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Wenn Hacktivisten wie Mönche leben

Verfasst: Donnerstag 13. November 2014, 16:19
von mar
Theresia Enzensberger im Krautreporter: "An die Stelle von Religion, Hierarchien und Geschlechtertrennung tritt hier der Ethos der Open-Source-Bewegung, mit ihrem Fokus auf Zugänglichkeit, Dokumentation und Transparenz. So wie die Klöster im Mittelalter ein Licht der Zivilisation darstellten, so soll die unMonastery als Gegenstück zu der scheinbar unaufhaltsamen Privatisierung des Internets wirken."

Projekt-Idee: ein unMonastery im Kloster Worbis (wo die Pläne des Landrats, dort eine christliche Staatsschule einzurichten, aus finanziellen Gründen gescheitert sind). ;)

Re: Wenn Hacktivisten wie Mönche leben

Verfasst: Donnerstag 13. November 2014, 16:44
von niels
Aus ureigenster Erfahrung weiß ich, das der Vergleich nicht nur hinkt, sondern schon an Dummfrechheit grenzt.

Das in den Klöstern (nicht nur die mittelalterlichen) gehortete, aber so gut wie nicht erweiterte, Wissen war (und ist bis heute) alles andere als "Zugänglich" - jedenfalls nicht der Allgemeinheit (vor allem wenn sie nicht der eigenen Religion angehört oder gelobt das Wissen für deren Erhalt und Verbreitung einzusetzen) - damit betrieben Sie exakt das, was das Open Source Prinzip abzuschaffen sicht.

Und Kirche und Transparenz waren und sind derart gegensätzlich wie Feuer und Wasser - oder um es im Kirchenslang auszudrücken: "Himmel und Hölle".

Klöster waren kein Licht der "Zivilisation", sondern der Unterdrückung durch Informationshoheit, welche nur durch Zugangsbarrieren und gezielte Desinformation und/oder Verdummung erreichbar ist. Daran ändert auch wenig, das ein paar Kräutertanten im christlichen Büßergewand auch mal legal Hexe spielen durften...

Aber auch die Idee, das Open Source "Hierarchien" beseitige, ist falsch - im gegenteil: Open Source ermöglicht es, Hierarchien wesentlich "effizienter" - d.h. zielkonformer zu realisieren.
Projekt-Idee: ein unMonastery im Kloster Worbis (wo die Pläne des Landrats, dort eine christliche Staatsschule einzurichten, aus finanziellen Gründen gescheitert sind). ;)
Inzwixchen bildet sich ein Gutteil des Eichsfeldes tatsöchlich ein, das die kirchlichen Gynmasien nicht nur eine höhere Bildungsqualität liefern würden, sondern sogar ein Abschluß an diesen Schulen "besonders gefragt" sei, was maximal für krichliche oder kichennahe Einrichtungen der Fall sein kann, denn ich erinnere mich noch gut an die Differenzen der Gestaltung des Unterrichtes an den Gymnasien wie auch den Bildungshintergrund von angestelten Lehrern wie deren die Akzeptanz bei den Schülern (vor allem jenen Schülern, die seit über hundert Jahren bis heute selbst zu den akademischen wie ökonomischen Vorreitern gehören).

Ich habe noch keinen Nichtkirchling unter Arbeitgebern / Unternehmern / Enthusiasten getroffen, den das Siegel der Bergschule in Heiligenstadt - mit der "heiligen Elisabeth" und anderem Kirchenfirlefanz - auf einem Zeugnis eines Bewerbers Nichtkirchlinge besonder beeindrucken würde - eher im Gegenteil.

Re: Wenn Hacktivisten wie Mönche leben

Verfasst: Donnerstag 13. November 2014, 18:37
von mar
Was mich bei dem Projekt unMonastery angespricht, ist vor allem der Kontrast. Zwischen alter Architektur und moderner Technik. Und zwischen einer Mönchsgemeinschaft als Hort des Glaubens und einer technik-affinen Komune. Find ich ziemlich cool. Den oben zitierten Text hatte ich vor allem als Köder rausgegriffen. Und du, niels, hast ihn schwups (und vorhersehbar?) geschluckt. Hehe.

Ob es regelmäßig Schwierigkeiten gibt, auf (ehemalige) Klosterarchive zuzugreifen, kann ich nicht vollstänig beurteilen. Auf einem Gebiet, mit dem ich mich mal näher beschäftigt habe (Verfolgung der Katharer und Bogumilen) gibt es jedenfalls eine gute Quellenlage (insbesondere was die Inquisitionsprotokolle angeht) und eine ausgezeichnete Aufarbeitung durch nicht kirchennahe Historiker.

