Die Katholische Kirche ist reicher als ihr gut tut
Verfasst: Samstag 12. Oktober 2013, 22:25
Prunksucht, Diebstahl, undurchsichtige Kassen: Die katholische Kirche wird von Finanzaffären erschüttert. Während an der Basis gespart werden muss, bleibt manchen Bischöfen kaum ein Wunsch unerfüllt. Siehe den Bischof von Limburg
Missmanagement, Veruntreuung und Prunksucht bringen darum vielerorts die Gläubigen gegen die Obrigkeit auf. Ihr Vorwurf: Wie beim Missbrauchsskandal setzen viele Bischöfe auf Verschleiern. Möglichst niemand soll Einblick bekommen in ihre Parallelwelt aus prallen Konten und geheimen Vermögenswerten, die teils seit Jahrhunderten ihre Macht stützen. Nur der aus Kirchensteuern finanzierte Bistumshaushalt ist öffentlich - das eigentliche Vermögen bleibt im Schatten.
Und während Pfarreien in ganz Deutschland Stellen und Mittel für die Gemeindearbeit gestrichen werden, bleibt vielen Bischöfen kaum ein Wunsch unerfüllt. Eine nagelneue Residenz? Ein pompöser Alterssitz?
Jetzt aber wird dieser Reichtum zum Politikum. Arbeitslose, Wohngeldempfänger, Familien, Kommunen, Unternehmen, Bundeswehr - ihnen allen will die Bundesregierung in den nächsten Jahren Milliardenbeträge wegnehmen. Aber ausgerechnet die Kirche bleibt verschont, ihre großzügige Alimentierung durch den Staat wird kaum in Frage gestellt.
Deutschlands Bistümer sind finanziell bestens ausgestattet. "Die katholische Kirche sagt, sie sei arm, tatsächlich aber versteckt sie ihren Reichtum", sagt der Berliner Politikwissenschaftler Carsten Frerk, der nach jahrelangen Recherchen im Herbst ein "Violettbuch Kirchenfinanzen" herausbringt. Auf rund 50 Milliarden Euro veranschlagt Frerk das Barvermögen der kirchlichen Rechtsträger. Eigene Zahlen legen die Katholiken dazu nicht vor. Frerk werfen sie vor, ein voreingenommener, atheistischer Kirchenkritiker zu sein.
Das über Jahrhunderte angehäufte Vermögen ist vielseitig angelegt, etwa in Immobilien, kirchlichen Banken, Akademien, Brauereien, Weingütern, Medienkonzernen oder Kliniken; hinzu kommen Erträge aus Aktienbesitz, Stiftungen, Erbschaften. All das fließt in der Regel im Topf des sogenannten Bischöflichen Stuhls zusammen. Nur der Bischof und seine engsten Vertrauten kennen diesen Schattenhaushalt, kein Finanzamt muss Einblick nehmen. Die öffentlichen Bistumshaushalte umfassen bei weitem nicht alle Finanzen der jeweiligen Diözesen
Das komplizierte Geflecht wird so geheimnisvoll gehandhabt, dass nicht einmal die Finanzdezernenten aller Bistümer offen untereinander darüber informieren. Barock anmutende Strukturen erschweren den Überblick, mal sitzen die Verwalter des Geldes im Kirchensteuerrat, mal in einem Diözesansteuerausschuss, einer Finanzkammer oder einer Verwaltungskammer. Manchmal wird Vermögen auch noch in Stiftungen ausgegliedert.
Öffentliche Alimente werden nicht allein den Kardinälen und Bischöfen gewährt. Jahr für Jahr werden katholische wie evangelische Kirche von Bund, Ländern und Gemeinden reichlich beschenkt. Zur Kirchensteuer (knapp 10 Milliarden Euro) kommen, was weniger bekannt ist, alljährlich weitere direkte und indirekte Subventionen hinzu. Im Jahr 2000 waren es nach Schätzungen 17 Milliarden Euro.
So zahlt der Staat reichlich für den Unterhalt und die Dauer-Renovierung von Kathedralen und anderen kirchlichen Gebäuden. Er übernimmt die Personalkosten für Religionslehrer ebenso wie die Rechnung für den Messwein bei Soldatengottesdiensten. Leistungen wie die jährlichen Holzlieferungen einiger süddeutscher Kommunen an ihren Bischof beruhen teils auf 200 Jahre alten Ansprüchen, die von der Politik nie wieder überprüft wurden.
Trotz weitgehender Trennung von Kirche und Staat fließen erhebliche Zuschüsse für Kirchentage, Kirchenbüchereien, Polizei-, Anstalts- und Militärseelsorge, selbst für Zivildienstleistende und den Erhalt von Opferstöcken und Wegkreuzen wird aus der Staatskasse gezahlt.
