialisten wurden von der Verlesung der Enzyklika überrascht, doch sie reagierten schnell: In der Karwoche kam es zu ersten Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Zwölf Druckereien, die am Druck und der Verbreitung der Enzyklika beteiligt gewesen waren, wurden entschädigungslos enteignet. Eine Reihe von Klöstern und Bekenntnisschulen sowie mehrere theologische Fakultäten und Hochschulen mussten schließen.
Im April 1937 kam es auf Initiative Hitlers und Goebbels' zu einer neuerlichen Welle von Sittlichkeitsverfahren gegen Priester und Ordensleute, wozu Einzelfälle von der NS-Propaganda zu einer „symptomatischen Erscheinung” aufgebauscht wurden. Der Bevölkerung sollte vermittelt werden, dass die Kirche von der Erziehung der Jugend ausgeschlossen werden müsse, und das Vertrauen in sie untergraben werden. Richtigstellungen waren nur von der Kanzel aus möglich. In der Folge wurden 1937/38 die privaten katholischen Schulen aufgelöst oder vom Staat übernommen. Die Geistlichkeit durfte in Volks- und Berufsschulen keinen Religionsunterricht mehr erteilen.
Darüber hinaus wurden – abgesehen von der Entfernung des Bischofs von Rottenburg Joannes Baptista Sproll aus seiner Diözese – spektakuläre Maßnahmen jedoch vermieden. Der seit 1935 verfolgte Kurs gegen die katholische Presse, die Verbände und Schulen mit dem Ziel der beständigen Zurückdrängung der Kirche aus dem öffentlichen und politischen Leben wurde allerdings beibehalten. Die meisten Organisationen – vor allem die Jugendverbände – wurden bis 1939 aufgelöst, ihre Publikationen verboten und ihr Vermögen konfisziert.[2]
http://de.wikipedia.org/wiki/Mit_brennender_Sorge