Die Scholastik aus der Perspektive der Aufklärung zu verurteilen, finde ich ziemlich ... schluderig. In Relation zu ihrem historischen Umfeld sehe ich es als nicht ungerechtfertigt an, mittelalterliche Klöster als Licht der damaligen Kultur zu bezeichnen. Von Zivilisation im eigentlichen Sinne kann man im Mittelalter wohl nicht sprechen.

Und: Wo stehen wir nach Jahrhunderten der Aufklärung und wissenschaftlichen Revolution? Was geforscht wird und wer Mittel erhält, wird vo einer Kaste etablierter Lehrstuhlinhaber entschieden. Eine demokratische Beteiligung bei der Zielrichtung von Forschung findet nicht statt. Eine der wichtigsten Komponenten einer akademischen Karriere sind Beziehungen. In den meisten Ländern sind populäre Darstellungen (Signale aus dem Elfenbeinturm für das gemeine Volk) nicht karriereförderlich. Das gibt den Medien einen guten Hebel, Forschungsergebnisse gründlich zu verzerren. Weiter gibt es eine gute Korrelation zwischen Aufnahme eines Studiums und elterlichem Einkommen. Mit wenigen Ausnahmen sind alle High-Impact-Journale closed access; ein Jahresabo kostet mehrere hundert oder sogar tausend Euro. Heisst: Relativ gesehen zu den Möglichkeiten und Kenntnissen unserer jetzigen Kultur (und Zivilisation) haben wir wenig Anlass besonders stolz zu sein.

Re: Wenn Hacktivisten wie Mönche leben

Verfasst: Sonntag 23. November 2014, 17:22
von Christel
Zum Beginn der Neuzeit kam es zu einer revolutionären Erweiterung der Buchproduktion in Europa. Gleichzeitig verlor das Skriptorium in den Klöstern an Bedeutung.
Nein, die Mönche waren nicht zu faul die Bücher weiterhin mühsam abzuschreiben.
Nein, die Europäer waren nicht vom Glauben abgefallen!

Es lag an zwei Erfindungen:
1. Die maschinelle Massenproduktion von Papier:
Im Mittelalter begann in Europa die maschinelle Massenproduktion von Papier. Wassergetriebene Papiermühlen mechanisierten das Zerkleinern der Ausgangstoffe. Es gab eisenbewehrte Lumpen-Stampfwerke, erstmals bezeugt ab 1282. Papierpressen trockneten das Papier durch Schraubpressdruck.
2. Der Buchdruck mit beweglichen Lettern:
Nachdem um 1440 Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand, konnten Bücher schneller als bisher angefertigt und vervielfältigt werden.

Zuvor gab es nur Handschriften, die durch abschreiben, erneuert, vervielfältigt und so der Nachwelt erhalten blieben.
niels hat geschrieben:Das in den Klöstern (nicht nur die mittelalterlichen) gehortete, aber so gut wie nicht erweiterte, Wissen war (und ist bis heute) alles andere als "Zugänglich" - jedenfalls nicht der Allgemeinheit
Hier würde ich zwischen dem Wissen und den mittelalterlichen Handschriften unterscheiden.
In den Klöstern wurde Wissen in Form von Handschriften gesammelt und durch Abschreiben der Nachwelt erhalten. - Was nicht abgeschrieben wurde blieb nicht erhalten, denn Beschreibstoffe haben nun mal nur eine begrenzte Haltbarkeit.

Das Prinzip ist bis heute dasselbe. So können wir mit Recht annehmen, dass das Wissen, welches in den Klöstern gesammelt und vervielfältigt wurde, der Nachwelt in anderer Form weitergegeben wurde.
Zum Beispiel über die frühen Drucke. Eine solche Sammlung früher Drucke entstand im Spätmittelalter bzw. zum Beginn der Neuzeit u.a. bei Nordhausen im Kloster Himmelgarten (1295- 1525) durch den Prior Johannes Pilearius.
Diese historische „Himmelgartenbibliothek“ ist in Nordhausen der Allgemeinheit zugänglich. Sie steht in der „Flohburg“ dem Nordhausen Museum http://www.nordhausen.de/tourismus/obje ... 78&sortby=
Allerdings sind die Bücher der „Himmelgartenbibliothek“ hauptsächlich in lateinischer Sprache verfasst.

Eine andere Form der Zugänglichmachung für die Allgemeinheit auch mittelalterlicher Handschriften wird durch Digitalisierungsprojekte gestemmt.
Beispiel:
Die Bayerische Staatsbibliothek verwahrt einen großen Handschriftenbestand, den sie nach und nach über das Internet einem interessierten Publikum zugänglich machen möchte. Dieses digitale Angebot wird ständig erweitert. Die Digitalisate werden von Originalen in Farbe oder von vorhandenen Mikrofilmen in bitonaler Qualität bzw. in Graustufen hergestellt.
http://www.digitale-sammlungen.de/index ... cherche=ja