Gern nimmt die Kirche für sich in Anspruch, viel für den Zusammenhalt in der Gesellschaft, für die Armen und Schwachen zu tun, und damit hat sie recht. Doch die Rechnung auch dafür übernimmt größtenteils der Staat. Von den geschätzten jährlichen 45-Milliarden-Euro Ausgaben der Caritas zahlt das meiste der Staat, die katholische Kirche nur einen Bruchteil.
Im Bistum will man kirchliche Kindergärten offenbar nur, wenn der Staat größtenteils die Kosten übernimmt. Ist es mit der barmherzigen Fürsorge für die Kinder Gottes schnell vorbei, falls die öffentlichen Gelder versiegen? Anderswo werden katholische Krankenhäuser, Schulen und Altersheime häufig sogar bis zu 100 Prozent staatlich finanziert.
Im Gegenzug muss die Kirche nicht einmal Steuern zahlen: keine Grundsteuer, keine Körperschaftsteuer, keine Kapitalertragsteuer. Alles, was sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland macht, gilt als gemeinnützig, mildtätig und steuerfrei. Anders als andere Körperschaften öffentlichen Rechts wie Universitäten unterliegen sie zudem keinerlei staatlicher Kontrolle.
"Die katholische Kirche hat das angeborene Recht, unabhängig von der weltlichen Gewalt, Vermögen zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern", so steht es im Kirchenrecht. Dieses "angeborene Recht" und die dahinterliegenden Milliarden zu verteidigen ist eine der zentralen Aufgaben der Bischöfe.
Solch sorglosen Umgang konnte man sich problemlos leisten, Geld scheint im Bischöflichen Stuhl reichlich vorhanden. Zum Beispiel für eine neue Bischofsresidenz, die gerade für viele Millionen Euro auch aus Geldern des Bischöflichen Stuhls geplant wird. Der Hügel über Limburg, auf dem er hinter den hohen Bruchsteinmauern eines ehemaligen Adelshofs wohnen will, wird im Städtchen "Akropolis" genannt. "Unser Bischof will wohl wieder ein Fürst sein", spotten Einheimische. Der Vorgänger, Bischof Franz Kamphaus, lebte dagegen bescheiden in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im Priesterseminar statt im alten Bischofshaus. Dort ließ er lieber für mehrere Jahre eine äthiopische Flüchtlingsfamilie einziehen.
Für Tebartz-van Elst haben Architekten auf der Akropolis nicht nur eine großzügige Wohnung mit Hauskapelle entworfen. Auch anliegende Gebäude müssen umfassend renoviert und umgebaut werden. Ein Schwesternorden zieht ein, um die Versorgung seiner Exzellenz zu sichern, das Dommuseum braucht ein neues Sicherheitssystem, für angeblich allein 1,5 Millionen soll deshalb ein Notausgang des Museums verlegt werden. Nebeneffekt: Der Bischof wird in seinem zukünftigen Refugium nicht mehr so leicht belästigt werden.
Seinen Schäflein hat er derweil das Motto "Sparen und Erneuern" verordnet. Auch in Limburg wird nun die Zahl von Gemeinden, Messen und Seelsorgern zusammengestrichen. In den Dörfern sammeln die Gläubigen mühsam Spenden für die nötigsten Instandhaltungsarbeiten ihrer Kirchen. "Gespart wird an der Basis, erneuert wird woanders", sagt Henny Toepfer von der Reformbewegung "Wir sind Kirche" im Bistum. Warum Millionen Euro für eine neue Residenz da sind, aber nicht für Busse, um alte Katholiken aus den Dörfern zum Gottesdienst zu bringen, versteht sie nicht.
Zu den altmodischen Lastern der Prunksucht und Verschwendung gesellt sich seit einiger Zeit auch eine sehr moderne Versuchung für die Geldverwalter der Bischöflichen Stühle: die Renditeversprechen der globalen Kapitalmärkte.
Warum geben die Kirchenfürsten keine Rechenschaft gegenüber ihren Gläubigen ab? Wieso halten sie den Staat, der sie so großzügig unterstützt, so sorgsam aus ihren Finanzangelegenheiten heraus?
Ein ehemaliger Bistumssprecher hat lange über diese Fragen nachgedacht. Er hält die vormoderne, höfisch geprägte Welt der bischöflichen Ordinariate und Residenzen dafür verantwortlich. "Die mit Titeln bunt geschmückten Bischöfe und Prälate sehen sich der weltlichen Gesellschaft überlegen und schirmen sich gegen sie ab", sagt er. "Der Beichtstuhl steht in der Kirche - nicht im Finanzamt."
