Religion ist oft unmoralisch
Verfasst: Donnerstag 7. August 2014, 10:45
Glaube und Moral: Plädoyer für eine Trennung von Staat und Kirche
Ein Kommentar von Frank Patalong
Für religiöse Menschen haben die Werte ihres Glaubens eine höhere Wertigkeit als nicht-religiös definierte Werte. Sie verstehen ihre Gebote als Gesetze. Kollidieren diese mit den geltenden Gesetzen, stellen sie ihre Regeln oft genug über das weltliche Recht. Klar, denn Gesetze sind nur von Menschen gemacht und können sich ändern. Der Glaube aber fußt - davon gehen Gläubige aus - auf Gott oder Göttern.
Viele Religionen begegnen Menschen, die ihnen nicht folgen, mit Geringschätzung. Andersgläubige oder - fast noch schlimmer - Atheisten gelten ihnen zumindest als Irrgläubige, wenn nicht als minderwertig oder sogar als Feind. Sie unterstellen ihnen einen Mangel an Moral und Werten.
Die einende Kraft der Religion wirkt auf die, die nicht dazugehören, ausgrenzend und diskriminierend. Auch in diesem Land sind Nicht- und Andersgläubige häufig genug Leidtragende religiös definierter "Gesetze", denen sie eigentlich gar nicht unterstehen.
Die Farce um einen muslimischen, westfälischen Schützenkönig, dem von einem Schützenverband zunächst nahegelegt wurde, entweder zurückzutreten, weil er kein Christ sei, oder alternativ eben zum Christentum zu wechseln, kann man als Realsatire verbuchen. Immerhin hat sich der Verband schließlich dazu durchgerungen, dass Mithat Gedik seinen Titel behalten darf, wenn auch mit bizarr anmutenden Auflagen.
Religion ist oft unmoralisch
Viel schwerer wiegen alltägliche Diskriminierungen, zum Beispiel im Arbeitsleben. Kirchen gehören zu den größten Arbeitgebern des Landes, von ihren Angestellten verlangen sie eine religionskonforme Lebensweise. Das ist zu rechtfertigen, wenn es um kirchliche, mit der "Verkündigung" verbundene Ämter und Funktionen geht. Nicht zu rechtfertigen ist es, wenn die Kirche wie im Falle von Krankenhäusern oder Kindergärten in staatlich finanzierten Einrichtungen ihre religiösen Regeln zum Gesetz erhebt.
Mit sagenhafter Dreistigkeit hebeln kirchliche Arbeitgeber jeder Couleur Tarifverträge aus. Der Staat gesteht bestimmten Religionen sogar Sonderrechte zu und ignoriert selbst Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Stattdessen gesteht er den Kirchen der Weimarer Reichsverfassung folgend noch immer zu, ihr eigenes Arbeitsrecht zu definieren.
Wir leben keineswegs in einem säkularen Staat, der allen Religionen und Überzeugungen eine gleichberechtigte Bühne bietet. Christliche Kirche und Staat sind in Deutschland nicht getrennt. Steuerzahler finanzieren die Gehälter der christlichen Priester und Religionslehrer aus dem Topf für Beamte, nicht durch die Kirchensteuer.
Der Staat finanziert kirchliche Mission
Die ist eine Art Mitgliedsbeitrag und als solcher nur insofern zu beanstanden, als der Staat diesen eintreibt - er tut das für keinen anderen Verein. Zu beanstanden ist aber durchaus, dass Nichtchristen mit ihren Steuergeldern Ausbildung und Gehälter von christlichen Priestern bezahlen, die Instandhaltung von Kirchenbauten, den Missionsbetrieb in kirchlichen Krankenhäusern oder Kindergärten.
Die Steuerzahler finanzieren auch den Religionsunterricht, dessen Aufgabe es ist, nachwachsende Kirchenmitglieder mit Glaubensinhalten zu füttern. Zuletzt bestätigte das Bundesverwaltungsgericht im April den Verfassungsrang der (christlichen) Religion: Ein Recht auf Ethikunterricht statt religiöser Unterweisung hätten Schüler in Deutschland deshalb nicht. Nichtgläubige werden genötigt, am Religionsunterricht teilzunehmen - oft mit erheblichen Nachteilen für den Zeugnisdurchschnitt.
Die Privilegierung einer Religion passt nicht zu einem modernen, aufgeklärten Staat. Zur Chancen- und Rechtsgleichheit gehört es, die Religionen vom Staat zu trennen und auf ihren Platz zu verweisen: Dann dürfen sie wie andere Vereine auch um Mitglieder werben - ohne staatliche Finanzierung durch Steuergelder, ohne Sonderrechte.
Religiöse Diskriminierung ist ein höchst ambivalenter Begriff: Jemand kann wegen seiner Religion diskriminiert werden, aber auch durch die Religion anderer. Das sollte - wie im aberwitzigen Fall einer Vereinsordnung, die es Muslimen verbietet, Schützenkönig zu werden - nicht mit dem Recht in Einklang zu bringen sein. Ausgesuchten Religionen Privilegien zu geben und normativen Einfluss zuzugestehen, ist schlicht unmoralisch.
http://www.spiegel.de/panorama/trennung ... 84850.html
Siehe auch:
"Ausnahmsweise" Muslim Mithat Gedik darf Schützenkönig bleiben
http://www.focus.de/politik/deutschland ... 43320.html
Ein Kommentar von Frank Patalong
Für religiöse Menschen haben die Werte ihres Glaubens eine höhere Wertigkeit als nicht-religiös definierte Werte. Sie verstehen ihre Gebote als Gesetze. Kollidieren diese mit den geltenden Gesetzen, stellen sie ihre Regeln oft genug über das weltliche Recht. Klar, denn Gesetze sind nur von Menschen gemacht und können sich ändern. Der Glaube aber fußt - davon gehen Gläubige aus - auf Gott oder Göttern.
