Der Irrtum von der "Rückkehr der Religionen"
Verfasst: Donnerstag 1. Mai 2014, 20:30
Der Wiener Theologe Ulrich Körtner rüffelt die Evangelische Kirche Deutschland (EKD). Die neuesten Mitgliederzahlen straften die bislang so vehement beschworene Hoffnung auf eine “Wiederkehr der Religion” Lügen. Von einem “Megatrend Religion” könne erst recht keine Rede sein. Angesichts des Mitgliederschwunds müsse man verstärkt unter den Konfessionslosen missionieren.
Leider ist den Worten des Wiener Theologen nicht immer klar zu folgen. Etwa hier: “Öffentliche Theologie in evangelischer Prägung”, heißt es da, “begreift den Pluralismus moderner Gesellschaften, also auch den Pluralismus im heutigen Europa, nicht als Verhängnis, sondern als Frucht des Christentums.” Soll hier verstanden werden, das Christentum habe den modernen Pluralismus hervorgebracht? Wenn ja, käme das einer erstaunlichen Verkennung historischer Tatsachen gleich. War es doch in der Geschichte zumeist christliche Dogmatik, die mit Inquisition, Lehrverboten und Bücherverbrennung die Ausbreitung kultureller Vielfalt verhinderte. Bis in die heutige Zeit hinein versucht doch die Kirche - an vielen Stellen auch die evangelische - einen Pluralismus individueller Lebensführung und sexueller Selbstbestimmung zu beschneiden. Man denke nur an Stellungnahmen zu Präimplantationsdiagnostik, Abtreibung oder selbstbestimmtem Sterben.
Und ganz zum Schluss seines Beitrags lässt sich Körtner noch zu einer erstaunlichen Volte hinreißen: Die jetzt notwendige neue missionarische Theologie sei auch “als Absage an alle Versuche zu verstehen, mittels staatlicher Gewalt oder mithilfe des Rechts einer bestimmten Religion, ethischen Orientierung oder partikularen Gruppenmoral allgemeine gesellschaftliche Verbindlichkeit zu schaffen.” Das lässt aufhorchen, deuten sich da etwa neue Töne an? Meint Körtner gar, die Kirchen sollten sich künftig ihrer durch so genannte Kirchenstaatsverträge und Staatsleistungen zugesicherten Privilegien begeben? Die EKD sollte womöglich darauf verzichten, sich ihre Mitgliedsbeiträge weiterhin als Kirchensteuern vom deutschen Staat einziehen zu lassen?
Allein schon die Forderung wäre sensationell. Käme sie doch einem Schritt gleich hin zu der Einsicht, dass alle Religion zu Recht zwar den staatlichen Schutz verdient, aber letztlich schlicht und einfach Privatsache ist.
Thomas Brandenburg
http://hpd.de/node/18410
Leider ist den Worten des Wiener Theologen nicht immer klar zu folgen. Etwa hier: “Öffentliche Theologie in evangelischer Prägung”, heißt es da, “begreift den Pluralismus moderner Gesellschaften, also auch den Pluralismus im heutigen Europa, nicht als Verhängnis, sondern als Frucht des Christentums.” Soll hier verstanden werden, das Christentum habe den modernen Pluralismus hervorgebracht? Wenn ja, käme das einer erstaunlichen Verkennung historischer Tatsachen gleich. War es doch in der Geschichte zumeist christliche Dogmatik, die mit Inquisition, Lehrverboten und Bücherverbrennung die Ausbreitung kultureller Vielfalt verhinderte. Bis in die heutige Zeit hinein versucht doch die Kirche - an vielen Stellen auch die evangelische - einen Pluralismus individueller Lebensführung und sexueller Selbstbestimmung zu beschneiden. Man denke nur an Stellungnahmen zu Präimplantationsdiagnostik, Abtreibung oder selbstbestimmtem Sterben.
Und ganz zum Schluss seines Beitrags lässt sich Körtner noch zu einer erstaunlichen Volte hinreißen: Die jetzt notwendige neue missionarische Theologie sei auch “als Absage an alle Versuche zu verstehen, mittels staatlicher Gewalt oder mithilfe des Rechts einer bestimmten Religion, ethischen Orientierung oder partikularen Gruppenmoral allgemeine gesellschaftliche Verbindlichkeit zu schaffen.” Das lässt aufhorchen, deuten sich da etwa neue Töne an? Meint Körtner gar, die Kirchen sollten sich künftig ihrer durch so genannte Kirchenstaatsverträge und Staatsleistungen zugesicherten Privilegien begeben? Die EKD sollte womöglich darauf verzichten, sich ihre Mitgliedsbeiträge weiterhin als Kirchensteuern vom deutschen Staat einziehen zu lassen?
Allein schon die Forderung wäre sensationell. Käme sie doch einem Schritt gleich hin zu der Einsicht, dass alle Religion zu Recht zwar den staatlichen Schutz verdient, aber letztlich schlicht und einfach Privatsache ist.
Thomas Brandenburg
http://hpd.de/node/18410