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-70940374.html Bitte das Datum des Artikels beachten: 14.06.2010
Missmanagement, Veruntreuung und Prunksucht bringen darum vielerorts die Gläubigen gegen die Obrigkeit auf. Ihr Vorwurf: Wie beim Missbrauchsskandal setzen viele Bischöfe auf Verschleiern. Möglichst niemand soll Einblick bekommen in ihre Parallelwelt aus prallen Konten und geheimen Vermögenswerten, die teils seit Jahrhunderten ihre Macht stützen. Nur der aus Kirchensteuern finanzierte Bistumshaushalt ist öffentlich - das eigentliche Vermögen bleibt im Schatten.
Und während Pfarreien in ganz Deutschland Stellen und Mittel für die Gemeindearbeit gestrichen werden, bleibt vielen Bischöfen kaum ein Wunsch unerfüllt. Eine nagelneue Residenz? Ein pompöser Alterssitz?
Jetzt aber wird dieser Reichtum zum Politikum. Arbeitslose, Wohngeldempfänger, Familien, Kommunen, Unternehmen, Bundeswehr - ihnen allen will die Bundesregierung in den nächsten Jahren Milliardenbeträge wegnehmen. Aber ausgerechnet die Kirche bleibt verschont, ihre großzügige Alimentierung durch den Staat wird kaum in Frage gestellt.
Deutschlands Bistümer sind finanziell bestens ausgestattet. "Die katholische Kirche sagt, sie sei arm, tatsächlich aber versteckt sie ihren Reichtum", sagt der Berliner Politikwissenschaftler Carsten Frerk, der nach jahrelangen Recherchen im Herbst ein "Violettbuch Kirchenfinanzen" herausbringt. Auf rund 50 Milliarden Euro veranschlagt Frerk das Barvermögen der kirchlichen Rechtsträger. Eigene Zahlen legen die Katholiken dazu nicht vor. Frerk werfen sie vor, ein voreingenommener, atheistischer Kirchenkritiker zu sein.
Das über Jahrhunderte angehäufte Vermögen ist vielseitig angelegt, etwa in Immobilien, kirchlichen Banken, Akademien, Brauereien, Weingütern, Medienkonzernen oder Kliniken; hinzu kommen Erträge aus Aktienbesitz, Stiftungen, Erbschaften. All das fließt in der Regel im Topf des sogenannten Bischöflichen Stuhls zusammen. Nur der Bischof und seine engsten Vertrauten kennen diesen Schattenhaushalt, kein Finanzamt muss Einblick nehmen. Die öffentlichen Bistumshaushalte umfassen bei weitem nicht alle Finanzen der jeweiligen Diözesen
Das komplizierte Geflecht wird so geheimnisvoll gehandhabt, dass nicht einmal die Finanzdezernenten aller Bistümer offen untereinander darüber informieren. Barock anmutende Strukturen erschweren den Überblick, mal sitzen die Verwalter des Geldes im Kirchensteuerrat, mal in einem Diözesansteuerausschuss, einer Finanzkammer oder einer Verwaltungskammer. Manchmal wird Vermögen auch noch in Stiftungen ausgegliedert.
Öffentliche Alimente werden nicht allein den Kardinälen und Bischöfen gewährt. Jahr für Jahr werden katholische wie evangelische Kirche von Bund, Ländern und Gemeinden reichlich beschenkt. Zur Kirchensteuer (knapp 10 Milliarden Euro) kommen, was weniger bekannt ist, alljährlich weitere direkte und indirekte Subventionen hinzu. Im Jahr 2000 waren es nach Schätzungen 17 Milliarden Euro.
So zahlt der Staat reichlich für den Unterhalt und die Dauer-Renovierung von Kathedralen und anderen kirchlichen Gebäuden. Er übernimmt die Personalkosten für Religionslehrer ebenso wie die Rechnung für den Messwein bei Soldatengottesdiensten. Leistungen wie die jährlichen Holzlieferungen einiger süddeutscher Kommunen an ihren Bischof beruhen teils auf 200 Jahre alten Ansprüchen, die von der Politik nie wieder überprüft wurden.
Trotz weitgehender Trennung von Kirche und Staat fließen erhebliche Zuschüsse für Kirchentage, Kirchenbüchereien, Polizei-, Anstalts- und Militärseelsorge, selbst für Zivildienstleistende und den Erhalt von Opferstöcken und Wegkreuzen wird aus der Staatskasse gezahlt.