Viele Religionen begegnen Menschen, die ihnen nicht folgen, mit Geringschätzung. Andersgläubige oder - fast noch schlimmer - Atheisten gelten ihnen zumindest als Irrgläubige, wenn nicht als minderwertig oder sogar als Feind. Sie unterstellen ihnen einen Mangel an Moral und Werten.
Die einende Kraft der Religion wirkt auf die, die nicht dazugehören, ausgrenzend und diskriminierend. Auch in diesem Land sind Nicht- und Andersgläubige häufig genug Leidtragende religiös definierter "Gesetze", denen sie eigentlich gar nicht unterstehen.
Die Farce um einen muslimischen, westfälischen Schützenkönig, dem von einem Schützenverband zunächst nahegelegt wurde, entweder zurückzutreten, weil er kein Christ sei, oder alternativ eben zum Christentum zu wechseln, kann man als Realsatire verbuchen. Immerhin hat sich der Verband schließlich dazu durchgerungen, dass Mithat Gedik seinen Titel behalten darf, wenn auch mit bizarr anmutenden Auflagen.
Religion ist oft unmoralisch
Viel schwerer wiegen alltägliche Diskriminierungen, zum Beispiel im Arbeitsleben. Kirchen gehören zu den größten Arbeitgebern des Landes, von ihren Angestellten verlangen sie eine religionskonforme Lebensweise. Das ist zu rechtfertigen, wenn es um kirchliche, mit der "Verkündigung" verbundene Ämter und Funktionen geht. Nicht zu rechtfertigen ist es, wenn die Kirche wie im Falle von Krankenhäusern oder Kindergärten in staatlich finanzierten Einrichtungen ihre religiösen Regeln zum Gesetz erhebt.
Mit sagenhafter Dreistigkeit hebeln kirchliche Arbeitgeber jeder Couleur Tarifverträge aus. Der Staat gesteht bestimmten Religionen sogar Sonderrechte zu und ignoriert selbst Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Stattdessen gesteht er den Kirchen der Weimarer Reichsverfassung folgend noch immer zu, ihr eigenes Arbeitsrecht zu definieren.
Wir leben keineswegs in einem säkularen Staat, der allen Religionen und Überzeugungen eine gleichberechtigte Bühne bietet. Christliche Kirche und Staat sind in Deutschland nicht getrennt. Steuerzahler finanzieren die Gehälter der christlichen Priester und Religionslehrer aus dem Topf für Beamte, nicht durch die Kirchensteuer.
Der Staat finanziert kirchliche Mission
Die ist eine Art Mitgliedsbeitrag und als solcher nur insofern zu beanstanden, als der Staat diesen eintreibt - er tut das für keinen anderen Verein. Zu beanstanden ist aber durchaus, dass Nichtchristen mit ihren Steuergeldern Ausbildung und Gehälter von christlichen Priestern bezahlen, die Instandhaltung von Kirchenbauten, den Missionsbetrieb in kirchlichen Krankenhäusern oder Kindergärten.
Die Steuerzahler finanzieren auch den Religionsunterricht, dessen Aufgabe es ist, nachwachsende Kirchenmitglieder mit Glaubensinhalten zu füttern. Zuletzt bestätigte das Bundesverwaltungsgericht im April den Verfassungsrang der (christlichen) Religion: Ein Recht auf Ethikunterricht statt religiöser Unterweisung hätten Schüler in Deutschland deshalb nicht. Nichtgläubige werden genötigt, am Religionsunterricht teilzunehmen - oft mit erheblichen Nachteilen für den Zeugnisdurchschnitt.
Die Privilegierung einer Religion passt nicht zu einem modernen, aufgeklärten Staat. Zur Chancen- und Rechtsgleichheit gehört es, die Religionen vom Staat zu trennen und auf ihren Platz zu verweisen: Dann dürfen sie wie andere Vereine auch um Mitglieder werben - ohne staatliche Finanzierung durch Steuergelder, ohne Sonderrechte.
Religiöse Diskriminierung ist ein höchst ambivalenter Begriff: Jemand kann wegen seiner Religion diskriminiert werden, aber auch durch die Religion anderer. Das sollte - wie im aberwitzigen Fall einer Vereinsordnung, die es Muslimen verbietet, Schützenkönig zu werden - nicht mit dem Recht in Einklang zu bringen sein. Ausgesuchten Religionen Privilegien zu geben und normativen Einfluss zuzugestehen, ist schlicht unmoralisch.
http://www.spiegel.de/panorama/trennung ... 84850.html
Siehe auch:
"Ausnahmsweise" Muslim Mithat Gedik darf Schützenkönig bleiben
http://www.focus.de/politik/deutschland ... 43320.html