Gern nimmt die Kirche für sich in Anspruch, viel für den Zusammenhalt in der Gesellschaft, für die Armen und Schwachen zu tun, und damit hat sie recht. Doch die Rechnung auch dafür übernimmt größtenteils der Staat. Von den geschätzten jährlichen 45-Milliarden-Euro Ausgaben der Caritas zahlt das meiste der Staat, die katholische Kirche nur einen Bruchteil.
Im Bistum will man kirchliche Kindergärten offenbar nur, wenn der Staat größtenteils die Kosten übernimmt. Ist es mit der barmherzigen Fürsorge für die Kinder Gottes schnell vorbei, falls die öffentlichen Gelder versiegen? Anderswo werden katholische Krankenhäuser, Schulen und Altersheime häufig sogar bis zu 100 Prozent staatlich finanziert.
Im Gegenzug muss die Kirche nicht einmal Steuern zahlen: keine Grundsteuer, keine Körperschaftsteuer, keine Kapitalertragsteuer. Alles, was sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland macht, gilt als gemeinnützig, mildtätig und steuerfrei. Anders als andere Körperschaften öffentlichen Rechts wie Universitäten unterliegen sie zudem keinerlei staatlicher Kontrolle.
"Die katholische Kirche hat das angeborene Recht, unabhängig von der weltlichen Gewalt, Vermögen zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern", so steht es im Kirchenrecht. Dieses "angeborene Recht" und die dahinterliegenden Milliarden zu verteidigen ist eine der zentralen Aufgaben der Bischöfe.
Solch sorglosen Umgang konnte man sich problemlos leisten, Geld scheint im Bischöflichen Stuhl reichlich vorhanden. Zum Beispiel für eine neue Bischofsresidenz, die gerade für viele Millionen Euro auch aus Geldern des Bischöflichen Stuhls geplant wird. Der Hügel über Limburg, auf dem er hinter den hohen Bruchsteinmauern eines ehemaligen Adelshofs wohnen will, wird im Städtchen "Akropolis" genannt. "Unser Bischof will wohl wieder ein Fürst sein", spotten Einheimische. Der Vorgänger, Bischof Franz Kamphaus, lebte dagegen bescheiden in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im Priesterseminar statt im alten Bischofshaus. Dort ließ er lieber für mehrere Jahre eine äthiopische Flüchtlingsfamilie einziehen.
Für Tebartz-van Elst haben Architekten auf der Akropolis nicht nur eine großzügige Wohnung mit Hauskapelle entworfen. Auch anliegende Gebäude müssen umfassend renoviert und umgebaut werden. Ein Schwesternorden zieht ein, um die Versorgung seiner Exzellenz zu sichern, das Dommuseum braucht ein neues Sicherheitssystem, für angeblich allein 1,5 Millionen soll deshalb ein Notausgang des Museums verlegt werden. Nebeneffekt: Der Bischof wird in seinem zukünftigen Refugium nicht mehr so leicht belästigt werden.
Seinen Schäflein hat er derweil das Motto "Sparen und Erneuern" verordnet. Auch in Limburg wird nun die Zahl von Gemeinden, Messen und Seelsorgern zusammengestrichen. In den Dörfern sammeln die Gläubigen mühsam Spenden für die nötigsten Instandhaltungsarbeiten ihrer Kirchen. "Gespart wird an der Basis, erneuert wird woanders", sagt Henny Toepfer von der Reformbewegung "Wir sind Kirche" im Bistum. Warum Millionen Euro für eine neue Residenz da sind, aber nicht für Busse, um alte Katholiken aus den Dörfern zum Gottesdienst zu bringen, versteht sie nicht.
Zu den altmodischen Lastern der Prunksucht und Verschwendung gesellt sich seit einiger Zeit auch eine sehr moderne Versuchung für die Geldverwalter der Bischöflichen Stühle: die Renditeversprechen der globalen Kapitalmärkte.
Warum geben die Kirchenfürsten keine Rechenschaft gegenüber ihren Gläubigen ab? Wieso halten sie den Staat, der sie so großzügig unterstützt, so sorgsam aus ihren Finanzangelegenheiten heraus?
Ein ehemaliger Bistumssprecher hat lange über diese Fragen nachgedacht. Er hält die vormoderne, höfisch geprägte Welt der bischöflichen Ordinariate und Residenzen dafür verantwortlich. "Die mit Titeln bunt geschmückten Bischöfe und Prälate sehen sich der weltlichen Gesellschaft überlegen und schirmen sich gegen sie ab", sagt er. "Der Beichtstuhl steht in der Kirche - nicht im Finanzamt."
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-70940374.html Bitte das Datum des Artikels beachten: 14.06.2010